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Nr. 28. Erster Jahrgang 5luer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge Viefe rr««rn»ev rsi»f«fzt (» Seiten Das Wichtigste vom Tage Näheres siche unten. Das eingesackte Kuba In Dresden wurde gestern die achte ordentliche säch sische Landessynode durch Kultusminister von Schlic hen erössnet. * Der französische Finanz- und der französische M a - rineminister sind bei einer Automobilfahrt leicht ver unglückt. * In den Räumen der Berliner Handelskammer trat gestern die International Law Ansciation zu ihrer 23. Ver sammlung zusammen. - Was wir vor wenigen Tagen vorausgesagt haben, ist prompt eingetroffen. Die Vereinigten Staaten haben die breite Hand auf Kuba gelegt und werden die glückliche Insel der glorreichen Union einvcrleiben. Wenns geht, ohne Gewalt. Wen» die Kubaner aber die Einverleibung sich am Ende nicht gefallen lassen wollen — die -10.000 Mann mit denen General Funston eben die Tangalen besiegt hat, stehen zur Einschissung nach Havanna bereit. Die Affäre ist von den Amerikanern be wundernswert eingesädelt worden. Erst hat man die Rebellion geschürt und groß werden lassen, dann mussten zum Schutze der amerikanischen Interessen Murinemannschaften gelandet wer den. Dann kam die famose Deputation aus Washington mit Herrn Taft an der Spitze, und dieser brave Mann hat jetzt an geblich weil die Ruhe nicht anders hergestcllt werden kann, eine nut der wöcdentlicben Unterhaltungsbeilage: Illustriertes ^»onntagsblatt. Proklamation erlassen, des Inhalts, daß e r die Regierung einst weilen übernommen habe, bis eine ständige Regierung eingesetzt ist. Dazu wird noch amerikanisch-offiziös bemerkt: Das Vorgehen des Kriegssekretärs Tast ist die Folge des Mißlingens des Ver suchs, den kubanischen Kongreß zusammentreten und einen neuen Präsidenten wählen zu lassen an Stelle Palmas, der mitsamt seinen Anhängern sich weigert, weiter im Amte zu bleiben. Also „einstweile n" hat Herr von Tast die Regierung aus Kuba übernommen — das ist ein köstlicher Witz dieses wackeren Mannes, der zu dem Zweck ausgesandt wurde, dem Sternen banner einen neuen glänzenden Stern zu erobern. Selbst Eng land kann hier von den Yankees noch etwas lernen, die so elegant und diplomatisch zu stehlen wissen! Es ist nun natürlich die Frage, was geschehen wird. Die Anhänger des Präsidenten Palma stehen vermutlich der neuen „provisorischen" Regierung nicht gerade freundlich gegenüber, und die Rebellen dürften nach diesem Schachzug ihrer Hintermänner doch auch bereits einsehen, wozu man sie gebraucht hat. Und darum ist es nicht ausge schlossen, daß sich die Einsackung Kubas doch nicht ganz so leicht und ganz so friedlich vollzieht, als es jetzt den Anschein hat. Die Kubaner sind ein Menschenalter lang zur Rebellion er zogen. Die fortgesetzten Kämpfe gegen die spanische Oberherr schaft der Insel ziemlich kriegstüchtig gemacht, und als dann die Union dazu hals, die Hidalgos endgtltig aus dem Lande zu trei ben, und Kuba zu „befreien", da schwoll das Unabhängigkeits gefühl der Kubaner mächtig an. Alle Welt wußte damals schon, daß die Vereinigten Staaten die glückliche Insel durchaus nicht aus uneigennützigen Gründen aus dem spanischen Joche befreit hatten, sondern sehr reale Zwecke versolgten. Natürlich aber konnten die Pankees nicht gut sofort von der Insel Besitz ergrei fen ; sie mußten die „Befreite" erst ein wenig ablagern lassen, da mit die Raubgelüste nicht allzu deutlich zu Tage traten. Jetzt hält man anscheinend den Zeitpunkt zur Besitzergreifung für ge kommen, und die von langer Hand vorbereiteten Schritte sind bereits unternommen worden, um den Vereinigten Staaten einen Rechtstitel auf Kuba zu sichern. Die wahrscheinliche Sachlage ist nun die, daß ein Teil der Kubaner sich gegen das neue Regiment auslehnt und es zur offenen Empörung kommt. Dann wird General Funston mit seinen Truppen zu Hilfe gerufen, und da