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Schönburger Tageblatt ^rlHklm ILglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. »«nähme von Inseraten für die nächster- Aeiuende Nummer bis Bormittag« V-HUHr. D«r Abonnemeutsprei« beträgt vierteljähr- !>4 1 Mk. KV Ps. Einzelne Nrn. lv Ps. I»!»rate pro Zeile 10 Pf., für auswärts 1b Ps. tabellarischer Satz wird doppelt berechne!. Filialen: in Attstadtwaldenburg bei Heer» Otto Förster; in Callenberg bei Hrn. Strumpf wirker Fr. Herm. Richter; in Kausungen Herrn Fr. Janaichek; in Langenchnrsvors bei Herrn H. Stiegler; in Penig bei Herrn Ml- Helm Dahler; in Rochsburg bei Herrn P«! Zehl; in Wolkenburg bei Herrn Herm. Wilde» Hai»; m Ziegelheim bei Herrn Eduard Kirst«, und Val-enburzer Ameigec »-.«spe.»-- -re."«. Amtsblatt für das Königliche Amtsgericht und den Stadlrat zu Waldenburg. — Zugleich wett verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Callnberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: ' ltstadt-Waldenburg, Bräunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langenleuba-Niederhain, Lange leuba-Oberhain, Mederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. 59. Dienstag, reu 13. Miir; 1906. Wittermug-bericht, ausgenommen am 12 März Nachm. 3 Uhr. V romrterftsn- 745 MM reduziert aus den Meeresspiegel. TherwometerstauS -s- 7° 6. (Morgens 8 Uhr -f- 7° 6. Tiefste Nachttemperatur -st 3,5° 6.) Feuchtigkett-r ge rklt der Luft nach Lambrechts Polvmeter 50',». Taupunkt — 3° 0. Windrichtung: Südwest. Niederschlagsmenge in den letzten 48 Stunden bis früh 7 Uhr: 2,, naw Daker WitterungSauSstchten kür den 13 März: Wechselnde Bewölkung mit Neigung zu Niederschlägen. 'Waldenburg. l2. März 1908. Mit dem Hingänge Eugen Richters hat nicht nur die freisinnige Volkspartei, sondern der ganze Reichstag, ja der Parlamentarismus überhaupt, einen schweren und für abseh- bare Zeit unersetzlichen Verlust erlitten. Er war eine der in unsrer modernen Zeit immer seltener werdenden Naturen, denen die Sache über dem eignen Ich steht, die ihre eigne Meinung jedem Widerstande und jeder Lockung gegenüber ausrrchterhalten, deren Charakterfestigkeit unbeugsam, deren Ueberzeugungstreue unwandelbar ist. »Hier stehe ich, ich kann nicht anders," dieses todesmutige Bekenntnis war auch das Eugen Richters, an besten Bahre heute Freund wie Feind in tiefer Ergriffenheit sich zujammenfinden. Ein Mann, der für seine politische Ueberzeugung so mit seiner ganzen Persönlichkeit eintrat, wie es Eugen Richter je und je getan hat, kommt unwillkürlich dahin, in dem politischen Gegner einen mit allen Mitteln, selbst denen der persönlichen Gehässig keit, zu bekämpfenden Feind zu erblicken. Und die Tragik seines Lebens bestand darin, daß der Verstorbene, besten Scharfsinn, Kenntnisse und Beredsamkeit Staunen erweckten, dem Größeren, der über ihm stand, dem Gründer und ersten Kanzler des Reiches, dem Fürsten Bismarck, sich nicht beugen oder anbequemen konnte, sondern auch ihm allezeit Opposition machte und ihn ohne Wahl der Waffen bekämpfte. Daher kam es, daß Eugen Richters politische Wirksamkeit negativ blieb. Erst als Bismarck nicht mehr in der politischen Arena stand, fand Richter für den Gewaltigen Worte ehrlicher An erkennung. In den letzten Jahren seiner politischen Tätig- leit, die er ausübte, bis er körperlich zusammenbrach, galt