Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.12.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-12-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191112032
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19111203
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19111203
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-12
- Tag 1911-12-03
-
Monat
1911-12
-
Jahr
1911
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Dezuq-Pre!- süe »>d <j»r»i«e d»«ch «»f^, Tröaer und So«»»«,,« r«a> tiiltch in» hau» «edracht »I PI. m»n«tU k-7ö Ml. »iekielisthcl. Bet miler» FUtale» ». >»» »Ltzme^ellen »da<I,»l« 78 PI. „«all, LLMl. ot.NeliäI>kL Durch »i, Puftr innerhalb DeuNchland» und der deutschen Kolonien viettetzohrt. ».« Mt., monatl. 7.2NMt. au.schi. Volidesiellaeld 8rn>«r in Belgien, Dänemark, den Donaullaalen, Italien, icuiemdura. Riederiand« Nor wegen teurrreim - Ungarn. Rußlano. Schweden Schwer» u Spanien. In ollen übrigen Slaalen nur vrrek» durch dt» ü>«ichotr»il«Ue de» Biarre» erbaulich. Da» U«tp,lg», Dogedlat« «rlchetnt rural täglich. Sonn- n ilereriag» nur morgen». Ldonnemenl»-Lnnabm« Iodauurogall« ber unleren Irogenr grirolen. Spedtleurea »ad Lnnatzmelrellen. sowie Poitämteru «>d Brieslrägern. Etat«lo«rtaut»pl»t, ili PI MpMerTagMatt - . -u sl^vsr lNachtuuschlub) ^U-Änschl.! 14 6S» j 14 894 Handelszeitung. Tel.-Änschl. s 14 6SL lN-chkanIchla» k 14 I'D3 i 14 894 Amtsblatt -es Aales und des Notizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prel- flr Intera» au» üerpzia und Umgebung die llpaltrge Pettttetl« SPt.bieAeName- »eil« l Ml. von au»wir<» ZU Pf, AeNamen llv Ml. Inserat» »on VehSrden tm «nt» Uchen Dell dt« PettUeil» SU Pf E«Ichast»an»»tgen mit Plagoorschriften tm Preis« »rbSb« Aadatt nach Taut Berlagegediidr Sesamt- aultag« s Mk. o Tausend erki. PoltgeblltzL Terldeilag« böser. Ieltertellt« Äustraa« können nickt turück» aerogen «erden itür da» Erscheinen an bestimmten Tagen and Plagen wird kein« Garantie Übernommen. Lnrrigen - Ännahme 2od,u»i»aass« bei sämtlichen Filialen u. ollen Annoncen» Erpeditionen de» In» und Luulande». Druck »ad Verla, »»» bischer ch Xlirsten Inhaber Paul klirsten. Nedaktion und Eeschist»st«ll«: 2ohannt»gai1« L Haupt-Filiale Dre»d«n: Eieestrage < l tieleptzon 4LA^ klr. 335 Sonntag, üen z. verember lSll 105. Jahrgang. llusere gestrige Abendausgabe umfaßt 8 Seiten, die vorliegende Nummer 48 Seiten, zu. sammen 56 Seiten. Das wichtigste. * Der Reichstag erledigte am Sonn abend den letzten Teil des Gesetzes über die Privatbeaintenversicherung in zweiter Lesung und nahm dann den Gesetzentwurf über die Ausgabe kleiner Aktien endgültig in 3. Lesung an. (S. bes. Art. Seite 1 und Neichstagsbcr. Seite 9.) * Der Zentralverband deutscher Industrieller, sowie die Zentralstelle zur Vorbereitung von Handelsverträgen und der Verein zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie nahmen gemeinschaftlich Stellung zu den neuen Handelsverträgen. (S. Dtschs. R. Seite 10.) * Bei den Stichwahlen zur braunschwei gischen La n d e s v c r s a m m l u n g wurden die bürgerlichen Kandidaten gewählt. (S. Dtsch. R. Seite 10.) * In Teheran wurde gegen russische Waren der Boykott erklärt. (S. bes. Art. Seite 2.) * Im Gebiet der Zaer (Marokko) wurde ein Angriff auf den französischen Be obach t u n g s p o st e n Mechra Kambarra am Umerrebbia z u r ü ck g e w i e s e n. (S. Letzte Dep. Seite 3.) * Vor Tripolis hat ein neuer Kampf stattgefunden. (S. bes. Art. Seite 2.) Der Reichstag hat üas Wart. Es wird noch einmal im Reichstag über die Beziehungen zu England gesprochen werden. Der Reichskanzler oder der Staatssekretär wird reden. Was werden sie sagen? Vielleicht das