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22. Deeember 1854 Nr ss» Deutsche Allgemeine Zeitung au». gegeben. 7o rsasj -Wahrheit und Recht, Freiheit und Sesehl» in Wien mitgetheilt worden sind. Die Furcht vor der Interpretation und Präcision herrscht aus diesem Grunde in neutraler Umgegend lebhaft vor. Dies Alles schließt ein endliches Hinzutretcn Preußens zum Decembervertrag im letzten Augenblick natürlich noch immer nicht aus. Bei der Notifikation des Vertrags am 16. Dec. wurde Alles vermieden, was einer Sommation gleichen konnte. Die Miklheilung erfolgte nicht nur einzeln durch die drei Gesandten, mit Vermeidung der collectiven Form, sondern man übergab auch keine Noten. Die Gesandten drückten mündlich, jeder in einzelner Conftrenz, den lebhaften Wunsch ihrer Regierung auS, Preußen zustimmen zu sehen. Eine bald darauf übergebene Depesche wiederholte diesen Wunsch in rücksichtsvollster Weise von Seiten Frankreichs. Daß auch aus Wien eine solche eingetroffen, wird in der politischen Welt als wahrscheinlich an gesehen, obgleich Bestimmtes nicht darüber bekannt geworden. ^Berlin, 2O.Dec. Der Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen, welcher vorgestern hier eingelroffcn ist, gehl heule mit vertraulichen Aufträgen des Königs an den französischen Hof ab. E« ist nicht richtig, von einer außerordentlichen Mission in diesem Falle zu reden; das verwandtschaftliche Verhä'ltniß, in welchem der Fürst von Hohenzollern zu unserm Königshause und zu dem Kaiser der Franzosen steht, läßt keine andere Bezeichnung des Zwecks dieser Reise zu, als daß es sich dabei uni hochwichtige vertrauliche Darlegungen handle, welche eben nicht im gewöhnlichen oder außerordent lichen diplomatischen, sondern nur im persönlichen Verkehr der Herrscher ge geben werden. Ob die Mission des Generals v. Willisen nach London, von welcher mehrseitig die Rede ist, zustande gekommen, ist bisjetzt unentschie den; es schrint fast, als habe man davon Abstand genommen, schon um deshalb, weil die Entsendung dieses Generals eben nur einen diplomatischen Charakter würde haben können. Wir deuteten bereits im letzten Briefe an, daß man hier an maßgebender Stelle keineswegs einem Beitritt zu dem (nun mehr überreichten) Vertrage vom 2. Dec. sehr geneigt sei. Die von den officiösen Organen genährte Aussicht auf das Zustandekommen eines „mä ßigen" Friedens scheint nur noch wenig für sich zu haben. Dagegen wünscht man hier auch nicht, gewissermaßen als Appendix von Oesterreich, in einen Krieg verwickelt zu werden. Wir glauben recht berichtet zu sein, wenn wir annehmen, die vertrauliche Mission des Fürsten von Hohenzollern habe we niger die Erwirkung von Rußland günstigen Interpretationen der vier Punkte als die Feststellung von Bedingungen zum Zweck, unter denen Preu ßen, ohne von Oesterreich abhängig zu sein, dem Bündniß beitreten könne. Es hat hier tief verletzt, daß Oesterreich über den Vertrag vom 2. Dec. bis kurz vor dem Abschlusse desselben geschwiegen und daß Graf Esterhazy erst am Abend des 30. Nov., nach Eröffnung der Kammern, einige allge meine Andeutungen über das Bevorstehende gegeben. Man wird eS daher begreiflich finden, daß augenblicklich in officiellen Kreisen von einem Beitritt zum Vertrag bisjetzt noch nicht die Rede ist.— Der als Publicist bekannte Joel Jacobi, seit Jahresfrist Chef der Preßcentralstelle im königlichen Po lizeipräsidium, hat von dem Herzog von Sachsen-Altenburg das Civilver- dienstkreuz erhalten. t Berlin, 20. Dec. Es möchte wol nicht zu erwarten sein, daß in Betreff des Beitritts Preußens zum Vertrage vom 2. Dec. ein be stimmter Beschluß gefaßt werde, bevor das Ergebniß der mit England in der jüngsten Zeit gepflogenen Unterhandlungen vollständig vorljegt. 