sein Kampf besonders der Sozialdemokratie, deren Obstrutions- versuchen gegen den Zolltarif er im Reichstage mannhaft entgegentrat. Mit dem zunehmenden Alter vereinsamte der Verstorbene immer mehr. Die freisinnige Fraktion, die einst in impo nierender Stärke sich um ihn scharte, schmolz auf ein kleines Häuflein zusammen, das seine Hauptstärke in seinem Führer besaß. Es ist fraglich, ob die freisinnige Volkspartei den Tod Eugen Richters lange überdauern wird. In der Ge schichte des deutschen Parlamentarismus aber ist der Name Eugen Richters unauslöschlich eingeschrieben, und seine Ver- dienste, mögen sie immer auch vorwiegend in der Kritik und in der Opposition beschlossen gewesen sein, werden unver- grsten bleiben. Eugen Richter war am 30. Juli, dem Sterbetage Bis marcks, des Jahres 1838, als Sohn eines Militärarztes in Düsseldorf geboren worden. Nachdem er in Koblenz das Gymnasium absolviert hatte, bezog er als 18jähriger die Universität und studierte in Bonn, Heidelberg und Berlin Staalswistenschaften. Erst 21 Jahre alt, trat er als Land- gerichts-Auskultator in den Staatsdienst und wurde 1864 RcgirrungSassessor. AIS solcher zum Bürgermeister von Neuwied gewählt, wurde ihm die Bestätigung versagt, da er durch politische und satirische Schriften Anstoß erregt halte. Eugen Richter schied infolgedessen aus dem Staatsdienst aus und siedelte nach Berlin über, wo er schlecht und recht als Schriftsteller seinen Unterhalt erwarb. In der liberalen Partei tat er sich jedoch schnell dermaßen hervor, daß ihm schon 1867 das Nordhausener Mandat sür den konstituieren den Reichstag anvertraut wurde, 1868 wurde er in das preußische Abgeordnetenhaus gewählt, seit 1874 vertrat er den Wahlkreis Hagen ohne Unterbrechung im Reichstage. Ein schweres Augenleiden nötigte ihn, im Dezember vorigen Jahres sein Abgeordnetenmandat für den Landtag niedcrzu- legen. Seine Aerzte wußten aber schon damals, daß die Hoffnung, ex werde an den Reichstagsverhandlungen später wieder teilnehmcn können, eine trügerische sei. Eine Arterien verkalkung mit ihren Folgen, der zunehmenden Herzschwäche, ließ schon damals die Katastrophe befürchten, die am ver gangenen Sonnabend früh um ^/»5 Uhr eingetreten ist. i. r ^ne Person war Eugen Richter die Bedürfnislosig keit selbst. Obwohl er ein wohlhabender und durch die Erbschaft nach dem Tode seines einzigen Bruders sogar ein reicher Mann geworden war, blieb ihm jeder Luxus fremd. Erst als er vor einigen Jahren die Witwe seines langjährigen Freundes und Kampfgenossen Parrisius heiratete, kaufte er in Großlichtcrselbe bei Berlin eine hübsche Villa, die ihm seine Gattin freundlich einrichtete, wie sie denn auch bi- zum Tode des großen Volkslribunen in aufopfernder Liebe bemüht blieb, besten Lebensabend zu verschönen. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser besichtigte am Freitag Nachmittag die neue Königin-Luisen-Halle im Berliner Hohcnzollern-Museum und besuchte am Sonnabend im Tiergarten das herrlich mit Blumen geschmückte Denkmal der Königin Luise, deren Geburts tag war. Auf dem Wege hörte der Monarch den Vortrag des Ministers des Innern. Mittags empfing der Kaiser den türkische» Botschafter und den türkischen General Rahmy- Pascha, die ein Handschreiben des Sultans und Geschenke zur silbernen Hochzeit überreichten. Abends speiste der Monarch bei dem Fürsten Solms. Am heutigen Montag Vormittag trifft der Kaiser in Wilhelmshaven ein, wo die Vereidigung von 800 Marinerekruten stattfindet. Einem Berliner Blatt wird aus Rom berichtet, daß Kaiser Wilhelm mit seinen Söhnen und Schwiegertöchtern Mitte April auf Sizilien eintreffen werde. Ter Monarch werde sich einen Monat in Syrakus, Messina und Taormina aufhalten. Die Italiener verstehen sich vortrefflich auf Reklame, wenn cs gilt, den Fremdenstrom anzulockcn. Ein solches Reklamemittel scheint auch in diesem Falle vorzuliegen. Die bayerische Amnestie, die Prinzregent Luitpold aus Anlaß der Vollendung seines 85. Lebensjahres am heutigen Montag erließ, und die außer Militärpersonen auch 200 Zivilisten zugute kommt, hat eine interessante Vorge schichte, wird doch dem »Fränkischen Kurier" aus München berichtet: Die Amnestie des Prinzregenten ist, wie hier in unterrichteten Kreisen verlautet, dem Scheitern nahe gewesen. Sie war bereits vor drei Monaten auf den Vortrag des zuständigen Ministers im Staatsrat beschlosten worden. Als nun zur Doppelhochzeit wider Erwarten vom Kaiser keine Amnestie erlösten wurde, sollte, um den Anschein einer Demonstration zu vermeiden, die Amnestie des Regenten fallen gelosten werden. Schließlich sprachen aber andere Einflüsse dafür, daß der Prinzregent an seinem Geburtstage schon auS dynastischem Interesse eine Amnestie erlöste. Zum Tode Eugen Richters bemerkte der Reichskanzler Fürst Bülow einem Zcitungs-Korrespondenten gegenüber: Ich habe die hohe Begabung des Verstorbenen, besonders auf finanztechnischem Gebiete stets anerkannt und dem her vorragenden Charakter Eugen Richters niemals meine Achtung versagt. Obwohl ich in vielen politischen Fragen einen andern Standpunkt rinnehmen mußte, haben mich auch gleiche politische Anschauungen mit Eugen Richter näher zusammen- geführt, so vor allem die Bekämpfung der Sozialdemokratie, die der Verstorbene trotz aller demokratischen Anschauungen rücksichtslos durchgeführt hat. Der Witwe Richters über sandte Fürst Bülow ein in warmen Worten gehaltenes Bei leidstelegramm. Der preußische Finanzminister v. Rheinbaben sagte: Ganz kürzlich erst drückte ich Eugen Richter brieflich meine besten Wünsche für baldige Genesung aus. Mit ihm ist eine der markantesten Erscheinungen unseres öffentlichen Lebens dahingegangen. Ueber allen politischen Meinungs verschiedenheiten steht ja die Achtung von Mensch zu Mensch, und gerade in der jetzigen Zeit zunehmender politischer Zer klüftung müßte es als Aufgabe jedes Patrioten betrachtet werden, dieses menschliche Moment nach Möglichkeit zu pflegen und dadurch versöhnlich auf unsere politischen Ver hältnisse zu wirken. Mein Finanzrestort hat aber doppelt Veranlassung, daS Hinscheiden Eugen Richters zu beklagen: Ich könnte wirklich in diesem Falle sagen: »Sie haben einen guten Mann begraben, und mir war er mehr." Die Beisetzung des Abg. Eugen Richter findet vor aussichtlich am Dienstag Nachmittag statt. Tas Befinden des preußischen Eisenbahnministcrs v. Budde, der an einer Darmkrankheit leidet, Hal sich bedauerlicherweise wieder verschlimmert. Hoffentlich wird der hervorragende ° Mann, besten Verwaltung dieser Tage von allen Parteien des preußischen Abgeordnetenhauses einmütiges Lob gezollt wurde, recht bald wieder hergestellt. Ter Bureaudireklor des Reichstags Knaack ist so schwer erkrankt, das leider das Schlimmste zu befürchten steht. Gemäß den Beschlüssen, welche die Berner Arbeiter schutz-Konferenz im vergangenen Jahre gefaßt hat, soll in diesem Mai die internationale diplomatische Konferenz zusammcntrelen, um die Vertragsentwürfe betreffend die Nachtarbeit der Frauen und die Verwendung deS gelben Phosphors in Staatsverträge umzuwandeln. Auf die Ein ladung des schweizerischen Bundesrats hat nur England noch immer nicht geantwortet, doch erwartet man aus London eine zustimmende Antwor. In diesem Falle stände der Ab haltung der Konferenz nichts mehr im Wege. Der Weltpostkongreß wird nunmehr am 5. April in Rom zusammentreten. Auf der Tagesordnung steht u. a. die Ermäßigung der Briefportosätze im Weltverkehr, von Japan und Australien vorgeschlagen, während Deutschland beantragt, die Gewichtsgrenze von 15 aus 20 Gramm zu erhöhen. Mit 263,517 hat Deutschland die meisten Post beamten von allen Ländern der Erde. Ein Fonds zur Unterstützung der Opfer sozialdemo kratischer Gehässigkeit soll Berliner Blättern zufolge von den Kriegervereinen geschaffen werden. Er wird in erster Linie Kameraden zugute kommen, die infolge ihrer patriotischen, königslreuen oder religiösen Gesinnung von Sozialdemokraten aus der Arbeit gedrängt und beschäftigungslos geworden sind. Der Großlichterfelder Kriegerverein wird das Vor- gehen einleiten. Tie Marokko-Konferenz in Algeciras berechtigt weiter zu den besten Hoffnungen. Gelingt es vielleicht auch noch nicht in dieser Woche, das erwünschte Ziel zu erreichen, so hegt man doch eigentlich nirgends mehr ernste Zweifel an einem guten Ausgang der Verhandlungen. In der Polizei frage scheint alles klar zu sein, und in der Bankangelegen heit handelt es sich nur noch um einige technische Fragen, deren Lösung keine unüberwindlichen Schwierigkeiten machen wird. In ver Marokko-Konferenz ist also wirklich alle AuS- sicht auf Verständigung; in der letzten Sitzung am Sonn abend ging es recht verträglich zu, die Annahme der deutschen Vorschläge zur Bankfrage ist sicher. In der Polizeifrage wird voraussichtlich der österreichische Antrag angenommen, mit dem Teutschland einverstanden ist, wonach die Ober- leitung der neuen marokkanischen Polizei ein Offizier eine- ganz unbeteiligten Staates erhält. Energisch wird von Brr- lin aus dementiert, der Kaiser sei von einer hohen Per- wandten veranlaßt, in der Marokkofrage Konzessionen zu machen. Wer so etwas schrieb, kennt den Kaiser ganz und gar nicht. Der Aufstand in Deutsch-Ostafrika ist in der Haupt sache niedergeschlagen und außer verschiedenen .Zauberern" konnte auch der Hauptanführer der Matumbi, die den Auf- stand begannen, jetzt aber wieder unterworfen sind, verhaftet werden. Die Hauptschuldigen werden hingerichtet, eine heil same Lehre für die Eingeborenen. Ist die politische Lage günstig, so läßt sich das von der wirtschaftlichen nicht sagen. Bei Mahenge sind durch Unwetter in vielen Landstrichen die jungen Saaten vernichtet worden, so daß Hungersnot droht. Selbstverständlich wird das Gouvernement zur Besserung der Lage Maßnahmen treffen. Am heutigen Montag kehrt ein Teil unserer an der Niederwerfung des ostafrikanischrn Auf standes beteiligt gewesenen Marineinfanterie nach Kiel zurück. Es findet festlicher Empfang statt, an dem sich auch die Bürgerschaft beteiligt.