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Dresdner Journal : 12.11.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-11-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189011125
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18901112
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18901112
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1890
-
Monat
1890-11
- Tag 1890-11-12
-
Monat
1890-11
-
Jahr
1890
- Titel
- Dresdner Journal : 12.11.1890
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M 263. Mittwoch, den 12. November, abends. 1890 Kvruxuprvl»: kür vresäe» visrtsIKKrliod 2 U Sy ?k., dsi äea liiössri. äsutsedsa ko»t»ll»t»Itsv visrtvl- jLörlicü 3 H.; »U8»vrk»Ib äss äsutscbsu keioks» tritt kost- uoä Ltsnipo^usevl-^s viuru. Liorslac tluwworo: lü kk. ^ultünalxnnxsxodNItrvllr kür ä«>s kaum eioor esspaltevoo ileils kleiner Kckrikt LV kf. Unter „Linb«s»nat" äi« 2eile 50 kk. ti«i Ikdslleo- uoä 2i8erns»tr entspr. krsedelnen; L^^ket» mit XusnLirms äer 8oon - u. keiertaxe avenä» kernsprsov-^nsoMuss: tkr. 1205. DreMerÄurml. Für die Gesamtleitung verantwortlich: Hofrat Vtts Banck, Professor der titteratur- und Kunstgeschichte -vo»tim« eva ^okünaixuoxen ausnürtsr I-eipri^: H ^ran<t»trttre, LowmissiovLr 6e» Oresäner OournLi»; Nsmdorx L«rU» -Visa Lripiix L»,el vr,«I»ll krimktarl ». N.! //aasentt ri» <t 1'vAiei, L«rli»-Vi«a-L»md»rU kr»ß^ Lstpsi^ rrsoklart » dl. »önkdev! r»ri» l-oLSoa S«rUa - krsnktart « ». Slutt^srt: t7o., L«rlis: /»ila/itirncia»,^, Lreilan: ^>nii 7ta/at^, L»nnov»r: <7. Lc/iü««/er, Null« ». S ' Larcl <e t7o. Nernusxederr Lüoi^l. k.rpe<tition 6o« Lresöosr ^ourniä». Dresäen, ^«io^erstr. 20. kernsprsek-^nsellus«: Kr. 1285. Amtlicher Teil. Dresden, 10. November. Se. Majestät der König haben bei dem Justizministerium den vortragenden Rath Geheimen Justizrath Bruno Viktor Jahn rum Abtheilungsdirektor mit dem Prädikate Geheimer Rath und den Hilfsarbeiter Justizrath vr. Viktor Alexander Otto zum Vortragende» Rath mit dem Prädikate Ge heimer Justizrath zu ernennen Allergnädigst geruht. Nichtamtlicher Teil. Geographische Wachrichierr. Berlin, 12. November. (Tel d.Dresdn. Journ.) Bei der Eröffnung de- preußischen Landtags im weißen Saale deS Königl. Schlosses verlas Se. Majestät der Kaiser die Thronrede, welche wieder holt und besonders bei dem Passus über die Er haltung des Friedens mit lebhaftestem Beifall auf- genommen wurde. Der Kaiser wurde beim Be treten wie auch beim Verlassen des SaaleS mit dreifachen begeisterten Hochs begrüßt. Tie Thronrede hatte folgenden Wortlaut: „Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtages! Früher als in den vergange nen Jahren habe ich den Landtag der Monarchie um meinen Thron versammelt, damit die eingehende Be ratung wichtiger Gesetzentwürfe auf dem Gebiete der Finanz-, Schul- und Gemeindeverwaltung ohne Zöge rung begonnen und der endgiltige Abschluß dieser be deutungsvollen Reformen, wie ich zuversichtlich erwarte, zum Wohle des Vaterlandes gesichert werde. Seit Jahren ist das Bedürfnis einer durchgreisen den Verbesserung des Systems der direkten Staats steuern immer dringender hervorgetreten. Behufs einer planmäßigen Durchführung dieses zur Befestigung der finanziellen Grundlagen der Staatsverwaltung, so wie im Interesse einer gerechteren Verteilung der Staaislasten gleichmäßig gebotenen Werkes werden Ihnen alsbald Gesetzentwürfe, welche die gesamten direkten Steu ern berühren, vorgelegt werden, deren innerer Zusammen- hangJhnen die Beschlußfassungwcsentlich erleichtern wird. Der Gesetzentwurf über die Einkommensteuer