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Sächsische Staatszeitung : 24.11.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-11-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480731217-191511249
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480731217-19151124
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480731217-19151124
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-11
- Tag 1915-11-24
-
Monat
1915-11
-
Jahr
1915
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 24.11.1915
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veauftragk mit der Herausgabe: Hofrat DoengeS in Dresden. 1915. Nr. 6. Landtagsverhandlungen. n. Kammer. 5. öffentliche Sitzung am 23. November. Präsident vr. Vogel eröffnet die Sitzung um 10 Uhr 41 Min. vormittags. Am Regierungstische: Ihre Exzellenzen tue Staats- Minister vvr. vr. In« Beck, Graf Vitzthum v. Echtadt, v. Seydewitz und vr. Nagel, sowie die Regierungs kommissare Ministerialdirektor Geh. Rat vr. Grützmann, ferner Geh. Rat v. Nostitz, die Geh. Justizräte vr. Manns feld, vr. May und Weise, Wirkt. Geh. Kriegsrat Walde, Geh. Regierungsrat vr. Koch und Regierungsrat Schnntt. Vor Eintritt in die Tagesordnung teilt der Prä sident mit, daß sich der Wunsch herausgestellt habe, über die geschäftliche Behandlung der sieben verschiedenen An träge noch eine weitere Besprechung innerhalb des Seniorenkonvents und der Parteien stattfinden zu lassen. Infolgedessen wird die Sitzung bis ^12 Uhr unterbrochen. Nach Wiederaufnahme der Sitzung 11 Uhr 45 Min. teilte der Präsident folgendes mit: Die sämtlichen Parteien des Hauses hätten sich dahin ge einigt, die vorliegenden Anträge m gemeinsame Beratung zu nehmen und die Begründung der Anträge nicht besonders durch einzelne Antragsteller in erster Begründung und in Schlußwort zu nehmen, sondern die Begründung gleichzeitig von den Rednern der Parteien in dem gewohnten Gange der Debatte erfolgen zu lassen. . .. - Die Kammer tritt hierauf in die Tagesordnung em: Allgemeine Vorberatung über die Anträge die Lebensmittelfrage betreffend. (Drucksachen Nr. 2, 11, 16, 17, 22, 24 und 25.) Das Wort erhält zunächst Abg. Nitzschke Peutzsch (nl.): Bei der Stellungnahme der Nationalliberalen Fraktion zur Ernährungsfrage gelte nach wie vor die Wahrnehmung der Inter essen der Allgemeinheit. Diesen Standpunkt werde die National- liberale Fraktion nach wie vor als ihren ersten Grundsatz be trachten. Sie habe die Absicht, auf die Frage der Ernährung des Volkes näher einzugehen und auch vor allen Dingen die Vorgänge und die Mängel, die sich bei der Organisation, der Ver teilung und der Preisbemessung gezeigt hätten, in aller Öffent lichkeit zu besprechen. Sic fühle sich einmal dem Volke gegenüber hierzu verpflichtet, zumal feststehe, daß genügend Lebens mittel vorhanden seien und daß in eine ernste Verlegenheit unser Volk nicht kommen könne. (Sehr richtig! in der Mitte.) Diese Feststellung sei sehr wertvoll und auch erfreulich. Aber weniger erfreulich seien die Vorgänge, die sich bei der Preisbeinessung und bei der Zuteilung gezeigt hätten. Die ausgangs der Beratungen des letzten außerordentlichen Land tags gefaßte Hoffnung, daß der Preistreiberei eine Grenze gesetzt werden würde, sei nur bis zu einem ganz geringen Grade in Er füllung gegangen. Zuzugeben sei wohl, daß die Reichsstellen in Berlin während der letzten Wochen eme Reihe von Maßnahmen getroffen