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Blatt Amts und des StadtraLhes des Königs. Amtsgerichts Wutsnitz Erscheint: Mittwoch und Sonnabend. Inserate sind bis Dienstag u. Freitag, Borm, 9 Uhr aufz,-geben. Preis für die einspaltige Cor- puSzeile (oder deren Raum) 10 Pfennige. Geschäftsstellen bei Herrn Buchdruckereibes.P a b st in Königsbrück, in den An- noncen-Bureaus von Haasin« stein L Vogler u. „Jnvalidkn- dank" in Dresden, Rudolph Mosse in Leipzig. Als Beiblätter: 1. Illuffr. Sonntags- k>latt (wöchentlich), r. Dine landrvirth- s schaftörche Weitage (monatlich). Abonnements - Preis: Vierteljährl.1M.25 Pf. Auf Wunsch unentgeltliche Zusendung. chchenL// Pulsnitz, Königsbrück, iladebrrg, liadcburg, Moritzburg mid Umgegend Druck und Verlag von E. L. Förste r's Erben in Pulsnitz. Mnsundvierfigstev Jahrgang. Verantwortlicher Redakteur Gustav Häberlein in Pulsnitz. Mittwoch. 8. Februar 18S3. Bekanntmachung, Hundesperre betreffen-. Da der am 26. Januar d. Js. in Großnaundorf verendete, bei der vorgenommenen Untersuchung als tollwuthkrank befundene Hund sich auch in Meißnisch-Pulsnitz umher- getrieben hat, so wird hiermit in Gemäßheit der Bestimmungen in Z 37 und 38 des Reichsgesetzes vom 26. Juni 1880, die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen betreffend, in Verbindung mit tz 25 und 26 der Verordnung zur Ausführung dieses Gesetzes vom 9. Mai 1891 auch für den hiesigen Stadtbezirk die Festlegung aller Hunde (Ankettung oder Einsperrung) auf die Dauer von 3 Monaten, nämlich von jetzt bis mit 26. April d. I. sowie die sofortige Tödtung aller derjenigen Hunde und Katzen angeordnet, rücksichtlich welcher der Verdacht vorliegt, daß sie von dem wuthkranken Hunde gebissen worden sind. Der Festlegung gleich zu achten ist das Führen der mit einem sicheren Maulkorb versehenen Hunde an der Leine; das Anlegen des Maulkorbes allein, sowie das Führen der Hunde an der Leine ohne Maulkorb genügt nicht; nur das gleichzeitige Anlegen des Maulkorbes und Führen an der Leine ersetzt die Festlegung. Ohne polizeiliche Erlaubniß dürfen während der Dauer der Hundesperre Hunde nicht aus dem Stadtbezirk ausgeführt werden. Die Benutzung der Hunde zum Ziehen ist unter der Bedingung gestattet, daß dieselben fest angeschirrt mit einem sicheren Maulkorb versehen und außer der Zeit des Gebrauchs festgelegt werden. Die Verwendung von Hirtenhunden zur Begleitung der Heerde, von Fleischerhundrn zum Treiben von Vieh und von Jagdhunden bei der Jagd wird unter der Bedingung gestattet, daß die Hunde außer der Zeit des Gebrauches (außerhalb des Jagdreviers) festgelegt oder mit einem sicheren Maulkorbe versehen an der Leine geführt werden. Hunde, welche vorstehenden Bestimmungen zuwider innerhalb des Stadtbezirkes frei umhertaufend betroffen und dabei weggefangen werden, werden unter Umständen sofort getödtet; außerdem wird der Besitzer des Hundes mit Geldstrafe bis zu 150 Mk. —- oder entsprechenden Haft belegt. Bei Vermeidung gleicher Strafe sind die Besitzer von Hunden verpflichtet, vom Eintritt verdächtiger Erscheinungen, welche den Ausbruch der Tollwuth bei ihren Thieren befürchten lassen, oder wenn ihnen ein Hund entweichen oder sonst abhanden kommen sollte, sofort und spätestens binnen 24 Stunden bei dem unterzeichneten Stadtrath Anzeige zu erstatten. Wissentliche Uebertretungen der vorstehenden angeordneten Vorsichts-Maßregeln werden nach ß 328 des Reichsstrafgesetzbuchs mit Gefängniß bis zu einem Jahr bestraft.MZur Untersuchung und Urtheilung derartiger Fälle ist das betreffende Amtsgericht zuständig. Schließlich wird das Mitbringen von Hunden in die zum Berkehr des Publikums bestimmten, in der inneren Stadt gelegene» Gast- und Schanklocale bei Vermeidung einer Geldstrafe bis zu 150 Mk. —- oder entsprechender Haft für