Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.04.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-04-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110429015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911042901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911042901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-04
- Tag 1911-04-29
-
Monat
1911-04
-
Jahr
1911
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-Prei- Au;rigcn-Preis lüe Lei»,ia »nd «»rotte durch „sei« Träger und Eorditrur« 2»al täglich in, yau, gebracht: « Pt. monati., r.7» »k. oierteljädrl. «et unleru Filialen u. Ln» eahmeftellen abarhott: 7» Ps. mouatl^ r.» Mt. oterteliLhrl. Durch dt« Pest: innerhalb Deutschland, und der deutlchen Kolonien vierteljährl. S.M Mk„ monati. l^0«t. auelchl. Postdrstellaeld. Ferner in Brlgten, Dänemarl, den Donauftaoten, Italien. Luremdura, Niederlande, Nor wegen, Oesterreich - Ungarn, Nuhland, Schweden. Schwell ». Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch dt» Eeschästsstell» d«, Blatte» erhältlich. Da, L«tp,tg«r Tageblatt «rlchetnr Lmal täglich. Sonn- ». Feirttag, nur morgen». Sbonnements-Lnnahme: Iohauuiigaste 8. bet unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, lowie Postämtern und Briefträgern. Ei»r«lv«rkauf,pret, SB,. Morgen-Ausgabe. MWgtrTagMM Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Rokizeiamtes der Ltadt Leipzig. für Inlerate au» Leipzig und Umgebung die lfpaltige Petltzeile LSPf, di« Neklame. i«U« l Pkt., ooa au»wärt» 3t) Ps„ Reklamen l-Ä)Mk.. Inlerare »on Behörden im amt lichen Teil die Petttzeile 50 Pt Selchäftsanzeigen mit Platzvoychttittn u. in der Adendauvgad» im Preise erhöht Rabatt nach Tarit «eilagegeduhr Deiamc. ouslag« ü Mk. p Tauiend exkl. Postgebühr. Teilbeilage hoher. Festertetltr Äubraae tonnen nicht zurück- gezogen werden Für das tkrlcheinen an deirimmren Tagen und Plagen wtid keine Garantie übernommen. Anzeigen . Annahme 2»danni»,»st« «, bei ^amtlichen Filialen u. allen Annoncen» Erpeditionen de» In» und Ausland«, Druck und Verla» »«» Lrt»i«»e, Tag.» Platte» t! Pot» Inhaber Paul sturste». Nedaktto» on» G«lchilt»stelk«: Iohannisgali« 8. Fernsprecher ltüN, Itk93, ltk9ck -a»»«> Filiale Dr«»d»n: Eeestrone 4. l lTelephon 4621^ Kr. 118 Sonnabenü, üen 2S. klprll >S>I. 105. Ishrgsng. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 16 Leiten. Dss Mchtiglte. * Die jüngere Chemnitzer kirchliche Kon ¬ ferenz hat auf ihrer letzten Tagung wichtige Be schlüsse über die Umgestaltung des Religions unterrichtsinder Volksschule gefaßt. (S. d. des. Art.) * Der Zentralvcrband Deutscher In dustrieller sprach sich erneut gegen den Ent wurf der Reichsversicherungsordnung aus. (S. Dtschs. R.) * Aus Mexiko liegen Meldungen von neuen Kämpfen vor. (S. Letzte Dep.) * Bier neue choleravcrdächtige Fälle sind in Petersburg festgestellt worden. * Bei den Unruhen in Kanton wurden 860 Aufständische getötet. (S. Letzte Dep.) * Die k a n ad i s ch e Re g i e r u n g hat ein neues Urhebe rrechtsgesetz eingebracht. lieber üie Kunst, ein Lsnü ;u erobern. Der Marokko-Feldzug, das größte koloniale Abenteuer seit der Eroberung Indo-Chinas, verdient etwas größeres Interesse als bisher die Auslandspresse und auch ein Teil der deutschen bekundete. Die Berliner Offiziösen wollten bis in die letzte Stunde bestreiten, was schon zur Evidenz geworden war, daß Frank reich eine wa hre Mobilisation vornahm, um ein für allemal das ganze Sultanat in die Hand zu bekommen. Man tröstet sich jetzt noch mit den Deschwichtigungsnoten des Ouai d'Orsay, in denen Frankreich sich höchst verletzt zeigt, daß man auch nur einen Augenblick vermuten könne, es beabsichtige eine dauernde Besetzung