hätten, die sich auch zu bewähren schienen. Seine Partei habe davon Kenntnis genommen, daß Konferenzen und Er wägungen über Erwägungen stattfänden, daß Verordnungen, Be stimmungen und Verfügungen sich geradezu überstürzten und alle diese Dinge Ijctzt mit einer Schnelligkeit kämen, die vielleicht früher viel erwünschter gewesen wäre. Trotz dieser Fest stellung müsse vieles besser gemacht werden. Gerade der Gang der Dinge und vor allen Dingen die Ent wicklung der letzten Wochen habe gezeigt, daß es möglich gewesen wäre, diese Preistreibereien fern zu halten. (Sehr richtig !) Die Vorgänge der letzten Wochen zeigten aber auch mit ziemlicher Deut lichkeit, wo in der Hauptsache die wirklichen Schuldigen zu suchen seien. Es sei sehr wertvoll festzustcllen, daß alle die Kreise, denen man Mangel an nationaler Gesinnung vorgeworfcn habe, sich «während des Krieges durchaus national gezeigt hätten (Sehr richtig!), während der Mangel an einer anderen Stelle sehr oft deutlich zutage getreten sei. Er habe nicht die Absicht, auf Einzel heiten einzugehen, aber es wäre sehr leicht nachzuweisen, daß gerade die Leute, die sich während der letzten Wahlkämpfe in dieser Beziehung hervorgetan hätten, jetzt Not und Mühe hätten, dem Staatsanwalte zu entgehen. Einen Stand als solchen wolle er namens seiner Partei, wie schon früher betont, für die Preis treiberei auch heute nicht verantwortlich machen. Es handle sich nicht um Stände, es handle sich auch nicht um politische Parteien, es handle sich um Preistreiber und Wucherer im allgemeinen; und wenn man ein gutes Gewissen habe, solle man sich mit an die Seite seiner Partei stellen und den Kampf gegen diese Preis treiber aufnehmen. Auffällig sei es, daß bei diesen Preistreibereien in der Hauptsache die Kreise beteiligt seien, die sonst immer so viel von Vaterlandsliebe und von Gottesfurcht gesprochen hätten. Ganz besonders auffällig sei cs, daß diese Kreise eine scharfe Verurteilung erführen, nicht von den politischen Parteien, sondern von den Behörden, den Landräten, den Amtshauptleuten. Also auch hier habe man erkannt, daß Worte und Taten streng aus einander zu halten seien. Festgestellt sei auch worden, daß die Kreise, -die bei den Regierungen zu Einfluß ge kommen seien, ihren Einfluß benutzt hätten, um auf die Preistreiberei im allgemeinen einzuwirken. Dieser Umstand erkläre alles. Immerhin sei seine Partei dankbar, daß die Reichs regierung, daß der Reichskanzler, seiner vollen Verantwortung bewußt, nun etwas schärfere Maßregeln ergriffen habe. Bei dieser Gelegenheit müsse freilich auch an den Maßnahmen der Reichsregicrung Kritik geübt werden. Die Dinge müßten hier zur Sprache gebracht werden, weil es der Presse nicht möglich sei, auf diese wichtigen Fragen einzugehen. (Zuruf links: Warum denn nicht?) Da müsse der Reichskanzler gefragt werden. Er erinnere vor allen Dingen daran, daß jede leise Andeutung, daß die Leute, die auf die jetzige Preisbildung hingearbeitet hätten, die Unterstützung des preußischen Landwirtschaftsministers gefunden hätten, mit aller Entschiedenheit von den maßgebenden Stellen verhindert und den Blättern die Maßregelung in Aussicht gestellt worden sei. Weiter erinnere er daran, daß Staatsminister Delbrück durch eine Beeinflussung der Presse, vor allen Dingen der Provinz, presse, in einseitiger Weise, vielleicht ungewollt, aber doch schließ lich zu einer ganz falschen Orientierung über