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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Prünumcrations-Preis 22j Silbergr. Thlr.) vierteliährlich, z Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, i» alle» Theilen der PreuMchcn Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf diese« Literatur- Blatt in Berlin in der Erpedition der Mg. Pr. StaatS-Zeitung sFriedrichS- Straße Nr. 72); in der Provinz so >v7e im AuSlande bei den WohUöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 37. Berlin, Montag den 27. März 1843. Frankreich. Jules Sandeau und George Sand, oder der Hampf für und gegen die Ehe. Seit der Juli-Revolution hat es in Frankreich viele literarische Fehden gegeben. Die Romantiker und die Klassiker, die selbst wieder beide in Ab- theilungen zerfallen, Balzac und Janin, die Sand und die Priester-Partei. Bei all diesen Fehden spielen persönliche Interessen ooer wenigstens die Inter essen eines Journal-Klnbs die Hauptrolle. Ich will es versuchen, ehe ich zu dein interessanten Kampfe zweier literarischer Liebenden gelange, die zuerst durch die Einheit der Ideen zur Einheit des Herzens — zwei Seelen und ein Gedanke — gelangten, und die später durch die Spaltung des Herzens auch ihre Ideen änderten — wenigstens that dies einer von ihnen — einige er läuternde Notizen über die literarischen Parteien in Paris zu geben. Die Romantiker, den Großmogul Hugo an der Spitze, gingen an ihrer übertriebenen Eitelkeit unter — der iXstionsl behauptet, an ihrer Gesinnungs losigkeit, die Kurerte sie Kranes hingegen giebt ihrer Unmoralität die Haupt schuld. Mithin sieht man schon, wie sie beständig zwischen zwei Feuern kämpften. Aber, wie gesagt, ihr Hauptfehler ist die Weihrauchsucht, die große Meinung, die sie von sich haben, ihre Unfehlbarkeit, ihre apodiktischen literarischen Meuchelmorde, und dabei mag der blstimug Recht haben. Die Romantiker, sowohl Hugo und Dumas, als Sue, Balzac, Souli«, kurz die ganze Heerde, die auf dem elismin üe la poslerk« weidet, hat keine Gesinnung in dem Sinne, wie jenes Journal es versteht. Ihr Zweck ist zuerst der Genuß, dann der Ruhm. Nur in neuester Zeit haben Sue und Balzac die soziale Saite ihrer etwas verrosteten Leier angeschlagen. Mexx vaur tarck gue )amais, bat ein Pariser Journal darauf gesagt. Auf der Ibisse royats, nicht weit von der Bastille, saß gewöhnlich Hugo in seinen Salons ä la mo^en sge, vor seiner marmornen Büste, die David bereut, ihm geschenkt zu haben. Um ihn herum sitzen die Herren Theophile Gautier, mein Freund Gerard de Nerval, Arsene Houssape, Ourliac und der Kritiker en xnao, wie ihn die klarste« <Iv Kranes heißt, — Granier de Cassagnac. Bci den Franzosen wird Alles gleich Religion. Sie trieben einen ganz ernsten Kultus mit Hugo — dieser, als Groß-Prophet, sprach wenig; wenn man Orakel verkündigt, muß man mehr schweigen als ein gewöhnlicher Sterblicher. Er ließ sich ganz ernst jupitermäßig anbetcn, und wer ihm zu letzt als Seide nicht auf Leben und Tod folgte, wurde in der Kresse und im Sissis abgethan. Damals waren die Osbats nicht für Hugo, weil man in der Romantik ein Element der Revolution erkennen wollte, obschon der plational, die kribuue, der kliarivari, der korsaire w. sich nie täuschten. Jetzt aber ist Hugo Mitglied der Akademie, strebt kair ü« Krans« zu werden, kurz ist Onservatsur, und die Vedats sind sein Haupt-Organ. Janin, sein ehemaliger Feind, der