soll die bestehende Klassensteuer und die klassifizierte Einkom mensteuer zu einer einheitlichen Steuer vereinigen, die Steuersätze zweckmäßiger gestalten und durch Einfüh rung der Deklarationspflicht, sowie durch die ander weite Organisation der EinschätzungSbchörden und des Verfahrens eine sichere und der Wirklichkeit mehr entsprechende Veranlagung des steuerpflichtigen Ein kommens herbeiführen. Tic Ausdehnung der Erbschaftssteuer durch eine mäßige Belastung der Erbfälle der Verwandten in auf- und absteigender Linie und der Ehegatten unter Freilassung der kleinen Erbschaften wird die zutreffende Besteuerung .des Einkommens wesentlich erleichtern und zugleich eine verhältnismäßig stärkere Heranziehung des fundierten Vermögens bewirken Die im wesentlichen noch auf dem Gesetze vom .">0. Mai 1820 beruhende, den heutigen wirtschaftlichen Verlmllnissen nicht mehr entsprechende Besteuerung der gewerblichen Betriebe soll durch einen Gesetzentwurf über die Gewerbesteuer, welcher den Betriebsertrag selbst ohne Rücksicht auf die Betriebsarten und ört lichen Einteilungen zu erfassen bestimmt ist, einer völligen Umgestaltung zugesührt werden. Eine Er höhung des Gesamtaufkommens aus der Gewerbe steuer einschließlich der besonderen Besteuerung der Schankgewerbe ist dabei nicht beabsichtigt. Tas Ziel dieser Gesetzentwürfe ist eine gerechtere und gleichmäßigere Veranlagung der direkten Steuern Knust und Wissenschaft. Besiegter Ehrgeiz. Erzählung von Woldemar Urban. 7 (Fortsetzung) „Wie Hertha?" fragte ihr Vater, der ebenfalls über den Jubelschrei betroffen war und sich in der ersten Erregung über seine Niederlage nicht gerade dadurch geschmeichelt fühlte, „ich will hoffen, daß Dich der Sieg Florins mindestens eben so wenig aufregt, als — — meiue Niederlage!" „Ich hätte wirklich nicht gedacht," sagte Frau v. Treßnitz lauernd, „daß Sie, Gräfin Hertha, eine so stürmische Verfechterin billiger Kohlenpreise wären. Was kümmert cs Sie, ob der Scheffel Kohle zehn Pfennige mehr oder weniger kostet? Oder sollte Ihr Interesse für die Angelegenheit nach einer anderen Seite hin zu deuten sein?" Gräfin Hertha wurde dunkelrot und Tit biß sich die Lippen zusammen. Sie konnte die glatte, ge schmeidige, immer freundliche Hofdame nicht leiden. Es kam ihr immer vor, als ob sie nur da wäre, um andere Leute anözuhorchcu und ihre Jntrignen au ihnen auszulassen. „Ich wüßte nicht, Frau Obcrhosmeisterin," sagte Gräfin Hertha kühl und vornehm, „von welcher Be deutung das für Sie sein konnte." „Aber, liebste Freundin", entgegnete diese in einer vertraulichrn Freundschaftlichkeit, „weshalb diese herbe Zurechtweisung? Ich weiß es ja am allerbesten, daß und im Zusammenhänge damit eine verhältnismäßige Entlastung der kleineren und mittleren Einkommen und gewerblichen Betriebe. Der Stand der Staatsfinanzen erfordert eine un mittelbare Vermehrung der Staatseinnahmen nicht. Ebensowenig gestatten aber die auf allen Gebieten wachsenden Anforderungen an die Hilfsmittel deS Staates eine Verminderung der festen und sicheren Einnahmen desselben. Die Ergebnisse des letzten abgeschlossenen Rech nungsjahres sind zwar wesentlich günstiger, als bei dem Voranschläge angenommen war, so daß erhebliche Überschüsse zur Verringerung der Staatsschulden ver wendet werden konnten, und auch im laufenden Jahre darf nach den bisherigen Erfahrungen ein wenn auch nicht in gleichem Maße befriedigender Rechnungsab schluß erwartet werden. Die Gestaltung des Staatk- haushaltsetats für das nächste Jahr, welcher gegen wärtig wegen der noch ausstehenden Feststellung des