non Fez. Diese Roten, die im „Journal", „Matin", „Petit Parisien" und anderen Pariser Blättern täglich mit viel Geschick wiederholt werden, setzen bei denen, die daran glauben sollen, ein gehöriges Matz von Raivität voraus. Denn welches Land hat seit dem Burenkrieg eine ähnliche Armee auf die Beine gebracht wie jetzt Frankreich ? st) 000 oder 50 000 Mann für eine „Polizeiaktion" — das ist ein Scherz, würdig der Chansonniers in den Montmartre kabaretts. Mitunter wenden die Franzosen allen Esprit auf, um den Leuten draußen, die sie für weniger gewitzigt halten als sich selbst, einen Bären von solcher Größe anszubinden, wie ihn der Zwinger von Bern und auch die Wälder Sibiriens nicht unterzuvringen ver möchten. Wenn später einmal Diplomaten der Ber liner Wilhelmstraße lernen möchten, wie man große koloniale Expansionspolitik treibt, dann dürsten sie mit besonderem Nutzen die wahrhaft großartige Zeitungskam pagne der jetzigen Marokko-Eroberer, dieses meisterhafte Gespinst von falschen Nachrichten, tendenziösen Berichten und aufreizenden patrio tischen Artikeln lesen. Eine Unmenge In telligenz wird aufgewandt, um täglich die fran zösische und vor allem die ausländische „öffent liche Meinung" zu bearbeiten. Minister Pichon hatte sich mit aller Kraft gegen den mili tärischen Vormarsch gewehrt, zu dem das neue Kabinett sich drängen ließ, da diese Aktion schon in allen Teilen von den unverantwortlichen Kolonialpolitikern und Generalen,.Abg. Etienne, Geschäftsträger Regnault, General Lyautey, General d'Amade und von der Kolonialpressc vorbereitet war. Man hat darauf hingewiesen, daß die Aktion der Republik sofort wieder ein- etzte, als Theophile Delcasss neuerdings Minister wurde. Einige Pariser Blätter nannten diesen Hinweis lächerlich, da Delcasse weder Minister des Aeußern, des Kriegs, noch der Kolonien und obendrein jetzt nicht in Paris sei. Trotzdem bleibt das Zusammentreffen auf fallend, und man hat nicht vergessen, mit wel chen Worten Herr Monis die Mitarbeit des jetzigen Marineministers erbeten hat: er hatte ihm erklärt, daß die äußere Politik Delcassis die Politik des Kabinetts Monis sein werde. Man konnte dies im „Matin" und anderen Zeitungen während der Krisenlage lesen. DelcassLs Zugehörigkeit zum Ministerium Monis gab diesem eine bestimmte Tendenz: die Kolonialpartei wußte, daß er als unsicht barer Kapellmeister den Taktstock schwingen werde. Vom künstlerischen Standpunkt vermag man der Art und Weise, wie die Republik auf den gänzlichen Umschwung ihrer Marokko-Politik vorbereitet wurde, seine Anerkennung nicht zu versagen. Alle Musiker sind an ihrem Platz: die einen, die mit Flöten- und Violinengesäusel über die friedliche internationale Stimmung beruhigen, und auch die andern, die mit Trom petenfanfaren die martialische Stimmung, für die der Franzose so gern zu haben ist, er wecken sollen. Was in Madrid und Berlin geschrieben wird, bekommt man nach Pariser Berichten in der dortigen Presse nur in feinster Auslese vorgesetzt. Damit jedermann glaubt, die große mili tärische Operation wäre unumgänglich not wendig, melden tägliche tendenziöse Nachrichten, daß das Lehen der französischen Instruktoren in Gefahr sei, und diese Meldungen, zweifellos französischen Ursprungs, werden geschickt über London oder gar über Rabat—Ceuta—Madrid nach Paris einfiltriert. Anderseits kommt jeden Tag irgend eine neue Einzelheit heraus, die über den enormen Umfang des geplanten Feldzugs informiert. Wie raffiniert wurde das vom letzten Ministerrat aufgestellte Programm des Entsatzes von Fez in der umgekehrten Reihen folge durchgeführt. Einige Pariser Blätter forderten ungeduldig, daß gleichzeitig von der Grenze Algeriens uns Orans ein Vorstoß