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zunächst ablehnend gegenüber. Doch bald trat das strahlend-optimistische Werk, die erste reife künstlerische Leistung des jungen Komponisten, seinen Siegeszug durch die Konzertsäle der Welt an. „Dieses Konzert kann wahrhaft als glänzend bezeichnet werden, glänzend sowohl durch den Charakter seiner Themen wie auch durch die Anlage des Klavierparts, der reich ist an unzähligen und ungewöhn lichen Schwierigkeiten, dabei aber interessant und ansprechend. Prokofjews Kon zert ist eines der originellsten Werke in der Literatur der Klavierkonzerte", urteilte der sowjetische Komponist Nikolai Mjaskowski. „Prokofjew hat das Konzert als einsätziges Werk in Sonatenform geschrieben, hinzu kommen jedoch einige Veränderungen, deren Resultat eine Interpolation des sinfonischen Zyklus in die Sonatenhauptsatzform ist. So ergeben sich folgende Abschnitte: Zunächst erklingt eine Introduktion (Allegro brioso) — mit dem ersten Thema, das in seinen festlich optimistischen Klängen und der stolzen Gestik als Motto für das ganze Werk zu verstehen ist. Dem folgt eine Überleitung (Poco piü mosso), in der das Soloinstrument etüdenartig zur ersten virtuosen Entfaltung ge führt wird, und erst dann setzt die eigentliche Exposition ein. Das Hauptthema ist als schneller Tanz geprägt, der Tarantella oder dem Saltarello verwandt, seiner konzertanten Entwicklung sind verschiedene virtuose Raffinessen eingefügt, von Skalen- und Terzenketten bis zum offensichtlich dominierenden Oktaven- und Akkordspiel. Im Gegensatz dazu prägt die Intonation eines Trauermarsches den Seitensatz (Meno mosso). Weite Intervalle gestischen Charakters und ornamen tale Ausweitungen bestimmen den Solopart und fügen sich zunächst in den Trauermarsch ein, werden dann aber zu einem Animato gesteigert, bis das Tutti wieder zum Thema der Introduktion zurückkehrt und damit die Exposition be schließt. Nach einer Generalpause würde man nun die Durchführung erwarten, es folgt jedoch ein Andante assai mit selbständigem Thema. Es steht hier (im Sinne der zuvor angedeuteten Verschachtelung von Sonate und sinfonischem Zy klus) anstelle eine langsamen Satzes, in der Gestaltungsweise einem Nocturno ähnlich. Die Musik ist von höchster lyrischer Intimität und angefüllt mit virtuosen Verdichtungen. Im Interesse der exakten Interpretation hat der Komponist den Klavierpart teilweise auf drei Linien notiert. Nun erst folgt die eigentliche Durch führung im Allegro scherzando. Tänzerische Elemente beherrschen die Verarbei tung des Haupt- und des Nebenthemas, so daß man den Durchführungsteil auch als ein sinfonisches Scherzo betrachten kann. Der weitere Verlauf entspricht dem konventionellen Schema: zwischen Durchführung und Reprise erklingt die Solo- Kadenz, die Reprise selbst wurde geringfügig variiert, und als Koda erklingt noch einmal die Musik der Introduktion, die in den letzten Takten als bravouröse Stretta das Werk beschließt" (A. Brockhaus). Ludwigvan Beethovens Rondo für Klavier und Orchester B-Dur op. posth. entstand wahrscheinlich um 1795, also im 25. Lebensjahr des Komponisten, der vermutlich dabei auf Vorarbeiten aus seiner Bonner Ju gendzeit zurückgegriffen hat. Möglicherweise, obgleich dies nicht mit Sicherheit zu behaupten ist, war das Stück ursprünglich als Schlußsatz des Klavierkonzertes Nr. 2 op. 19 bestimmt, mit dessen Rondofinale es in Tonart, Taktart C‘ 8 ) und Orchesterbesetzung — Streicher, Flöte, je 2 Oboen, Fagotte und Hörner — über einstimmt. Die autographe Handschrift, die 1827 bei der Versteigerung des Beet hoven-Nachlasses in private Hand gekommen war und 1829 als Stichvorlage für den Erstdruck gedient hatte, galt jahrzehntelang als verschollen und wurde erst 1898 in Diabellis Nachlaß in Wien wieder aufgefunden. Der österreichische Pianist und Klavierlehrer Carl Czerny, Schüler Beethovens, hatte 1829 die Druckreif- machung des Manuskriptes besorgt, d. h. die Kadenzen hinzugefügt und das in der Handschrift z. T. nur angedeutete Passagenwerk ausgearbeitet. In