Reichshaushaltsetats Ihnen noch nicht vorgelegt werden kann, wird jedoch die Unthunlichkeit eines Verzichts auf die bisherigen Staatseinnahmen ohne entsprechenden Ersatz darthun. Der nach dem Abschluß der ersten Veranlagung der direkten Steuern ans der neuen Grundlage auf- kommende Mehrertrag soll indes schon jetzt durch eine ausdrückliche Gesetzesvorschrift ausschließlich zu weiteren Entlastungen insbesondere der Kommunalverbände mittelst Überweisung von Grund- und Gebäudesteuern bestimmt werden, soweit darüber der StaatShaushaltS- etat nicht anderweitig Verfügung trifft. Ich hoffe, daß hierdurch das Gelingen einer Reform wesentlich gefördert werden wird, welche berechtig en Klagen ab zuhelfen nnd die Zufriedenheit der Bevölkerung zu be festigen geeignet ist. Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die öffent liche Volksschule, welcher Ihnen in Ausführung der Vorschriften der Verfassung vorgelegt werden wird, soll der Volksschule auf dem Boden der Gemeinde- verfassungcn eine sichere Grundlage gewähren, eine gerechte Verteilung der Volksfchullasten hcrbeiführen, die durch die Gesetzgebung der letzten Jahre ange bahnte Unentgeltlichkeit des Volksschulunterrichts zum Abschluß bringen und dem Lehrerstande den Bezug eines festen, den örtlichen Verhältnissen angemessenen Diensteinkommens gewährleisten. Zur Erleichterung dcs Übergangs in die neuen Verhältnisse wird Ihnen vorgeschlagen, die Beiträge des Staates zu dem Dienst einkommen, den Alterszulagen und den Pensionen der Volksschullehrer zu erhöhen, auch sollen besondere Mittel bereit gestellt werden, um die Gemeinden bei der Aufbringung der Schnlbaukosten zu unterstützen Damit dem Bedüifnisse einer gesetzlichen Rege lung der Landgemeindeverfassungen, welches vorzugs weise in den östlichen Provinzen der Monarchie her vorgetreten ist, Abhilfe geschafft werde, wird Ihnen der Entwurf einer Landgemeindcordnnng für diese Landesteile vorgelegt werden. Derselbe soll einerseits die zur Zeit geltenden gesetzlichen Vorschriften, welche sich in mehrfacher Hinsicht als unzureichend erwiesen haben, in angemessener Weise ergänzen und Übersicht lich zusammenstellen, andererseits ist aber dieser Ent wurf dazu bestimmt, diejenigen Änderungen auf dem Gebiete des ländlichen Gemeindevcrfassungsrechts, welche durch die Entwickelung der wirtschaftlichen nnd sozialen Verhältnisse bedingt werden, unter thunlichstcr Schonung des bestehenden Rechtszustandes und unter Aufrcchthaltung bewährter Einrichtungen herbeizu- sühren und in den Gemeinden ein reges kommunales Leben zu fördern. Hierdurch sollen zugleich die Er füllung der den Gemeinden obliegenden öffentlich- rechtlichen Ausgaben gesichert, die Verteilung der Ge- melndelasten angemessen geregelt und für dieselben leistungsfähige Dräger geschaffen werden. Im Anschluß an den Volksschulgesetzeutwurf ist eine Regelung der Verhältnisse der mittleren Schulen in Aussicht genommen, bei welchen namentlich die Pensionsansprüche der Lehrer der festen Grundlage seither entbehren. Die Neuregelung der Zahlung der Witwen- und Waisengelder, wie sie der Volksschulgesetzentwurf Vor sicht, führt zu einer Schließung der nachden Gesetzen von 1k69 und 1881 eingerichteten Witwen- und Waisenkassen für Elementarlehrer. Hierüber wird Ihnen eine besondere Vorlage zugehen. Nachdem eine gemeinsame Regelung der Wegebau verhältnisse in den sämtlichen alten Provinzen als nicht den Verhältnissen entsprechend anerkannt worden, empfiehlt es sich, mit der den Bedürfnissen der Gegenwart entsprechenden Neuordnung des Wege wesens je nach dem hervortretenden