Verfolger aller Romantik, muß ihn loben. Eine größere Schmach konnte man für ihn nicht erfinden. Balzac ist ein Verehrer von dem Talente Hugo'S — Schreiber dieses war es ebenfalls — aber er hat sich nie als Seide hergegebcn. Man lese nur des Ersteren Orgie in dein pea» üe clisgrin. Aber wenn Hugo ein Gott war, so war Balzac wenigstens ein Halbgott, und auch er hatte seine Seiden. Die Kapelle Hngo's ist jetzt gesprengt, es blieben ihm nur noch einige; die von Balzac — er hatte sieben Trabanten — ebenfalls. Nene Stimmen er heben sich und die früheren Freunde fressen sich jetzt selbst gegenseitig auf. Aber der Sieg der mittelmäßigen Feuilletons wurde dadurch um so größer. Der National und die Karotte, die beständig auf diese Schriftsteller feuerten, sehr oft aus Konkurrenzsucht, sind jetzt gezwungen, selbst Roman-Feuilletons zu geben. Balzac — man höre — Balzac hat, wenn auch anonym, im National .Jerome katurvt vn la reokerdio sooiale" geschrieben, worauf ich zurückkommcn werde, und die >Hon, ein Blatt, das dein Eigenthümer der karstt« «I« Kranes gehört, gicbt jetzt i-umans-tsuillmons, die sie immer ihrer Moralität wegen aufs Acußerste verfolgt hat, und, was noch mehr, von denselben Verfassern. Haben sich die Oppositions-Journale den Schrift stellern oder die Schriftsteller den Blättern genähert k — Beides. — ES ist in dem letzten Jahre eine ungeheure Antireaction in der schönen Literatur vorgegangen. Balzac geißelt geifernd und fluchend in einer neuen Broschüre die Universität, die Verwaltung, den StaatSrath,»das ganze offizielle Frank reich, besonders aber die Presse, und Sue wird nach den Düsteres «Io Karis — höchst wahrscheinlich nicht mehr an den Dakars Mitarbeiten können. Sein Stoff hat ihn über die Gränzen hinaus gerissen. Er gehört zur kkalsngs und zu der keru« inüepsmlam«. Diese auch hatten den herrlichen Instinkt, ihn gegen die andere Presse in Schutz zu nehmen. Interessant, aber weniger allgemein war das beständige Duell zwischen Balzac und Janin. Wer kennt nicht I« graust komme st« kroviuse von Balzac, dieses Meisterstück von Pariser Charakteristik f Dieser graust komm« war Janin selbst. Er fühlte es, rächte sich in den Dakars, im .Brüste, in der Usvue lies steux älomles — Balzac hat keine Journale zur Kritik, aber er schreibt Bücher — so schreibt er dann Jerome. Es ist dies ein Mann, der eine soziale Stellung sucht. Er geißelt darin alle Aemtcr und Acmtchen, ent larvt alle Spitzbübereien, allen Charlatanismus der Aerzte, Professoren, Advokaten, Richter, Zeitungsschreiber, Deputirtcn — er kennt sie, — endlich wird Jsrome Journalist, ministerieller Journalist. Seine Malvina aber, die die Kritiken des Theaters diktirt, die ihm gebietet, „den mußt du loben, jenen tadeln; der gefällt mir, jener nicht", ist schuld, daß er sich tagtäglich blamirt. Jerome hat bloß Formtalcnt. Endlich wird das Ministerium gestürzt, und Jerome hat kein Blatt mehr. Er will sich mit Malvina durch Kohlcndampf ersticken, aber ein Onkel hilft ihm; Jerome wird Kappcnmachcr und — wird glücklich. Er hätte es gleich werden sollen. — Durch Zufall erkennt sich Janin wieder; aber Jerome erschien anonym zuerst im >HonsI, dann wurde er in 6000 Eremplaren besonders abgedruckt. Dagegen hat Janin wieder einen wüthenden Artikel in den Dekals gegen Balzac geschleudert. Die Sand nun hatte alle Parteien gegen sich; die klassische Schlafmüße des Oonscitutionnsl, die