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alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks Anzeigenpreise laut ausliegendem Toris Nr. 4. — Nachweisungs-Gebühr: 20 Rpfg. — Dorgeschricdenp Erscheinungsiage und Piaxnarschrisien werden nach Möglichkeit bcrüchsichügl. — Anzeigen .Annahme bis vormittags >0 Uhr. . . , „„„Für kkc Richttgdei, »er durch Fernrus übcrmii. Fernsprecher : Amt Wllsdruss Nr.206>-ttkn Anzeigen üderneh»> men wer deine Gewähr. - — Jeder Radananspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage cingczogen werden mutz oder der Auilraggeher in Konkur» gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten, des Stadt rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 149 — 94. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Tageblatt* Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 29. Juni 1935 Schlechter als vor zwei Zähren? In Deutschland nicht — in Frankreich und den Vereinigten Staaten ja. Auf dem achten Kongreß der Internationalen Handelskammer in Paris betonte der Präsident F. H. Fentenervan Vlissingen: „Wenn wir die gegenwärtige Weltwirtschaftslage mit der vor zwei Jahren vergleichen, müssen wir feststellen, daß sie schlechter geworden ist. Am beunruhigendsten ist dabei die Tatsache, daß wir in der allgemeinen Lage auch heute noch kein zuverlässiges Zeichen für eine baldige Besserung sehen können." So sehr diese Feststellung des Präsidenten für große Teile der Welt, besonders siir manche großen Wirtschaftsstaaten der Erde zutreffen mag, so wenig gilt sie sür das heutige Deutschland. Im Gegensatz zu den meisten übrigen Staaten der Welt hat sich die wirtschaftliche Entwicklung bei uns seit zwei Jahren ständig gebessert, und von einer schlechteren Lage als vor zwei Jahren kann in Deutschland nie und nimmer die Rede sein. Im Gegen teil, wir dürfen mit Stolz darauf Hinweisen, daß es uns in dieser kurzen Zeit gelungen ist, über vier Millionen Menschen, die arbeitslos waren, wieder in den Ar beitsprozeß einzureihen. Wir können feststellen, daß die industrielle Erzeugung 75 Prozent der Krisen verluste aufgeholt hat. Die geringste Erzeugung, der so genannte „Krisentiefpunkt" unserer Erzeugung, lag im Jahre 1932. Seitdem hat die industrielle Erzeugung ständig zugenommen, und es werden heute im großen ganzen in den meisten Industrien bei uns annähernd ebensoviel Waren erzeugt wie um die Jahreswende 4929/30. in der die Wirtschaft mit Hochdruck arbeiten konnte. Jin ganzen hält der Aufschwung der industriellen Erzeugung auch weiterhin a n. Nach den jüngsten Feststellungen des Statistischen Reichsamtes ist die Zahl der beschäftigten Arbeiter von 63,3 Prozent im April auf 64,4 Prozent der möglichen Arbeitsplatzaus- nutzung gestiegen. Noch stärker hat sich die Zahl der ge leisteten Stunden erhöht, nämlich von 58,3 Prozent auf KO,6 Prozent der Arbeiterstundenzahl. Damit hat die industrielle Tätigkeit den höchsten Stand des Vorjahres (November 1934) noch um 2,3 Prozent überschritten. Diese günstige Entwicklung spiegelt sich naturgemäß auch in den Steuereinnahmen wider, Das Aufkommen cm Steuern, Zöllen und anderen Abgaben hat im Mai 1935 gegenüber dem Mai 1934 noch einmal 86,2 Millio nen Mark mehr erbracht. Allein das Aufkommen an Lohnsteuern hat sich in den letzten Jahren wie folstt ent wickelt: Im Mai 1933 waren es 61,5 Millionen, im Mai 1934 66,3 Millionen, im Mai 1935 107,8 Millionen. Daß diese Aufwärtsentwicklung in der deutschen Wirtschaft auch im Ausland weitestgehende Beachtung findet, geht schon daraus hervor, daß