'Wie eS heißt, ständcn sich in den hiesigen hervorragenden und leitenden Kreisen noch zwei Meinungen gegenüber, von denen die eine die Neutralität Preu ßens, und die andere den Anschluß an den Vertrag vom 2. Dec. für den sichersten Weg für Preußen erachte. Man will in hiesigen namhaften Krei sen wissen, daß im Auswärtigen Amte mehr die Meinung für den An schluß an den Vertrag Oesterreichs und der Westmächte ihre Vertretung finde. Man glaubt daher auch, daß diese Meinung schließlich das Ueber- gewicht erlangen werde, zumal die Wucht der Verhältnisse ihr als mächti ger Bundesgenosse zur Seite steht. Zu verschweigen möchte es jedoch nicht sein, daß die oben bezeichnete andere Meinung sehr hervorragende und ein- flußreiche Vertreter im preußischen Cabinet haben soll, sodaß es noch keines- wegs als völlig entschieden erachtet werden kann, nach welcher Seite hin das Zünglein der Wage sich wenden wird. Weil aber die Dinge einstwei- len hier noch in dieser Weise stehen, so sieht man mit der gesteigertsten Spannung der Endentscheidung des hiesigen Cabinets entgegen, deren in- haltschwere, tiefe und in alle Verhältnisse eingreifende Bedeutsamkeit Jeder fühlt. Als vorwiegende Ansicht der hiesigen Schichten der Gesellschaft kann bezeichnet werden, daß eine gemeinsame Verbindung der vier Großmächte, Rußland gegenüber, das sicherste und schnellste Mittel sein würde, den Frie den Europas auf fester und dauerhafter Grundlage wiederherzustcllen. Was den Beitritte Preußens zum Vertrage vom 2. Dec. betrifft, so ist als be- mcrkenswerth hervorzuhebcn, daß derselbe von Vielen auch aus dem Grunde gewünscht wird, weil dadurch Preußen sich in den Stand setze, auf eine 4«a Pro- »let beffer um» nimm »m» Alle «»n dem >t bedun- »ju g«ge- «l« hoch mg des Achte den e größere »ohmate- mr thell- viele thweudlg t würden >e zusam- trete». — erlust zu er« Auf- so lang- dea gro. ertnger Preis für da« Virrtel- Ar I/. Thlp.; jede ein- zelne Stummer 2 Ngr. Freitag. Die Zeitung erscheint mit Au«nnhmede« NtvutagSUäattch und wird Zu beziehen durch alle Postämter de« In!- Mtd Auslande«, sowie durch die Expedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). lP»s-rti»»«ge»ühr für den Naum emerZeile 2 Ngr. enken an md« gar lcht oft cht ae- m gesagt hältniffe Ktbrik- e stehen, l uneiU» der Ge- läher zu Kactore >er Ünt- »rottung »erhaupt hl tüch- in dem ie große . ist of- zeit und rr Aus- ie Kauf- rworfen > in al- äudiges l. 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Fesselung Oesterreichs an die vier Punkte, Fesselung seiner Schritte an den schwerfälligen Mechanismus des Bundes. Und nun soll, weil der Decembervertrag schön angelegte Gewebe zerriß, I ekgentlich schon zerrissen hatte, als sie ihre ersten Fäden knüpften, dasselbe D Oesterreich als ein bedingungslos .an die westlichen Entschließungen geknüpft I ter Vasall hingestellt, soll der Glaube verbreitet werden, Oesterreich habe D dem» Abschlusse de« Vertrags den Sinn gar nicht gekannt, in welchem es sich mit hyn Westen für die vier Garantien verbände. Man möchte glau- D dtp. lassen, daß sich Oesterreich, daß endlich Deutschland «für die puren Bortheile Fremder sich auf den Kampfplatz schleppen lasse». Woher jedoch dieser Ausdruck? Einem ungeschickten, von der gesammten deutschen Presse scharf gezüchtigten TimeS-Artikel enthoben. Aber enthoben und in die De- M ductipn verwebt, als wären «S Worte eines diplomatischen Aktenstücks. Warum? Um dir öffentliche Meinung gegen den Westen aufzustacheln, um