Volltext Seite (XML)
lhönbm ger Tageblatt Erscheint »glich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 85 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. —— und Waldenburger Anzeiger. AmtsdlM sm de« StMrath Waldeabmg. Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herrn Kaufmann Max Liebezeit; in Penig bei Herrn Kaufmann Rob. Härtig, Mandelgaffe; in Rochsburg bei Herrn Suchhalter Fauth; in Lunzenau bei Hrn. Buchhdlr. S Dietze; in Wechselburg bei Herrn Lchmied Weber; in Altenburg bei Hrn. Buchh. Ernst Geßner; in Lichtenstein b. Hrn. Buchh. I. Wehrmann. — — Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Callnberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohilsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursoorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergrüfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. Mittwoch, den 17. November 268. 1886. Witterungsaussichtm für den 17. November: Windrichtung um Südwest. Abnehmende Bewölkung ohne erhebliche Niederschläge. Temperatur unverändert. "Waldenburg, 16. November 1886. Die russische Regierung hat in der bulgarischen An gelegenheit eine kräftige Niederlage erlitten; die Rede, welche der österreichische Minister des Auswärtigen am Sonnabend in Pest gehalten, hat die Schlappe, welche Rußland erhalten, offen dargelegt. Rußland wollte seinen Einfluß über Bulgarien in vollem Umfange wiederherstellen, und die Mächte haben geschwiegen, als es seine Arbeit mit dem Sturze des Fürsten Alexander begann. Kein Finger rührte sich für den Battenberger, denn das Interesse der Mächte kam nicht direct ins Spiel. Der panslavistische Bär war aber nicht zufrieden, er dachte, ganz Bulgarien als fette Beute zu verschlucken, und der Mann, welcher es da hin bringen sollte, war General Kaulbars. Aber all zuscharf macht schartig; Kaulbars unerhörtes Treiben, sirr welches er das Lob des amtlichen russischen Re gierungsanzeigers fand, wurde in ganz Europa genannt, wie dasselbe es verdiente, und die Offenkundigkeit seiner Be- mübungen, Bulgarien russisch zu machen, hat die Gleich giltigkeit der Mächte beseitigt. Rußland dachte, mit Bulgarien nach seinem Belieben schalten und walten zu können, jetzt hört es den ruhigen, aber im bestimm ten Tone gehaltenen Zuruf: „Bis hierher und nicht weiter. Bulgarien ist auf Grund des Berliner Ver trages ein selbständiges Fürstenthum, und bleibt das auch in Zukunft. Daran wird nichts geändert!" Dieser Ruf ist, nach den Worten des Grafen Kalnoky, von Österreich-Ungarn, England und Italien erhoben, und Deutschland billigt ihn. Die Verständigung Eu- ropa's gegen Rußland ist also geschaffen, Rußland kann nicht mehr, wie es will, es müßte denn die Entscheidung der Waffen anrufen. Czar Nikolaus begann den Krimkrieg, der Ruß land an den Rand des Abgrundes brachte, weil er nicht an die feste Allianz zwischen Frankreich und England glaubte; Alexander III. wird aus der Re gierung seines Großvaters seine Lehren ziehen, und nicht an den Krieg appelliren, nachdem ihm das Ein- verständniß Europa's entgegengehalten ist. England und Italien werden nicht nur auf dem Papier die österreichischen Forderungen unterstützen, und auf Frank- reich's Beistand kann der Czar Deutschland's wegen nicht rechnen. Die diplomatische Partie hat Rußland im Moment verloren; es wird klug genug sein, einen sehr zweifelhaften Krieg zu vermeiden. Die Pansla- vistcn in Petersburg glaubten in der bulgarischen Frage außerordentlich früh aufzustehen; jetzt werden sie er kennen, daß sie die Ersten doch nicht waren. Ihr Ziel, die Zertrümmerung des Berliner Vertrages, ist