einmal bei dem Internatio nalen Handelskammerkongreß eine besonders große An zahl deutscher Vorträge gehalten wurde und zum anderen vor allem einige amerikanische Vertreter beschlossen haben, aleich nach Beendigung des Kongresses eine Studienreise durch Deutschland zu machen, um die dortigen Wirt schaftsverhältnisse und Wirtschaftsprogramme, die im Ausland teilweise in ähnlicher Form Nachahmung finden, zu studieren. Zu den Ländern, in denen es allerdings in den letzten zwei Jahren bedeutend schlechter geworden ist, ge hören die bis dahin goldreichsten und erfolgreichsten Staaten, nämlich Frankreich und die Vereinig ten Staaten von Nordamerika. Zwar ist es Frank reich im Augenblick gelungen, seine Devisenschwierig keiten zu beheben. Es konnte sogar seinen Diskontsatz wieder ermäßigen. Es kann sich auch heute noch rühmen, selbst einem nochmaligen Devisenmanöver und noch maligen schweren Angriffen auf den Franken mit seinen goldenen Mächten trotzen zu können. Aber trotzdem kann es keineswegs rosig in die Zukunft sehen. Für Laval heißt es jetzt, wie für seine Vorgänger seit 1930, den französischen Staatshaushalt ins Gleichgewicht zu bringen. Der ordentliche Haushalt weist im Augenblick einen Fehlbetrag von 6V- Milliarden Franken ans. Dazu kommen die ungedeckten Ausgaben des a u ß erorden t- lichen Haushaltes, der einen Fehlbetrag von 5,3 Milli arden ausweist. Nicht zu reden von den etwa 12 Milli arden Verlusten bei der Eisenbahn, die ebenfalls zu Lasten des Staates gehen. Für Frankreich gilt, es-jetzt, einen Fehlbetrag von mindestens 15 Milliarden auf dem Anleiheweg zu beschaffen. Den Rest hofft man durch Ein sparungen im Haushalt aufzubringen. Die Gelder für die Anleihe zu beschaffen, ist dieses Mal bei weitem nicht mehr so leichtste in den vergangenen Jahren, in denen der französische Bürger und der französische Sparer restloses Vertrauen, in seine Landeswährung hatte Wie verlautet, sollen bisher acht Milliarden im Anleiheweg aufgebracht worden sein. Über das Aufkommen der übrigen Milli arden herrscht völlige Unsicherheit. Von allen Seiten Wird betont, daß nur radikale Maßnah m e n in der Lage sein könnten, der französischen Staatsfinanznot Abhilfe zu tun. Aber vor den radikalen Maßnahmen bat Edens Besuche in Paris und Rom ergebnislos. Frankreich stört den Europafr^eden, Italien in der Abe siniensrage unnachgiebig. Der britische Völkerbundsminister Eden bot nach Rückkehr von seinen Verhandlungen in Rom und Paris sofort dem Premierminister Baldwin Bericht erstattet. Eden scheint nicht sehr zufrieden zu sein mit dem Er gebnis seiner Reise, denn in Rom hat man scheinbar seine Vermittlungsversuche im A b c s s i n i e n k v n f l i k t kühl zurückgcwicscn, und in Paris hat er die völlige Verständnislosigkeit für die britischen Methoden zur Be friedung Europas feststellcn müssen. Die Verhandlungen Edens mit dem französischen Außenminister Laval sollen nicht so befriedigend ver laufen sein, wie man vermutete. Die Instruktionen des englischen.Kabinetts für Eden seien etwas „enttäuschend" gewesen. Danach scheint sich, wie „Times" schreiben, die englische Regierung auf den Standpunkt gestellt zu haben, daß auch künftighin „günstige Gelegenheiten" nicht versäumt werden dürften. Es sei für England unmöglich, bindende Zusagen zu geben, daß es eine sich bietende Aussicht, mit Deutschland über den Luftpakt, und zwar ohne Beziehung zu den anderen Pakten, zu verhandeln, nicht versäumen würde Umgekehrt aller würde England mit Befriedigung dem Abschluß eines deutsch-französischen