folgende: Sie, meine Herren, kennen die Reden der englischen Minister Asquith und Sir Edward Grey. Ich werde dafür sorgen, daß sie in der Ursprache und in deutscher Uebersetzung Ihnen noch vorgelegt und zu den Reichstagsdrucksachen genommen werden; Sie wissen ja, daß auch meine Reden vorn 9. und 10. November dem englischen Unterhause unterbreitet worden sind. Sie ersehen aus der Rede Greys, daß, falls wir in Südmarokko Konzessionen, besondere kom merzielle Möglichkeiten, einen Hafen oder eine Flottenbasis (alles Ausdrücke des Ministers Grey selbst) hätten haben wollen, oder falls wir gegenüber Frankreich auf der Abtretung von Französisch-Kongo bestanden hätten (wieder ein Ausdruck des Ministers Grey), daS englische Ka binett sich entgegengestemmt hätte. Es ist schon gesagt worden, daß die Entsendung eines deut schen Schiffes nach Agadir sich als ein Prüfstein für die freundliche Gesinnung Frankreichs, auf die wir vertrauen, für die wir aber kein sicheres Pfand zu erzielen vermochten, erwiesen hat. Die Entsendung wurde zum Prüfstein für die Ge sinnung noch einer andern Macht. Kreuzer haben ja die Aufgabe, aufzuklären; der kleine Kreuzer „Berlin" mit seinen 3000 Tonnen Raumgehalt hat eine Aufklärungsarbeit ge leistet, wie vielleicht in der Kriegsgeschichte noch keiner seiner neuzeitlichen Genossen oder seiner altertümlichen Vorgänger. Sie haben aus der Rede Greys sicherlich entnommen, daß wir unsere Friedensliebe in glänzender Weise an den Tag gelegt haben. Wir scheuen nicht den Vorwurf, daß unsere Friedensliebe zu weit gegangen sei. Wir müssen so friedliebend sein und werden es weiter sein. Wir werden nie die Angreifer wer den. Wenn ein Krieg kommt, wäre eS ein solcher, der Anforderungen an die Hingabe und die Aus dauer eines jeden unserer Volksgenossen stellt. Da brauchen wir nicht eine Feuergarbe der Leidenschaft, die hoch aufflackert und dann ver lischt; wir brauchen ein stille-, gleichmäßiges Feuer, das dem Herdfeuer gleicht. Immer wird es dem deutschen Volke, daS vor dem Feinde steht, ein tröstliches und ein stärkendes Gefühl sein, daß es der Angegriffen« ist und daß der andere ihm Ruhe und Leben nicht gönnte. Sie meine Herren, werden aus Greys Rede Ihre Folgerungen gezogen haben. Wir haben ohne Leidenschaft gehört, wir haben aber gehört. Mögen Sie nur kommen. So leicht würde es ihnen nicht werden. Hamburg kann man nicht nehmen wie Alexandrien. Die Angelsachsen sind, so haben wir auf der Schule gelernt, aus ihren alten Wohnsitzen übers Meer nach England gezogen. Es sind aber doch wohl nicht alle weggezogen, es sind einige zurückgeblieben. Die Engländer von heute sollten damit rechnen. Das Land, daß man als die Heimat der Zingeln nennt, ist ein Teil des heuti gen, von Wilhelm l. und Bismarck geeinten Deutschen Reichs. Wir sind also Fleisch vom Fleisch der Engländer. Wir sind aber auch Geist von ihrem Geist. Wir hatten die alten Götter gemeinsam, den grübelnden Wotan, die holde Freia, den kämpfenden Donar. Jetzt haben wir gemeinsam den Christengott, der Reinheit, Ge rechtigkeit und Hingabe von uns fordert. Wir verstehen auch ihre Dichter und Denker, voran den Schwan von Avon. So ist es uns denn nicht schwer, englische Minister zu verstehen. Auch unsere Frauen und Kinder haben sie verstanden. Wer jetzt bei uns über" 15 Jahre alt ist, wird cs nicht so leicht vergessen. So guten Unterricht hätten wir, die Väter, ihnen nie zu geben ver mocht wie die englischen Minister und der Kreu zer von Agadir. Mögen Sie nur kommen. Es wird ihnen weder so noch so gelingen, Deutschland aus seiner Bahn zu drängen. „Jungs, holt fast", so sagt man an der deutschen Küste; „Lant it luk", sagt man im Algäu. Es heißt genau das