diese Frage die Hand biete. Der grundlegende Fehler sei gleich bei der Mobilisierung gemacht worden. Er habe schon gelegentlich der Begründung des Antrages seiner Partei im letzten Außerordentlichen Landtage daraus hingewiesen, daß alle Aufkäufer für die Reicks- Militärverwaltung als sachverständige Begutachter der Preise gewählt worden seien. Ohne Rot seien Preise angebotcn und bezahlt worden, die überhaupt von den Landwirten nicht verlangt worden seien. Den Produzenten seien diese Preise geradezu aufgedrängt worden, oder eS sei ihnen auf Umwegen gesagt worden, daß sie die und die Preise verlangen könnten. Hier liege der Anfang des Wucher». Diese Kreise hätten sich schwer versündigt am Volksganzen, sie hätten die ganze Verant- Wortung in der Hauptsache zu tragen, und daran ändere es auch mckt». wenn sie schließlich von vreußischer Seite hohe Ancrken- nung oft gefunden hätten. An diesen Preistreibereien seien eben die Interessenten!in der Hauptsache beteiligt gewesen; ob dabei schließlich die Großhandelskreise mit beteiligt gewesen seien, die schon einen Teil der Ernte an sich gebracht hätten, ob der Groß grundbesitz in eigener Person, ob der Rabbi oder der Mönch, diese Frage scheide zunächst vollständig aus. Die Ernte von 1914 sei weit über den normalen Preis bezahlt worden und anlangend die Ernte des Jahres 1915, für die allerdings höhere Produktionskosten ent standen wären, habe er die Anfrage an den Hrn. Minister zu richten, ob cs so sei, daß im Bundesrate der Landwirtschafts minister v. Schorlemer-Lieser dafür eingetreten sei, daß die Getreidepreise eine weitere Steigerung erfahren sollten. Wenn der Hr. Minister nicht in der Lage sei, Auskunft zu geben, dann würde das dahin auszulegen sein, daß seine Vermutung zu treffe. Natürlich trüge die Staatsregierung für die Entwicklung dieser Fragen keine Schuld. Diese habe ihr Wort gegeben, daß sie alles tun »volle, und es sei ihr zugestanden, daß das auch geschehen sei. Aber es müsse mehr verlangt werden. Seine Partei verlange unter 1, daß die festgesetzten Höchstpreise für Nahrungsmittel auf das ohne Gefährdung der Erzeugung mögliche und für die ausreichende Ernährung deS Volkes notwendige Maß zurückgeführt werden. Diese Forderung entspringe der festen Überzeugung, daß es möglich sei, die be stehenden Höchstpreise herabzumindern. Man müsse sich von dein Gedanken toslösen, daß im Kriege jeder das Recht habe, viel zu verdienen. Neben der allgemeinen Wehrpflicht müsse»eine all gemeine Wirtschaftspflicht verlangt werden. (Sehr richtig!) Die Organisation derselben hätte lange in die Wege geleitet werden müssen. Daß dies nicht geschehen sei, sei nicht die Schuld der Volksvertretung, auch nicht die Schuld der Kreise, die sich sonst mit diesen Fragen beschäftigt hätten, sondern die Schuld der Re gierung, und vor allen Dingen die Schuld der Reichsregierung. In dieser ernsten Zeit habe jeder einzelne nur das Recht, soviel zu verdienen, wie er zur ordnungsmäßigen Fortführung seines Betriebes und zur Erhaltung seiner Familie brauche. Daß die Herstellungskosten für die Feldfrüchte gestiegen seien, zeigt ein rechnerischer Überblick über das Erntejahr 1915, den Redner auf Grund von Angaben von Landwirten gibt. Er erinnert an die teuren Futter- und Düngemittel, den Leutemangel und den Mangel an Zugtieren und wirft schließlich die Frage auf, ob es nicht angängig sei, in bezug auf die Getreidepreise die Preis