vereitelt worden und zwar für geraume Zeit. Aller dings ist General Kaulbars noch in Bulgarien, und cs mag ihm ja gelingen, noch manche Wirren herauf zubeschwören; allem alle inneren Unruhen bleiben so lange ungefährlich, als keine russische Occupation Bul- garien's stattfindet. Die bulgarische Regentschaft ge winnt Angesichts des Friedensbundes neue Kraft, alle Empörungen zu unterdrücken. Gelänge es aber auch General Kaulbars, einen solchen Aufstand heraufzube schwören, daß ein Sturz der Regentschaft erfolgte, so wird sich doch immer Europa die definitive Nmordnung der Dinge Vorbehalten, Rußland allein kann nichts. In Petersburg ist die Stimmung begreiflicherweise eine sehr gereizte; die Blätter schreiben sehr erbittert gegen Oesterreich und England. Jetzt sind eben keine Verdrehungen und Entstellungen mehr möglich, Graf Kalnoky hat zu klar gesprochen, und den schönen Traum der Panslavisten zu grausam zerstört. In Rußland ist zweifellos eine gar nicht so unbedeutende Partei, welche große Lust hat, das Schwert in die Wagschale zu werfen, aber auch diese Herren werden sich allmäh lich eines Besseren besinnen. Ein großer Krieg wäre für Rußland und den Czarenthron ein Hazardspiel. Einige Mißerfolge — und die Revolution wäre fertig. Rußland ist ein Koloß, aber ein Koloß mit thönernen Füßen, das hat sich erst im letzten Türkenkriege sehr deutlich gezeigt. Für den enropäischen Frieden war es deshalb ein Segen, daß Graf Kalnoky so offen gesprochen, wie geschehen. Wenn man das Aeußerste vermeiden will, muß man den Muth haben, es aus zusprechen. Das hat Graf Kalnoky gethan, und die Wirkung davon wird nicht ausbleiben. Folgt sie nicht sofort, folgt sie doch später. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser nahm am Montag Vormittag den Vor trag des Grasen Perponcher entgegen, empfing den General Graf Brandenburg II. und demnächst den Reichskanzler Fürsten Bismarck vor dessen Abreise nach Friedrichsruhe. Mittags arbeitete der Kaiser längere Zeit mit dem Geheimrath von Wilmowski und ertheilte am Nachmittag dem Oberstlieutenant von Villaume Audienz. Der deutsche Kronprinz empfing am Montag Mittag den französischen Botschafter Herbette in be sonderer Audienz. Der Prinz Ludwig von Bayern besuchte am Montag mit dem deutschen Kronprinzen die Ruhmes- halle in Berlin und stattete dann in Potsdam einen längeren Besuch ab. Sonntag Nachmittag hatte der Prinz dem Charlottenburger Pferderennen beigewohnt und am Abend den Kaiser zur Oper begleitet. Die Rückreise erfolgt Donnerstag. Fürst Bismarck hat am Montag Nachmittag Berlin wieder verlassen, um sich nach Friedrichsruhe zu be geben. Der Reichskanzler klagte bei seinem Aufenthalt in Berlin ab und zu über rheumatische Schmerzen, be fand sich aber im Uebrigen wohl, so daß er die zahl reichen Geschäfte, welche ihn erwarteten, ungehindert erledigen konnte. Den Diplomaten gegenüber, welche ihn besuchten, soll der Kanzler zuverlässigem Verneh men nach seine Ueberzeugung dahin ausgesprochen haben, daß er an der Erhaltung des Friedens nicht zweifle. Die politischen Verhältnisse müssen sich also wohl in den letzten Tagen zum Besseren gewandt haben und aus dem Grunde mag auch Fürst Bismarck seine Ab reise beschleunigt haben. Von chinesischer Seite wird der „Nat.