Abkommens über die Landrüstungen entgegensetzen, worin Frankreich die beste Probe für Englands guten Willen und Freund schaft sehen könnte. Zum vorläufigen Abschluß eines Flottenabkommens mit Deutschland habe Eden jetzt Laval erklärt, England habe mit bewußter Absicht in den Methoden der allge meinen Regelung eine Neuerung eingeführt, die nach seiner Ansicht'vielleicht unschätzbare Vorteile zeitigen werde. Die britische Negierung werde das Flottenabkommen mit Deutschland grundsätzlich nicht aufgebcn, auch wenn sie vielleicht mit Rücksicht auf die Entrüstung ehemaliger Alliierter sich zu Beschränkungen in der Methode bereitfinden werde. Es sei denkbar und sogar wahrscheinlich, daß diese Methode (die die britische Regierung mit Erfolg in der Flottenfrage angewandt habe) zu einem Verhand ln ng s w e tt b e w e r b führen könnte, der ebenso un widerstehlich sei wie ein Rüstungswettbewerb, aber srucht- bar anstatt zerstörend. Mi einem solchen System würde, während Großbritannien seine Aufmerksamkeit hauptsächlich derLuf 1 frage zuwenden würde, Frank reich die Führung zur Erzielung einer Vereinbarung über die Land rüstun gen übernehmen können, und Italien könnte seine besonderen Ziele in bezug auf eine Regelung in Südeuropa betreiben. „Daily Telegraph" will wissen, daß Laval mit etwas ironischen Bemerkungen darauf geantwortet habe. „Daily Erpreß" glaubt fogar berichten zu können, Laval habe erklärt, in der abessinischen Frage nicht ganz auf die Seite Englands treten zu können, da die öffentliche Meinung durch das Flottenabkommen auf die Seite Italiens gezogen worden sei. Auch „Morning Post* und andere Blätter betonen, daß es sür England unmöglich sei, sich in dem von Laval gewünschten Sinne zu binden, aber die Berichte über ernsthafte Auseinandersetzungen zwischen Paris und London entbehren der Grundlage. Der Konflikt Italien—Abessinien scheint nach Edens Auffassung nicht mehr beizulegen zu sein. Die abessinische Gefahr überschattet nach Edens Meinung alle anderen Fragen. Zwei Tatsachen stehen, wie die Londoner Presse hervoryebt, im Vordergrund. Es hat sich heraus« gestellt, erstens, daß Mussolini nicht geneigt ist, auf anderem als auf militärischem Wege zu einem Ergebnis zu kommen, zweitens, daß jeder Versuch, Gens einzuschalten, mit dem Austritt Italiens aus dem Völkerbund beamwortet würde. „Daily Telegraph" will genauere Einzelheiten über die von Eden gemachten Vermittlungsvorschläge zu be« richten wissen. Danach ist Großbritannien sogar so weit gegangen, die Landverbindung zwischen Eritrea und Somaliland zuzugestehen und dem abessinischen Kaiser dafür als Entschädigung einen Korridor und einen Hafenplatz in Britisch-Somaliland anzubieten. Dn Negus habe sich damit einverstanden erklärt. Aber für die Aufrechterhaltung seiner Unabhängigkeit würde Abessinien bis zum letzten Mann kämpfen. . Die Stimmung in der Londoner Öffentlichkeit ist zur Zeit sehr wenig zuversichtlich. Mau stellt fest, daß das ganze kollektive Sicherheitssystem, von dem auch die italienisch-abessinische Streitfrage ein wichtiger Teilabschnitt sei, innerhalb weniger Monate bereits schwer erschüttert wurde. Sie sogenannte Fnerensabstimnmng in England. Die sogenannte Friedensabstimmung, die vor 18 Monaten von Lord Cecil, dem Völkerbundsverband und anderen Organisationen in ganz England eingeleitet wurde, ist beendet. Mehr als 11,5 Millionen Männer und Frauen haben die Fragebogen aus gefüllt, das sind etwa 38 v. H. der britischen Wählerschaft. Die Frage, obGroßbritannienimVölkerbund bleiben solle, wurde mit rund 11 Millionen Stimmen bejaht. 