dieser Ge stalt erklingt das frohgemute, brillante Konzertstück in Rondoform in unserer heutigen Aufführung. Die 4. Sinfonie in B-Dur op. 60 komponierte Beethoven im Jahre 1806 und brachte sie im März 1807 neben anderen eigenen Schöpfungen in Wien zur Uraufführung. Der Meister war zu jener Zeit — trotz der Enttäuschungen, die er mit seiner einzigen Oper „Fidelio" eben erlebt hatte —, „heiter, zu jedem Scherz aufgelegt, frohsinnig, munter, lebenslustig, witzig, nicht selten satirisch", wie uns sein Zeitgenosse Seyfried überlieferte. Seine auch nach Mißerfolgen un gebrochene Schaffenskraft und jene geschilderte Stimmung haben sich in der „Vierten", die in relativ gedrängter Zeit entstand, niedergeschlagen. Die Sinfonie weist durchweg eine inhaltliche Helle, eine heitere Atmosphäre auf, die von Haydn und Mozart gewiß nicht unbeeinflußt ist, obwohl Beethoven auch in diesem Werk - nach der Eroica — eine neue Stufe seiner Entwicklung erreicht hat, die sich etwa in der diffizilen Harmonik und der inhaltlichen Klarheit offenbart. Der Aufbau der 4. Sinfonie ist locker, fast improvisiert, sie strotzt vor musikalischen Einfällen, die den Eindruck optimistischer Lebenshaltung erzeugen. Nur selten einmal werden' Schatten beschworen, Hintergründe gesucht. Geheimnisvoll wirkt zunächst die Adagio-Einleitung des ersten Satzes, aus deren verschwebend-erregenden Klängen sich plötzlich in frischem Allegro-Vivace- Tempo das heiter-bewegte Hauptthema mit seinem Trioienauftakt herauslöst, das für den Satzablauf bestimmend wird. Dem reizvoll-beschwingten Spiel mit diesem Thema werden noch zwei Seitenthemen in F-Dur, durch Holzbläser vorgeführt, bei gegeben, die im Gefolge mit dem Hauptgedanken die urmusikantische Stimmung der Durchführung vorantreiben. Keine Konfliktsituation kommt auf. Doch allmäh lich weicht die Turbulenz der Entwicklung einer Episode inniger Ruhe und Schön heit. Auf schwebenden H-Dur-Harmonien scheint die Bewegung zu Ende zu sein. Doch über einem sich steigernden Paukenwirbel fängt das Spiel mit dem Haupt thema noch einmal an und wird zu einem glanzvollen Schluß geführt. Der melodisch-empfindungsvolle langsame Satz, ein Adagio in Es-Dur, wird von zwei Themen getragen. Dem Hauptthema, in den Violinen erklingend, schließt sich ein schwärmerischer Seitengedanke in den Klarinetten an. Unbeschreiblich friedvoll, traumhaft, sphärisch rein mutet dieses Adagio mit seiner differenzierten Dynamik und der eigenartigen Instrumentation an. Der Einbruch des Leides in diese glückhafte Welt wird überwunden. Typischen Scherzocharakter besitzt der dritte Satz, Allegro vivace, mit seiner rhyth mischen Ursprünglichkeit, der Derbheit seines Ausdrucks. Das Trio verarbeitet eine verspielt-heitere Ländlerweise, die in den Holzbläsern angestimmt wird. Lebens sprühend, wirblig gibt sich das Finale, Allegro ma non troppo, das zwar in Mo- zartschem und Haydnschem Geiste entworfen, doch in vielen Schroffheiten den typischen Beethoven erkennen läßt. Ruhelose Sechzehntelbewegungen charakte risieren das markante erste Thema, volksliedhafte Melodik das zweite. Welch ein Spiel mit Motiven, Stimmungen und Steigerungen! Welch meisterlicher Humo^ durchpulst diese PartiturI Man achte auch auf die Überraschungen des Schlußteils mit seinen Orchesterschlägen und Generalpausen. Mitreißend im wahrsten Wort sinn ist dieses Sinfonie-Finale. Dr. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNGEN: Sonnabend, den 25. April 1970, 20 Uhr, Kulurpalast Einführungsvortrag 19 Uhr Dr. Dieter Härtwig 8. ZYKLUS-KONZERT Dirigent: Heinz Bongartz, Dresden Solist: Günter Kootz, Leipzig, Klavier Chor: Philharmonischer Chor Dresden Anrecht B Wir bitten Sie zu beachten, daß in der Spielzeit 1970/71 vier Konzerte in der Reihe B nicht an Sonnabenden stattfinden können. Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1969/70 — Chefdirigent: Kurt Masur Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: veb polydruck, Werk III Pirna 111-25-12 1,6 It 009-36-70 (•Hlharnnoni 7. ZYKLUS-KONZERT 1969/70