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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.08.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-08-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120827027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912082702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912082702
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-08
- Tag 1912-08-27
-
Monat
1912-08
-
Jahr
1912
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Bezugs »Preis »r L«tp»te end Vor»«« dnrch «nle« Iraaer »ad kpedtteae» L»«l tlaltch di» van» ,-bracht: »Pt. «onatL, L70 tftl. vietteliädrl. v«t anlernßutal«, ». >n- —E- Dnrch «» PeKr innerhalb Deatlchland» and dar d«»tlch«n Kolonien »tettestShtl. ».» ML, monatl. 1.S> Mk. au»jchl. Poftbeftrllaeld. Ferner in Belgien. Dänemark, den Donauftaaien. Italien. Luiemdura. Niederlande, Noe» wegen. Oelierretch . Ungarn, Aukland, LÄweden und Schwei». 2a allen übrig«, Staaten na, otrekt durch di« Eelchäne- itell« de» Platte» erdältlich. Da» l!«tu,tger Tageblatt «nchelnl Imal täglich. Sonn» w Fetettag» nur morgen». Ldonne«eat»»<lnnadm« Lohaantogali« 8, det unsere» Trägen«. AUtalen. Spedtleaiea und Lnnahmektetleu, sowie Postämter» und Bttefttägern. at»I«U»erk«»»»»r,»» w PL Abend-Ausgabe NMMrTaMaü Peftschrckteat» Leiv»«, 83«. Postschecktonto Leivjig 828. s »llaemetn« Deutsch« ckredtt» 1 Anstalt Brühl 7S/77. »ankkonlo. r Dautsch, Pank. Filiale Leig,«, I D^.-Nall« Sttm» Etetnw», S. «.t.-I-,ch^ Handelszeitung Amtsblatt -es Nates und des Nolizeiamtes Ser Ltadt Leipzig. Lnzeigeu-PreiS für Inserat» au» Lein zig und Umgebung die lsoalttg, P«ttt,eile L>Pt,dt»A«kl<uu«. »eil» I Mk. »en auowärt» SO Pf, Reklamen 1^0 Mk. Inserat« von Behörden im amt lichen Teil die Petit»«tl, S0 Pf. chelchästoanietgen mtt Plag Vorschriften im Preis» erhöht. Nadatt nach Tarif. vetlagegebllhr Lesantt» auflag« S Mk. o. Tausend «rkl. Postgebühr. Teilbeilag« Höger. Feftettetlt, Aufträge können nickt iurü«- aerogen werden. Für da» Erscheinen an brktmmten Tagen und Plätzen wird kein« Earantt« übernommen. Anzeigen - Annahme: I,tza»»»,,ss« 8, det sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Erpeditionen de» In» und Au»lande». Demi und Verla, »«» Fisch«, ch Kürst« Inhaber: Paul Kürsten. KedaMon «u» G«schüft»stekl«i Iohannt»gaff« -> Haupt »Filiale Dre»brn: Seettratze < l lTelephon «Srii. Nr. 437 Vtenstss, üen 27. Sugult 1912. Die vorliegenve Ausgabe umsaht 8 Seilen. Oss Mlhtiylte. * In Anbetracht der sehr gespannten Lage zwischen Montenegro und der Türkei un ternahmen die VertreterderGroß: machte bei der montenegrinischen Regierung freund schaftliche Schritte, in denen sie zum Frieden mahnten. (S. Ausl.) * Der Kongreß der Vereinigten Staaten von Nordamerika hat sich vertagt. (S. Ausl.) * Die Lage in den e n g l is ch e n A ck e r b a u- di strikten wird infolge des unaufhör lichen Regens immer ernster. (S. Tages chronik.) Sellerung im öekinüen Les Smlers. Kassel, 27. August. Die Besserung im Befinden des Kaisers hat angehalten. Der Monarch konnte obne erhebliche Schmerzen beim Schlucken gestern abend mit gutem Appetit essen und wird heute das Bett verlassen. Die Kaiserin, die bisher ständig in der Nähe des Kaisers weilte, unternahm gestern nach mittag zum erstenmal seit Freitag wieder einen kurzen Spaziergang. Die Reisedispositioncn des Kaisers haben insofern eine kleine Aenderung erfahren, als die Leibärzte des Kaisers dem Oberho,marschallamt in Vorschlag brin gen ließen, die Abreise des Kaiserpaares, die gestern vormittag auf Donnerstag mittag festgesetzt worden war, auf Donnerstag abend zu verschieben, da bei der noch immer vorhandenen schmerzhaften Schwel lung der rechten Halsmuskulatur eine Reise des Karsers im Schlafwagen seines Salonzuges von seinen Leibärzten für empfehlenswert gehalten würde. Dieser Vorschlag des Oberhofmarschalls hat die Zustimmung des Kaiserpaares gefunden. Das kaiserliche Hoflager wird also erst am Donnerstag abend von Wilhelmshöhe nach Berlin übersiedeln, wo das Kaiserpaar mit der Prinzessin am Freitag vormittag eintreffen wird. Die übrigen Dispo sitionen des Kaisers bleiben bestehen, insbesondere die Teilnahme des Kaiserpaares an dem Ealadiner für die Provinz Brandenburg im Königlichen Schloß zu Berlin und die Abnahme der Parade des Garde korps und des dritten Armeekorps auf dem Tempel hofer Felde durch den Kaiser. O Die Schweizerreise des Kaisers. Berlin, 27. August. Zu den Nachrichten über das Befinden des Kaisers hört die „N. pol. Korr.", daß begründcre Aussicht dafür besteht, daß Kaiser Wil helm in der Lage fein wird, den beabsichtigten Besuch in der Schweiz in den ersten Tagen des September auszuführen. Möglicherweise könnte eine Ver kürzung des Programms in der Weife in Frage kommen, daß von dem Besuch des Kaisers im Berner Oberland Abstand genommen wird. Vie Merseburger Ssilermsnüver. (Privattelegramm unseres Merse, burger Mitarbeiters.) Merseburg, 27. August. Der Herzog von Sachsen-Altenburg, der an der heute abend stattsindenden Paradetafel des 4. Armeekorps teilnehmen wird, trifft heute nach mittag hier ein. Die Ankunft des Herzogs von Anhalt wird gleichfalls im Lause des heutigen Nachmittags erwartet. Der Kronprinz machte heute früh, von nur einem Adjutanten begleitet, einen Spaziergang in der Umgebung des Schlosses in Schkopau. Im Laufe des Vormittags empfing der Kronprinz im Hofe des Schlosses die Jugend» wehren von Merseburg und Halle, die ihm leb hafte Ovationen darbrachlen. Dann ließ er sich die Mitglieder des Merseburger Ruderklubs vorstellen. Um 1 Uhr mittags nahm der Kronprint das Früh stück mit der Familie o. Trotha ein. Die Abfahrt nach Merseburg zur Galatafel im Ständehaus ist auf abends festgesetzt. Hebung üer 2. Lelüartillerie- örigsüe Nr. 24 a m 26. A u g u st. Am 26. August fand die letzte Uebung der 24. Feldartillerie-Bngade statt. Sie stand 8 Uhr vormittags in Kolonne zu Einem auf dem Wege Lampersdorf—Collm, Anfang am Südende von Collm, bereit. Die Regimentsstäbe waren am An fang der Brigade. Der Uebung lag folgende Kriegslage zu grunde : Blaue Truppen stehen in der Linie Treptitz—Groß-Böhla im Kampfe mit einem aus Nordwesten vorgedrungenen Gegner. Der feindliche rechte Flügel ist an der Abdeckerei südöstlich Dahlen festgestellt. Ueber Mügeln—Collm eilt die blaue 24. Infanterie-Division zur Unterstützung der Haupt kräfte herbei. Die 24. Feldartillerre-Brigade mar schiert hinter dem vordersten Infanterie-Regiment des Gros. In der Reihenfolge 77. 78. Als der Divisionztüyrer Mit dem Drigadeführer auf der Straße Collm—Lalbttz bi, jum Austritt dieser Straße aus dem Wald vorgerttten war, war die Lage folgende: Um Klein-Böhla wurde heftig gekämpft: starke feindliche Kräfte aller Waffen waren nördlich des Windmiihlenberaes, nördlich Deutsch luppa, gemeldet. Die Vorhut setzte sich soeben in den Besitz von Calbitz-Kötitz. Der Divisionsführer ent schloß sich, die Division zwischen Groß-Böhla und Collm-Berg bereitzustellen, und zwar mit 47. In fanterie-Brigade östlich Kötitz-Calbitz, die 48. Infan terie-Brigade am Nordostzipfel des Waldes am Collm-Berg. Die Artillerie sollte in dieser Linie eine Lauerstellung zwischen B^nlinie Oschatz—Dah len und dem Wald am Collm-Berg einnehmen. Der Brigadeführer erkundete nun geeignete Stellungen für die Regimenter. Der Windmühlenbera, Deutsch- luppa und der Ziegenberg wurden aufmerksam beob achtet. 8,30 Uhr vorm. sah man feindliche Kolonnen über den Windmühlenberg auf Deutschluppa vor gehen. Infanterie und Artillerie wurden darin fest gestellt. Der Divisionsführer gab den Befehl zum Besetzen der Stellung und zum Verstärken derselben. Die feindlichen Kolonnen waren inzwischen hinter dem Zieqenberg verschwunden. Die Brigade nahm, sehr geschickt das Gelände ausnützend, ihre Stellung ein. Feindliche Infanterie ging nun vom Zregenlierg in langen Linien zum Angriff vor. Feindliche Ar tillerie eröffnete ihr Feuer gegen unsere Stellung. Die oorgehende Infanterie und die Artillerie wurden von unseren Batterien unter Feuer genommen. Der Kampf wurde immer heftiger. Die Infanterie des roten rechten Flügels ging, geschickt sich dem Gelände anpassend, immer weiter vor: einzelne feind liche Batterien folgten und nahmen eine nähere Stellung ein. Die Infanterie beider Parteien waren bis auf die nächsten Entfernungen zusammengekom men. Blaue Batterien entschlossen sich, auf die Höhen vorzugehen, um durch ihr Feuer auf die feindliche Infanterie der eigenen Luft zu machen. Hier wurde die Uebung abgebrochen und Kritik gehalten. Die neuen lrsnMWen Msrakkvlchwierlglrelten. Nach den aus Marokko eintreffenden Nachrichten scheint es, daß zur Stunde bereits die Kolonne des Obersten Mangin mit dem größten Teil der Streitkräfte des Prätendenten El Hiba in einem Gefecht verwickelt ist. Wie bereits gemeldet, zer fallen die Streitkräfte des Prätendenten in zwei Ab teilungen, von denen die eine unter dem Befehl El Hibas bei Marrakesch, die zweite unter dem Befehl eines Stellvertreters bei Ben Euerir sich befindet. Gegen die bei Ben Euerir stehende Abteilung soll sich in der Hauptsache der Vorstoß des Obersten Mangin richten. Oberst Mangin verfügt über eine Streit macht von 4000 Mann. Wie die „Liberte" erfährt, ist die Haltung ge wisser spanischer Konsularagenten in Marokko Gegenstand höflicher, aber sehr entschiedener Vor stellungen der französischen bei der spanischen Regie rung. Speziell der spanische Konsul in Mogador habe alle Anstrengungen gemacht, die Proklamierung und Anerkennung des neuen Sultans Muley Justuf zu verhindern, so hat er insbesondere die geheimen Agenten des Prätendenten El Hiba zu schützen ver sucht Auch sei ein Anwachsen des Waffenschmuggels zu konstatieren. Die französische Regierung hat sich da her veranlaßt gesehen, diplomatische Vorstellungen in Madrid zu erheben. Plünderungen in Marrakesch. Pari,, 27. August. In Marrakesch sind ver schiedene Läden geplündert worben. Der Ein fluß El Hibas greift auf den Süden Marokkos über. O Französische Preßstimmen. Die meisten Pariser Blätter enthalten sich jedes Urteils über die Ereignisse in Marokko und begnügen sich damit, die von dort eingehenden Nachrichten zu registrieren. Der „Figaro" meldet, die Lage sei nicht gut, man müsse sich aber hüten, sie schlimmer zu sehen, als sie sei. Der „Matin" erblickt ein schlimmes Zeichen in dem Abfall des Kaids Anflus von der französischen Sache. Das Blatt schreibt: Wenn unsere Landsleute gefangen sind und wenn die letzten Depeschen uns einen unmittelbar bevorstehenden Kampf Vorher sagen, so wirkt das gegenwärtig eingetretene Schwei gen beängstigend. Die „France militaire" schreibt: Wir verbeißen uns darauf, aus Marokko ein unter der einzigen Autorität des Sultans in Fez stehendes Zentralrcich los. Zshrgsng. zu machen. Es war im Prinzip eine Torheit von uns, daß wir diese Idee, welche unseren ausge zeichneten Freunden in Berlin so lieb ist, angenommen haben. Wäre es nicht bester, wenn man irgendein Mittel finden könnte, Marokko seine alte Physiognomie zu lasten. Ein Sultan in Fez, ein an derer in Marrakesch und große Vasallen hie und da würden vielleicht ein Ganzes bilden, das leichter zu beherrschen wäre, wenn es auch für unser Auge, das die Einheit liebt, ein wenig harmonisches Bild gibt. *- Muley Hasid in Versailles. Versailles. 27. August. Muley Hafid ist gestern abend, von Vichy kommend, hier eingetroffen. DeuMes Reich. Der Ertrag der deutschen Flugspende. Frankfurt a. M.» 27. August. Die „Franks. Ztg." bringt unter Vorbehalt eine Nachricht aus Berlin, wonach der Ertrag der deutschen Flug spende rund 5 Millionen Mark, also etwa IV, Million Mark mehr wie die französische, be tragen soll. Die bisher gezeichneten Beträge seien nunmehr alle eingezahlt und aus dem Ertrag von ztvei Blumentagen im September und der Flugspendenmedaille sei noch eine Million Mark zu erwarten. Später soll die Sammlung abge schlossen und ein Kuratorium eingesetzt werden, das im einzelnen über die weitere Verwendung der Sammlung Beschluß fassen soll. Der Frankfurter Magistrat gegen die Fleischteuerung. Frankfurt a. M., 27. August. Der Magistrat wendet der Fleischteuerung fortgesetzt seine Auf merksamkeit zu. Er hat neuerdings eine Ein gabe an den Bundesrat gerichtet, in der auf die stets steigenden Fleischpreise hingewicsen wird, die eine noch nie dagewesene Höhe erreicht haben. Voraussichtlich sei eine Aenderung in absehbarer Zeit auch nicht zu erwarten. Der Magistrat erneuert daher sein früheres Gesuch an den Bundesrat und bittet um entsprechende Maßnahmen: Oeffnung der Grenzen unter sani tärer Kontrolle, Erleichterung der Einfuhr fri schen Fleisches und Herabsetzung der Zölle. Wilhelm Wundt und die Nationalliberale Partei. Heidelberg, 27. August. Der Nationalliberale Verein in Heidelberg hatte anläßlich des 80. Geburtstages des Leipziger Philosophen Wilhelm Wundt an diesen ein herzliches Glückwunsch» schreiben gerichtet. Wundt war 1866 Vertreter der Stadt Heidelberg in der Zweiten Kammer; wenn auch damals die Nationalliberale Partei noch nicht formell gegründet war, so gehörte Wundt doch zu den Kreisen, aus denen die Nationalliberale Partei heroorgegangen ist. Der Nationalliberale Verein Heidelberg hat nunmehr von Geheimrat Wundt z. H. des Stadtvats Koch folgendes Schreiben erhalten: Heidelberg, 20. August 1912. Hochzuverehrender Herr Stadtrat! Durch das freundliche Glückwunschschreiben, das Sie namens des Nationalliberalen Vereins aus Anlaß meines Die große Karriere. 48) Roman von A. von Klinckowstroem. -Nachdruck verboten.) Wie konnten jene Aristokraten den Maßstab ihrer eigenen angeborenen und anerzogenen Anschauungen an ihn legen, der keine Erziehung gehabt? Seine Auffassungen waren die einer anderen Welt, und zwischen den seinen und den ihren lag eine unüber brückbare Kluft. Er hatte sich äußeren Schliff und j bei ungewöhnlicher Intelligenz geistige Kultur bis zu einem gewißen Grade aneignen können, aber seine Instinkte blieben die seiner Abstammung. Damit hät ten sie rechnen müßen, die Menschen, die ibn in ihre Kreise ausgenommen hatten, werl er amüsant und begabt war und sich einen Namen zu macken be gann, und die ibn nun fallen ließen, nachdem er gegen eine Moral verstieß, von der er nichts wußte. Er hatte sich nicht einmal gegen die bürgerlichen Ge setze vergangen, nur die feine Grenze nicht eingehal ten, welche sie für die ihnen Zugehörigen zogen, und die es für ihn eben nicht gab. Nein, er war kein schlechter Mensch, nur ein halt loser, der sich von häßlichen Instinkten, wie jeder mann sie zuweilen in sich fand, steuerlos treiben ließ. Sie dachte jetzt an die Anmut seines Wesens, an seine glänzende Begabung, an alles, was gut und liebenswert in ihm war, und ihre Erbitterung sank langsam in sich zusammen. Jedes harte Wort, das sie heute gesagt hatte, reute sie. An ihr was es ge wesen, ihm Halt zu geben und Trost zuzusprechen. Sie hatte die guten Zeiten mit ihm geteilt, denn sein großer künstlerischer Aufstieg gab ihr erst das eigentliche Relief. Ohne das hätte sie nie daran den ken können, ihre gesellschaftliche Rolle zu spielen und im Wohlleben zu schwimmen, wie sie es tatsächlich getan. Und nun, wo er innerlich vernichtet am Boden lag, nun wollt« st« sich schroff zurückzieben und ihn diese bitteren Stunden allein durchkämpsen lasten? Eine plötzliche Angst um ihn sprang in ihr auf. Er war völlig verstört gewesen, und in solchen Momenten waren dies« schwachen Naturen zu allem fähig. Esther griff eilig nach Hut und Handschuhen und lief hinter ihm her zum Atelier. Und während fie lief, steigerte sich fen« unbestimmte Angst bis zur Sinnlosiokeit. Ganz atemlos hastete sie die Treppen emvor. Die Tür war nur eingeklinkt. Ei« stieß sie oa»f und trat rasch über die Schwelle. Am Fenster, mitten im kalten Abenddämmern, saß Ballinger, ein Knie über das andere geschlagen, die Hände darum verschränkt. Und in dieser tot weißen Beleuchtung erschien sein Gesicht ganz blut leer. Seine Lippen krümmten sich in Zorn und innerer Pein. Die Augen flimmerten der Eintreten den wie zwei beinah grünliche Lichter entgegen, denen eines gehetzten, in die Enge getriebenen Tieres gleich. Und dabei wirkt« er so ungeheuer jung in seiner Schmächtigkeit mit dem schmalen, kurzgeschorenen Kopf. „Luzifer nach dem Sturz aus dem Paradies", ging es Esther unwillkürlich durch den Sinn. Aber eine große Erleichterung kam über sie, wie sie ihn unver sehrt dasitzen sah, ia direkt eine Erlösung. „Kann ich nicht einmal hier allein sein?" rief er. „Zu Hause ist es ja trostlos. — Das war ein Tag! Sapristi! Jetzt möchtest du wohl obendrein noch deinen ganz Groll über mich ausschütten." Esther ging still zu ihm hin und umfaßte ihn mit beiden Armen. Sie empfand etwas, dessen sie sich bisher noch nie bewußt geworden war. Sie hatte diesen Mann hier lieb. Unmerklich im Zusammen, leben war das gekommen. Mit allen seinen Fehlern, die sie vorhin noch so hart verdammte, liebte sie ihn. Die dumpfe Angst, ihn zu verlieren, welche sie her getrieben hatte, machte es ihr klar, daß sie ihn nicht mehr misten konnte. Und in dem Moment, in dem das in ihrem Herzen aufging, wurde sie auch ganz ruhig. Jede Erregung erlosch. Sie fühlte, daß es ihre Lebensaufgabe sei, für ihn stark zu werden und ihm den Halt zu geben, der ihm fehlte. Und da ver- gaß sie ihr eigenes Leid, dachte nur an das seine. Wie er merkte, daß da kein« Feindin zu ihm kam, um mit scharfen, gehässigen Vorwürfen über ihn herzufallen, sondern eine Tröstend«, eine Verzeihend«, drückte er sein Gesicht an ihre Schulter und sagte mtt halbem Aufschluchzen: „Mausert!" Si« fand zuerst keine Worte, streichelte nur sein Haar, seine Wangen. Ganz still blieben sie ein« Weil« zusammen, eng umschlungen wie zwei Kinder, die in die Irre liefen und sich eines am andern auf» richten möchten. Dann fragte er, als versteh« es sich von selbst, daß fie die Führung übernehmen müsse: „Was sollen wir nun anfangen?" „Wir können nicht hier bleiben, Jan." „Das habe ich auch schon gedacht. Aber wo sollen wir hingehen?" „Ich weiß es noch nicht, Jan. Ich hock noch nicht darüber nachgedacht. ' „Es müßte natürlich eines der großen Kunst zentren sein. „Ist das nötig, Jan? Die Kunst ist doch wohl unabhängig von irgend einem Ort. Die kannst ar beiten, wo du willst, immer wirst du den Markt für deine Arbeiten offen finden, denn dein Name als Maler behält für die Kunstwelt seinen großen Klang." „Wir können uns doch nicht in irgend einem weltentlegenen Nest festsetzen!" „Warum nicht?" „Weil ich ein Eroßstadtmensch bin — mit all meinen Gewohnheiten und Bedürfnissen." „Nun habe ich fast Angst, dir einen Vorschlag zu machen. „Tu's nur!" drängte er begierig. „Laß uns zunächst — für den Sommer meine ich — nach Karpenbruch gehen, du weißt, das Dorf da oben in Pommern, in dem mein kleiner Besitz liegt. Wir würden da auf der eigenen Scholle sitzen, und wenn wir dort «in paar Wochen in Ruhe gewesen sind, wird uns schon ein vernünftiger Gedanke ge kommen sein. Nur erst hier heraus!" „Ja, ja", stimmte er eifrig zu. „Das ist ein guter Einfall. Wann wollen wir denn fort?" „Morgen, — übermorgen, — wann du willst." „Erzähle doch. Wie ist es da? Ich war noch nie dort oben." Und um ihn abzulenken und zu zerstreuen, fing fie an, halblaut zu erzählen, schilderte Land und Leute, die Eben« mit ihrem Pathos, das Meer und di« Dünen. Er hörte still zu. Dieser ruhige gedämpfte Ton tat seinen überreizten Nerven wohl, schließlich ver nahm er nur noch den, und unterschied keine Worte mehr, denn er hatte seit mehr als dreißig Stunden nicht geschlafen, und endlich fielen ihm tne Aug«n zu. Den Kopf an ihre Schulter gelehnt. schlunnn«rte er ein. Sie blieb regungslos sitzen, um ihn nicht zu wecken. Und die Dämmerung wich der Dunkelheit, aus der sich nur noch da, große Atelierfenster wie «in Heller Fleck heraushob. Dieses sanfte Dunkel hüllt« sie weich ein und schloß ihre Seele von der Außenwelt ab. Esther hörte den eigenen Herzschlag, und sie hört« auch, was fetzt in ihr zu Wort kam. Da war nichts mehr von Erregung, Zorn und Verzweiflung. Ja eigentlich war da eine Freude, denn diese Stund« hatte sie ihrem Mann näher gebracht als die anderthalb Jahre ihrer Eh«. Der Gedanke, mit ihm und dem Kind in ihre Heimat zurückzukehren, schien ihr wundervoll. Sie hat es halb zaghaft vorgeschlagen, weil ihr im Moment nichts anderes einfiel, und es beglückte sie, daß Pallinger die Idee so bereit willig aufgriff. Nach längerer Zeit erwachte er. Noch schlaftrun ken. begriff er zuerst nicht, weshalb sie eigentlich hier im dunklen Atelier saßen. Aber er fühlte, daß die Arme seiner Frau ihn noch immer umschlossen. Und seine Wange an di« ihre legend, fragte er weich: „Bist du mir denn gut, Mauserl?" „Ja, ich hab dich lieb, Jan." Zwanzigstes Kapitel. In den blühenden Sommer fuhren sie hinein. Und wie die hochragenden Türme der Münchener Frauenkirche hinter ihnen versanken, empfanden Pallinger und Esther, daß «in inhaltliches Kapitel ihres Lebens seinen Abschluß gefunden habe. Er sah stumm zum Fenster des Eisenbahnabteils hinaus, und seine Gedanken eilten schon dem Neuen entgegen, das ihm bevorstand. Sie dachte noch an Lene Busch zurück, den einzigen Menschen, von dem sie Abschied genommen hatte. Die kleine Malerin hatte stark an Lebensfreude eingebüßt, seit ihr Musiker im verflossenen Winter gestorben war. Esther glaubte daher, es werde keine Schwierigem haben. Lene zu überreden, sie auf ihrer Fahrt nach dem Norden zu begleiten. Es war ihr direkt ein Bedürfnis gewesen, dieses anhängliche gute Geschöpschen mit sich zu nehmen. Ihr Herz hing an Lene. Si« malte ihr in glühenden Farben aus, wie sie sie verwöhnen und ihr jede nur erdenkliche Frei- heil lasten werde. Aber die andere hatte trübselig den Kopf geschüttelt und geantwortet: „Laß mich nur. Ich gehöre nun mal zur Münchener Boheme, und kann nicht los davon. Ich muß hier schon so weiter wurschteln. Kreuzunglücklich würde ich da oben sein." Auf den Bahnhof kam sie indessen doch, und winkte unter Tränen mit einem nicht aanz einwandfreien Taschentüchlein hinter den Davonfahrenden her, denn sie neigte unter dem Deckmantel ihrer trockenen burschikosen Art zur Sentimentalität, und hatte das deutliche Empfinden, daß fie die Freundin, war die erst einmal in ihrer Heimat, nie Wiedersehen werde. (Fortsetzung in der Morgenausgabe)
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