stattfinden möchte — bestellte Arbeit, trotzdem die Regierung wissen ließ, sie werde sich auf die Entsendung von Truppen aus dem Schaujaland beschränken. Denn zur Stunde dürften bereits starke Heeres- körper aus Oran in der Richtung auf Tazza abgegangen sein. Das „Echo de Paris" be stätigt auch schon den Vormarsch über Taurirt und redet sogar von 1.5 000 Mann, die einer Vorhut von LOW Gumiers nach Fez folgen sollen. Diese Nachrichten, die doch auf das Publikum Eindruck zu machen beginnen, werden durch sehr pessimistische und bald gewiß wieder als falsch eingestandene Neuigkeiten über die Lage der Mahalla des Majors Bremond ver wischt. Und so geht's weiter bis zur Vollendung des Plans, bis zur tatsächlichen Besitzergreifung von Marokko durch die Franzosen. Der „Temps" wird in dem allgemeinen Konzert beauftragt, die deutsche Presse ab zufertigen. Er tut es in ungewohnt liebens würdiger, aber auch etwas ironischer Weise. Kompensationen wegen des Vormarsches auf Fez? Ausgeschlossen! Die Deutschen mögen sich bloß des Abkommens von 19W erinnern. Glauben sic etwa, daß Frankreich ihnen in Marokko so hohe wirtschaftliche Zugeständ nisse (???) machte, die schon den Aerger Eng lands erregten (?), ohne dann auf Bewegungs freiheit rechnen zu dürfen? Die Kompensationen wurden Deutschland schon vorher gegeben. An ihm ist es, jetzt einmal guten Willen zu zeigen! Die Ironie des „Temps" ist nicht ganz un berechtigt. Denn solange man in Berlin nicht deutlich sagt, welche Kompensationen man er langen will, solange braucht man sie in Paris nicht ernst zu nehmen. Frankreich treibt eine reale, kühne Politik. Wer von ihm etwas haben will, soll deutlich reden und handeln. Die letzten Telegramme, die von französischer Seite verbreitet werden, lauten: Paris, 28. April. (Tel.) Die Regierung erhielt bis zum Mittag keine Nachricht über Brömond und betrachtet deshalb das Gerücht, Br<'mond sei tot, als unrichtig. Tanger, 28. April. (Tel.) El M r a n i ist mit der Harka der Schauja in E l k u n i tz a und General Moinier mit seiner Kolonne am 27. April abends in Rabat eingetroffen. Ucbcr die spanischen Operationen wird gemeldet: Paris, 28. April. (Tel.) Wie die „Agence Havas" aus Ceuta über Tetuan meldet, herrscht in Ceuta eine rege militärische Tätigkeit. Die Spanier schickten Unterhändler an die Notabeln des Andjerastammes, um sie durch hohe Belohnungen zu veranlassen, Eingeborenenkontingente für die Armee zu stellen, im Hinblick auf den Marsch auf Tetuan. vss Osnziger kommsnüa Les Kronprinzen. Der „Berl. Lok." veröffentlicht, wie uns aus Berlin gedrahtet wird, eine in recht hochtrabenden Worten abgesaßtx Erörterung über die bevorstehende Versetzung des Kronprinzen nach Danzig. Weit schweifig wird auseinandergesctzt, daß di« Entschei dung über die Versetzung „nach vorheriger sorg fältiger Erwägung aller in Betracht kommenden per sönlichen, militärischen, wirtschaftlichen und, was in Ansehung der Person des neuen Kommandeurs nicht unterbleiben konnte, auch der politischen Ver hältnisse und im Einvernehmen mit den dabei ver antwortlichen Ratgebern der Krone" gefällt ist. Dann aber polemisiert das Blatt, das gelegentlich als „Kleiner Reichsanzeiger" bezeichnet wird, mit der Tagespress«, soweit darin „Zweifel über die Zweck mässigkeit der Maßnahmen" zum Ausdruck gekommen sind. Uns ist nur bekannt, daß in der Presse Zweifel geäußert sind, ob in Danzig Untertunftsräume für das Kronprinzenpaar zu finden seien. Solche Notizen pflegen aber nicht gerade von den politischen Leitern der Blätter auszugehen, sondern stammen zumeist von politisch wenig interessierter Seite. Der „Berl. Lok." fährt gegen die Verfasser der Notizen schweres Geschütz aus und schreibt: „Das unberufene