ist es natürlich nicht zweifelhaft, daß die Kubaner den Kürzeren ziehen und schnell zu Paaren gestrichen sein werden. Dabei muß natürlich amerika nisches Besitztum gefährdet oder vernichtet werden — das Rezept ist ja gerade nicht mehr neu, aber immer noch heilsam. Auch deutsche und englische Interessen müssen gefährdet erschei nen, und die Pankers übernehmen dann großmütig die Mission, diese gefährdeten Interessen zu schützen, gleichviel ob ein Auf trag dazu erteilt wird oder nicht. In London und Berlin sieht man diesen Vorgängen mit recht gemischten Empfindungen zu, aber, wie kürzlich schon betont, zu einem Einschreiten Englands wird es nicht kommen, und Deutschland — du lieber Himmel, wir haben besseres zu tun, als uns mit den Amerikanern um die Aus legung der Monroedoktrin und um Kuba zu streiten. Kaiser Franz Joses ist von seinem mehrwöchigen Un wohlsein wieder hergestellt. Der neue Oberkommissär für K r e t a Z a i in i s ist in Kanea eingetroffen. Ein schwerer Zyklon hat di« Insel Macao heim gesucht. * Der Ches des österr.-ung. Generalstabes, Freiherr von Beck, gibt zu, sich mit dem Rücktrittsgedanken zu tragen. * vctmilmortlichkl Rcbakieiir: Fritz Arn hol di Für die Znsoralo oeranlworllich l Al dort Füchsel, beide in A»e Es ist der Ausgang der ganzen Affäre durchaus nicht zwei felhaft; Kuba ist den Amerikanern so gut wie gewonnen. Daß die Vereinigten Staaten damit aber den Weg der militärischen Eroberung betreten haben, was bisher noch nicht der Fall war, das ist das Interessanteste. Der Jingoismus, der Chauvinismus haben damit einen gewaltigen Schritt nach vorwärts getan, und da der Appetit mit dem Essen kommt, darf man wohl erwarten, daß die Herren Pankees jetzt mit dem Verspeisen der amerika nischen Artischoke rascher vorgehen werden. Es find noch mehrere Inseln, die vorerst noch anderen Leuten gehören, einzusacken, und in Mittel- und Südamerika ist noch sehr viel zu holen. Aber der fetteste Bissen ist im Norden — Kanada, und dazu scheint man in Washington sich doch noch nicht stark genug zu fühlen. Nach Kuba wird vermutlich Frankreich einen kleinen Strauß mit den Pankees auszufechten haben — die Verdrängung der kleineren Mächte aus Amerika und den amerikanischen Gewässer» ist wohl nur mehr eine Frage der Zeit. Die Geschichte Amerikas tritt damit in ein neues Stadium; die Pankees werden von Geschäftsleuten zu Eroberern. Es kann natürlich auch der Fall sein, daß sie bei ihren Beutezügen einmal an den Unrechten kommen, oder daß das alte Europa, über dessen Schwerfälligkeit man sich drüben seit langem weidlich lustig macht, endlich einmal die Schlafmütze abstreift. Aber dazu scheint vorerst noch keine Aussicht vorhanden zu sein. Man läßt den wackeren Jonathan vorerst ruhig ernten, wo andere gesät haben. Druck iiub Verlag: Gebrüder Beuthner (Inh.: Paul Bcuchuer) in Aue. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme -er Zonnlage nachmittags von §—.-> Uhr. — u.eiegramm-Adressc: Tageblatt Aue. — Feruspreiber 2<>2. Für unverlangt cingcsandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Annahme van Anzeigen bis spätestens g'I, Uhr vormittags. Für Ausnahme von grSstercn Anzeigen an bestimmte» Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn sic am Tage vorher bei »ns eingehen. Znsertionsprcis: Die siebengesxallenc Aorpuszeilc oder deren Raum >o pfg., Reklamen es pfg. Lei grdtzercn Aufträgen entsprechender Rabatt. er will, nicht wohin wir wollen." Sie faltete die schmalen Hände und horchte aus das leise Rauschen in den Bäumen, das Gurren der Tauben, das Summen der Käser und Mücken und ihre müden Augen folgten dem Spiel der Sonnenslecken auf dem Boden. Eine übermächtige Müdigkeit überfiel sie. Ach schlafen, nichts mehr sehen und hören! Sie faßte nach der Hand der Mutter. „Ich möchte nach Hause . . ." Bald lag sie in ihrem hübschen, kühlen Zimmer, wohl ge bettet auf dem weichen Ruhebette. Die Mutter schob ihr sorgsam die Kissen zurecht. „Möchtest du die Kinder erst noch sehen?" fragte sie. Doch die Kranke schüttelte den Kopf. Sonst hatte sie immer das Verlangen, die Kinder zu sehen, sie um sich zu haben und mit ihnen zu sprechen, nun war es ihr plötzlich, als gehörten sie ihr nicht länger an. „Nein, nein, nur schlafen," murmelte sie müde. Die alte Frau saß dann im Nebenzimmer, die Hände lässig im Schoß. Das Fenster ging nach dem Walde hinaus, sie sah in das schimmernde Grün und wieder stiegen die alten Zei ten vor ihr empor. Rasche Schritte störten sie endlich auf. Es war der Doktor, der kam, um nach der Kranken zu sehen. „Nun?" fragte er freundlich, „wie geht es unserer Kranken heute?" Die alte Frau hatte sich erhoben. „Oh, ganz wohl," meinte sie. „Der Arzt nickte teilnehmend. „Ganz wohl" dachte er dabei, „arme Frau, dir kann es ja nie mehr wohl gehen." Sie traten zusammen ins Nebenzimmer. Ruhig lag die Kranke da und ein unfreundliches Lächeln spielte um ihren blassen Mund, die Hände lagen gefaltet auf der Decke, so still war alles, so friedlich! „Wie sanft sie schläft," sagte die Mutter und blieb am Fußende des Bettes stehen, der Arzt aber näherte sich hastig der stillen Gestalt. Prüfend neigte er sich über sie, horchte an Her; und Mund und hielt eine der blassen Hände in den seinen, dann trat er zurück, faßte sorgsam den Arm der alten Dame und führte sie ins Nebenzimmer nach einem Sessel. „Ja, Sie haben recht," sagte er dabei, „Ihrer armen Tochter ist wohl, so wohl, wie Menschenkunst es ihr nicht mehr machen konnte." Und als die Frau, ihn nur zu gut verstehend, schmerzbewegt zusammensank, fügte er sanft hinzu: „Sie ist htnübergegangen in jenes Land, wo es keine Schmerzen und Sorgen, keinen Kum mer »nb keine Krankheit mehr gibt." Gedanken nachzuhängen! Du mußt doch wieder gesund werden, und es geht dir doch auch besser." — Die alte Frau wand sich angstvoll hin und her. Sic war fast sechzig Jahre alt und ein schweres, sorgenvolles Leben lag hinter ihr. Wie hatte sic sich daraus gefreut, ihre letzten Jahre in Frieden verbringen zu können und nun? Unruhig hob sie den Kops und sah dabei ge rade in das Gesicht der Kranken. Welche Angst lag darin, wel ches Flehen und wieviel Kummer. Nein, sic konnte nicht wider stehen! Sanft streichelte sie die abgczcrrten Hände. „Ja, ja, mein Kind, hier verspreche ich cs dir, ich bleibe bei deinen Kin dern, ich will sie nicht verlassen, solange ich lebe!" Die Kranke atmete aus, wie von schwerer Last befreit. „Oh, das ist gut, das ist gut." Sie sah zärtlich aus die Mutter, „du warst immer eine so gute Mutter, so froh, so ruhig! Ach und das tut so viel, frohe Kinder werden gute Menschen. Gut und stark!" — Sie seufzte. — Ich bin cs nicht geworden. Ich wollte immer zu viel, ich wollte! Nie mochte ich meinen Willen beugen, dem Willen anderer nicht, der Vernunft nicht und nicht einmal dem Geschick! Die Mutter nahm ängstlich ihr Taschentuch und fuhr damit über das erhitzte Gesicht der Tochter. „Aber Kind, wie du dich aufrcgst und wieviel du sprichst! Sich geben, mein Herz, sich geben, das ist auch eine Kunst und auch eine schwere. Nicht immer wollen, nicht immer in Waffen gehen, nicht immer gegen den Strom schwimmen, sich auch einmal geben, sich einmal dahin tragen lassen. Was sind wir denn, wir armen, kleinen Menschen! Ein einzig schwaches Weilchen im großen Strome, ein Tropfen im Meer, ein Körnchen auf dem weiten Ackerfeld des Lebens. Wir wollen, wir wollen. Und der Strom fließt dahin und trägt uns fort, ob das Weilchen nun hinaus- oder htnunterfließen möchte, die Sonne steht über dem Meer, saugt das Tröpfchen auf, der Wind verweht da« Samenkörnchen, ob sie wollen oder nicht, sie müssen, sie müssen!" Die Kranke hatte mit brennender Aufmerksamkeit an den Lippen der Sprecherin gehangen, über ihr abgezehrtes, unruh volles Gesicht hatte sich dabet langsam ein Ausdruck von Frieden gebreitet. „Ja, ja,'' flüsterte sie nun. „Eich geben, sich geben. Nicht immer wollen, nicht immer gegen den Strom schwimmen. Er ist ja doch stärker als wir, er trägt uns ja doch mit fort, wohin Mutter! — Novellistische Skizze von E. Dietrich. (Nachdruck verboten.) Tiefe, feierliche Nachmittagsstille wehte im Walde. Durch die Wipfel der Tannen fielen schräge die Sonnenstrahlen und warfen schwankende, goldene Flecken aus den hoch mit braunen Nadeln bedeckten Boden. Die Wildtauben gurrten und leise tönte das Klopfen des Spechts, sonst Stille, tiefe Stille! Die alte Dame warf einen vorsichtigen Blick aus den neben ihr unter einer breitästigen Tanne stehenden Rollstuhl, die Kranke darin schien zu schlummern, so lehnte sie sich behaglich aus ihrer Bank zurück und versank in tiefe Träumerei. Die leidvolle Gegenwart verschwand und alte vergangene Tage stan den aus. Sie war wieder jung und jenes ferne Kindcrjauchzen, das zuweilen leise herübertönte, war das Jauchzen ihrer eigenen kleinen, frohen Schaar, die mit der Mutter sich hier im Waldes frieden der lang ersehnten Ferien freuten. Ach, welche Wonne war es damals gewesen. Damals hatte noch leim Sorge ihren Sinn getrübt, aber dann bald war ihr der Mann erkrankt, lange, lange war er hingesiecht, und endlich gestorben. Da war sie eine Witwe und ihre Kinder vaterlose Waisen und so goldene Tage wie dymals hier im Walde hatten sie dann niemals wieder er lebt. „Mutter," leise wie ein Hauch schlug cs an das Ohr der Träumerin. Die schöne Vergangenheit versank und die leidvolle Gegenwart stand wieder vor ihr. „Mein Kind", mit einem ge zwungen sorglosen Lächeln wandte sie sich der Kranken zu. „Ach, ich dachte, du schliesst! Was möchtest du? Einen Schluck Wein, deine Tropfen?" Die Kranke schüttelte den Kops. Aus dem blassen spitzen Gesicht blickten die tiefliegenden Augen groß und fieberheiß. „Mutter," sie faßte mit der kraftlosen Rechten nach der alten Frau, „nicht wahr, du bleibst bei meinen Kindern?" Die alte Frau erschrak, sie verstand wohl, was die Tochter meinte, doch sie verbarg es. „Aber Kind, selbstverständlich, das weißt du ja, daß ich süss erste bet euch bleiben will." „Nein, ich meine, du bleibst doch bei meinen Kindern, wenn": ihre Stimme bebte nun »och, »wenn ich tot bin." „Tot! Aber Kind, wie unrecht, solchen Bezugspreis: Durch unsere Bote» frei ins ljaus mouallich so ps.^. Lei der Geschäftsstelle abgcholt monatlich ^0 Pfg und wächentlich i» psg. — Lei »er Post bestellt und selbst abgcholt vierteljährlich >.öo IM - Durch de» Briefträger frei ins Daus vierteljäbrlich ,.qr Alk. — Einzelne Nummer io pfg — Deutscher Postzeitungs- katalog Nr. — Erscheint täglich iu den Mittagsstunden, mit Ausnahme von'Soun, und Feiertagen. Politische Tagesschau. Verrtfahe* Rri-H. Aue, 3. Oktober 1906. Reisedispofitionen des Kaiserpores. Die Abreise des Kaiserpaares und der Prinzessin Viktoria Luise von Eroß-Rominten ist auf morgen, Donnerstag 9 Uhr 10 Min. vormittags festgesetzt. Nach der Ankunft des Sonderzuges in Königsberg wird der Zug geteilt. Die Kaiserin fährt mit der Prinzessin-Tochter nach Cadinen weiter, während der Kaiser dem in Königsberg garnisonierenden Grenadier-Regiment König Friedrich Wilhelm I. (2. Ostpreuß.) Nr. 3 einen Besuch ab statten und im Kreise des Offizierskorps das Frühstück einnehmen wird. Die Abreise des Monarchen nach Ladtnen erfolgt 3(4 Uhr, die Ankunft gegen iU/j Uhr nachmittags. Für die Reisen des Kaisers nach Schloß Meer Holz, Villa Hügel und Bonn ist nunmehr folgendes Programm festgesetzt worden: Der Kaiser trifft am 1-1. Oktober auf Schloß Meerholz ein zur Teilnahme an der Hochzeit des Prinzen Albertzu Schleswig-Hol st ein mit der Gräfin Ortrud zu Psenburg-Büdingen. Am Abend erfolgt die Weiterreise nach Villa Hügel bei Essen, wo am 15. d. Mts. die Hochzeit des Herrn von Bohlen-Halbach mit Fräulein Berta Krupp stattfindet. Der Sonderzug wird unmittelbar vor Be ginn der Feier auf Station Hügel eintresfen. Die Trauung