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WichenNich «scheinen drei Nummern. Pränumeration« - Prei» 22j Silbergr. (1 THIr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für da» ganze Jahr, ahn« Erhöhung, in allen Theilen der Preußische» Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Eom»., Jägerstraße Nr. 25), so wie von allen König!. Post-Aemiern, angenommen. Literatur des Auslandes. 86. Berlin, Donnerstag den 18. Juli 1844. Süd-Amerika. Die Freistaaten vom Rio de la Plata. ll. BuenvS-AyreS. Der Plata, welcher bei Montevideo mehr als fünfzehn (französische, neun deutsche) Meilen breit ist, hat bei BuenoS-Ayres noch zehn Meilen. Aber seine Tiefe nimmt bis dahin beträchtlich ab, und zahlreiche Sandbänke machen die Schifffahrt für größere Fahrzeuge schwierig. Die vierzig bis fünfzig Meilen lange Ueberfahrt von einer Hauptstadt zur anderen erfordert zuweilen mehr als fünf Tage, und die Kosten des LootsenS find beträchtlich, für eine Kriegs-Korvette z. B. gegen 2000 Franken. Fahrzeuge, welche tiefer als zehn Fuß gehen, müssen auf der Rhede bei Martin Garcia, neun Meilen von der Stadt entfernt, anlegen. Längs der Küste von Bucnos-Ayres liegen zerstreute Felsen, und die Böte halten etwa einen Flintenschuß vom Ufer an ; von da ab fährt man auf dreispännigen Wagen mitten durch Wasser und Felsen in vollem Trabe ans Land. Dies Verfahren ist nicht nur unbequem, sondern auch kostspielig; deshalb rechnet man, daß der Transport einer Schiffs ladung von der Rhede nach dem Zoll-Amte mehr kostet, als von Europa nach Buenos-AprcS. Die Fahrt auf dem Plata ist nicht nur gefährlich, sondern auch einförmig und traurig, denn die Ufer find niedrig, das Wasser gelb und schlammig, und man ist froh, wenn man sein Ziel erreicht hat. Buenos-AyreS trägt den Charakter einer großen Stadt. Die Gebäude und die Thürme geben ihr fast ein monumentales Ansehen, welches mit den auf beiden Seiten sich an schließenden Landhäusern und Gärten einen ganz angenehmen Anblick gewährt. Ein durch eine Erhebung des Bodens gebildeter und zum Theil mit Bäumen bepflanzter Quai zieht fich von der Citadelle bis zum Retiro, einem durch die Niederlage der englischen Truppen berühmten Platze. Die Erinnerung an die Capitulation der Engländer, durch welche fie Buenos-Aprcö aufgaben, lebt als eines der ruhmvollsten Ereignisse in den Herzen aller Einwohner. Der heitere Eindruck aber, welchen der Anblick von der Secseite her gemacht hat, weicht einem anderen, sobald man die Stadt selbst betritt. Die schweigenden, verödeten Straßen mahnen an die blutigen Scenen, denen sie so oft zum Schauplatz dienten. Wiederholte Revolutionen haben die Bevölkerung von Buenos-ApreS gelichtet und zerstreut; mehr als sechstausend Familien leben gegenwärtig durch ganz Amerika versplittert; diejenigen, welche die Hoffnung der Rückkehr nicht aufgegeben, haben fich vorzüglich zu Montevideo nieder gelassen, um bei der ersten günstigen Gelegenheit in ihr Vaterland zurückkehren zu können. ES war das Unglück aller spanischen Kolonieen, daß fie, einmal vom Mutterlandc unabhängig, auch für die Republik, für die Verfassung der Ver einigten Staaten reis zu sepn glaubten. Aber es ist eine große Kluft von der politischen Theorie zur praktischen Ausführung, und keiner dieser improvifirten Demokraten konnte fie überschreiten. Für diese Bevölkerung, welche aus Instinkt die Autorität liebt und achtet, hätte eine aufgeklärte Monarchie ge paßt; aber fie verwarfen Alle die Monarchie, als unverträglich mit den Fort schritten, die fie gemacht zu haben glaubten. Nun erhoben fich für die beiden Systeme der Gesammt-Republik und des Föderativ-Staates leidenschaftliche Männer, welche jedoch, wie man fich an Ort und Stelle überzeugen kann, den Unterschied beider Systeme selten klar anzugeben gewußt hätten. Die Männer, welche fich durch Thatkraft und Geschicklichkeit zu Repräsentanten dieser Ideen aufschwangcn, gelangten abwechselnd ans Ruder, und die Staaten büßten ihre Theorieen und Feindschaften. Am meisten litt Buenos-ApreS. Es hatte zuerst das Zeichen zur Unabhängigkeit gegeben und ist bis diesen Tag «och nicht auf einen Augenblick zur Ruhe gekommen. Unter der Präsidentschaft Ribadavia's wurde BucnoS-Ayrcs von Männern verwaltet, welche den Fortschritt liebten, aber zu viel Vertrauen in fich selbst setzten. Zu den blutigen Parteiungen im Innern kam der Krieg gegen Bra- Wen, der durch die nothwendig gewordene Bewaffnung der Bevölkerung die Bewegung vermehrte. Diese Bewegung wurde von den Freunden des Föde rativ. Systems benutzt und der General Rosas zum Präsidenten eingesetzt, nachdem man die Häupter der Gegenpartei vertrieben hatte. Dies geschah im Jahre 1835. Buenos.Ayres, auf allen Seiten von Pampas umgeben, die fich bis an den Fuß der Kordilleren erstrecken, (st wegen der Beschaffenheit des Landes und der Lebensweise der Bewohner eine durchaus unhaltbare Eroberung; denn wenn die Landbewohner nicht durch gleiche Interessen mit den Herren der Stadt verbunden find, so führen fie die Heerden, von denen die Stadt lebt, einige hundert Meilen weiter ins Innere. Jede Verfolgung wäre unnütz. Deshalb konnte auch die französische Blokadc zu keinem Ziele führen, und eS blieb nur die Hoffnung übrig, daß die allgemeine Mißstimmung den Präsidenten zu Konzessionen bewegen würde. Die Feinde des General Rosas, die Häupter der Einheits-Partei, hatten unterdeß, von Frankreich aufge- muntert, ein Heer gerüstet, wurden aber in Folge der Unthätigkeit ihres An führers, des Generals Lavalle, geschlagen, und durch die Vermittelung Englands gab Frankreich nicht nur. seine Ansprüche auf, sondern überließ auch die von ihm zum Widerstande ermunterte Partei der Rache des General Rosas. Der Vertrag mit Letzterem wurde am 29. Oktober 1840 von Herrn von Mackau abgeschlossen. Rosas hatte die Gauchos des flachen Landes aufgeregt und fürchtete nun, daß sie sich gegen ihn selbst wenden könnten. Hatte er aber dem Herrn von Mackau Bedingungen vorschreiben können, so glaubte er sich auch stark genug, einen Nebenbuhler zu vernichten und beide Ufer deck Plata sich zu unterwerfen. Der ehemalige Präsident von Montevideo hatte dort noch eine Partei; er wurde das Werkzeug des General Rosas. Die Armee, deren Forderungen man fürchtete, entfernte fich unter Orribe'S Befehl von der Haupt stadt; wer dem General verdächtig war, mußte eintreten, und so blieb in Bucnos-Ayres nur ein einziger Mann zurück, der nach Gutdünken über alle Hülfsquellen Ler Argentinischen Republik schaltete. Rosas war ursprünglich Besitzer einer nicht eben beträchtlichen Estancia, lebte seiner Familie und beschäftigte sich mit seinen Heerden. Seine Kühnheit im Reiten und seine Geschicklichkeit im Schlingen- und Kugelwcrfcn hatten ihm die Bewunderung der Gauchos eitvorbcn. Gezwungen nahm er am Parteikampfe Theil; die Gauchos erhoben ihn an die Spitze. Das System, welches er befolgt, ist die Vernichtung der höheren und aufgeklärten Klassen zu Gunsten der niederen Klassen, die alle Gewalt in seine Hand gelegt haben. Da der größte Grundbesitz und der gesammte soziale Einfluß Leuten gehörte, welche fich dieser auf die Anzahl der Massen gestützten Diktatur widersetzten, so mußten ihre Häupter fallen, ihre Güter wurden cingczogen. Der Despo tismus dieses Mannes, der fich nirgends blicken läßt, dessen Befehle aber pünktlich vollzogen werden, hat etwas Bizarres und Schauerliches. Die Beharrlichkeit und die Willenskraft eines Mannes, der ohne alle theoretische Kenntniß der Staats-Verwaltung gegen innere und äußere Hinder- niffe kämpfen mußte, ist, zumal in diesen Ländern, bewundernswürdig, wo eine ruhige und überlegte Energie fast unbekannt ist. Er vereinigt in fich allein die gesammte Verwaltung: Krieg, auswärtige Angelegenheiten, Zölle, Alles besorgt er selbst bis ins kleinste Detail. Aus übergroßem Mißtrauen braucht er nur Menschen, die neben ihm durchaus keine Bedeutung erlangen, aber eben deshalb ihn auch bei seinen Arbeiten nicht unterstützen können. Er arbeitet täglich über fünfzehn Stunden in StaatSgeschäften, schläft wenig, ißt alle vierundzwanzig Stunden einmal und bezahlt mit seiner Ruhe die Freuden unbeschränkter Gewalt. Wenn der General Rosas Buenos-AyreS einmal verlassen kann, so geht er auf einige Tage nach einem freundlichen Landhause, das er nahe bei der Stadt besitzt. Hi»v-erscheint-«--mit ein anderer Mensch; er ist zugänglich für Jedermann, fröhlich, selbst ausgelassen lustig. Da beschäftigt er fich mit ländlichen Arbeiten, da spricht er von dem Glück des Landlebens, von dem Frieden, den er genoß, als er noch mit Frau, Tochter und Sohn in einem einzigen Zimmer lebte und an nichts weiter dachte, als wilde Rosse zu bändigen und der anstrengenden Uebungen zu pflegen, in denen er Alle übertraf. Alle Gewalt war also in Rosas' Hand gelegt; er drängte die Kammern, wie er sagte, aus Ucberdruß an den Geschäften, sie zurückzunehmen ; die Ver sammlung hob seine Bedenken und verlängerte seine Diktatur. Seine Politik ist nothwendig unerbittlicher Despotismus im Innern und unaufhörlicher Krieg nach Außen. Das Land ist zwar schwach bevölkert (man schätzt die Einwohner nur aus 300,000 Seelen), aber fruchtbar, mild, reich an schiff baren Flüssen und in jeder Hinsicht zu hoher Blüthc berufen; durch diese Herrschaft muß es verarmen. Die Heerden bleiben fich nun selbst überlassen und vervielfältigen fich nicht so rasch als unter der pflegenden Hand de- Menschen; die Besitzer der Estancias scheuen jede Ausgabe, da fie fürchten, di« Frucht derselben zu verlieren; die kräftigen Männer werden überdies zu Soldaten ausgehoben. Das Ausgabe-Budget belief fich im Jahre 1841 auf 18 Millionen Franken, mit Einschluß von 4 Millionen fälliger Schuld; die Einnahme erhob fich nur auf 17 Millionen. Im Jahre 1842 wurde die Ausgabe auf 19 Millionen