Bedürf nisse provinzweise vorzugehen. Zunächst ist in der Provinz Sachsen das Bedürfnis zur Neurege lung des vielfach veralteten, unzweckmäßigen Wegc- rechts hervorgetreten und es besteht die Absicht, Ihnen den Entwurf einer Wegeordnung für diese Provinz nach Begutachtung durch den Provinziallandtag vor- znlegen. Auch in diesem Jahre wird Ihnen ein Gesetzent wurf zum Zwecke der Erweiterung sowie Vervollstän digung und besseren Ausrüstung des Staatseisenbahn netzes den: wachsenden Verkehrsbedürfnis entsprechend zugehen. Die Entwickelung der Arbcitcrverhältnisse, welche gegenwärtig Gegenstand der Beratungen des Reichs tages bilden, nimmt fortgesetzt die volle Aufmerksam keit Meiner Regierung in Anspruch Um die Ge werbeverwaltung in den Stand zu setzen, den an sie gestellten erhöhten Anforderungen auf die sem Gebiete zu entsprechen, hat sich eine erhebliche Vermehrung der Aufsichtsbcamten, in Verbindung mit einer Neuregelung der Gewerbeinspektion als notwen dig erwiesen. Die Durchführung dieser Maßregel, welche mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird, soll im bevorstehenden Rechnungsjahr begonnen werden. Die dazu erforderlichen Mittel werden in den Etat eingestellt werden. Durch die Vorlegung des Entwurfs einer Städte- ordnuug für den Regierungsbezirk Wiesbaden und von Gesetzentwürfen wegen Erhöhung des Höchst- bctrogs der Hundesteuer und wegen der Abänderung einiger Bestimmungen über die Wahlen von Stadt verordneten wird den im Landtage in der vorigen Session kuudgcgebcnen Wünschen entsprochen werden. Bei den freundlichen Beziehungen des Reichs zu allen auswärtigen Staaten, welche im Laufe dieses Jahres sich noch mehr befestigt haben, kann ich mit Vertrauen die fernere Erhaltung des Friedens er warten. Meine Herren! Eine Reihe hochwichtiger gesetz geberischer Aufgaben wird Sie beschäftigen. Möge die Lösung derselben, welche Ihre volle Hingabe er fordert, im vertrauensvollen Zusammenwirken mit der Staatsregierung zum Heile dcs Landts gelingen! Madrid» 11. November. (W. T B) Heute vormittag brach in einer hiesigen Tabakfabrik eine große Feuersbrunst auö, durch welche der größte Teil der Fabrik cingeäschert ist und KWO Per sonen arbeitslos wurden. Die Feuersbrunst ist noch nicht gelöscht. — Die Königin besuchte nach mittags die Brandstätte und sägte den arbeits losen Frauen unter dem Ausdrucke ihrer Teilnahme Hilse zu. Die Menschenmenge begrüßte die Kö nigin enthusiastisch. Die Wiederaufnahme der Ar beit in der Tabakfabrik soll baldmöglichst erfolgen. Christiania, 11. November. (W T B.) Eine genaue Untersuchung hat ergeben, daß die Schweine pest nur an drei Stellen in der Stadt Christiania, sonst aber nirgends im Lande ausgetreten ist. Der Bestimmung der Negierung gemäß sind sämtliche Tiere aus den infizierten Ställen getötet und die Ställe gründlich desinfiziert worden. London, 11. November. (W. T B.) Der Herzog von Clarence, ältester Sohn des Prinzen von Wales, reist am Sonnabend nach Berlin ab, um den Prinzen und die Prinzessin von Wales bei der Hochzeit Ihrer Königl. Hoheit der Prin zessin Victoria zu vertreten. Dresden, l2. November. Lord Salisbury über die politische Lage. Am 10. d. Mts. fand die feierliche Einsetzung des neuen LordmayorS von London in sein neues Amt statt Zu dem Bankett, welches bei dieser Gelegenheit alljährlich in der Guildhall veranstaltet wird, werden, dem eng lischen Herkommen gemäß, auch di« Mitglieder des Ministeriums mit Einladungen beehrt, welche diesen Anlaß seit altersher zn benutzen pflegen, un: sich in längerer Rede über die wichtigsten politischen Tabes