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ÄMaKilU M ZchW« NMilW Nr. 144. zu Nr. 107 des Hanptblattes. 1924. Beauftragt init der Herausgabe: RegierungSrat Brauße in Dresden. Lunvtassvtrhandlmlgea. »1. Sitzung. ronnerSing, de« 8. Mai 1S24. Präsident Winkler eröffnet die Sitzung 1 Uhr SO Minuten nachmittags. Ain Regierungstisch Ministerpräsident H.cldt mit sämtlichen Ministern und einer Anzahl Regiernngs- vcrtreker. Präsident schlägt namens deS Landtagsvorstandcs vor, auf Ersuchen der Negierung den Pnnn 2, Antrag des Abg. Günther lPlaucn) u. Ölen., die Umwandlung der Reichseifenbahnen in eine Aktiengesellschaft betr., von der Tagesordnung abzusetzen, weil gerade heute und morgen Verhandlungen in dieser Frage beim Reiche stattfiuden und die Regierung infolgedessen nicht in der Lage ist, eingehend zu dem Antrag Stellung zu nehmen. Abg. Böttcher (Kom.): Tie Kommunistische Fraktion ist gegen die Absetzung dieses Tagesordnungspunktes; er würde Gelegenheit bieten, die Frage des Sachver ständigengutachtens und damit im Zusammenhang die Frage der Verwaltung der Dentschen Eisenbahnen über Haupt zu behandeln. Gerade weil entsprechende Ver handlungen im gegenwärtigen Momente bei den Bc Hörden stattfinden, ist cs notwendig, das; die sächsische Regierung den Standpunkt des sächsischen Landtages in dieser Frage kennen lernt. Wirtschaftominister Mütter: Gerade die Anden ttmg, die der Herr Abg. Böttcher machte, das; bei Ptt. 2 eine große politische Aussprache unter Einbeziehung des Reparatlvnsproblems anfgerollt werden könnte, ver anlaßt die Regierung, darauf zu dringen, daß dieser Punkt heute nicht behandelt wird. (Sehr richtig! rechts.) Nicht etwa, weil wir von einer solchen Debatte eine Schädigung des Prestiges der Negierung befürchten, sondern, weil wir befürchten, daß daraus Schwierig keiten entstehen und uns Vorteile, die »vir heute noch in der Hand haben, aus der Hand geschlagen werden könnten. (Sehr richtig! rechts.) Ich bitte dringend, mit Rücksicht darauf diesen Punkt heute ab Zusehen. Der Landtag beschließt hierauf gegen die Stimmen der Kommunisten, Punkt 2 der Tagesordnung ab- znsetzen. Der PräfiveM teilt weiter mit, daß in Zuknnst aus Ersparnis- und aus sachlichen Gründen von der Drucklegung des Geschäftsberichtes der Landes-Brand -.'crsicherungskasse Abstand genommen werden soll. Das Hans ist einstimmig damit einverstanden. Abg.Böttcher (Kom. — zur Geschäftsordnung): Wüh- rcnd der Vertagung des Landtages hat die Regierung auf dem Wege der Notverordnungen verschiedene ein greifende Maßnahmen durchgeführt. Rach der Ver fassung ist die Regierung verpflichtet, diese Notverord nungen dein Landtage bei seinem Wiederzusammentritt sofort vorzulegen. Tas ist nicht geschehen. Ich bean trage deshalb, daß die Notverordnungen sofort vorgelegt und auf die heutige Tagesordnung gesetzt werden. Präsident: Wir haben uns im Vorstände auch init dieser Angelegenheit beschäftigt. Ter Regierung ist ein pflichtwidriges Verhalten nicht vorzuwcrfen. Sie hat pflichtgemäß als Vorlage Nr. 128 unter dem 5. Mai die ergangenen Notverordnungen dem Landtage vorgclegt, Ivie es die Verfassung vorsieht. Bei dem Umfange dieser Notverordnungen war cs nicht möglich, sie bis heute im Druck fertigzustellen. Tie Abgeordneten müssen diese Notverordnungen doch erst kennen, ehe sie ans die Tagesordnung gesetzt werden. Sie sollen des halb über acht Tage auf eine Tagesordnung kommen. Tas Ha»is ist auch dainit einverstanden. Hierauf wird die Tagesordnung für die nächste Sitzung 'estgestellt lind in die Verhandlungen eingetreten: Erste Beratung über die Vorlage Nr. 125, den Ent wurf eines Gesetzes über die Aeuerlöschkassen- beiträge der privaten Fencrverficherungsunter nchmungen betr. Der Entwurf sieht eine erhebliche Vereinfachung des bisherigen Verfahrens in der Berechnung