die Zukunft verboten Pulsnitz, den 2. Februar 1893. Der Stadtrath. , Schubert Brgrmstr. Oeffentliche TanMusikUr Fastnacht betreffend. Die tanzberechtigten Schänkwirthe des Bezirks werden hiermit zur Vermeidung der in tz 20 des Tanzregulativs angedrohten Strafe auf genaue Befolgung der Bestimmungen in 2 des Tanzregulativs vom 22. September 1890 aufmerksam gemacht. Zu Begegnung von Mißverständnissen wird zu Z 2 unter 5 des Tanzregulativs noch besonders hervorgehoben, daß, wenn die Jugend in herkömmlicher Weise am Sonntage vor Fastnacht öffentlich Tanz abgehalten hat, ihr nicht gestattet ist, am Tanze am Fastnachtsdienstage (Männerfastnacht) Theil zu nehmen; ebenso unzulässig ist es, wenn die Jugend etwa am Fastnachts-Dienstage allein tanzt, nachdem sie schon am Sonntage zuvor getanzt hat. Der öfters gebrauchte Vorwand, daß die Verheiratheten auf Abhaltung der Männer fastnacht verzichtet und den Saal an die Jugend abgetreten haben, ist unberechtigt. Insbesondere aber wird die Befolgung der Bestimmung in tz 2, Abs. 3 des Tanzregulativs eingeschärft; die Gemeindevorstände werden angewiesen, Aufsicht zu führen und etwaige Uebertretungen unnachsichtlich zur Bestrafung anzuzeigen. Kamenz, am 3. Februar 1893. Königliche Amtshauptmannschaft. von Erdmannsdorff. Die Socialdemokratie. In einer der letzten Reichstagsverhandlungen legte der Führer der Socialdemokraten, Reichstagsabgeordneter Bebel, in einer langen Rede, aber mit wenig neuen Gedanken dar, Wie er sich den von ihm ersehnten „Zukunftsstaat" denke. Darauf wurde ihm in der Hauptsache Folgendes erwidert: Abg v. Stumm (Rp.): Wie soll denn die Produktion und die Konsumtion geregelt, wie sollen die 50 Mill. Menschen in Deutschland ernährt werden? Herr Bebel betrachtet den Groß betrieb als eine Vorstufe für die sozialistische Betriebsform. Eine Genossenschaft, die sich über das ganze Reich er strecken soll, das ist ein Unsinn sondergleichen; eine solche Genossenschaft würde sich nicht leiten lassen. Jeder Staat ist ausgebaut auf Zufriedenheit, während die Socialdemo kraten die Zufriedenheit als ein Laster betrachten; aus lauter unzufriedenen Menschen kann aber ein dauerhafter Staat nicht gegründet werden. Mit Unrecht hat der Vor redner das Mißglücken von socialdemokratischen Genossen schaften zurückgewiesen. Allerdings sind die Genossen schaften nicht il entisch mit dem Zukunftsstaat. Aber wenn ein Paar hundert Menschen nicht einmal in Ordnung ge halten und geleitet werden können, so ist das ein Beweis dafür, daß Ihnen die Kräfte fehlen zur Organisation. Die Socialdemokraten möchten die Unternehmer nach Afrika trausportiren, aber Sie können sie gar nicht entbehren Die Mehrzahl der socialdemokratischen Abgeordneten besteht ja aus Unternehmern; es sind nur wenige Arbeiter da runter, und ich möchte bezweifeln, daß diese noch wirkliche Handwerker sind. Durch den Terrorismus werden die Massen zusammengehalten und der Terrorismus der so- cialtstischen Partei geht weit über das hinaus, was irgend ein Unternehmer geleistet hat. Welcher Terrorismus wird in Amerika, in England u. s. w. von den ausständigen Arbeitern gegen die nichtausständigen Arbeiter geübt! Der „Zukunftsstaat" ist einfach ein großes Zuchthaus und weiter nichts. (Heiterkeit rechts.) Die Thaten, welche die So cialdemokraten für die Arbeiter verrichtet haben wollen, sind nicht vorhanden. Sie haben bei den Wohlfahrtsge setzen Anträge eingebracht, aber schließlich immer gegen die ganzen Gesetze gestimmt; ganz naturgemäß, denn sie wollen ja keine Wohlfahrt, sondern die Unzufriedenheit. Jede Wohlfahrtseinrichtung wird ja als eine Sklaverei für die Arbeiter bezeichnet, sogar in die Wohnungen, die der Arbeit geber zur Verfügung stellt, sollen die Arbeiter nicht ein ziehen. Wenn die Regierung etwas thut, um die Arbeits