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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Prönnmeratien«- Prei« 221 S«r. sf Zblr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für da« ganze Jahr, ohne Er Höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Man pränumerirt auf diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Mq. Pr. Staati-Zeitung (FriedrichSge. Nr. 72); in der Pronin; so wie im Auslände bei den Wohllöbl. Post-Aemtcrn. Literatur des Auslandes. 137 Berlin, Montag den 1). November 1841 Spanien. Rückblick auf den Spanischen Bürgerkrieg. Vier Jahre in Spanien. Von ?l. v Soeben, König!. Spanischem Öberst-Lieurenant vom Generalftabe. Hannover, 1841 Erinnerungen aus den Jahren 13Z7, Z8 und ZS- Erker Theil. Frankfurt a. M-, 184t. Tirocinium eines Deutschen Offiziers in Spanien. Hcrauegc.- geben von G. Hosten. Zwei Bände. Stuttgart, 1341 Die wahre Bedeutung des Spanischen Bürgerkrieges hat sich thatsächlich erst nach der Abdankung der Königin Christine ergeben, durch welche die Austreibung des Do» Carlos ergänzt und zum Abschlusse gebracht wird. Tue Parteien, welche sich so viele Jahre hindurch mit der äußersten Erbitterung bekämpften, nannten sich Christines und Karlisten, und beide Personen, von denen die Par teien ihren Ramen entlehnten, sind in knrzem Zwischenräume — auSgestoßen worden. Zuerst unterlag Don Carlos, und mit ihm das Prinzip, das er repräsentirte; nicht lange, so verfiel Christine dem selben Schicksal, aber die Partei, welche ihren Name» so lange zum Felbgeschrci gemacht hatte, erhielt sich nicht nur, sondern stieß sie sogar aus, weil sie in ihr nur noch ein lästiges Hinderniß erblickte. Nach Ueberwindung des äußeren Gegensatzes, trat der Gegensatz in der liberalen Partei selbst hervor. Faßt man beide Thatsachen, die Vertreibung des Don Carlos und die gezwungene Advankung der Königin Christine, zusammen, so scheint daraus hervorzugehen, daß der eigentliche Gegenstand deS nun beendigten Kampfes nicht bloß eine SuccessicnSfrage war, ob gleich diese zunächst in den Vordergrund trat. Allein es erwies sich bald, daß diese nur den Vorwand hergab; der Streit entgegeuge. setzter persönlicher Ansprüche, der den Ausgangspunkt bildete, schlug immer mehr zu einem Streite der Prinzipien um, und zwar der Prinzipien, deren Kampf den Inhalt der Geschichte der letzten fünfzig Jahre bildet. Spanien, das die Revolution von sich fern gehalten hatte, während alle andere Europäische Staaten von derselben infizirt wurden, laborirt nun schon so lange, man kann sagen an der zuruck getretenen chronischen Krankheit, und es fragt sich sogar noch, ob der vor kurzem beendete Kamps schon die entscheidende KrssiS ge bracht hat, ob die letzte Niederlage des alten Systems den Boden für eine angemessene politische Bildung geebnet haben wird, und ob das siegreiche Prinzip nicht noch, wie cS allen Anschein hat, alle seine Konsequenzen wird durchlaufen müssen. ES ist insofern wichtig, den Nachdruck gerade auf die Prinzipien zu legen, die im Spanischen Bürgerkriege lhätig waren, als in den meisten Darstellungen — in den Karlistischen durchgängig — diese entweder verkannt werden oder ihr Dascpn geradezu in Abrede ge stellt wird. Eigenthümlich ist cS dem KarliSmuS, so wie dem ganzen Standpunkte, dem er angehört, daß seine letzte Spitze eine Person ist; es soll nicht gesagt werden, daß er keinen Gedanken, kein Prin zip habe; aber das Prinzip ist ganz in dieser einzelne» Person in- korporirt, diese ist seine einzige Realität. Dadurch geht ihm aber der geschichtliche Standpunkt verloren; das Entscheidende ist nicht das geschichtliche Recht, sondern das juristische. Vor dem Forum der Geschichte würde die Frage lauten: Welches Prinzip ist das vernunftgemäße, das entwickelungsfähigste, bilvungSrcichste? Welches wird dem geschichtlichen Fortschritt dienen k Vor dem Forum des abstrakten Rechts lautet die Frage: Welche von diesen beiden Per sonen hat Recht? Gegen dieses persönliche Recht muß das allge meine Wohl zurückstehen oder ist doch nur von sekundärer Bedeutung. In Bezug auf diesen speziellen Fall kömmt es also dem KarliSmuS nicht darauf an, waS Spanien bei dem Siege des Don Carlos zu gewinnen oder zu verlieren hat, sondern die Frage ist einfach die, ob das Dekret Ferdinand's VII., welches den direkten weiblichen Nachkommen den Vorzug vor den männlichen Seiten-Verwandten einräumt, rechtmäßige Kraft habe oder nicht. Da cü kein Tribunal giebt, wo diese juristische Frage ausgemacht werden könnte, so bleibt nur die Entscheidung durch das Schwert übrig. Dies ist der Standpunkt der beiden Karlistischen Schriftsteller, welche die Rechtmäßigkeit der Sache, die sie jetzt mit der Feder vcr- theidigen, Beide mit dem Schwerte verfochten haben. Es sind Herr von Goeben und der Fürst von Lichnowsky, zwei