mittelstaatlicher Lust am Contrecarriren energischer Maßregeln gegen Rußland einen patriotischen Anstrich zu geben. Stellt man sich doch sonst in jenen Regionen, denen offenbar diese Expektoration entstammt, als sei D die Stimme der Presse das verächtlichste Ding von der Welt. Soll uns nunmehr ein Wort auS dcr Officin der Times plötzlich zur Richtschnur deut scher Politik in der europäischen Krisis werden? Weil ein Zeitungsschrei ber Oesterreich und Preußen gegen Rußland «schmählicherwcise auf den Kampfplatz schleppen» zu wollen drohte, soll sich Deutschland von der ener- I gischen Fortführung der Vertheidigung der europäischen Unabhängigkeit zu- M rückziehen und die Waffenbereitschaft gegen den Westen kehren, Rußlands D Bündner werden ? Ja allerdings, eS hat eine Zeit gegeben, wo in offiriel- len Dokumenten ziemlich dieselben Elemente, in deren Interessen jener Ar- I tikel schreibt, von Rußland in gleicher Weise, fast mit denselben Worten D 'bedroht wurden. Oder hat man jene Ansprache des Kaisers Alexander aus V Kalisch an Deutschlands Stämme vergessen? Dort hieß es: «Noch kann Furcht eure Fürsten beherrschen, mag kein beklagenöwerther Gehorsam euch I Wrssckhaltey.... Beharren sie bei ihrem traurigen System der Untcrwer- i fung, so muß die Stimme aller ihrer Unlerthancn ertönen. Mögen sie jene I Fürsten in Schmach und Unglück stürzen, zum Ziele des NuhmS und der Rache schleppen.» Freilich fügte Alexander damals hinzu: «Der Kaiser I aller Reußen steht, da er allen fremden Einfluß vernichtet zu sehen wünscht, I :,in keinem andern Verhältnisse zu dem wiedergeborenen Deutschland als in dem: eine schützende Hand über ein Werk zu halten, dessen Gestaltung ganz allein den Fürsten und Völkern Deutschlands anheimgestellt bleiben soll.» I GaNz die liebevolle Sprache der Neffelrode'schen Depesche vom 6. Nov. 185ä." Preußen. Berlin, 20. Der. Wie ich Ihnen in meinem gestri- I .^gen Schreiben von 9 Uhr Abends mittheilte (siche die gestrige Nummer dieser Zeitung)^ hat die Mission des vorgestern Abend mit einem autogra phischen Briefe des Königs an die Königin Victoria abgereistcn Hrn. v. Usedom Unterhandlungen wegen einer fpecitllen Allianz Preußens mit den Westmäch- /en neben dem Decembervertrage zum Zweck. Wenn man von dem Erfolg ojH- Schritt« absieht, darf Mit Rücksicht auf die Wahl dieser Persönlich keit,-it Mission im liberalen und dem Westen befreundeten Sinne erklärt werden. Nach unsern Nachrichten wäre keine andere Wahl für Paris ge- , troffen (s. jedoch unter Berlin), sodaß sich Hr. v. Usedom nach der Beendigung feiner Mission in London auch nach Paris begeben würde. Die- hängt aber vielleicht theilweise von dem Gelingen der ersten Mission ab. Es ist andererseits noch nicht klar, ob Hr. v Usedom, sollte der Ver such einer speciellen Allianz neben dem Decembervertrage erfolglos bleiben, vielleicht auch beauftragt ist, eine andere Form für den noch immer unge wissen Anschluß Preußens an den Decembrrvertxag in Vorschlag zu brin ge». Der Oberstlieutenant v. Manteuffel hat sich, wie man hört, auf lden Wunsch seiner politischen Freunde nach Berlin begeben. Auch Hr. v. BiSmark-Schönhausen wird hier erwartet. Preußens Anschluß an den Detembervertrag wird noch .immer lebhaft bekämpft. Die ganze „neutrale Seite ist von Angst und Sorge um die Interpretation der Garantien er- füllt, die als eine nothwendigc Folge des Vertrags betrachtet wird. Ist auch über die Interpretation noch kein förmliches Instrument vorhanden, so steht doch zuni mindesten fest, daß die bindenden Verabredungen, die neuer- -dings zwischen London und Paris in dieser Beziehung stattgefundcn haben,