der Fcuer- löfchkasscnbeiträgc der privaten Fcucrversicherungsnnter- nchmungen und gleichzeitig eine Neufassung des Ge fetzeS vom 7. Juni 1910 vor. Abg. vr. Hübschmann (Ttsch. Vp ): Meine Fraktion steht der Vorlage 125 nicht unfreundlich gegenüber und ist bereit, im Rechtsausschuß, an den wir die Vorlage zu verweisen bitten, mitzuarbeiten. Allerdings möchte ich nicht verhehlen, daß die sächsischen Gemeinden, ver- treten durch den Gemeindetag, erhebliche Bedenken gegen die Vorlage haben. Gewiß wird man alle Maß nahmen unterstützen können und müssen, die der Ver einfachung der Verwaltung und der Geschäftsführung der privaten Bcrsichcrungsuntcrnehmungen dienen. Aber die Gemeinden müssen doch den größten Wert daranf legen, daß dabei ihre Rechte und Interessen allenthalben gewahrt bleiben. Die Feuerlöschkassenbeiträge sind nach ihrem Charakter Steuern, und die Gemeinde hat geflcn- über den privaten Bersicherunasunternchmungen einen öffentlichen Anspruch auf ihre Bezahlung. Die Vorlage hebt dieseir Grundsatz aus, und cs bleibt der Gemeinde nur die Anwartschaft aus eine Unterstützung aus einer Zentralkasse. Tie Verteilung der einlausenden Beiträge ist Sache der Brandversicherungskammer. Tic Gemein den werden also auch m dieser Haupteinnahmequelle wieder unselbständiger gemacht. Sie können sich keine Ge- wißheit über die Nichtigkeit der Einnahmen des einzelnen Versichcrungsunternehmens schassen. Es ist aber nach Ansicht der sächsischen Gemeinden und des Gemeinde tages lein Anlaß vorhanden, den Versicherungsanstalten weitere Zugeständnisse zu machen, die nur dazu führen würden, die Gemeinden noch weiter in ihren Einnahme quellen zu schwächen. Meine Fraktion hält aber die Vorlage trotz alledem für eine brauchbare Unterlage zur weiteren Behandlung im Ausschuß. Abg. Zitter (Ttschnat ): Die Vorlage bedeutet einen guten Schritt vorwärts in der Verbilligung und Verein sachung des umfangreichen Gebietes der Brandver- sicherungskammer. Es ist zu begrüßen, daß mit fester Hand zngcgriffen wird, um die bisher geleistete tote Arbeit endlich einmal zu beseitigen, die viel Zeit und Geld gekostet hat, einen praktischen Wert aber über haupt nicht besaß. Den Bedenken des Sächsischen Gcmeindetagcs, die der Vorredner eben ansührte, kann ich mich nicht ohne weiteres anschlicßen. Nach der Begründung der Vor lage sind diese Bedenken hinfällig. Fn tz 3 wird der Brandversicherungskammer wieder das Recht gegeben, den einzelnen Fcuervcrsicherungs- gesellschasten die Verpflichtung auszuerlegen, einzelne Verzeichnisse abzuliefern, wie es bisher der Fall ge wesen ist. Es erscheint mir doch etwas zu weitgehend, der Brandversicherungskammer diese Ermächtigung zu erteilen, weil ja auch die Brandversichcrungskammcr eine Fahrnisabteilung unterhält und infolgedessen mit als Konkurrent gegenüber den Feuerversichcrungsgesell- chaften austritt und es durchaus möglich ist, daß die Brandversicherungskammer infolge dieser Konkurrenz den iripaten Feuerversicherungsgesellschaften das Leben chwer macht, indem sie ihnen solche Arbeiten aufhalst. Ähnlich verhält es sich mit dem § 7, der vorsieht, )aß die Brandversicherungskammer das Recht der Be- trasnng haben soll. Auch das kann infolge des erwähnten Nonknrrenzverhältnisses zu Mißhelligkeiten führen. Jeden falls stimmen wir aus allen diesen Gründen der Aus- schußbcratung zu und sind bereit, die Vorlage ihrer Fort schritte wegen zn unterstützen. Abg. Günther (Dem ): Nachdem bereits der Antrag gestellt worden ist, die Vorlage dem Rcchtsausschuß zu überweisen, versage ich es mir, darauf näher ein- zugchen, da wir im Rechtsausschuß Gelegenheit haben werden, uns über die Einzelheiten zu unterhalten. Ich möchte aber die Gelegenheit benutzen, die Staats- regiernng aus die Eingabe der Stadt Plauen hinzu- wciscn, die am 28. Februar 1924 dem Ministerium des Innern zugcgangcn ist. Tie Stadt Plauen wünscht, daß ihr der höchste Hundertsatz der Feuerlöschbeihilfcn überwiesen werde, und begründet dielen Wunsch näher. Ich bitte die Staatsregierung, diese Eingabe des Stadt rats zu Plauen wohlwollend zu prüfen und die darin zum Ausdruck gebrachten Wünsche zu erfüllen. Tie Vorlage Nr. 125 wird einstimmig zur weiteren Beratung an den Rcchtsausschuß verwiesen. Punkt 3 der Tagesordnung: Zweite Beratung über den Antrag Nr. 56 des Abg. Wehrmann u. Gen. betr. die selbständige Arkcrnahrung usw. (Münd kicher Bericht des Haushaltansschusscs ä, Trnchach- Nr. 449.) (Vgl. Landtagsbcilage Nr. 30 S. 127.) Die Mehrheit des Ausschusses beantragt: Ter Landtag wolle beschließen: den Antrag Wehrmann u. Gen. (Drucksache Nr. 56) 1. unter Zisf. » in seinem ersten Satze durch die bereits bestehenden sächsischen Richtlinien zum Rcichs- siedlungsgesetz für erledigt zu erklären, 2. in seinem zweiten Satz unter Zifi. » abzulehncn. 3. unter Ziis. d anzunehmen. Ferner liegt folgender Minderbeitsantcag Elans (Dem.) vor: Der Landtag wolle beschließen: die Regierung zu ersuchen, die Ackernahrnng in dem Umfange festzusetzen, wie es ein normaler bäuerlicher Familienbetrieb erfordert, um die Arbeitskraft der Familie und das Inventar wirtschaftlich rationell auSzunützen und eine Familie voll zu ernähren. Der Berichterstatter Abg. Sllrodt (Kom.) verzichtet aufs Bort. Abg Wchrma«« (Lem.): Ich möchte mich vor allen Dingen auf den Minderhcitsantrag beziehen, den wir gewissermaßen als Ersatz für unseren Hauptantrag ge- stellt haben. Dieser Minderheitsantrag geht darauf hinaus, für die Ackernahrung einen Umfang festzusetzcn, der wirklich geeignet ist, erstens einmal einen Familien- betrieb zu ermöglichen, also so, daß nicht bloß der Hausherr damit seine Beschäftigung findet, sondern auch seine Familie, und zum anderen dadurch zu be- wirken, daß der Boden, der dem einzelnen Besitzer zur Verfügung steht, auch wirklich ausgenutzt wird. Beides ist notwendig, wenn die Siedlung vorwärtsqchen soll. Wir stehen bei dieser ganzen Bewegung vollständig aus dem Standpunkte, dav wir nicht etwa Zwergbetriebe schauen wollen, sondern Betriebe, die so gestellt sind, daß sn wirklich den Boden, der ihnen zur Verfügung steht, auch mit Maschinen und allem, was dazu gehört, be arbeiten können. (Abg. Günther j Plauens: Sehr richtig.h Wenn wir zum anderen sagen, daß dabei auch die Familie beschäftigt werden muß, so wollen wir ver hindern, daß in solchen Betrieben etwa nur der Haus» Herr beschäftigt wird, während seine Kinder hinaus- gehen müssen aus Arbeit und infolgedessen der Land wirtschaft wieder verloren gehen. Wir hätten diesen Antrag seinerzeit gar nicht gestellt und ihn auch jetzt lischt wieder ausgenommen, wenn nicht immer und immer wieder von seiten der Siedler ans verschiedenen Bezirken Klagen darüber gekommen wären, daß man in einzelnen Ämtshauptmannschaften den Umfang dieser Ackernahrnng nicht so begrenzt, wie es notwendig wäre. Man nimmt etwa in Meißen dieselbe Größe wie in Großenhain, obwohl die Bodenbeschaffenheit hier eine ganz andere ist wie dort, etwa 15 bis 16 Scheuet. Sv ist die Sache nicht zu machen. Es muß tatsächlich, je nachdem der Boden ist, je nachdem die Räume bc schaffen sind, und je nach der Familie natürlich auch die Zuweisung an Land erfolgen Daß genug Land vorhanden ist, liegt auf der Hand. Wir haben in Sachsen etwa 3^000 Hektar Land, das abgegeben werden kann. Selbstverständlich wird nicht alles Land brauchbar sein, so daß wir meinetwegen ans 30000 Hektar heruntergehcn können. Bis jetzt sind aber, wenn ich nicht irre, nur 1500 Hektar verteilt worden. Also von einer wirklichen Siedlungsbewegung, von einer wirklichen Betätigung der Regiernng der Sied lung gegenüber kann absolut nicht die Rede sein. Man kann nicht davon reden, daß die großen Betriebe zcr-' schlagen werden sollen, das ist eine Wahlredensart ohne irgendwelchen Hintergrund. Wir Haven noch gering Land, so daß man so Vorgehen kann, wie wir es sordern. Wir bitten also darum, wenigstens unseren Minderheitsantrog anmnchmcn. (Bravo! bei den Dem.) Abg. LGembo« (Mehrb. d. So;.): Bei den Erwä gungen, ob und wie weit wir die Siedlung fördern» steht die Frage obenan, wie die Ernährnngswirtschaft dabei fährt. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, daß es der Lebcnsmittelerzeugung dient, wenn lebens unfähige kleine Betriebe so weit mit Land ansgestattct werden, daß sie ordentlich wirtschaften können. Ich bin auch davon überzeugt, dcm das notwendige Land von großen Gütern ohne Gefährdung von deren Pro duktionsinteressen genommen werden kann. Aber ich verlange, daß oic produktion-organisatorische und pro- duktionstechnische Ausgestaltung der kleineren Betriebe, der Siedlungsbetriebe, Schritt halten muß mit der Förderung des Siedlungswesens überhaupt: ich meine die genossenschaftliche Organisation in bezug auf Tüngcr- beschaisung, Saatgutbcscha'nmg, Verwertung milchwirt schaftlicher Produkte, Beschaffung und gemeinsame Bc-' Wertung von Maschinen, Durchführung von Meliora tionen usw. In dieser Hinsicht bin ich mit dem jetzigen Stande der Dinge im Siedtungswesen noch ganz und gar nicht zufrieden. Der Herr Antragsteller ist leider anch diesmal aus diesen Teil der »Frage nicht eingc- gangcn. Man kann im Siedlungswesen auch nicht so in die Vollen gehen, wie Herr Kollege Wehrmann das scheinbar wünscht. (Abg. kühn: Sehr richtig!) Be sonders ist das ia zum Ausdruck gekommen in dem ersten Antrag. Wenn man jetzt der Sache auch eine andere »Form gegeben hat» so bin ch doch der Mei nung, daß man in diesen Bestrebungen über das Maß hinansgeht. Vorläufig, gtanbc ich, können wir uns damit begnügen, daß man die kleinen Betriebe — cs handelt sich ja hauptiächlim um Anliegersiedlungen — auf das Maß von etwa 1" Schefiel ergänzt. Ich bin natürlich auch damit einverstanden, daß man dort, wo die Zahl der Familienmitglieder es nötig macht, aus ein größeres Maß zukommt, sagen wir cmmal auf 20 oder einige Scheffel mehr. Aber das möchte ich ganz ausdrücklich betonen: wenn die Vermutung besteht, daß die abzutretendc Fläche weniger intensiv bearbeitet wird, und daß ein Zurückgehen in der Ergiebigkeit zu konstatieren ist, dann bin ich der Meinung, ist von: Standpunkt der Gesanttheit kein Interesse an der Er weiterung des kleineren Betriebes. (Abg. Kühn: Aber in vielen Fällen trifft das zu!) Welche Fläche überhaupt genügt, nm einer land- wirtschastlichen Familie die Existenz zu begründen, das zeigen insbesondere auch die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe — Ich denke z. B- an Südsrankreich —, die ganz feldbaumäßig betrieben werden. Ta gibt schon eine solche von 2 Hektar oder 8 Scheffel die Möglichkeit, einen dnrchauS landwirtschaftlichen Betrieb rind eine dnrchans landwirtschaftliche Eristenz zu fristen. Ich bin nicht der Meinung, daß wir so weit heruntergehen, ich bin aber anch nicht der Meinung, daß wir etwa in der Hinsicht zu weit gehen. Wir müssen die Regelung von Fall zu Fall den Instanzen überlassen, die damit be auftragt sind (Abg. kühn: Sehr richtig!) Wenn man den Begriff so faßt, wie es Herr Abg. Wehrmann, in seinem Mindcrheftsantrage wünscht, so scheint mir die Sache zu dehnbar. Ich glaube, wir würden da Wünsche wecken, die wir nicht in jedem Falle erfüllen können. Im übrigen möchte ich noch folgendes betonen: Tie neue Siedlung nnd znm Teil anch die Anliegersiedlung im Sinne des Rcichsficdlungsgesetzes hat in den letzten Jahren darnnter gelitten, daß man bei der Geldent wertung keinen vernünftigen Geldmaßstab hatte. In der nächsten Zeit werden die Siedlungsbestrebungen