ritterliche Gestalten — ritterlich darum, weil die Ehre und Treue ihr ausschließliches Pathos bilden. Die Ehre bestimmt sie, sich dem Dienste eines Fürsten zu weihen, den sie in seinem Rechte gekränkt glauben, und dem eine überlegene Macht cntgegcnsteht; die Treue läßt sie bei ihm auS- harren, selbst wenn derjenige, dem sie sich ergeben haben, ihren gc- rechten Erwartungen nicht entspricht und Verzweiflung am Siege ihrer Sache sie bestürmt. Die Sache, der sie sich geweiht haben, ist aber nicht bloß in der Minorität, sonoern sie ist auch eine verlorene, und daS gerade konstituirt den Charakter der Ritterlichkeit vielleicht am meisten; sic ist eine verlorene, weil sie keinen anderen Halt hat, als eine Persönlichkeit, und in diesem Falle nicht einmal eine der hohen Aufgabe gewachsene Persönlichkeit, wie die beiden erwähnten Geschichtschreiber es selbst emgestehen. Daß die Sache von vor» herein eine verlorene gewesen, werden sie wieUcicht am letzten eingestehen, denn wenn man ihnen glauben dürfte, so wäre cs bloßer unglücklicher Zufall gewesen, daß Don Car lo» nicht dcn Sieg bavongetragen und den Spanischen Thron be stiegen. Wäre ein unglücklicher Tag, der 18. September 1837, nicht gewesen ober vielmehr besser benutzt worden, hätte eine unselige Unentschlossenheit, eine Verkettung unerklärlicher Umstände nicht an diesem Tage alle Früchte der früheren Anstrengungen vernichtet, so wäre Do» Carlos in Madrid cingezogen, die rechtmäßige Sache würde lriumphirt haben. In diesem Punkte stimmen sie beide über ein, obgleich nicht recht abzusehen ist, worauf ein solches Zutrauen sich stützt, da demselben nur eine sehr trügerische Wahrscheinlichkeits- Rechnung zu Grunde liegt. Ob die Einnahme der Hauptstadt ge lungen seyn würde, ob sic gegen die weit überlegenen Streitkräfte der Lhrtstinos hätte behauptet werden können, ob selbst in diesem Falle der Kampf beendet gewesen wäre, sind Fragen, die natürlich un entschieden bleiben müssen. Ader verwundern muß es immer, daß diese günstige Chance, wenn die Karlisten die Stärkeren waren, nie wiedcrkehren wollte. Und dann ist cs auch klar, daß die Sache der Karlisten eine zu schwache Unterlage halte, als daß sic von dcrselbcn hätte getragen werden können. Ihr wahrer und einzig fester Stütz punkt war da» provinzielle Interesse einiger kleiner LanbeSiheile. Alle Versuche, dcn Aufstand über die Baskischen Provinzen hinaus zutragen, hatten, wic glänzend sie sich auch gewöhnlich anfangs an- licßcn, zuletzt immcr einen traurigen AuSgang; die Expeditionen in das Innere SpanicnS scheitertrn so gut wie alle. Dies zeigt wenig stens, daß die Sympathie für Don Carlos eine sehr beschränkte war. Nur in de» Baskischen Provinzen war ein wahres Interesse für ihn vorhanden, obgleich auch diese» zulctzt ermüdetc. l. Der erste jener royalistischen Schriftsteller ist Herr von Goeben, der seit dcm Frühling 1836 sich der Karlistischen Armee in den Baskischen Provinzen anschloß, so nach und nach alle Theile de» Königreichs durchstreifte und auch durch mehrfache Gefangenschaft in Berührung mit den Ehristino» kam. Er harrte anS bi» zum Ende, unv erst als »ach Morella'» Fall kei» KarlistischcS Heer mehr eristirte, legte cr die Waffen nieder und kehrte in die Heimat zurück. Seine Darstellung ist die umfassendste, denn er führt unü auch die Jahre, die seinem Aufenthalte in Spauicn vorangingcn, und die Er- eignisie, bei denen er nicht selbst handelnder Thcilnchmer war, in übersichtlicher Schilderung vor. «seine Gesinnung ist der reinste KarliSmuS und RoyaliSmuS, wa» cr selbst mit freudigem Stolzc bekennt. „Freudig ciltc cr zur Bertheidigung deS Monarchen hcrbei, der in hcloenmütdigcm Kampfe gegen übermächtige Heere rang, welche die Rcvolutionairc gegen ihn ausgcbote» hauen." Karl ist der rechtmäßige König SpanicnS, lautet sein? Devise. Um diese Urbcrzeugnng auch Anderen zu verschaffen, untersucht er die Ansprüche der beiden Prätcndcuten und führt zu diesem Bcbufe die von Pdilipp V. eingeführtc Erbfolge-Ordnung an, welche 1713 von den CorleS angenommen und als Staats-Grund gesetz anerkannt wurde, und nach welcher die Franc» voni Throne ausgeschlossen seyn solllen, so lange „och ein mäniilichcr Nachkomme eristirte. Lem Dekret Ferdinand's VII. vom 2!>. März 1830, welcher den direkte» wriblichen Nachkommen den Vorzug vor dcn männ lichen Scitenverwanvtcn cinränmte, gesteht cr natürlich keine Rechts- gültigkcit zu. Sodann wird eine Uebersicht der Ereignisse gegeben, die seiner Ankunft vocausgingc». Das Erste ist Merinö's Schilderhcbnng in Alt-Castllien. Dieser stand, wic Herr von Goeben uns erzählt, schon an der Spitze von 20,060 vulumnriu* ronl^ln.-,. als ihm eine Orore mil der veriälsibten Unterschrift des Don Carlos zngmg, seine Truppen zu culiaffen; Merino gehorchte, und seine Bande zerstreute