gelegenheit zu vermehren, so z. B. bei der Korvette U, so stimmen die Socialdemokraten dagegen. Die Arbeitslosig keit ist doch hauptsächlich dadurch entstanden, daß unser Export zurückgegangen ist, weil wir zu theuer arbeiten. Die Arbeitszeit von 8 Stunden bei gleichem Lohne würde die Arbeit noch mehr vertheuern. Die Sociall emokraten haben den Arbeitern nur falsche Vorstellungen gemacht über die Zustände und über die Hilfe, die ihnen gebracht werden kann. (Zustimmung rechts.) Abg. Bachem (Z.): Es sind erhebliche Fortschritte gemacht gerade gegen den Widerstand der Socialdemokratie, Kranken-, Unfall- und Invalidenversicherung und der Arbeiterschutz sind von der Socialdemokratie verworfen worden. Das möge der deutsche Arbeiter sich klar machen; die älteren Arbeiter werden sich nicht hinter das Licht führen lassen. Herrn Liebknecht habe ich nicht vorgeworfen, daß er 7200 M. Gehalt bezieht. Ich habe nur darauf hingewiesen, daß es in der socialde- mokratischen Partei Leute giebt, die das nicht billigen, und ich habe darauf hingedeutet, wenn Sie nicht einmal den ersten Führer vor solchem Neid bewahren können, wie wollen Sie dies erst in einem socialdemokratischen Staate durchsetzen! Herr Bebel will von einem Zukunftsstaate überhaupt nichts wissen. Vor wenigen Jahren war er anderer Meinung. Er schrieb in der Schrift: „Unsere Ziele", daß es im Kampfe nicht möglich sein werde, die Gestaltung des Staates festzustelleu. Der Grundriß muß deshalb vorher schon festgestellt werden. (Heiterkeit) Fürst Bismarck forderte die Socialdemokraten auf, wenn sie 36 Mann im Reichstag wären, den Zukunftsstaat vorzuführen, und Herr Bebel erklärte sich damals, 1884, bereit, eine Darlegung der Produktion und der Distribution zu geben. Bis heute ist aber nichts davon bekannt geworden. Siegt die Socialdemokratie, dann wird Herr Bebel Präsident der Republik und Herr Liebknecht Staatssekretär des In nern. (Widerspruch.) Dann werden Sie keinen Plan haben, ja Herr Bebel setzt auseinander, wir wollen gar keinen socialdemokratischen Zukunftsstaat (Hört! rechts und im Zentrum). Die Socialdemokraten erkennen keine Au torität an des Himmels und auf Erden. Wenn der social demokratische Staat eingeführt wird, dann hören alle Meister auf anzuordnen, alle Zeichner auf zu zeichnen. Alle Fabriken, alle Betriebe müssen still stehen. Was soll dann aus dem Volk werden? Sie sind verantwortlich dafür, Herr Bebel! (Zuruf Bebels: Sehr gern.) Also haben Sie doch schon einen Plan, wie Sie ihn in Ihrem Buch „Unsere Ziele" verlangt haben. Also heraus damit! (Große Heiterkeit.) Herr Bebel könnte dann vielleicht zum Leiter einer Fabrik gewählt werden; das genügt ihm viel leicht nicht; er will vielleicht Präsident der Republik wer den. (Widerspruch der Socialdemokraten.) Vielleicht ist aber ein Anderer da, der die Massen besser zu fanatisiren und zu beschwatzen versteht. (Widerspruch der Socialde mokraten.) Nehmen wir an, Herr Bebel wäre Leiter eines Bergwerkes mit 3000 Arbeitern. Er würde natürlich die Directoren, die Obersteiger und Steiger zu Bergleuten de- gradiren. Dazu sind sie gut genug. Und was soll denn daraus werden, da wir jetzt schon für die Millionenen kaum genügend Brod haben. Dann wird eine Hungersnoth aus brechen. (Zuruf Bebels: Entsetzlich!) Das ist entsetzlich, aber es ist Wahrheit. Es wird eine Desorganisation der ganzen Arbeit sich ergeben. Entweder wird sich Alles zur besseren Arbeit drängen, dann herrscht Anarchie, oder Sie müssen Jedem seine Arbeit anweisen und dann ist die Freizügigkeit und die freie Berufswahl beseitigt. (Zustim mung rechts und im Zentrum.) Schilderungen des Zu kunftsstaates finden sich in mehreren Schriften: Wohnung, Kleidung und Nahrung soll Jeder in beliebigem Maaße finden, und dabei soll die Arbeitszeit nur drei Stun-