350 000 stimmten mit nein. Für die allgemeine Abrüstung stimmten 10,5 Millionen, dagegen 860000. Die Frage, ob die Herstellung und der Verkauf von Kriegsmaterial für private Gewinne verboten werden solle, wurde gleichfalls von rund 10,5 Millionen Abstimmenden bejaht und von 770 000 mit nein beant wortet. Die letzte Frage bezog sich darauf, ob die Ab stimmenden der Ansicht sind, daß im Falle des Angriffs einer Nation die übrigen Nationen sich zusammenschlietzen sollten, nmdemAngriffEinhaltzu .un. Für die Durchführung wirtschaftlicher und nichtmilitärischer Maß nahmen in diesem Fall stimmten 10 Millionen mit ja, 630 000 mit nein. Für militärische Maßnahmen sprachen sich 6,8 Millionen, dagegen 2,3 Millionen aus. Während der liberale „News Chronicle" und das Arbeiterblatt „Daily Herald" ihrer Genugtuung über das Abstimmungsergebnis Ausdruck geben, bezeichnen die konservativen Blätter die ganze Abstimmung als zum mindesten überflüssig. Die „Times" erklärt, sie habe weder einen moralischen noch einen materiellen Beitrag zu den von den Fragestellern bekundeten Zielen geliefert. Die bekannte Wochenschrift „Spectator" würdigt das Ergebnis im Sinne der britischen Politik, die dadurch eine neue moralische Unterstützung erhalten habe. Die Ab stimmung böte der englischen Regierung jetzt die Hand habe, mit vollem Vertrauen auf die Geschlossenheit oer öffentlichen Meinung Abessiniens Klage gegen Italien vor dem Völkerbund zu bringen und die Ver handlungen um den Luftpakt mit Energie rortzusübren. Laval Bedenken, da er zu genau weiß, daß derartige starke Eingriffe unbeliebt und unvolkstümlich machen. Er i hat daher arzgcordnet, daß zunächst im Etat „nur" 3 Milliarden Ausgaben zu streichen sind. Wie weit er mit dieser vorsichtigen Politik kommen wird, ist zweifel haft. Um so mehr, als Frankreichs Wirtschaft sich im Augenblick inreiner ernsten Krise befindet. Die Erträge aus der Ausfuhr sind von einem Monatsdurch schnitt von 4178 Millionen Franken 1929 auf 1280 Millio nen Franken 1935 zurückgegangen. Die Roheisenproduk- tion ist in der gleichen Zeit von 846 000 Tonnen ans 482 000 Tonnen zurückgegangen. Trotz dieser Minder erträge soll die Wirtschaft dieselben Steuern, dieselben Abgaben aufbringen wie in den vergangenen Jahren des Erfolges. Damit ist sie alles andere als zufrieden. Unter diesen Umständen wird Laval, wenn er seinen Etat aus gleichen will, schließlich doch zu dem wenig angenehmen Mittel greifen müssen, die Gehälter und Löhne zu kürzen und soweit es angängig ist, Beamtenstcllen einzusparen. Vielleicht aus die Gefahr einer neuen Krise des Kabinetts. In ähnlicher Lage befindet sich der amerikanische Präsident Roosevelt. Nachdem seine wieder holten Versuche, der Wirtschaft Hilfe zu bringen, geschei tert sind, verlauten jetzt Einzelheiten über die Sonder botschaft, die er in der letzten Woche dem Kongreß zu gehen ließ und in der er Notmaßnahmen unterbreitete. Einer der bedeutsamsten Vorschläge dieser Art ist die Heraufsetzung der Steuern auf hohe Erb schaften und Schenkungen. Es verlautet, daß die Höchstgrenze für vererbbares Vermögen in Zukunft bei 10 Millionen Dollar (— 24,7 Millionen Mark) liegen werde. Noch höhere Vermögen sollen, wenn das Gesetz durchkommt, von der Erbschaft weggesteuert werden. Die Erbschaftssteuer soll bei 50 000 Dollar einsetzen und sich bei größeren Beträgen schnell erhöhen. Ob dieses Mittel bei der geschmälerten amerikanischen Millionärshcrrlich- keit allein wirklich helfen könnte? Etwas optimistisch gesehen! > L. H.