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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration« - Preii 22 z Silbergr. (s Tdlr.) vierteljätirlich, z Tdlr. für da« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man vränumerirt auf diese« Literatur- Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staat«,Zeitung (ZriedriM«- Straße Nr. 72); in der Propin; so wie im Auslande bei den Wohllödl. Posl - Aemix-n. Literatur des Auslandes. 61. Berlin, Montag den 23. Mai 1842. Frankreich. Erwiederung auf das Schreiben aus Paris über Deutsche Philosophie. Geehrter Herr Redactcur! In Nr. SK Ihres Blattes theilten Sie aus Paris einen kritischen Brief mit, der sich über die ScheUingsche und Hegelsche Philosophie ausläßt und ersterer vor letzterer den Vorzug giebt. Wie Sie nun noch immer Ihr Literaturblatt als ein parteiloses Organ der Wissenschaft und unterhaltenden Belehrung praktisch bewährt haben, so erklären Sic auch hier in einer hinzugefüzten Anmerkung, daß Sie für die Aufnahme einer jeden den in dem Briefe ausgesprochenen Entwickelungen entgegengesetzten Ansicht be reitwillig wären. Auf diese Zusicherung gestützt, wage ich es, komme ich gleich der beredten Darstellung und der überzeugenden Kraft des genannten Briefes nicht gleich, einige darin gemachte Ausstellungen an der Hegelschen Philosophie zu berichtigen oder doch zu modifiziren. Der geistreiche Verfasser sagt; „Dieses in der wesentlichen Einheit der menschlichen Natur gegründete Bedürfniß der Versöhnung der subjek tiven Vernunsterkcnntniß mit der objektiven (worunter nach dem früher Gesagten der Verfasser die historische versteht) Betrachtungsweise der Dinge, welche verkannt oder doch nicht gehörig gewürdigt zu haben der Hauptmangel jener abstrakten negativen Richtung scpn dürfte, hat besonders seit dem Umschwung des Jahrhunderts auf dem Gebiete der Wissenschaft und des Lebens in den mannigfaltigsten Formen und Gestaltungen sich manifestirt und Geltung zu machen versucht." Daß Hegel in seiner Philosophie das früher geistig und natürlich Gewordene, überhaupt das Historische, nicht be achtet und mit derselben nicht vereinbart haben soll, dies ist ein Vorwurf, den sie, so sehr er auch unter ihren Gegnern Wurzel geschlagen zu haben scheint, nicht verdient und der überhaupt dem Wesen wie dem Grundprinzipe derselben ganz und gar widerstrebt. Denn gerade dieses philosophische System ist cs, welches alle frühere Philosophiccn zu ihrem Rechte bringt und sie in der Ent- Wickelung des menschlichen Geistes als nothwendig und hiermit wahr an erkennt. Für den Standpunkt der Weltanschauung derjenigen Zeit, in welcher sie sich erhoben, enthalten sie die ganze Wahrheit, aber nicht für ein fortge schrittenes Zeitalter; damit nun der menschliche Geist auf denjenigen Stand punkt, auf welchem er sich jetzt befindet, gelangen konnte, waren alle frühere geistige Stufen des menschlichen BcwußtftynS nothwendig. Um also den Geist und die Wissenschaft unserer Zeit in ihrer Wahrheit zu begreifen, ist cs un umgänglich nothwendig, daß man erst die verschiedenen früheren Entwickelungs- stufcn des menschlichen Erkennens gehörig erfaßt habe. Von dieser Nothwcn- digkcit ging nun auch das Prinzip der Hegelschen Philosophie aus und suchte sie auch durch ihren Inhalt zu bewähren. Die Philosophie Hegel's ist eigent lich nichts Anderes, als ein begriffener Eklektizismus aller früheren Philo- sophieen, der aber von dem Prinzipe und der Weltanschauung unserer Zeit belebt und durchdrungen ist und somit von selbst sich zu einem Systeme ge staltet hat. Hegel würde niemals seine Wissenschaft der Logik, die eigentlich nur eine Zusammenstellung der in der Entwickelung des menschlichen Geistes allmälig aus einander hervorgegangenen Definitionen Gottes ist, ins Taseyn gerufen haben, hätte er nicht die enorme Kenntniß der Geschichte der Philo sophie, so wie der anderen Wissenschaften, besessen, und wäre er nicht von der Nothwendigkeit ihres Bestehens durchdrungen gewesen. Alles früher geistig Gewordene besteht daher in seinem Systeme der Wissenschaften fort, und die Weglassung desselben würde sogleich eine bedeutende Lücke im letzteren hervorbringen. Der Verfasser sagt ferner, „daß, da Hegel die Sache, den Inhalt nicht bewiesen habe, auch die dialektische Methode nicht dargethan sey." Daß aber dieser Philosoph die Sache nicht bewiesen habe, dies kann auf keine Weise zu gestanden werden. Denn da bei ihm Form und Inhalt, Methode und Wissen schaft identisch sind, erstere aber, d. h. die Nesultirung zweier Entgegengesetzten in eine sich bewahrheitende höhere Einheit, durch die alltägliche Erfahrung sich bestätigt und bewährt, so ist es allerdings eine befremdende Erscheinung, wie ein historischer Philosoph der Erfahrung sich gegen den Inhalt jener Philo sophie sträuben kann. Höchstens könnte er die Identität von Form und Zn- Halt bestreiten, aber diese wird doch auch im Verlaufe derselben bewiesen. Allerdings hat der Verfasser Recht, wenn er die Gegner des Hegelianismus darum tadelt, weil sie seine Methode adoptiren und seinen Inhalt verwerfen; enn da Form und Inhalt vermittelst der Methode identisch wird, so begehen sie hiermit eine contraüicno in ruljocto. Aber auch der historische Philosoph ist nothwendig gezwungen, wenn er nur einen Blick auf die Entwickelung des philosophischen Geistes wirft, Form und Inhalt der Hegelschen Philosophie anzuerkcnnen; denn wie wollte er leugnen, daß Parmcnides, der das Seyn (ä-Z als das Prinzip der Welt annahm, und daß Demokrit, welcher das Nichts (,uß alS das Prius aller Dinge behauptete, in Heraklit, der das Werden (/-»-so»««) an die Spitze alles Erkennens stellte, ihre Einheit gefunden haben? Und ist dies nicht derselbe Gang in der Hegelschen Logik? Hierauf sucht der Verfasser nachzuweisen, daß sich Hegel, nachdem er in der Phänomenologie des Geistes die Identität von Denken und Seyn bewiesen zu haben meint, in der Logik, die auf dieser Identität beruht, widerspreche, und zwar in den Woric»; „Die Logik ist die Wissenschaft der reinen Idee, das ist, der Idee im abstrakten Elemente des Denkens, die logische Idee ist das Denken als die sich entwickelnde Totalität seiner Bestimmungen, die es sich selbst giebt; die Logik ist daher insofern die schwerste Wissenschaft, als sie es mit reinen Abstractionen zu thun hat." Genauer zugesehen, ist dieser Widerspruch nur ein scheinbarer. Die Phänomenologie bringt es aller dings bis zur Identität von Denken und Seyn, aber nicht in der Form des Wissens, sondern auf psychologischem Wege; sie weist nach, daß es selbst für das gemeine Bewußtseyn in den höheren Sphären des wissenschaftlichen Er kennens einen Punkt giebt, wo Denken und Seyn zusammcnfallcn. Die Logik aber sängt mit dem Denken an, und hat mit dem psychologischen Bewußtseyn, welches noch die Farbe der Erfahrung an sich trägt, gar nicyts mehr zu thun; ja gerade sie erst hat jene Einheit in der Sphäre des Denkens nachzuweisen, wie dies die Phänomenologie in der Sphäre des empirischen Bewußtscyns ge- than. Erst die Idee ist die wahrhafte Einheit von Denken und Seyn. Wenn nun der kritische Briefsteller in seiner übrigen Polemik gegen die Hegelsche Philosophie mit dem Grmioprinzip derselben, nämlich mit der Identität des Denkens mit dem Seyn, nicht zufrieden ist, so ist dieses mehr subjektives Gefühl, als eine wahrhafte Widerlegung. Ohne diese Identität würde alles Suchen nach Wahrheit ein vergebliches Bemühen seyn; man könnte immer sagen, „wie kannst du die Sache begriffen haben, da doch das Weftn der Sache ein ganz anderes ist, als das Wesen deines Denkens; zeige mir den Punkt, wo sie coincidircn." Diejenigen, welche für den Dualismus kämpfen, meinen, der Natur hiermit einen Gefallen zu thun, indem sie dieselbe als eine selbständige Macht dem Menschen gcgenüberstellcn. In der That aber wird sie crst in dem Idealismus zu ihrer Wahrheit erhoben; während die dualistische Philosophie sic zu einer ungeistigen und hiermit tobten Potenz macht, erhebt sie der Idealismus zu einer geistigen lebendigen Macht, die durch w viele Stufen des menschlichen Bewußtscyns, wic die sinnliche Wahrnehmung, Ein bildungskraft und verständige Auffassung, als ein selbständiges und vom Denken separirtes Wesen erscheint, bis sie endlich mit dem Wissen, als der höchsten Kraft des menschlichen Geistes, zusammemällt und erst so begriffen wird. Diese Identität ist aber nun nicht bei Hegel, wie der Verfasser cs meint, eine abstrakte unterschiedslose Gleichheit, sondern sic ist einc solche, wo die Verschiedenheit gar wohl bestehen kann; jede Kategorie hat vielmehr ihren Unterschied an sich, und gerade dieser Unterschied, dieses negative Moment, ist es, was die Bewegung und was die Dialektik in dem wissenschaftlichen Erken nen hervor^ringt. Allerdings giebt es nach dieser Philosophie einen Endpunkt, wo der Unterschied verschwindet; dieser Endpunkt ist der absolute Geist; aber auch dieser ist, wenn auch nicht unterschieden, so doch verschieden von der objektiven Welt. Diejenigen, welche Gott als absolut unterschicdcn haben wollen, mögen allerdings in der Hegelschen Philosophie eincn Mangel er blicken; allein einerseits verfallen sic hierdurch in solche Schwierigkeiten, und andererseits verendlichen sic Gott dadurch so sehr, indem sie ibm durch seinen Unterschied eine Gränzc setzen, daß es kaum zu begreifen ist, wie sie sich bei dieser Weltanschauung beruhigen können. Wenn nun endlich der Verfasser noch behauptet, daß Hegel, indem er „das Bewußtseyn zum reinen Wissen sich erheben lasse, welches den Gegenstand als sich selbst weiß ober sich mit ihm eins weiß", die Entstehung der objektiven Welt noch nicht erklärt habe, so hat cr insofern Recht, als Hegel es hier in diesen Worten nicht gcthan hat; wohl aber ist dieses an der Stelle der Logik geschehen, wo er die logische Idee in ihr AndcrS- seyn, in die Natur, umschlagen läßt, wo zugleich die Nothwendigkeit dieses Umschlagens angegeben ist, indem die Idce, damit sie sich selbst gegenständlich werde, sich aus sich selber entlassen, ihr eigenes Selbst sich gegcnübcrsetzcn und sich selbst äußerlich werden müsse. Wenn ich nun auch das Hegelsche System gegen jenen Pariser Brief in Schutz genommen, so will ich keinenfalls damit sagen, es sey absolut vollkommen und keiner Verbesserung bedürftig, nein, eS hat seine Män gel, die man bereits mehr oder minder cinzusehen anfängt; auch habe