Gleiche. Wir wissen, wofür wir stehen. Nicht für deutsche „Interessen". Scheußliches Wort! Für deut sches Wesen, von dem der fromme Dichter glaubte, daß an ihm noch einmal die Welt ge nesen solle Es mag lein, daß der deutsche Genius sich ein wenig ausruht. Er wird neue Bachs, Kants und Goethes hervorbringen, er wird sie schenken nicht uns, nein, der Welt, auch den Engländern. Dafür stehen wir! So oder so ähnlich sollte gesprochen werden, vom Kanzler oder den Abgeordneten. Und eines sollte nicht fehlen: ein frohe- Lachen. Ueber die Narren, die dem Kanzler nachsagen, er sei zu ernst, und dem Staatssekretär ver übeln, daß er Scherze mache. Nietzsche war es ja wohl, der forderte, wenn Philosophen zusammenkämen, müsse ein frohes Gelächter da bei sein. Als der englische Hauptmann Faber, der die Geschichte von den hundertfünfzigtausend nach Belgien zu werfenden englischen Soldaten erzählte, gefragt wurde, was er zu Greys Ab leugnung (die keine war) sage, soll er hell auf gelacht haben. DaS Lachen sollte ein fröh liches Echo im deutschen Reichstage finden. Wenn vom Kampfe die Rede ist, wird gescherzt. Das ist schon in der Edda so. Und so soll eS bleiben unter germanischen Völkern! Die Versicherung üer prlvstangeltemen in zweiter Lesung »«genommen. (Stimmungsbild aus dem Reichstage.) T Berlin, 2. Dez. (Drahtm.) Abg. Arendt (Reichsp.) hat einen Frak- tionsgcnossen in der Frage der Kleinaktien auf seine Seite gebracht. Abg. Brun st ermann (Reichsp.) war wenigstens bei der heutigen end gültigen Abstimmung als einziger mit ihm auf der Seite der Neinsager zu bemerken; außer den beiden Abgeordneten beharrten in der Geg nerschaft die Wirtschaftliche Vereinigung und dre Sozialdemokratie. Die zweite Lesung der Privatange stelltenversicherung stand bei 8 125, der zu dem Abschnitte über den Tätigkeitsbereich der Rentenausschüsfe, dieser grundlegen den Instanz für die Versicherung, gehört. Die Beratung und Abstimmung vollzog sich ähnlich wie gestern. Die Anträge der Sozialdemokraten wurden abge- lebnt, und einer verständigcrweise nach Klarlegung vom Regierungstische zurückgezogen. Die Kompromisse Schultz dagegen dran gen durch. Außerdem hatten Abg. von Strombeck (Ztr.) und Abg. Behrens (Wirt schaft!. Vag.) je zweimal Erfolg mit ihren An trägen. Doch wollen wir uns für die Voll ständigkeit dieser Aufzählung nicht verbürgen. Mehr als 100 Paragraphen wurden ohne Debatte erledigt; sie enthielten Bestimmungen über die Ueberwachung bei den Arbeitgebern und Ar beitnehmern gemeinsam obliegenden Aufbringung der Mittel, weiter über das Vermögen, da- Ver fahren vor den Rentenausschüssen und den höhe ren Instanzen: den SchiedS- und Oberschieds gerichten, über Wiederaufnahme des Verfahrens, Kosten des Verfahrens, Auszahlungen der Lei stungen, Rechtshilfe, Fristen, Zustellungen, Ge bühren und Stempel sowie Verbote und Strafen. Hier setzte die Besprechung wieder ein. Wie bei ähnlichen Anlässen, so bei dem preußischen Gesetze über die Sicher- beitsleute in den Bergwerken, besteht auf gewisser Seite die Sorge, daß die Freiheit der Angestell te» M her Annahme und Ausübung von ihren Aemtern noch nicht genügend gesichert sei. In Anlehnung an einen in der Kommission von der Sozialdemokratie gestellten Antrag fordert Abg. Potthoff (Vpt.) die Einfügung der Be stimmung, es dürfte während der Dauer eines solchen Amtes ein Versicherter nur aus einem wichtigen Grunde vom Arbeitgeber ent lassen werden. Das wäre unzweifelhaft eine Beschränkung des Vertragsrechts des Arbeit gebers. Dr. Stresemann Mail.) hielt diesen nicht für gangbar. Auch die Organisationen der Angestellten ständen ihm skeptisch gegenüber. In der Abstimmung fiel der Antrag. Vielleicht ge