-Ztg." berich tet, daß die chinesischen Regierungsfrachten, Personen- und Postbeförderungen, sowohl im Verkehr zwischen Europa und China, wie im Verkehr zwischen den süd lichen und nördlichen Häfen, für den Norddeutschen Lloyd zum guten Theil in sichere Aussicht genommen sind. Der Reichstagsabgeordnete Rose (Wahlkreis Oste rode-Neidenburg) ist auf seinem Rittergut Döhlau in Folge einer Herzlähmung gestorben. Der Verstorbene gehörte der deutschconservativen Partei an. Der Oberpräsident in Posen hat gegen die ihm an gezeigte Ernennung des Geistlichen und bekannten Ab geordneten von Jazdzewski zum Probst von Betsche und gegen die des Geistlichen vr. Wartenberg zum Probst von Gostyn Einspruch erhoben. Es ist das der erste derartige Fall. Der neue Militäretat enthält für das preußische Kontingent der Reichsarmee an fortdauernden Ausgaben die Summe von 267,5 Millionen (4,2 Millionen mehr), und 27,8 Millionen (12,5 Millionen mehr) an einmaligen Ausgaben. Der außerordentliche Etat fordert u. A. 5,8 Millionen für die Fortführung der Küstenbefestigungen an der Ostsee, der unteren Weser und der unteren Elbe. Für Garnisonbauten im Elsaß sind Zi/r Millionen gefordert, für Errichtung einer Unteroffizierschule iu Neubreisach 289,000 Mk. Für Festungsbauten werden 7 Millionen verlangt. Dem Etat sind Denkschriften betr. die Erhöhung der Hafer rationen und betr. die Erhöhung der Commandozulagen beigegeben. Die Frage der Verlegung des Kadetten hauses ist zu Gunsten von Köslin entschieden, wie sich aus einer Forderung für die Verlegung im ordent lichen Etat ergiebt. Die nunmehr zum neuen Reichshaushaltetat pro 1887/88 vorliegende Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben für das Etatsjahr 1885/86 ergiebt als Gesammtausgabe die Summe von 720,837,244,91 Mk. Diese sind im Etatsjahre selbst bis auf 12'/r Millionen gedeckt, welche noch nachzuzahlen sind. Eine Seitens Berliner Finanzkreise eingesetzte Com mission zur Förderung des Projectes einer vom Staate zu errichtenden überseeischen Bank soll beabsichtigen, dem Reichstage einen auf die Sache bezüglichen Ent wurf zu unterbreiten. Im zweiten Spremberger Socialistenproceß verurtheilte der Gerichtshof die Angeklagten Maltusch und Hoffmann zu je 10 Monaten, Kara, Burckert, Platzke und Lauke zu 12 Monaten, Lang? zu 1 Jahr, Appelt, Handrick, Radefeldt, Rothert, Richter, Heinze, Dunst, Sachs, Ernst Schmidt, Grund und Brosig zu je 3 Monaten, Hermann Schmidt, Greischel, Biernick zu je 2 Monaten, Witte zu 6 Wochen Gefängniß und spricht Gustav Schmidt und Sommer frei. Ferner beschließt der Gerichtshof: die Angeklagten Rubendunst, Teuscher, Hoffmann, Kara, Platzke, Lauke, Lange und Burckert sofort zu verhaften. Wegen der bekannten Wahlbriefaffaire ist gegen den Amtsgerichtsrath Francke in Ratzeburg außer auf Strafversetzung ohne Umzugskosten noch auf Herabsetzung des Gehaltes um 300 Mark erkannt worden. Frankreich. In Paris fand Sonntag die Jahresversammlung der französischen Turnvereine statt. Kriegsminister Boulanger hielt darin eine Rede, in welcher er sich dahin aussprach, die militärische Erziehung der Jugend habe keinen kriegerischen Character. Jedes Land, das existiren wolle, müsse stark sein. Er selbst betreibe unablässig Kriegsvorbereitungen, denn das sei die beste Garantie eines dauerhaften Friedens. Dann können es aber die Franzosen anderen Staaten nicht verargen, wenn auch diese Kriegsvorbereitungen treffen. Im Uebrigen hat die Rede in Paris gerade keinen schlech ten Einbruch gemacht. Dazu wird noch gemeldet, daß die Rede gegen frühere Reden des Ministers sehr vor- theilhaft absticht. Er hat zum Mindesten die Besonnen heit gewonnen, die ein Minister besitzen muß. Rouvier hat den Posten als Generalgouverneur von Tonking und Annam angenommen. Die mo narchischen Blätter behaupten, er gehe nur seiner vielen Schulden halber dorthin. Rußland. Die ruffische Regierungspresse zieht jetzt gegen England und Oesterreich-Ungarn in scharfen