Bc mühen, sich über die in Betracht kommenden Unter kunftsoerhältnisse und sonstige wirtschaftliche Fragen den Kopf zu zerbrechen, kann nur dazu führen, dem Kronprinzenpaar und dem über die zuteil werdende Bevorzugung glücklichen Danzig die Freude an der kaiserlichen Entschließung rn unverantwortlicher Weise zu trüben." Dann wird in positiver Weise auf die Vorteile des Danziger Aufenthaltes hingewiesen. Wir erfahren, daß in Danzig überall noch die Spuren der einstigen Hansagrößc zu sehen seien, daß die Stadt Sitz der Provinzialbchörden, Hauptbauplatz der Marine, Standort zahlreicher Truppen aller Waffen usw. sei, und daß cs für den Kronprinzen wertvoll sei, das Leben und Treiben in der Provinz kennen zu lernen, die Truppen der Provinz zu beob achten usw. Das sind doch alles Selbstverständlich keiten. Worauf der „Berl. Lok." in seinem langen und durch bevorzugte Schrisr herausgehobcnen Artikel hinaus will, ist unerfindlich. Man sieht nur Wind mühlenflügel, keine wirklichen Gegner, die zu be kämpfen wären. Aber nun wird man freilich sagen: „Da muß doch etwas Ernstes dahinter stecken." SschMche Kirchliche Kankerenz. Die (jüngere) Sächsische Kirchliche Konferenz hielt am Mittwoch in Chemnitz ihre 21. Versammlung ab. Sie wurde vom Vorsitzenden, Geheimem Kirchen rat II. Meyer-Zwickau, geleitet. Den Hauptvor trag hielt Prof. I). T i t iu s aus Göttingen über „Die moderne Sexualethik". Er führte nach dem „Chemn. Tgbl." etwa folgendes aus: Die alte Auffassung von Ehe und Geschlechts leben ist erschüttert und läßt sich nicht wiederhcrstellen. Das Entscheidende an dieser alten Auffassung war, daß man meinte, unverbrüchliche geistliche Ordnungen für das Menschenleben zu kennen. Dieser Standpunkt fit aber für die heurige Theologie nicht mehr halt bar. Für sie ist jedes Gebot, alle Sitte aus sich selvst gestellt und in ihrem eigenen Wert zu prüfen. Sie sind Produkte der geschichtlichen Entwicklung und können als solche nur relative Geltung beanspruchen. Die moderne Sexualethik ist ganz wesentlich bestimmt durch di« N ät u r w i s.je n s ch a st, durch üie Sozialethik und durch ethisch-roman tische Momente. Träg: sie auch nicht einen ganz einheitlichen Charakter, so herrscht doch Ueber einstimmung l. in der Betonung der Relativität und der Individualisierung, 2. in ^em ausgesprochensten Gegensatz gegen den Dualismus des alten aszelischen Ideals, der das leibliche und das geistige Gebiet des Menschenlebens scharf voneinander trennte. Wie müßen wir uns dieser modernen Auffassung gegen über verhalten? 1. Wir können nicht verzichten auf den Transzendenzgedanken, der mit jeder ernsten, konsequenten Religiosität untrennbar verbunden ist. 2. Wir kommen im Christentum nicht um eine Aszcse herum, dabei ist Aszese nicht in dem Sinne gemeint, daß wir irgendwelche Triebe als minderwertig ablehntcn, wohl aber in dem anderen: Es ist das Sinnliche oft einzudämmen um idealer Güter willen. Durchaus abzulehnen ist die mönchische Aszese, die auch im Protestantismus hier und da nur erst unsicher überwunden ist. Sehr mit Recht betont die moderne sexuale Ethik die Gleichwertigkeit von Mann und Frau in der Ehe und bekämpft die ein seitige Herrschastsstellung des Mannes. - Der Vor tragende stellte zum Schluß drei Forderungen für die Praxis auf: 1. Sexuelle Belehrung, nament lich vor Eingehen der Ehe, ist notwendig. 2. Es muß der übergroßen sexuellen Suggestion entgegengewirkt werden, unter anderem durch Bekämpfung der Schund literatur und des Alkoholismus. 