lingt es bis zur dritten Lesung, noch eine andere Formulierung zu finden. Es passierten weiter die Bestimmungen über die ausländische Gesetzgebung, dann die über die privaten Peusionseinrichtungen — Znschust raffen und Ersatzkassen —, an denen die Kommission viel herumgedoktert hat. Hof fentlich ist nun das richtige gefunden. Abg. Emmel (Soz.) freilich ist ein Gegner aller Ersatzkassen geblieben, er will nur die allge meinen Zwangskasscn gelten lassen, nicht be sondere Ersatz! " ( ' Zwangska'sen die günstigeren R Sein Vor chlag ist radikal: Die mungen i „ ' . . wollte die e Mittel nicht anwenden. Äbg. Beh rens (Wirtsch. Vgg.) glaubte noch eine bessere Formulierung für die Beitragspflichtigen der Ar beitgeber Vorschlägen zu können; sein Antrag wurde angenommen, ebenso ein auf den Rainen desselben Abgeordneten gehender Vorschlag zur Abänderung der Bestimmngen über die Knapp schaftsvereine und -kaffen. Nicht lange mehr und man war auch über die Versicherungsverträge mit Lebensversicherungsunternch- munaen, mit der freiwilligen Versicherung, der Abkürzung der Wartezeit und dem Inkraft treten des Gesetzes. 8 389, im Reinen. Damit war die zweite Lesung beendet. In der dritten Lesung sind erheblich« Aenderungen nicht mehr zu erwarten. sondere Ersatzkassen, die sich zum Schaden der Zwangska'sen die günstigeren Risiken aussuchen. ' / ! ganzen Bcstim- ind "zu streichen, die Mehrheit aber Snglsnü unü veutWanü. Don Geheimrat Professor Dr. E Marck s.*s Die Gegnerschaft zwischen England und Deutsch land hat ihre Vorgeschichte. Leit 1818 zeichneten die Umrisse des kommenden neuen Deutschlands sich am Horizont« ab, und die englische Politik har es nicht eben freundlich begrüßt. Die Reibungsfläche bildete von Anfang an Schleswig-Holstein; eine deutsche Stellung zwischen den Meeren war England nicht er wünscht, und bequem konnte ihm weder die Aussicht auf Deutschlands steigendes Wirtschaftsleben, noch auf die Möglichkeit einer deutschen Seegewalt sein, bequem vor allem nicht das Dasein einer starken deutschen Macht überhaupt. Wem von unsern Nach barn hätte die Erhebung dieser Macht an der Stätte der alten deutschen Ohnmacht nicht einen Verlust und Aergerni» bedeutet? Ein kräftiges Italien konnte den Engländern lieb sein, ein kräftiges Preußen- Deutschland war es nicht, und die Schwächung ihres alten Bundesgenossen Oesterreich schädigte sie. 1864 trat Palmerston mit kriegerischen Drohungen für Dänemark ein; der damals jüngere, friedfertige Liberalismus Gladstones widersprach, und England blieb big 1871 neutral; eben damals zog es sich aus der europäischen Politik so weit zurück, als es nur irgend vermochte. Enttäuscht hat es damit freilich beide Parteien, den Franzosen erschien es deutschfreundlich, den Deutschen franzosenfreundlich. Seit 1871 erhob sich das neue Reich zu einer Art von Vormachtstellung auf dem Kontinente. Es war nicht gegnerisch gegen England und wurde so wohl auch nicht angesehen, aber es noch höher wachsen zu lassen, wünschte England nicht; es glaubte Frank reich gegen weiteren deutschen Druck stützen zu sollen. Alsbald nach dem Kriegslärm von 1875 ver schärfte sich, über den Balkanwirren, Englands Ver hältnis zu Rußland; Deutschland wurde nur noch wichtiger, aber darum nicht behaglicher für England. Den Liberalen war der feste und einigermaßen harte Machtstaat des eisernen Kanzlers nicht angenehm, ihre innere Sympathie gehörte dem republikanischen Frankreich; Bismarck hat ihnen di« Abneigung heim gezahlt und ihr« Führer mißachtet. Ich wiederhole nicht, was ich im Zusammenhang« des englisch-russi schen Gegensatzes früher über diese Phase der Be ziehungen Englands zu Deutschland gesagt habe: sie führte Deutschland mehr als einmal nahe an Eng lands Gegner heran, sie li«ß es im Grunde auch wie der mit England in tatsächlicher Interessengemein schaft zusammenstehen, zumal mit dem England der Konservativen: vor allem aber hat Bismarck, so sehr er englisches Wesen lebenslang geliebt hat, seinem Staate in jedem Augenblicke die unabhängigste Be wegungsfreiheit gewahrt. Di« Reibungen um Afrika aber blieben England unvergessen, das neue Deutsch land ihm unheimlich nicht nur als kontinentale, auch als werdende Weltmacht, und es wurde ihm stets kühlbarer und in so mancher Hinsicht unbequemer mit jedem Wachstum seiner Industrie- und Handelskraft. Ich habe von den Umwerbungen, den Schwankungen nach 18K0 gesprochen; sie führten schließlich nur zu steigender Gereiztheit beider Teile, und seit der 1895er Annäherung des Reiches an den Zweibund brach die Feindseligkeit bitter heraus Es kam das Krüger- Telegramm vom Jahre 1896, die glühende Partei nahme der deutschen Stimmung im Burenkriege, die deutsch« Flottenbewegung, die ihre Schlagworte nicht Diese Betrachtungen entnehmen wir der soebe» er- schienenen prächtigen Sstay-rammlung de« bekannten Bio- graphen Kaiser Milhelm» unb piemarck» «Männer und Zeiten, -»erlag von Quelle L Meyer, 2 Bände 12 Dieser Sud schnitt au» dem Essay »Die Einheitlichkeit der englischen »ua- lanbspolitte' ist »och vor dem Marokko-gonslikt niederge- schriebe» u»t «st gerade ^gemockrttg oo» besoudercm Juteresse. immer vorsichtig abwog. Es kam die Niederlage Frankreichs, der stille Kampf mit Rußland, und Deutschland hielt sich zwischen den Lagern. In jenen Jahren ist die geg.useitige Eistrsucht und das gegen seitige Mißtrauen immer schärfer, der Blick Englands für die Weltstellung Deutschlands, die politische wie die wirtschaftliche, und für die Unfreundlichkeit der deutschen öffentlichen Meinung immer empfindlicher geworden. Von üen neuaufgestiegencn Weltmächten, die Englands Träume störten, war Deutschland die England nächste, näher als die im Grunde wohl ge fährlichere der Vereinigten Staaten, unmittelbarer unbequem und unmittelbarer faßbar. Wie hat sich schon damals der Gegensatz unserer beiden Völker in Presse und allgemeiner Anschauung zugespitzt bis zu immer wiedcrkehrender Sorge vor Krieg; längst sind Erregunq und Feindseligkeit in England bei weitem lauter, heißer, ja fiebrig nervöser geworden als je mals bei uns. Seitdem ist das letzte eingetrcteik: der Zusammen bruch Rußlands. Unü mir stehen unter dem frischen Eindrücke einer Kette von Erscheinungen: der Per sönlichkeit und Politik König Eüuards VH., des starken Fortschrittes üer imoerialistischen Ideen, der Arbeit für den Zusammenschluß und den Abschluß des Größeren Britanniens; sicherlich hat die konservative Strömung sich innerlich immer voller üurchgesetzt, die alte konservative Ueberlieferung der Macht, der Staats- und Flottengewalt, der auswärtigen Gewalt auch die Gegner zum guten Teile durchdrungen und das zwanzigste Jahrhundert an das achtzehnte ange knüpft. Auch der Eegenschlag des liberalen Wahl sieges von 1906 hat die auswärtige Politik nur um einige Grade abgekühlt, aber ihr Wesen keineswegs verändert, die Leitung blieb imperialistisch und aggressiv, und Sir Edward Grey hat wenig anders gehandelt als Lord Lansdowne hätte handeln können. Ueberall aber die Menge auswärtiger Erfolge: im tieferen Asien di« Ausnutzung der russischen Nieder lage, in Vorderasien und Europa die Wendung überall gegen Las Deutsche Reich. Ich bilde mir nicht ein. hinter die Kulissen zu blicken, aber einiges wißen wir alle; dieses Aufgebot der Kontinentalstaaten — Frankreichs. Spaniens. Ita liens, Rußlands, niemand bezweifelt, gegen wen. Wir hören von Werbungen um Oesterreich. Ich habe Absichten und Aussichten des Versuchs der „Ein- kreisung" nicht zu prüfen: aber das springt in die Augen, wieder sind wir auf dem vertrauten Badender uralten politischen Methode Englands! Jahr um Jahr seit 1904 hat sie ihre Kreise gezogen; wir haben die Gegenwirkungen Deutschlands aespürt, zuletzt den großen Gegenstoß des Winters 1908/09, den weiten und heißen Kamps, der sich an di« Balkankrise, an die Weigerung Oester reichs. Deutschland aufzugeben, an den Wunsch, Oesterreich für dieses Nein zu bestrafen, anschloß. Wir haben den englisch-russischen Angriff an der Einigkeit und der Waffenmacht der beiden Zentral mächte zerschellen sehen: Deutschland hat der Tripel oder Quadrupelentente ihr« innerliche Unheitlichkeit und Gegensätzlichkeit, ihre Unfähigkeit zur Tat dies eine Mal praktisch sehr klar rr<l tonlos demonstriert und sich selber behauptet. Der Eindruck des Ereig nisses wa,r groß; ob cs Früchte trägt, werden wir sehen. Die Krisis üer ölterreichilchen Armee. Während die ungarische Regierung zu keinem Entschlüße kommen kann, ob sie die Obstruktion des Reichstages gegen die Rekrutenvermchrung durch Staatsstreich orechen oder durch Neuwahlen beugen oder endlich — sich selber löblichst unterwerfen soll, ist von einer anderen Seite ein Gewitter heraufge zogen. Ein Blitz ist niedergefahren und hat — leider kein schuldiges Haupt, sondern den tapfersten Befür worter des militärischen Fortschrittes erschlagen. Der Generalstabschef Conrad v. Hötzendorf liegt nach fünfjährigem Ringen gegen feindliche Ge walten niedergeworfen auf dem Boden. Es mochte den Soldaten an Leib und Seele ver drießen, wie ängstliche Scheu vor parlamentarischen Kämpfen dies- wie jenseits der Leitha seit langen Jahren die Hoeresstürke in jenen engen Rahmen bannte, den nach Oesterreichs beiden Unglückskriegen die Rücklicht auf die elenden Finanzen aufgezwunaen hatte. Forderte doch nicht allein der Selbstschutz des auf drei Seiten von offenen oder verkappren Fein den umringten Reiches die volle Entwicklung feiner kriegerischen Kräfte, sondern moralisch auch die Pflicht gegen den Verbündeten, der noch vor drei Jahren mit „Nibelungentreue" sich bereit stellte, den Freund mit dem Aufgebot seiner gesamten Wehrmacht zu unterstützen. Eine solche Hilfe darf mit gutem Gewißen erst angenommen wer den, wenn daheim alles geschehen ist, um die unmittel baren Blutopfer des Freundes für die fremde Sache auf das geringstmögliche Maß zu beschränken. Aber fast noch dringender als die Verstärkuna der Fncdcnspräsenz und der Ausbau der militärischen Volkserziehung erschien die Fortentwickelung des Be - festigungswesens. Mochte sie in dem spionen- durchzogenen Galizien im ganzen abgeschloßen sein: an der Südqrenze war sie vernachlässigt, weil man zwanzig Jahre sich in den Wahn eingelullt hatte, daß drüben versöhnte Freunde wohnten. Unmittel bar vor Hötzendorfs Amtsantritte war zu Alge- cirasder Unarund dieser Annahme erwiesen. Wer'» noch nicht glaubte, mochte die Parlamentsreden de« Montecitorio, mochte die Militärliteratur Italien« nachlesen. Der neue Generalissimus forderte 100 Mil lionen: die vor Tschechen und Madjaren zitternden Minister hatten nur ein verlegenes Lächeln. Der ziemlich gleichzeitig ins Amt getretene neue Minister des Auswärtigen aber verbal sich allen Ernstes Störungen seiner vorsichtig tastenden Politik, welche noch immer an der Hoffnung fefthält. daß der halbverlorene dritte Dreibundsbruder auf halbem Wege seiner Verirrung umkehrt, ehe die Trei ber der Triple-Entente ihn auf immer von seinen jugendtörichten Selbständigkeitsgelüsten ernüchtert haben werden.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite