Volltext Seite (XML)
Wnlmrger Tageblatt Erscheint tSglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. «nd Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und d-.e Tolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pi., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Mittwoch, den 1. März 1882. "Waldenburg, 28. Februar 1882. Klärung der Parteiverhältniffe. Die parlamentarische Campagne 1882 dürfte vor aussichtlich die bedeutendste unter den gesammten par lamentarischen Zeitabschnitten Deutschlands sein; zwar nicht bedeutsam an legislatorischen Erfolgen, aber insofern von hoher Bedeutung, als sie eine Klärung der Parteiverhältnisse herbeiführen dürfte, wie wir sie seit dem Jahre der Begriffsverwirrung und der Gründung der Fortschrittspartei, dem Jahre 1860, noch nicht gesehen Es ist schon jetzt E großer Gewißheit anzuneh men, daß, nachdem bereits eine Herbstsession des Reichstags stattgefunden und die gegenwärtige Session des preußischen Landtags ihrem Ende zugeführt worden, noch eine Frühjahrssession des Reichstags einberusen werden wird. Also drei Sessionen, die mindestens zusammen eine Zeildauer von 8 Mona ten aufzuweisen haben werden. — Und was wird das Resultat dieser langandauernden parlamentari schen Campagne sein? Vom Reichstag wissen wir, daß ec seine Arbeiten beendet hat, ohne irgend etwas Bedeutungsvolles für die Gesetzgebung des Reiches erzielt zu haben. Die Verhandlungen des Landtages — namentlich des preußischen Abgeordnetenhauses — beginnen ebenfalls einen Verlauf zu nehmen, welcher ebenso wenig etwas Ersprießliches erwarten läßt, als diejenigen des Heim gegangenen Reichstages. Und die Verhandlungen des im Frühjahr in Aussicht stehenden Reichstags? Man weiß noch nicht, welche Vorlagen demselben zugehen weiden; man erwartet aber mit Bestimmt heit das Tabaksmonopol, das Unfallversicherungsge setz rc. Ist es bei der bekannten Zusammensetzung des gegenwärtigen Reichstags wohl anders zu er warten, als daß auch die Frühjahrssession denselben resultatlosen Verlauf nehmen wird, wie die ver gangene Herbstsession? Wir können also schon jetzt mit ziemlicher Gewiß heit annehmen, daß die parlamentarische Campagne des Jahres 1882 mit einem Resultat verlaufen wird, welches — abgesehen von einigen kleineren und unbedeutenden Gesetzen — gleich Null genannt werden kann. Und für ein so winziges Resultat ein so werth- v,ller Apparat? Welch kostbare Arbeit war zuvor erforderlich, um so wichtige Gesetzentwürfe zu Stande zu bringen, die nun durch die Beschlüsse der parla mentarischen Körperschaften in die Rumpelkammer geworfen werden. Und weshalb das Alles? Diese Frage kann sich jeder leicht selbst beantworten, der die parlamentari schen Verhandlungen der letzten Wochen nur mit einiger Aufmerksamkeit verfolgt hat. Welch unnützes Geschwätz! Man spricht bei jeder Gelegenheit über Alles und noch über etwas mehr — nur nicht über das, was zur Sache gehört. Die Debatte spitzt sich zu einer rein persönlichen zu, man wendet sich nicht mehr gegen die Sache, das Prinzip des Gesetzes, sondern gegen die Personen der Parteigegner, gegen die Personen der Minister. Man richtet seine An griffe nicht gegen die Theorien, welche in den Vor lagen der Regierung ausgesprochen sind, sondern man sucht die Personen und Absichten der Minister zu verdächtigen, sie bei der Bevölkerung zu discre- ditiren, moralisch zu ruiniren. Das ist die Kampfesweise der Coryphäen der liberalen Parteien! Und soll dem die Regierung noch länger still schweigend zusehen? Soll sie noch länger sich als Zielscheibe aller dieser maßlosen Angriffe preisgeben? Wir glauben nicht, daß hierzu eine nur einiger maßen kraftvolle Regierung im Stande ist, wir hoffen es nicht von der gegenwärtigen Regierung unseres deutschen Reiches — und darum erwarten wir mit Bestimmtheit nach Schluß der Frühjahrssession eine Auflösung des gegenwärtigen Reichstags. Möge man sich daher schon jetzt die Frage vor legen, ob man mit diesem Gebühren unserer Par lamentarier einverstanden sein will, ob man noch länger diese Nörgeleien und diese widerwärtigen Personen von hochgestellten Beamten verdächtigenden Angriffe dulden will, oder ob man der Regierung die Hand bieten will, noch einmal den Versuch zur Besserung dieser Verhältnisse zu wagen. Wer sich für die letztere Alternative entscheidet, der lege nicht müssig die Hände in den Schoß, son dern beginne schon jetzt die Agitation für die Neu wahlen, damit, wenn der Termin der Wahl heran kommt,j er vorbereitet ist. Dann wird auch die nächste Wahl ein besseres Resultat erzielen, und dann wird die parlamentarische Campagne von 1882 das erreichen, was wir wünschen: eine Klärung der Parteiverhältnisse herbeiführen. "Waldenburg, 28. Februar 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Beim Kaiser fand am 27. Februar nachmittags ein Diner statt, wozu die Präsidenten beider Häuser des preußischen Landtags geladen waren. Der russische Botschafter, Herr von Saburow, hat am Freitag dem Fürsten Bismarck das leb hafte Bedauern seiner Regierung über Tendenz und Form der verschiedenen Aeußerungen Skobelews , ausgesprochen, worauf der Fürst, wie berichtet wird, den Ausdruck seiner Befriedigung über diese Erklä rung beifügte, er glaube voraussetzen zu dürfen, daß der Botschafter in Wien sich der österreichisch-unga rischen Regierung gegenüber in derselben Weise zu äußern angewiesen worden sei. Der Bundesrath hat bekanntlich die Erhebung der allgemeinen Berufsstatistik auf den 5. Juni cr. festgestellt. Dabei sollen 2 Formulare zur An wendung kommen, das erste zur Erhebung des per sönlichen Berufs, das zweite zur Erhebung des landwirthschaftlichen Berufs. Nach den Erläuterun gen zu Formular 1 ist namentlich bei Bezeichnung des Hauptberufs darauf zu achten, a) bei Personen, welche hauptsächlich im landwirthschaftlichen Betriebe thätig sind: ob sie Landwirthschafl treiben? d) bei Gewerbetreibenden, Handwerkern u. s. w. der beson dere Zweig des Handwerks u. s. w.; o) bei Beamten, Angestellten u. s. w. die Art auch des Amts, dienst lichen Geschäftszweig«; ä) bei activen Militärs die Charge, unter Beifügung des Wortes „actio"; e) bei Tagelöhnern und Handarbeitern die Art des Gewerbes, Geschäfts- oder Arbeitszweigs; t) bei Dienstboten, Knechten, Mägden — ob sie für das LandwirthschaftS-Gewerbe oder für welche aridere besonders zu bezeichnende Gewerbe oder aber sür den häuslichen Dienst bestellt sind? Außerdem ist bei der Ausfüllung zu beachten, ab die betreffenden Personen Eigenthümer, von dem Ertrage ihres Ge werbes leben, aber darin nicht thätig sind, wie: Ac tionäre, ob sie aus dem Ertrage ihres Vermögens, von Renten, Pensionen und dergleichen leben und dabei ein Ausdruck zu wählen, welcher ersichtlich macht, daß die betreffenden Personen nicht berufs- und erwerbsthätig sind. Auch sollen nicht mehr im Dienst stehende Beamte, Angestellte, Offiziere, durch den Beisatz „a. D.", „z. D." oder „pens." qualifi- cirt werden. Bei Formular 2 ist die Hauptfrage: ob unmittelbar von der Haushaltung aus Land wirthschafl betrieben werde? Von den Nekenfragen führen wir an: die Zahl der Stiere, Ochsen, Kühe, Schafe, Schweine, Ziegen; ferner die Aufzählung der bei dem landwirthschaftlichen Betriebe benutzten Dampfpflüge, Säe- und Mäh-Maschinen rc. Die „Berliner politischen Nachrichten" publiciren den am 28. Februar von dem Volkswirthschaflsrath vorzulegsnden Tabakmonopolentwurs, wie der selbe bereits den Bundesregierungen mitgetheilt wurde. Der Entwurf umfaßt 70 Paragraphen. Nach demselben ist das Tabaksmonopol nur als ein wirkliches Vollmonopol in Aussicht genommen. Aus dem Entwurf geht ferner hervor, daß Rauchtabak schon zu einer Mark per Kilo, Cigarren schon von drei Pfennigen an geliefert werden sollen. Bezüg lich der Entschädigungsfrage wird bestimmt: Die Tabakfabrikanten und Rohtabakhändler erhalten, falls ihre Fabrik uno die Magazingebäude nicht von der Monopolverwaltung erworben werden, ent sprechende Realenlschädigung. Die Tabaksabrikanten und Rohtabakhändler erhalten eine Personalent schädigung, falls sie mindestens 5 Jahre von der Publication des Gesetzes rückwärts gerechnet, das Geschäft unausgesetzt betrieben und daraus aus schließlich oder überwiegend ihren Erwerb gezogen haben. Die Entschädigung besteht für die Tabak- fabrikanten in dem Fünffachen, für die Rohtabak händler in dem Zweifachen des durchschnittlichen Reingewinnes von den Jahren 1880, 1881 und 1882. Für Geschäfte, welche noch nicht 10 Jahre betrieben wurden, wird die Hälfte dieser Sätze ge währt. Personalvergütung erhalten das für die Tabakfabrikalion oder den Handel technisch ausge bildete Hülfspersonal, die technisch ausgebildeten Tabakarbeiler, welche bei der Publication des Ge setzes den Handel unausgesetzt betrieben haben. Die Vergütung beträgt bet dem Hülfspersonal und den Arbeitern das Fünffache des Durchschnittsgehaltes in den Jahren 1880, 1881 und 1882, bei den Händ lern das Doppelte des durchschnittlichen Reingewinnes dieser Jahre. Eine Versammlung der Delegirten jüdischer Gemeindevertretungen fand dieser Tage in Berlin statt. Justizrath Meyer eröffnete den Dele- girtentag, der von 70 Delegirten beschickt war. Zum ersten Vorsitzenden wurde Justizrath Meyer, zu Stellvertretern die Herren Geheimer Sanitärs- ralh Or. Kristeller und Or. Honnigmann-Breslau ernannt. Der bisherige Vorsitzende des Ausschusses, I. Nachod-Leipzig, trug den Bericht über die Thä- tigkeit des Ausschusses seit dem letzten Gemeindetag vor. Bei der folgenden Durchberalhung des Statuts wird als Zweck des Bundes angenommen: „Die Förderung der Verwaltungs-, Bildungs- und Wohl- thätigkeitsangelegenheiten der israelitischen Gemein den des deutschen Reiches." Insbesondere wird dieser Zweck zu erreichen gesucht durch: 1. Fürsorge für Religionsunterricht und Ausbildung von Reli gionslehrern; 2. Erwerbung eines Systems der definitiven Anstellung und Pensionirung von Ge meindebeamten und zur Fürsorge für die Hinter bliebenen; 3. Unterstützung von Unternehmungen und Veranstaltungen zur Hebung der jüdischen Volksbildung und zur Verbreitung richtiger Kennt nisse von dem Wesen und der Geschichte des Juden thums; 4. Verbesserung des Kranken- und Armen pflegewesens, namentlich Beseitigung der Wander bettelei; 5. Ausbildung und Aufmunterung der Jugend für Handwerk, Landwirthschafl und technische Gewerbe. Oesterreich. Neuestens sind für mobile Truppen Gebirgs- Hunde angeschafft worden, welche den einzelnen Co- lonnen beigegeben werven sollen und den hinter Felsblöcken versteckten oder im Anschleichen begrif-