Oskars, das Sissis und die legitimistischen Blätter, und nur die Revücn und einige demokratische Journale nahmen für sie Partei. Das Publikum aber fragt im Ganzen, weder in Deutschland noch in Frank reich, nicht viel nach Jonrnal-Kritik. Hat Jemand ein bedeutendes Talent, so wird er überall mit der Zeit anerkannt, nur muß das Publikum Gelegen heit haben, dieses Talent kennen zu lernen. Und nur bci Dramen, die nicht aufgcführt werden, wie die Meisterstücke von Grabbe etwa, bleibt das Publikum stumm. Victor Hugo ist gerichtet, Janin ebenfalls, Dumas nicht weniger; keine Kritik gicbt ihnen ihren übertriebenen Ruf und Ruhm wieder, und kein Journal vermag ihnen Leser oder Käufer mehr zu schaffen. Balzac wird sich bloß noch als sozialer Juvenal halten können, und Sue wird Kommunist werden. Ich gehe jetzt zu dem stillen Kampf zwischen Jules Sandeau und George Sand über. Bekanntlich kam die Sand fast als Grisette nach Paris, nachdem sie sich von ihrem Manne getrennt hatte. Sie hatte bereits Lelia geschrieben, deren Abdruck von den meisten Journalen und Rcvüen verweigert wurde. Sie war darüber in Verzweiflung. Sandeau, ein damals schon sehr rühm lich bekannter Romanschreiber, lernte sie kennen, half ihr, verschaffte ihr einen Verleger, gab ihr im Französischen Styl Unterricht, den sie, beiläufig bemerkt, viel großartiger, poetischer und sogar klassischer als er schreibt, kurz, sie liebten sich, und Madame Dudevant nahm aus Dankbarkeit die Hälfte des Namens ihres Freundes an; sie nannte sich Sand. Man hat in Deutschland hier und da geglaubt, sie habe den Namen dem Deutschen Sand entlehnt. Später freute sie dies Zusammentreffen. Jenes Berhältniß dauerte ziemlich lange. Sandeau bewunderte Sand und Sand Sandeau. Plötzlich aber — und dies ist ein Mysterium — trennten sie sich. Die Schülerin hatte mit ihrem Ruhm ihren Lehrer verdunkelt, in Vergessenheit gebracht. Statt Herr Sandeau, war er bloß Madame Sand; man sprach nur von ihm, suchte nur seine Freundschaft, weil er der Freund seiner Freundin war. JuleS Sandeau fühlte sich gcdcmüthigt, er fühlte, daß er ihrer denn doch nicht bedürfe; er wollte seine Individualität als Schriftsteller retten, auf Kosten seiner Liebe, und so trennte er sich gewaltsam von ihr, denn das weiß man wohl, daß er zuerst brach, und daß sie immer mit der größten Achtung von ihm spricht. Welch' ein Blick in die männliche Seele giebt diese Geschichte! Ein Mann, der sein Herz, seine Liebe, sein ganzes Glück dem eitlen Ruhme opfert, der eifersüchtig ist auf den Ruhm seiner Geliebten, bloß weil sie mehr Talent als er hatte, was er nie gestand. So ist aber der Mensch. Vielleicht hätte die Sand dasselbe gethan. Ein Schriftsteller, ein Held opfert Alles seinem Ruhme. Ein Schriftsteller gehört zu keinem Ge schlecht. Ob Weib oder Mann, er ist vor Allem Schriftsteller, Dichter; und Weib und Kind, Freund und Freundin zählen nicht, gilt eS die Eristenz des öffentlichen Namens. Die Geschichte hat hiervon mehrere Beispiele aufzuweisen. Aber mit der Trennung ging auch eine Acndcrung in der Richtung seiner Werke vor. Für jeden Roman, den Sand gegen die Ehe schrieb, schrieb Sandeau einen für die Ehe, und zwar mit ausgezeichnetem Talent. Dieser stille Kampf dauert schon fast sieben Jahre fort, und Sandeau hat wirklich dabei gewonnen. Er hat sich ein neues Genre geschaffen, und er hat sich so hineingcschwatzt, daß er in keinem Falle mehr zurück kann.