3. Wir müßen an der geistigen und wirtschaftlichen Hebung der Frau arbeiten, um ihr die Bewahrung ihrer sittlichen Per sönlichkeit zu erleichtern. An den Vortrag schloß sich eine kurze Aussprache an. Einen breiten Raum nahm auf der Konferenz ein die Besprechung über Vorschläge zur Reform des Religionsunterrichtes in der Volksschule. Sie waren von einem dazu beaustragten Ausschuß ausgearbeitet. Gymnasialoberlehrer Dr. Hennig- Leipzig leitete die Besprechung durch einen orien tierenden Bericht ein. Er bezeichnete die Vorschläge als einen Kompromiß, der einen ehrlichen Resorm- willen bekunden solle, dem gegenüber aber jeder von seinem individuellen Ideal werde Abstriche machen müssen. Dem knappen, klaren Bericht folgte eine lange, nicht selten ziemlich jcharsc Aussprache. Sie ging in der Hauptsache um Z u sa tz a n t r ä g e, die Prof. v. Dr. Euthe - Leipzig zu den Vorschlägen der Kommission gestellt hatte. Die Vorschläge wurden schließlich, zum Teil mit den Zusatzanträgcn, ange nomm«n, in den meisten Punkten mit großer Majori tät, in einzelnen einstimmig. Sie seien im folgenden wiedergegeben. I. Die Stellung des Religionslehrers zum kirchlichen Bekenntnis und zur Wissenschaft. 1. Der Religionslchrer hat die durch die Reformation begründete Art christlicher Frömmigkeit und Sittlichkeit als inhaltliches Richtmaß jür seine Arbeit anzuerkenncn. Als erzieherisch tätiger Mit pfleger ihres religiös-sittlichen cebens ist er an deren Bekenntnisschriften gebunden, soweit dies« Len reli giösen und sittlichen Inhalt »oder „Geist") des refor matorischen Christentums zum Ausdruck bringen. Da gegen darf er genau wie der Geistliche Freiheit von buchstäblicherBindungan die Lehrform der Bekenntnisschriflen als religiöses Recht beanspruchen. Gefordert wird also ein konfessioneller Religionsunterricht, oer inhaltlich mit dem religiösen und sittlichen Wahrheitsgehalt der kirch lichen Bekennlnlsjchristcn in Einklang steht: ab ge lehnt dagegen wirb ein 'insessioneller Religions unterricht, der zugleich auch die dogmatischen Formulierungen der lekenntinsschristen als dauernd verbindlich betont. 2. Bei allem notwendigen Festhalten an den reli giösen und sittlichen Wahrheiten des Christentums muß es dem Religionslehrer grundsätzlich frei ste he n, die Arbeit der Wissenschaft nach bestem Wissen und Gewissen für seinen Unterricht zu berücksichtigen. Dadurch wird jede gesetzliche Bindung an bestimmte wissenschaftliche Ueberzeügun gen älterer oder neuerer Art vermieden und aller intellektuell wie sittlich unverantwortliche Zwiespalt zwischen Uebcrzeugung und Unterweisung verhindert. Da insbesondere die von der Theologie aller Rich tungen nur mit gradwelsen Unterschieden geübte historisch kritische Forschung .,u einem reicheren und tieferen Verständnis des Christentums gesührl hat, jo dars der Religionslehrer das Recht in Anspiuch nehmen, durch ore pädagogische Verwertung solcher Erkenntnis seinen Unterricht zu bereichern und zu Verliesen. II. Pädagogische Gesichtspunkte zur Re form des Religionsunterrichtes. 1. Der Religionsunterricht hat die Aufgabe, an der sittlichen und religiösen Erziehung der jungen Menschen zu Christen mttzuwlrken. Es gilt, durch einheitliche Pflege der Erkenntnis, des Gefühls und Willens alle Kräfte an zuregcn, aus denen b e w u ß t c s j i - t l i ch e s Han deln und selbständiges religiöses Erleben erwächst, dagegen alle Hemmungen zu ' 'kämpfen, die der Ent wicklung solcher Kräfte widerstreben. Doch darf die erzieherische Leistungskrasl des Masscnreligtonsunler- richtes in der Schule nicht überschätz! werden. Er erreicht jein Höchstes, wenn er die Jugend zur Nachfolge Jesu als ihres Heilandes willig zu machen vermag. 2. Auswahl, Anordnung und Darbietungsweise -er Unterrichts- und Lernstoffe haben sich im Inter esse einer möglichst wirksamen Erziehung grundjätz lich und viel genauer als bisher n a ch oen seelischen F ä h i g k e i t e n und Bedürfnissen der Jugend im Stufengange ihrer '''nlwictlung zu richten. Dieser Grundsatz schließt nicht aus, daß der Reli gionslehrer auch auf diejenigen christlichen Wahr heilen eingeht, deren volle Ledenstiese den jugend lichen Anfängern des Lebens noch unzugänglich bleibt; aber er fordert erzieherische Beschränkung des Unterrichtes auf diejenigen Gradstujen des Verstand nisses, welche von der Jugend nicht nur verstandes mäßig angeeignet, sondern auch persönlich, sittlich oder religiös als wahr und wertvoll erlebt werden können — ein Gesichtspunkt, der vor allem jür die Behandlung des 2. und 3. strtikels >n Betracht kommt. Insbesondere halten wir es für pädagogisch notwendig, daß die geschichtliche An schauung religiösen und sittlichen Lebens die Grundlage der religiösen Unterweisung bilde. Dabei empfiehlt cs sich, neben den Hauptquellen der Bibel und der Geschichte des Christentums, vor wiegend des deutschen ieit der Reformation, auch die religiöse Kun st, die weltliche Lite ratur und besonders die Erfahrungen der Jugend selbst pädagogisch ..uszunützen. 3. Zur Wahrung der Einheit des Religionsunter richtes ist ein von der Behörde ausgestellter 2 ehr plan nötig; jedoch muß innerhalb dieser Grenze Zeit und Art der Behandlung des einzelnen oem pädagogischen Ermessen jedes Lehrers überlassen bleiben. I. Der Katechismus Luthers ist nicht bloß geschichtlich zu würdigen, sondern trotz aller sachlichen Bedenken und pädagogischen Schwierigkeiten als bis her noch nicht überbotenes religiöses Bil dungsmittet b e l z u b c h a l t c n. Wir emp fehlen aber zur Ueberwindung der empfindlichsten er zieherischen Hemmnisse folgende Aenderungen des bis herigen Katechismusunterrichtes: -,) Das gesonderte Nebeneinander von biblischem Geschichtstinlerrlcht und ttatechismusunterweisung wird beseitigt. - >,> 1. und ä. Hanplstück werden dem kirchlichen konfirmandenunierricht überwiesen. — < > Die pädagogische Verwertbarkeit der Ertiaiungcn Luthers zum 3. Hauptstück wird dem Urteil ves ein zelnen Religionslehrers anheimgestellt. 3. Der religiöse 1k c r n st o s f fSprüche und Lieder) bedarf nach Umfang. Auswabl .nd sprachlicher Form einer gründlichen Umarbeitung. Maßgebend hierfür ist n i cy t das dogmatisch Wichtige, sondern das religiös Sittliche und erzieherisch Wert volle nach den unter I und II 1, 2 ausgestellten Ge sichtspunkten. III. Das Verhältnis des Religions unterrichtes zu Kirche und Staat. 1. Der Staat nimmt den Religionsunterricht in den Lehrplan der Volksschule aus Der Religions unterricht darf aber nur von solchen Lehrern erteilt werden, die von der kirchlichen Oberbehörd« damit beauftragt sind. (Zusatzantrag. knappe Majorität.) Die Leitung des Religionsunterrich te g ist besonders dazu berufene« Fachmännern anzuvertrauen, die nicht nur theoretisch, sondern auch pädagogisch dafür vorgebildet nd und in der Schul praxis ausreichend« Erfahrung besitzen. Sie haben das Ganze der rcligions-pädagogischen Arbeit nicht nur zu beaufsichtigen, sondern auch durch mannigsachc Anregungen zu fördern. Konsistorium und Kultus Ministerium vereinbaren die Ernennung solcher Auf sichtsbeamten. Dadurch wird dem gemeinsamen In teresse des Staates und der Kirche am Religions unterricht Eenü,ie getan, zugleich aber das Bedenkliche der bisherigen Aussicht durch die Ortsgeistlichen be seitigt. 2 Es ist gerecht und der Kirche heilsam, daß die Religionslehrer als Mitarbeiter an der sitt lichen und teligiöjen Jugendpflege durch gesetzliche Bestimmungen Sitz und Sti mm e in den Kirchenvorständen und in der Lan- dessynodc erhalten. Dadurch treten sie in engeren Lebenszusammenhang mit der kirchlichen Ge-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite