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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.02.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-02-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050217019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905021701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905021701
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-02
- Tag 1905-02-17
-
Monat
1905-02
-
Jahr
1905
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Morgen-Ausgabe: nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen siud stet» an die Expedition zu richten. Extra-Beilagen (nur mit der Morgen- Ausgabe) nach besonderer Vereinbarung. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig (Inh. Or. B., R. <L W. KltnkhardU. Var lvicdiigrie vom läge. * Der königl. Kommissar Iustizrat Dr. Körner ist von Floren, nach Deutschland zurückgekehrt. Die kleine Prinzessin Anna ist ihm nicht übergeben worden. (S. Dtsch. Reich.) * Aus Sckantung wird über Sbanghai gemeldet, die dortigen Deutschen hätten den Gouverneur um Schutz vor neuen christenfeindlichen Unruhen gebeten. (S. Ausland.) * Der Kaiser Fran, Josef empfing gestern nachmittag Koloman Szell, der seine Ansichten über die ungarische Lage auseinandersetzte; eine Entscheidung wurde nicht ge troffen. (S. Ausland.) * Zum französischen Kolonialskandal wird die Verhaftung von vier Beamten, die am Kongo Grausam keiten begingen, gemeldet. (S. Ausland.) * Die Krankheit PobjedonoSzewS soll sich so ver schlimmert haben, daß er nicht mehr arbeitsfähig sein dürfte. (S. den Artikel über Rußland.) Vie Hera Aine. (Don unserem Petersburger Korrespon- d e n t e n.) n. Petersburg, 12. Februar (30. Januar). In den Ruhm, in einem feit Jahren von Hungers nöten heüngesuchten, toenig kaufkräftigen Lande eine GroßinÄustrie künstlich und bei Treibhaustempe ratur geschaffen zu haben, in diesen Ruhm teilen sich Regierung und Banken. Hunderttausende von Acker bauern wurden der Bodenbearbeitung entzogen, in die Städte gelockt und der Industrie ausgelisfert. War der Bauer im Dorfe ein Tier der Wildnis, preisgegeben allen Elementargewalten der Wildnis, so ist er jetzt, als städtisckier Industriearbeiter, ein in den Käfig gesperrtes Tier der Wildnis. Rußland ist das Land, wo man sich durch Ernennung einer „Kommission" aus allen schliminen Sitlmtionen ziSbt. Kommissionen mit einen« Vorsitzenden, einem Ge- hülfen des Vorsitzenden, zwei Sekretären, so und so vielen Tischvorstehern und anderen Beamten sind aber nur ein Vorrecht der Bureaukratie. Da seit einigen Jahren, wie bekannt, das Drängen der Gesellschaft nach Mitarbeit immer lebhafter wird, da Ausdrücke, wie „Verfassung", „Parlament", „Konstitution", immer unheimlicher durch die Luft schwirren, hat man den Ausweg der Konfe renzen gefunden, auf denen Minister und Negie rungsbeamte gemeinsam mit Vertretern eines Arbeits zweiges beraten. Diese „Vertreter der Gesellschaft" werden teils von der Regierung ernannt, teils von öffentlichen Institutionen delegiert und haben selbstver- stündlich nur beratende Stimme. JrgendwelckB bindende oder die Negierung zu einem Schritt nötigende Kraft haben die „Resolutionen" der Konferenzen nicht. Diese lxrben indes das eine Gute, daß auf ihnen die Bureau- kratie auch an mündliche Kritik gewöhnt wird. Für „Fa ch - Pa r l a m en te", wie Idealisten hier diese Konferenzen mitunter nennen, schwärmte man wohl auch eine Zeitlang in Westeuropa, in der Hoffnung, damit den Marasmus des Parlamentarismus zu kurieren. Aber diese Ansätze zu Fach-Parlamenten in Rußland könnten uns darüber belehren, daß sie doch nicht das richtige Mittel sind, um den Willen der gesamten Gesell- schäft zum Ausdruck zu bringen. Sie sind ihrem Wesen nach zu einseitig, mehr episch-lyrischen als drama tischen Charakters, es fehlt ihnen die Wucht der durch Rode und Widerrede bewegten Handlung, sowie die wägende und richtende oder schlichtende Stimme eines Chors, der über den Parteien steht. Wie einseitig auf einem Fachpaickament geurteilt werden kann, zeigte die Konferenz, die letzthin, am 6. Februar (24. Januar), vom Finanzminister Kokowzew auS den Fabrikanten des Petersburger Rayons zusammenberufen war. Auf die Frage des Ministers, was zu einer Verbesserung des Loses des Fabrikarbeiters getan werden könnte, erklärten die Fabrikanten, sie wollten ihre Entscheidung bis zum Erscheinen eines entsprechenden Gesetzes hinausschieben und sich vor der Hand nur auf unwesentliche Maßnahmen beschränken. Am deutlichsten sprach der Direktor der Putilow-Werke, Smirnow, die Ansichten der Fabrikanten aus. Er er- klärte, eine Entscheitnmg aller wesentlichen Forderungen der Arbeiter sei in einer Generalversammlung von Ver tretern aller Jndustrieztveige absolut unmöglich. So ver- langten z. B. die Arbeiter aller Jndustriebranchen, daß daS Minimum für den Tageslohn auf 1 Rubel fest- gesetzt werde. Dies sei nur für mechanische Fabriken angängig, für die Tcrtilindustrie aber undenkbar. Das- selbe gelte vom Arbeitstage usw. Ich kenne die deutsche Aktiengesetzgebung nicht, in Rußland aber sind die Aktien- und größeren Kommandit- gesellschaften zur öffentlick«en Rechenschaftsablegung ver pflichtet. Die Dividenden können hier nicht früher auS- gereicht werden, als bis die Jahresabrechnung der Ge sellschaft vom Finanzminister für richtig befunden un bestätigt ist. Und das ist auch gut so. Denn wenn die gesamte Produktion irgend einer Ware, deren die Ge- samtheit bedarf, von fünf bis zehn Fabriken in die Hände genommen ist und wenn dem Import dieser selben Ware vom Weltmarkt ein hoher Zaun wehrt, dann ist es durch- auS billig, daß der Staat diese fünf oder zehn Fabrik gesellschaften im Interesse der Oeffcntlichkeit überwacht. Mir scheint, daß beute, wo Fusionen von Riesenkapi- talien und ein großartiger Konzentrierungsprozeß in der Industrie auf der Tagesordnung stehen der Staat die dringende Pflicht hat, von jedem grotztndustricllen Nr. 87. Freitag den 17. Februar 1905. SS. Jahrgang. Unternehmen die Hinterlegung eines Garantie fonds in zinstragenden Staaisxiapieren zu verlangen, und in einer Höhe, daß durch diesen Garantiefonds der Arbeitslohn sämtlicher Fabrikbeam ten und Arbeiter für eine Frist gedeckt ist. Gehen die Geschäfte gut und kann aus der Bruttoein nahme der Arbeitslohn gedeckt werden, werden die Zinsen des Garantiesonds den Aktionären ausgekehrt. Macht der Weltmarkt einen Strich durch die Berechnungen und sinken die Warenpreise so, daß auch die Löhne herab gesetzt werden müssen, — dann dienen die Zinsen des Garantiefonds so weit zur Verstärkung der Einnahmen, als es die Einhaltung eines staatlich festgesetzten und etwa nach dreijährigem Durchschnitt für jeden Ort be rechneten Normalarbeitslohnes erfordert. Durch eine solche Sicherheitsmaßregel würde die Gründung industrieller Unternehmungen erschwert, höre ich sagen. Tas stimmt. Aber das soll auch durch eine solctie Maßregel gerade beziveckt und erreicht werden. Die individuelle Freiheit, Fabriken zu gründen, wird dadurch nicht angetastet, sie wird nur in eine geregelte Bahn gelenkt Ter Arbeiter, der seine Pflicht leistet, ob die Weltmarktprecje hoch oder niedrig sind, erhält sein ihm unbedingt zukommendes Pflichtteil von Gegen leistung; der Aktionär geht nur in mageren Jahren seiner Zinsen verlustig, und dem Staat kann es nur an- genehm sein, wenn bei Gründung eines neuen Unter nehmens nicht sofort ein guter Posten von Staats papieren auf den Markt geworfen und gegen Industrie- Papiere eingetauscht wird, sondern in Händen der Kapi talisten bleibt, — als Notfalls-Garantie- fonds des Industrieunternehmens. Auch Rußland machte die Fehler der bisherigen Industriestaaten mit, als es sich den Luxus einer eigenen Industrie erlauben wollte und mit Hochdampf die Grün- düng einer eigenen Fabrikindustrie unter dem Finanz minister Witte betrieb. Rußland verfiel dabei noch in andere Fehler. Es übersah, daß der eigenen Industrie, wenn sie gedeihen soll, auch ein kaufkräftiger innerer Markt von Ackerbauern gegenüberstehen müsse, wie ihn z. B. Deutschland an seiner eigenen ackerbau treibenden Bevölkerung besitzt, oder England sich bei seiner Uniwandlung in einen Industriestaat durch die Erweiterung seines ackerbautreibenden Kolonialbesitz's erwarb. Rußland hatte keine kaufkräftigen Ackerbauern, denn es hatte seinen Ackerbau verkommen lassen, im Wahne, ein Agrikulturstaat könne kein Kulturstaat sein, erst die Industrie mack>e ihn dazu. Tas war der eine Fehler. Ter andere bestand darin, daß Rußland haupt sächlich mit Hülfe fremder Kapitalien, d. h. ohne selbst über genügendes Kapital zu verfügen, eine russische Industrie schaffen wollte, und diese durch hohe Prohibitivzölle lebensfähig zu machen hoffte. Dieser Fehler enthält ein ganzes Bündel von Fehlern. Das fremde Kapital, das ins Land strömt, hat natur gemäß kein Interesse am Lande selbst, sondern wird bloß nach einer möglich st hohen Verzinsung streben und deshalb schon an und für sich das Industrie produkt verteuern. Eine weitere Verteuerung bringt die Ausmerzung der fremdländischen Konkurrenz mit ihrer billigeren Ware, d. h. der Schutzzoll mit sich. Ter russische Fabrikant ist nicht mehr gezwungen, die fremdländische Ware durch Güte und Billigkeit des eigenen Pro duktes aus dem Felde zu schlagen, sondern setzt für dieses trotz seiner Minderwertigkeit einen Preis an, der dem Preise des ausländischen Produkts nebst Zuschlag von Zoll, Transportkosten, Spesen usw. glcichkommt. Einen solchen Preis kann aber der russische Bauer nicht zahlen, weil er dazu zu arm ist. Die eine Folge also ist eine Verteuerung des einheimischen Jndustrieprodukts, d. h. ein LuxuS, den sich ack mrrjarem putria« xlariam nur ein kapitalkräftiges Volk erlauben kann. Eine weitere Folge der künstlichen Einbürgerung der Industrie war die Verteuerung der Lebens- b-e d ü r f n i ss e, die. wie bekannt, überall eintritt, wo sich Industrie mederläßt. Von dieser Preissteigerung hatte aber der arme und bis über die Ohren verschuldete russische Bauer nichts. Tie Gewinne, die hier erzielt wurden, flössen in die Taschen des Zwischenhandels, namentlich des mit einen, geradezu raffinierten Wucher talent ausgestatteten „KulLks", d. i. des Dorfkrämers und -Wucherers, der, wenn er genug zusammengewuchert bat, seinen Manrmon nicht in Jndustriewerten anlegt, sondern lieber der toten Hand zuweist, indem er eine .Kirche baut — natürlich eine steinernel — und aus stattet. Der Bauer wurde also nicht kaufkräftiger, ja, auch die Kaufkraft anderer Stände nahm durch die Ver teuerung der gesamten Lebenshaltung ab. Der fremd ländische Kapitalist, der mit „billigen Arbeitslöhnen" und wohlfeilen Lebensbedürfnissen in Rußland gerechnet l>atte, und hier dank der mangelhaften Intelligenz und sonstigen geringen Leistungsfähigkeit des russischen Arbeiters teurer als in der Heimat produzierte und Enttäuschung um Enttäuschung erlebte, suchte jetzt erst recht durch hohe Preise für sein Produkt und durch Drücken des Arbeitslohnes die Zinsen für sein .Kapital herauSzuarbeiten. Vergebliche? Bemühen, denn -er eirenlnk, vitinaun war geschlossen. Es kamen die Krisen und Krache und zu guterletzt der Krieg — und der ver derbliche Zirkel rollte sich zu einer großen Spirale des Verderbens und der Unzufriedenheit auS. DaS heilige Rußland soll nach eines ehernen Schicksals Gebot heute das ernten, was der Zar Alexander IH. säebe und sein Sohn und Nachfolger kultivierte. Auch der Klee, den der „heimliche Kaiser, der Präsident Witte, da zwischengesät hat, ist heute schnittreif Unterdessen ist der Finanzminister beim Zaren mit einem Memorandum zur Arbeiterfrage gewesen, dessen Inhalt die offiziöse „Petersburger Telegraphen- Agentur" wohl dem Auslande übermittelte, den in ländischen Blättern aber nicht, so daß. das ganze Reformprojekt offenbar bloß Sand Potemkinscher Dörfer ist. Nur e i n Punkt dieses NeformproieklS hat mich aufs höchste interessiert. Der Finanzminister hat u. a. dem Zaren erklärt, eS sei „notwendig ... die Behörden zu nötigen, daß sie sich den Gesetzen gemäß verhalten!" Wie kindisch das klingt! Von wem wird denn diese „Nötigung" ausgehend Etwa von Manuchin, dem jetzigen Justizminister und früheren Gehülfen des unter die Diplomaten gegangenen, bisl-crigen Justizministers Murawjew? — Nun, Manuchin und Murawjew haben seinerzeit zusammen die Institution der „Landhaupt leute" gesckiaffen, dieses Justiz und Verwaltung in einer Person vereinigenden und zur Niederhaltung des Bauernstandes geschissenen Amtes, zu dessen Bekleidung kein anderer Befähigungsnachweis verlangt wird als der, den Zugehörigkeit zum Adel und „zuverlässige", d. i. entschlossene, bureaukratisch-reaktionäre Gesinnung verleihen. Manuchin wird kaum anders, als Murawjew sein, dem die Presse jetzt wahre Harfentöne nachsendet. Verhältnismäßig zahm ist noch die „Ruß", die von Murawjew sagt, er habe den Begriff des „General- prokureurs" (Generalstaatsanwalts) vortrefflich zu entwickeln verstanden. Während seiner elfjährigen Tätig- keit wurde der „Ausschluß der Oefsentlichkeit" zum System erhoben, und es gab keinen größeren Prozeß, bei dem nicht dem betreffenden Gericht eine Direktive vom Justiznrinister zuging. Ta Murawjew die Präsidenten und Vizepräsidenten der Gerichte meist aus den Staats anwälten nahm, erhielt das ganze Gerichtswesen Ruß lands ein schön einheitliches, staatsaimaltliches Gepräge. Die Revision der Gerichtsverfassung hat zwar die Hoff nungen nicht erfüllt, die man auf Murawjew setzte, aber ergab doch drei Reformen: während seiner zehn jährigen Amtstätigkeit wurde die Nnifor - mierung der Richter und Gerichtsbeamten dreimal einer Reform unterzogen! Die letzte Uniform wurde am 1. Januar 1905 eingeführt, ist aber so unbeguem, daß noch in diesem Jahre eine vierte Reform und Uniform nottut! — Und die Zeitung „Nascha Shisnj" („Unser Leben") besingt Murawjew den Diplomaten. Tas Blatt meint, zwei Exkur sionen, die er als Justizminister ins Gebiet der Diplo matie unternahm — einmal in einem Auslicferungs- handel mit der italienischen Regierung und das andere Mal als Vorsitzender im Haager Schiedsgericht —, hätten ihm freilich empfindliche Schlappen eingetragen. Darnach ließen sich aber die diplomatischen Fähigkeiten des in>uen Botschafters in Rom nicht beurteilen. Tenn als Justiz minister stand er auf der Höhe der diplonratischen Be fähigung. So verteidigte er auf der einen Seite als Mann der Wissensckmst von der Höhe des Katheders die Grundlagen der russischen Justiz, als: öffentliches Ver fahren, Unabhängigkeit des Nichterstandes usw. Trat aber an ihn von anderer Seite die „Forderung einer höheren Ordnung" auf Verhinderung eines unab hängigen Richterspruches heran — eine Forderung, die oft und nie vergebens an die Adresse Murawjcws ge richtet wurde, — dann zeigte er sein ganzes diplo matisches Talent. Tenn von „doktrinärer Einseitigkeit und puritanischem Rigorismus" ist Murawjew durchaus frei. Er ist so vielseitig veranlagt, daß er gleich einem anderen talentvollen. Hollen Beamten sagen könnte: „BefehlenMajestät — und ich bin morgen Akkouchcu»'!" In seiner „kitzlichen diplomatischen Position zwischen Gott und Mammon" war er aber — die Gerechtigkeit erfordert das zu sagen — immer ein „ehrlicher Makler", der immer „ein Kompromiß zwischen für ihn klaren und notwendigen Forderungen einer ge rechten Rechtsprechung und nicht weniger klaren, aber noch notwendigeren und gebieterischeren Forderungen bureaukratischer Willkür" zu finden wußte. Nun, wenn der neue Justizminister Manuchin ein ebensolches diplomatisches Talent, wie sein Vorgänger ist. wird es ihm wohl auch glücken, ein Kompromiß ausfindig zu machen, um dem Wunsche des Finanzministers gemäß „die Behörden zu nötigen, daß sie sich den Gesetzen gemäß verhalten!" Eben ist auch eine Kommission zur Revision des Zensurstatuts und zur Ausarbeitung eines Preß gesetzes ernannt worden. Tenn das, was bisher so heißt, sind im Grunde bloß Regeln, die im Jahre 1864 unter Alerandcr II. „vorläufig" erlassen wurden, — „bis zum Erlaß eines Preßgeiebes"! — Eine etrvas lange „Vorläufigkeit" — Der Vorsitzende der Kommission. Wirklicher Geheimrat Kobeko, hat sich von einem Mit arbeiter der „Ruß" interviewen lassen, und dabei in der Tat durchaus liberale Ansichten entwickelt, freilich, wie er sagte, seine persönlichen Ansichten. Er meinte, alle Zeitungen, also die Residenzblätter und die Provinzial- presse, müßten gleich und unter ein Rögime gestellt werden, -. h., entweder müssen alle der Präventivzensur unterworfen oder alle von ibr befreit sein. Da nun eine Rückkehr zum frülieren Zustande, wo auch die Re sidenzblätter der Präventivzensur unterstanden, jetzt ziemlich zweifelhaft sei, „bleibt al? logischer Schluß nur übrig, daß allo Zeitungen von der Zensur befreit werden. Auch sprach sich der Geheimrat für eine Be seitigung der administrativen Bealmdungen der Presse und für eine Anrufung des ordentlichen Gerichts aus falls eine Maßregelung eines PreßorganS erforderlich sein sollte. Das hört sich ja alles sehr schön an, ober man wird gut tun,abzuwarten und kalt Blut und warme Unterkleider zu behalten. vir vürir in stnrrlana. Die Arankhelt Pobjedorroszew», wovon da» »B. T." zu melden wußte, bat sich nach dem „L.-A." bedenklich verschlimmert. Er muß allen Regie- rungSgeschäften fernbleiben und wird durch seinen Gehilfen Gabler vertreten. Nach Ansicht der Aerzte dürfte er überhaupt nicht mehr arbeitsfähig werden. Gorki. Der „L.-A." erhalt das folgende, nickt sehr zuverlässige Telegramm: Die Hoffnung der Freunde Maxim Gorkis, der Dichter werde bald aus der Peter-PaulSfestung befreit werden, dürfte sich nun doch nicht erfüllen. Im Gegenteil wird Gorki so lange interniert bleiben, bis die Arbeiterfrage, die mit politischen Fragen eng verbunden ist, endgültig ge löst ist (?). In Warschau. Nack einem Warschauer Telegramm traten die Fabri kanten Warschaus und der Umgegend am Mittwoch zu sammen, um die Mittet ausfindig zu machen, durch die die Lage der Arbeiter aufgebessert werden könne. Zur Be seitigung des Ausstandes wurde unter anderem vor geschlagen, zu gestatten, daß am Nachmittag des 1. Mai gefeiert werde. ver t«58i5ch-iapani5»e Weg. Gripenberg. Aus Moskau meldet ein Telegramm vom Donnerstag: General Gripenberg ist beute mittag hier eingetroffen und nach Petersburg weitergereist. Noch ein Stöffel-Interview. Wie der „Standard" berichtet, hat auch sein Bericht erstatter eine Unterredung mit General Stössel an Bord der „Australia" in Port Said gehabt. Der General bestritt entschieden, daß die Festung bei der Kapitulation noch für ungefähr 3 Monate Proviant gehabt habe, und daß die Be satzung noch 25 000 Mann stark gewesen sei. Stössel wie sein Stabschef beteuerten, daß d,e Uebergabe von Port Arthur unvermeidlich gewesen sei. Die bevorstehende Belagerung Wladiwostok». Der „Frkf. Ztg." wird geschrieben: Durch kaiserlichen Ukas vom 7. Februar ist Wladiwostok zum Range einer Festung erster Klasse erhoben worden, was auf entsprechende Berstärkung der Festungsstäbe schließen läßt. Durch einen Armeebefehl vom selben Datum ist der Generalleutnant Kasbeck zum Kommandanten dieses wichtigen Platzes ernannt worden. Der General, welcher im fünfundsechszigsten Lebensjahre steht, hat sich im letzten russisch-türkischen Kriege mehrere Wunden und die üblichen OrdenSauSzeichnungen geholt und später ein Regiment befehligt. Bon 1802—1897 war er Stabschef der Festung Warschau und zuletzt Kommandant dieses wichtigen Waffen platzes. Gleichzeitig mit diesen rein militärischen Maßregeln hat man das Knabengymnasium nach Nertschinsk verlegt, während das staatliche orientalische Spracheninstitut mit Exirazug nach Wercknendinsk abgedampft ist. Daß man eS mit keinem falschen Alarm zu tun hat, ist aus der immer enger werdenden Blockade der Festung zur See und der Sprengung einer wichtigen Eisenbahnbrücke im Rücken der russischen Armee Halbwegs zwischen Charbin und Mulden zu ersehen. ver -luttkana In 5iia«tttalnlla. Trotha» Heimkehr. Die Nachricht von der demnächst zu erwartenden Rück kehr des Generals v. Trotha aus