stellung einer Revision zu unterziehen. Ter Regierung würde es sehr leicht sein, durch statistische Erhebungen festzustellen, ob die von ihm angeführten Umstände gar zu sehr ins Gewicht fallen. Die Leutenot sei nicht nur in der Landwirtschaft vorhanden, mit ihr müsse sich auch die Industrie und das Gewerbe abfinden. Sie bringe große Schwierigkeiten für die Landwirtschaft, aber sie falle nicht wesent lich bei der Verteuerung der Produktion ins Gelvicht. Nach alle dem würde man zugestehen, daß eine weitere Steigerung der Getreidepreise auf leinen Fall verantwortet werden könnte. Tas notwendigste Nahrungsmittel, das Brot, müsse dem Volke billiger gegeben werden und könne billiger gegeben werden. (Sehr richtig!) Für die Spannung zwischen Getreide- und Brotpreis sei keinesfalls die Landwirtschaft verantwortlich zu machen. Während seine Partei von Sorgen bewegt sei, ob es möglich sei, unserem Volke billigeres Brot zu geben, höre sie von weitem, daß man damit umgehe, die Preise zu erhöhen (Zuruf links: Ja!), da am 1. Januar die Staffelpreise in Kraft treten. Seine Partei stelle das dringende Ansuchen an die Sächsische Staatsregicrung, daß sie mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln bei der Reichsregierung und dem Bundesrate dahin vorstellig werde, daß diese Staffelpreise wegfielen, weil sie durch nichts gerechtfertigt seien. Es sei seit Beginn des Krieges so viel geändert worden, was als Verfügung ins Land hinausgegangen sei, daß man diese eine Änderung noch sehr gern mit in Kauf nehmen würde. Der Redner verbreitet sich sodann über die Steigerung des Höchstpreises über den Durchschnitt der letzten zehn Jahre und fährt fort: Es sei sehr interessant, daß nach den neuesten Feststellungen das Königreich Sachsen Überschußgebiet sei, so daß es sich selbst ver sorgen könne; Er frage die Regierung, ob sie auch die Kon sequenzen zu ziehen gedenke, ob sie auch, so wie es in Preußen, Bayern und Württemberg der Fall sei, daran gedacht habe, für sich eine Landesgetreidestelle zu beanspruchen. Tann würde sich die ganze Angelegenheit wesentlich besser regeln. Jetzt stehe im Königreiche Sachsen nur Leipzig Plauen, Zwickau und der Kommunalverband Auerbach init der Reichsgetreidcstelle in loser Verbindung. Eine Unabhängigmachung von der Neichs- getreidestelle sei wohl möglich, wenn annehmbarcrweise auch die Reichsregierung diesem Verlangen Schwieribkeiten entgegensetzen würde. Vor allen Dingen würde durch die Landesgetreidcstelle eine Reihe von Nebenerscheinungen eine äußerst erwünschte Rege lung erfahren. Vor alle» DinAen würde die Landcsgetreide- stelle in der Lage sein, die gleichmäßige Beschäftigung der Mühlen herbeizuführen und den Kleieverbrauch und die Kleieabgabe besser zu regeln, als es jetzt ge schehe. Unter dem Mißverhältnis zwischen Kleieverbrauch und Kleieabgabe litten vor allen Dingen die kleineren und mittleren Landwirte, die als Viehzüchter sehr wertvoll seien. Man könne sich darüber wunden:, daß die einflußreichen Stellen, von denen er gesprochen habe, nicht beim Bundesrate auch nach dieser Rich tung hin vorstellig geworden seien, insbesondere die Landwirt schaftskammern und der Landeskulturrat. Auch möchte er bei dieser Gelegenheit großen, mittleren und kleinen Grundbesitz unter schieden wissen. Wenn der kleine und mittlere Besitz vielleicht auch durch die sogenannte Konjunktur einen vorübergehenden Nutzen gehabt habe, so habe er durch eine Reihe anderer Maß nahmen wieder eingebüßt und schließlich noch mehr bezahlt, wie er verdient habe. Dasselbe gelte bei den Maßnahmen über die Beschlagnahme der Gerste. Diese Beschlagnahme entspreche nicht den Grundsätzen der Gerechtigkeit. Zunächst habe cs den Anschein, als ob alle gleich behandelt worden seien. In Wirklichkeit liege aber eine unterschiedliche Be handlung, wie man sie sich nicht größer vorstellen könne, vor. Die Gerstefrage gebe auch Veranlassung, auf die Preiserhöhung der Brauereien emzugehen. Die „Deutsche Tageszeitung" habe öffentlich davor gewarnt, Gerste zu verkaufen, da die Preise für Gerste noch weiter in die Höhe steigen müßten. (Hört, hört!) In bezug auf die Gerstenfrage sei die Erwähnung noch wichtig, daß sich das Königreich Bayern abgeschlossen habe, das heute ein besonderes Gerstengebiet bilde und nicht daran denke, mit dem Reiche irgendein Übereinkommen zu treffen. Eine Steigerung der Gerstenpreffe sei auch dadurch bedenklich, weil eine große Anzahl notwendiger Nahrungsmittel dadurch verteuert würden als Graupen, Gries, Malzkaffee und eine ganze Reihe anderer sehr notwendiger Erjapmittel. Weiter stehe seine Partei auf dem Standpunkt, daß die Verteilung des Brotes in einer anderen Weise zu erfolgen habe, als bis jetzt geschehen sei. Man gebe Zusatzmarken für Brot und habe damit ja auch den Beweis erbracht, daß genügend Brot zur Ernährung unseres Volkes vorhanden sei. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Aber man ziehe eine Einkommensgrenze für die Zusatzmarken und gehe von ganz falschen Voraussetzungen aus. Die jetzige Art der Vcrtci- lung sei falsch, sie gebe auch zu Erbitterung Veranlassung. Nächst dem Brot käme als wichtigstes Nahrungsmittel die Kartoffel in Frage. Man wisse, daß die Kartoffelfrage 1914 nicht wunsch gemäß ihre Erledigung gefunden habe. (Sehr richtig ! bei den Nationalliberalen.) Auch die Regierung sei ihrer eigenen An gabe nach mit der Erledigung dieser Frage durchaus nicht einverstanden gewesen. Wenn man annehme, daß man aus ge wissen Vorgängen viel gelernt hätte, dann fei da- ein Trugschluß. Denn jetzt habe man Kartoffeln, sehr viel Kartoffeln, aber doch keine Kartoffeln. (Heiterkeit.) Die Kartoffeln seien da, es habe eine Art Beschlagnahme stattgefunden. Es gäbe Grundpreise, es gebe Höchstpreise, aber es sei schwer, Kartoffeln zu bekommen. Hier müsse seine Partei auch sehr scharfe Vorwürfe gegen die Reichs leitung richten. Die Zweite Kammer habe am Schlüsse de» letzten Landtages in bezug auf die Kartoffelfrage den Antrag an genommen, in dem es hieße: „Aus den Kartoffelbeständen der neuen Ernte seien so viel Speiselartoffeln, als für die menschliche Ernährung notwendig seien, zu sichern und den Verbrauchern zur Verfügung zu stellen." Warum sei das nicht getan worden? Wenn man diesen Anregungen gefolgt wäre, die von der ganzen Kammer, auch von Seiten der Vertreter der Landwirtschaft, angenommen worden wären, dann wäre man nicht in die heutigen Schwierigkeiten gekommen. Wo seien denn die Hauptschuldigen bei der ganzen Sache? (Lebhaftes Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Warum denn nicht eine Beschlagnahme im großen Stil, warum nicht eine Enteignung? Diese Frage sei zu beantworten von der Reichsregierung, und da inan sie nicht selbst fragen könne, müsse die Regierung Auskunft geben. (Abg. Uhlig: Wie die Antwort lautet, wissen wir!) Man habe doch in der Industrie z. B. Be schlagnahme über Beschlagnahme (Sehr richtig!), man frage über haupt nicht danach, wie die Dinge weiter gingen. In der Indu strie hätten sich Dinge inbczug auf die Beschlaguahme entwickelt, die fast gar nicht faßbar seien (Sehr richtig!), die Behörden seien in die Verträge der Industriellen eingetreten und hätten dann den Industriellen ihre eigene Ware zu einem dreifach höheren Preise angebotcn (Hört, hört!) und auch abgenommen bekommen, weil die Industrie sie haben müßte. Hier fei man in einer Art und Weise vorgegangen, die zu den schwersten Bedenken Veranlassung gebe. Mit aller Entschiedenheit würden Maßnahmen ver langt dahingehend, daß die Kartoffeln zu einen» wesentlich billi geren Preise unserer Bevölkerung auch zugänglich gemacht würden. Man müsse doch auch berücksichtigen, daß die Kartoffel das Nah rungsmittel der Leute sei, die am allerwenigsten Mittel zur Ver fügung hätten. Weiter sei behauptet worden, daß auch die Kommunalverbände den Zwischenhandelnutzen einstrichen. Er stelle daher auch die Frage an die Regierung, ob ihr das bekannt sei, und möchte init aller Entschiedenheit darum ersuchen, daß einem derartigen Verhalten dann Einhalt getan werde. Die Kommunalverbände hätten die Kartoffeln so abzugeben, wie sie sie kaufen, höchstens zuzüglich der allernotwendigsten Spesen. Es müsse möglich sein, einem jeden Menschen in Sachsen so viele Kartoffeln, wie er brauche und haben »volle, zum Preise von höchstens 3 M. zur Verfügung zu stellen. (Sehr richtig!) Wenn ein Generalsekretär einer Laudwirtschaftskammer auf dem Standpunkte stehe, wie das tatsächlich der Fall ge wesen sei, daß die Landwirtschaft in den Krieg gezogen sei in der Meinung, daß sich die Preise nach Angebot und Nachfrage gestalteten und man verkaufen könne, wo inan am meisten ge boten bekäme, dann sei er der Meinung, daß das doch wohl nicht die Auffassung der gesamten Landwirtschaft sei. Aber immerhin gebe es zu bedenken, »venu berufene Vertreter der Landwirtschaft derartiges sagten. Er meine, daß auch der weitaus größte Teil der Landwirtschaft bei Beginn des Krieges genau auf dem selben Standpunkte gestanden habe, den auch andere Berufs stände eingenommen Härten und der dahin ginge, daß man diese ganze Frage, die Frage der Existenz und des Verdienstes, zunächst als eine nebensächliche betrachtet habe (Sehr richtig!) und daß diese Frage nur durch die Länge des Krieges, vor allen Dingen auch durch die Notwendigkeit der Ernährung unsres Volkes, an Bedeutung gewonnen habe auch für jene Kreise. Der Hr. Minister des Innern habe im letzten außerordentlichen Landtage die Angaben über die Kartoffelbestände wohl als überraschend und als nicht richtig zunächst zugegeben, aber hinzugcfügt, er stehe voll und ganz dafür ein, daß keine falschen Angaben gemacht worden seien. Er wisse nicht, ob der Hr. Minister heute noch auf dem selben Standpunkte stehe. Wenn das der Fall sei, daun sei noch die Frage an ihn zu richten, aus welchem Grunde er dann die Mahnung an die Kartoffclerzeugcr und Großhändler gerichtet habe, daß eine Aussicht auf Erhöhung der Grundpreise nicht vorhanden sei, daß »veiter die Regierung, »venu die Zurückhaltung der Kar toffeln so bestehen bleibe, schärfer zufassen würde. Wenn also der Hr. Minister die Überzeugung habe, daß diese Verordnung not wendig gewesen sei, dann werde er auch gebeten, es nicht nur bei Mahnungen zu lassen, sondern einmal mit einer etwas anderen Maßregel vorzugehen, damit nicht wieder der Welt das Beispiel wie nach der letzten Kartoffelernte gegeben würde. Ähnlich wie bei den Kartoffeln sei es auch beim Fleisch und vor allen Tingen beim Schweinefleisch. Auch hier seien Höchst preise festgesetzt worden, auch für den Kleinhandel, aber cs sei nichts oder nur sehr wenig zu diesen Preisen zu haben. Nach den Schlachthofberichten erhielten die Aufkäufer lein Vieh. Es sei ein Mangel, daß die Höchstpreise wohl für den Handel auf dem Schlachtvichmarktc festgesetzt wordeu seien, aber nicht für den Verkauf bei den Fleischproduzcnten. Jetzt denke nämlich der Viehproduzent, er habe das Recht, die Höchstpreise zu verlangen, und der Händler, der nun auch nicht mehr als diese Höchstpreise fordern dürfe, sei gar nicht in der Lage, die Geschäftsvermittelung überhaupt noch in die Hand zu nehme«. Er gebe zu, in Berlin sei das vorgckommen, daß die Schweinegroßhündler den Klein händlern oder Fleischermeistern in ähnlicher Weise gedient hätten, aber hier sei man dafür, daß die allerschärfsten Maßregeln, sei es Geschäftsvcrbot oder Gefängnisstrafe, augewcndet würden, um derartigen Dingen einen Riegel vorzuschieben. Man könne vielleicht sagen, es sei kein Fehler, daß der Biehantrieb nicht so groß sei, denn dann »vürde sich die Frage infolge des großen Viehbestandes von selbst regeln. Dabei liege aber die Gefahr vor, daß, wenn beim Vorhandensein eines großen Viehbestandes auf die Regierung von den Interessenten, und besonders von einfluß reichen Kreisen, eingestürmt »verde und eine Verfügung erscheine, daß die Gemeinden zu ihren alten Konserven noch so und so viele neue Konserven kaufen müßten, nur damit das Fleisch den Produzenten zu annehmbaren Preisen abgenommen werden könnte. Es sei überhaupt in Frage zu stellen, ob man nicht dazu übergehen solle, die Fleischkonservenfabrikation etwas zu kontin gentieren. Hier liege auch ein großer Fehler, der die Preisbildung ungünstig beeinträchtige. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Seine Partei sei der Meinung, daß sich das Ministerium de» Jnnern mit dieser Frage ganz einbehend beschäftigen müsse. Natürlich habe sich auch die Nahrungsmittelindustrie sehr oft an dem Rennen, soweit die Preistreiberei in Betracht käme, beteiligt. Diese Leute sollten auch ohne »veiteres vollständig preisgcgeben werden. Zu der Einrichtung der fleisch- und fettlosen Tage sei darauf hinzuweisen, daß dann auch die Privatschlachtungen und Schlachtfeste zu unterbleiben hätten. Es gehe ferner nicht an, daß man in der Stadt verbiete, an bewissen Tagen Fleisch zu essen, und daß man auf dem Lande an diesen Tagen Privatschlach tungen vornehme. Als nun dem Wucher auf Brot und Kartoffeln doch eine gewisse Grenze nach oben gezogen worden sei, seien die Preise für Butter und Milch gestiegen. Run hänge die Milcherzeugung zusammen mit der Güte und Menge de» Futters, und cs seien die Schwierigkeiten durchaus nicht zu verkennen, die sich da für die Milchproduktion ergäben. Damit aber die hohen Preise, wie sie vorliegen, zu rechtfertigen, sei anzuzweifeln, denn die Reingewinne, welche die Molkercigcsellschaften gäben und die in einzelnen Fällen auf das Drei- und Vierfache wie in Friedenszeiten gingen, bewiesen doch ohne »veiteres, daß auch hier die Dinge ander» lägen, als wie ost erzählt würde. Die „Deutsche Tage»-
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