fragen zu ergehen und ihre Zuhörerschaft über ihre Absichten nnd Ziele aufzuklären. Wie bei der Zähig keit, mit der die Engländer am Hergebrachten festhalten, nicht anders zu erwarten war, gestaltete sich der Ver lauf des vorgestrigen Lordmayorsbankettes wieder ganz diesem Gebrauche entsprechend. Nach den üblichen Trinksprüchen auf die königliche Familie und aus Heer und Flotte nahm zuerst der Marineministcr das Wort, um über die Flotte, den Stolz und die Freude jedes Britten, zu sprechen. Seine Ausführungen boten eben so wie die seines Kollegen vom Landheere, welcher unmittelbar nach ihm sprach, wenig Bemerkenswertes. Lord Hamilton erklärte, daß der Bau der vom Par lamente genehmigten Kriegsschiffe in der angesetzten Frist ausgesührt werde, während der Staatssekretär des Krieges, Lord Stanhope, die Vorzüge des neuen Magazingewehres pries, mit welchen die englische Armee im nächsten Jahre ausgerüstet sei» werde. Den Waffenministern folgte dann Lord Salisbury mit einer Rede über die auswärtige Lage und über die Bezieh ungen Englands zu den europäischen Mächten. Da cs für die englischen Handelsherren begreiflicherweise von der größten Wichtigkeit ist, zu erfahren, ob der politische Horizont frei von Wolken ist oder nicht, so konzentriert sich nm die Rede des Premierministers und Leiters der auswärtigen Angelegenheiten stets das meiste Interesse Erwartungsvoll lauscht man seinen Worten und der Telegraph übermittelt dieselben sofort nach allen Teilen der bewohnten Erde, denn auch im Auslande ist man gespannt, ein sachverständiges Urteil über die Lage der Dinge zu vernehmen und dies nm somehr, als die Auslassungen Lord Salisburys in der That fast immer höchst bemerkenswert und bedeutungs voll zu fein pflegen. Bei der vorgestrigen Bankettrede des leitenden eng lischen Staatsmannes war dies freilich nur in be schränktem Maße der Fall. Lord Salisbury bot, ent gegen seiner sonstigen Gewohnheit, nur wenig In teressantes. Ter bemerkenswerteste Teil seiner Aus lassungen war der auf die allgemeine politische Lage bezügliche, welche er als eine durchaus friedliche be zeichnete. „Bei allen diesen Anlässen", so sagte er wörtlich, „habe ich cs gewagt, Frieden in Europa zu prophezeien nnd ich habe bei dem gegenwärtigen nichts anderes zu prophezeien. Alle Anzeichen scheinen mir auf Frieden hinzuweisen, auf alle Fälle während der Periode der Verwaltung Eurer Lordschaft." Klarer nnd entschiedener kann die Meinung, daß sich Europa gegenwärtig der denkbar größten Friedenssicherheit cr- uns Frauen die Tage jetzt eintönig, so gran in grau verfließen, daß ich es wohl verständlich finde, wenn das Interesse einer jungen, hübschen, geistreichen Dame auf die — Kohlenpolitik verfällt. Ich begreife Ihr Interesse vollständig und wünschte, ich könnte cs teilen Nur scheint cs mir unrichtig, daß Sie cine Meinung über die Sache gefaßt zu haben scheinen, die derjenigen Ihres Vaters, der zufälligerweise der Minister ist, der die Angelegenheit zu vertreten gehabt hat, gerade entgegengesetzt ist. Wissen Sie, eki-r« cowies««, nichts ist schaler, öder, unerquicklicher, als politische Mei nungsverschiedenheiten in der Familie. Lassen Sie sich um alles in der Welt nicht ans solche Sachen ein. Sie sehen an Ihrem Papa, wie peinlich politische Auseinandersetzungen sind. Ich hätte das garnicht gedacht, aber Graf Florin ist wirklich scharf mit ihm umgegangen." „Sie sind ini Irrtum, gnädige Frau Oberhof meisterin, wenn Sie meinen, daß ich mich über die Kohlenpreise altericre. Ich freue mich, daß Graf Flo rin, den ich hochschätze nnd achte, einen so großen Er folg errungen hat." „Aber erlauben Sie mal, Gräfin Hertha, darüber freuen Sic sich?" „Warum denn nicht?" Sie sah die Oberhosmeisterin frei nnd offen an, konnte aber doch nicht verhüten, daß ihr eine dunkle Blntwclle in das Gesicht schoß. „Wenn Gras Florin über Ihren Vater siegte, freuen Sie sich. Und noch dazu so sehr, daß Sie glutrot werden? Ich würde das an Ihrer Stelle, Herr Gras, wenig schmeichelhaft finden," sagt? Frau v. Treßnitz lächelnd. Graf Kronau zuckte die Achseln. „Ich muh mich darüber hinwegsctzen," sagte er, „ebenso wie über meine Niederlage in der Kammer, die mich wohl mein Portefeuille kosten wird." „Wie Excellenz? Sie denken an eine Demission? Glauben Sie wirklich, daß die Sache von solcher Be deutung ist?" „Nicht diese allein. Es giebt noch andere Ur sachen, und vor allem ist Graf Florin ein hitziger Kopf, ein tüchtiger Mann und — was mehr als alles ist, ein junger Mann! Er hat die Schwungkraft, die bildende, schaffende Urkraft der Jugend, während — meine Haare weiß geworden sind im Dienst." „Graf Florin," begann Frau v. Treßnitz, aber sie fuhr nicht fort, sondern starrte, von einer plötzlichen Idee beherrscht, einen kurzen Moment vor sich hin. Wie ein Blitz hatte cs die sonst so gewandte, immer schlagfertige Hofdame gefaßt und sie — wenn auch nur momentan — ihrer Geistesgegenwart beraubt. Indessen wandte sie sich schnell nm und schritt freund- lich lächelnd auf Gräfin Hertha zu, der sic oie Hand entgegenstrecktc. „Wir wollen Frieden machen, ekörv cumtesse, da wir doch einmal Bundesgenossen und gewissen Gegnern gegenüber auf einander angewiesen sind. Wollen Sie?" Gräfin Hertha, die nachdenklich zum Fenste- hiiiauSgeschaut Katte, nahm mechanisch die dargeb'- Hand und sah die Frau Oberhosmeisterin sr^,.„tz „Ich verstehe Sie nicht, Frau v. Tre^ Sie sind ein Engel von Unschuld" und Güte, Gräfin Hertha, kommen Sie, setze-. Sie sich zu mir und lassen Sie unS verständig plaudern, wie es zwei Bundesgenossen ziemt Müssen wir uns mit in die ernsten Kreise ver Politik hineinziehen lassen? Lassen Sie die Männer machen, was sie wollen. Wir sehen es ja, wie die Politik sie verdirbt, alle, alle, Gräfin Hertha. Meinen Sie nicht?" „Ich hoffe nicht!" „Gut, hoffen Sie es nicht, aber verschließen Sie sich auch den Thatsachen nicht, und eine Thatsache ist, daß wir Frauen nichts Lächerlicheres, nichts Ge schmackloseres unternehmen können, als wenn wir uns in diese Geschichten mischen. Unsere Stärke liegt ganz wo anders. Unsere Stärke ist das Gefühl, und das ist es gerade, was in der Politik keinen Kurs hat. Zweifeln Sie daran?" „Ich mache keine Politik, Frau Lberhofmeisterin, und es ist mir infolgedessen sehr gleichgiltig, wie die Politik gemacht wird." t „Sie haben die vorzüglichsten Ansichten, die man in dieser Sache haben kann, aber — Gräfin Hertha, nehmen Sie es einer alte», teilnehmenden Freundin, die das Leben kennt ",'ch per die Erfahrung den Blick geschärft hat, nich. ghel - cS genügt leider nicht, wenn man si um die Politik kümmert. Di- Politik t^lü ab und die Leute, hie sich damit ab geben unsere persönlichen Widersacher! Sie ''..egieren auch uns gegenüber das Gefühl! D)enkcit Si? wohl daran: wenn Ihnen ein Politiker von Gefühl spricht, so ist es nicht der lebendige Gott, der in der Menschenbrust wohnt, sondern es ist der Götze, der aus ruhigrm, vernünftigem Kalkül entstanden ist, es ist ein Surrogat der Gefühle, es ist — die Politik Sie kümmern sich nicht darum, daß cs noch keinen Politiker gegeben hat nnd wohl auch keinen geben
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