Afrika erscheint der „T. R." zwar trotz der noch fehlenden amtlichen Bestätigung glaub lich, doch sei der Zeitpunkt, zu dem „im Zentrum und im Süden des Schutzgebiets die Ordnung wiederhergestcllt" sein wird, einstweilen leider noch nicht abzusehen. Aus diesem Grunde werde der General diesen Zeitpunkt nicht abmarten können, wenn er „in voraussichtlich nicht mehr ferner Zeit" zurückkebren soll. DaS Blatt fährt dann fort: Es war weiterhin behauptet, daß die Anwesenheit des Herrn von Trotha in Deutschland durch die Vorbereitungen für den „über kurz oder lang" unvermeidlichen Lvambo-Feldzug notwendig ge worden sei. Von Vorbereitungen für einen Ovambo-Feldzug ist noch auf sehr lange Zeit hinaus nickt die Rede. Nach den Erfahrungen, die bis jetzt in Teutsch-Südwestafrika und namentlich jüngst im Süden der Kolonie gemacht worden sind, besteht gar kein Zweifel, daß vor Bau und Inbetriebnahme einer Bahn von Swakopmund bis etwa Zuneb an einen Krieg im Norden der Kolonie nicht zu denken ist. In diesem Punkt sind sich die heimischen Instanzen mit General von Trotha selbst völlig einig. Die Gründe für die etwaige Rückkehr des Generals können nur auf persönlichem Gebiet gesucht werden. Ein mal mag seine Gesundheit unter den Strapazen des Feldzuges gelitten haben. Zweiten» hat er selbst für die Tauer sich wohl der Erkenntnis nicht verschließen können, daß, wie Kenner der Verhältnisse von vornherein behaupteten, die Kriegführung in Teutjch Südwestaftika trotz aller mit ihr verbundenen Schwierigkeiten für einen Offizier von drin hohen Rang des Generals keine rechte Gelegenheit zur Betätigung biete. Nicht zuletzt mögen gewisse Meinungsverschiedenheiten, die zwischen Herrn von Trotha und Berliner für ihn maßgebenden Stellen bestehen, dem General die Fortführung seines undankbaren Mandat» verleidet haben. So ist ein Erlaß des Generals, der sich auf die Behandlung zur Nieder legung der Waffen bereiter Gegner bezog, in Berlin nicht gebilligt worden; Herr von Trotha hat ihn zurückgezogen, soweit wir unter richtet sind, auf Grund ihm übermittelter Allerhöchster Entschließung. Die wenig günstigen Einwirkungen de» „grünen Tische»" scheinen sich also schon wieder geltend zu machen. Ver neue Gouverneur. Die Verhandlungen mit Herrn v. Lindequift über die Uebernahme de- Gouvernements von Südwestafrika befinden sich, wie der „Nat.-Ztg." von gut unterrichteter Seite mit geteilt wird, noch immer in der Schwebe. Der schwierigste und zugleich kür die Entschlüsse de» Herrn v. Lindequift ent scheidende Punkt ist die Stellung de- Gouverneur» zum Truppenkommandeur. Militärische Kreise wünschen, daß der Truppenkommanceur dem Gouverneur koordiniert sei, und weisen auf da» Verhältnis zwischen dem Oberpräst- denten einer Provinz und dem kommandierenden General bin. Der Unterschied aber besteht ersten» darin, daß im Mutterland« die über dem Oberpräsidenten und dem kom mandierenden General stehenden Stellen schnell bei der Hand sein können, um au» Reibungen entstehende Unzuträalich- keiten zu verhindern, während in Südwestafrika durch solche Reibungen allerhand Unbeil angerichtet sein kann, ehe von Berlin aus eingeariffen werden kann. Zweiten« kommt eia Oberpräsikent sehr selten in di« Lag«, auf di« brwaffnrt« Macht aagewtrs«« zu sria, während der Gouverneur uat«
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