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7- IS. Jahrgang Dienstag» äeu U. 9eptember i923 lrr. 212 ,F-'> ' --------- Anzeiger für das Erzgebirge Rmf-eech-ftssitzis» tu. s». ' ... E»«»—«n»e»u »M.« »«««v. <«q«i—»«, «miq« — «—» -«»«»«. B« «««,».,- Dowerhanälungen. Die Auseinandersetzungen zwischen dem deutschen Reich kanzler Dr- Stresemann und dem ftanzöstschen Minister« Präsidenten Poincare sind durch zwei Sonntagsreden des letzteren wettergeführt worden. Diese beiden Reden waren direkt« Antworten auf die vorausgegangenen Kundgebungen Stresemann» in Stuttgart und Hilferding und Räumers vor Reichstagsausschüssen. Wenn man die Poincareschen Sonntags reden kurz kennzeichnen wollte, könnte man sie auf eine Formel bringen, die er selbst geprägt hat: „Der Ton hat sich geändert, und das ist trotz allem ein Fortschritt". Wir finden in den Reden zwar die alten Vorwürfe von Deutschlands Hinter hältigkeit und von der Organisation de» passiven Widerstandes im Ruhrrevier durch die Reichsregterung; wir finden auch die Wiederholung der Behauptungen, daß der Kamps an Ruhr und Rhein von Deutschland verursacht und begonnen worden sei, und daß infolgedessen Deutschland, daß diesen Kampf ver- loren habe, sich nicht weiter weigern dürfe, die größten Opfer zu bringen. Aber wir finden auch ein ernsthaftes Eingehen auf die Vorschläge und Andeutungen des Reichskanzlers in Stuttgart und die Zusage: „Sobald Deutschland sich ent schlossen haben wird, uns etwa» andere» zu geben, al» Ver« sprechungen, werden wir die Möglichkeit des Abschlusses von Wirtschaftsverträgen prüfen." Niemand in Deutschland wird im Zweifel darüber sein, daß solche Kundgebungen aus dem Mund« Poincare» äußerst vorsichtig ausgenommen werden müssen. Aber ebenso sicher ist es, daß die Stimmung im besetzten und unbesetzten Deutschland unter den ungeheueren wirtschaftlichen und finanzpolitischen Schwierigkeiten der letzten Wochen ünh Tage immer einheitlicher eine Verständigung mit Frankreich verlangt, die der Ehre Deutschland» keinen Abbruch tut und die Einheit des Reiches und di« Freiheit d«s deutschen Volke» nicht gefährdet. Vn diesem Sinne hat sich auch der Reichsinnenminister Sollmann am Sonnabend einer internationalen Frauen» deputation gegenüber ausgesprochen. Unter ausdrücklicher Be rufung auf sein« Ueberetnstimmung mit dem Reichskanzler betont« er, daß die Reichsregterung bereit und gewillt sei, sed« Vereinbarung mit der Entent« und besonders mit Frank reich «tnzugrhen, di« Deutschland die Sicherheit gibt, daß da» Ruhrgebiet und di« Rheinland« nicht nur nicht von Deutsch land losgetrennt werden, sondern tu absehbarer Zett wieder vollkommen der deutschen Verfügungsgewalt zu Gebote stehen- Sollmann hat in diesem Zusammenhang ebenso wie der Reichskanzler in Stuttgart erklärt, daß die größte Anspannung aller Kräfte versucht werden soll, um das Ziel der Befreiung von Ruhr und Rhein zu erreichen, daß aber weder die jetzige noch irgend eine später« deutsche Regierung in der Lage sei, ein« Bedingung einzugehen, die eine Zerstücklung des Reiches bedeute. Reparationen und Sicherheiten, aber keinerlei Separationen in irgendeiner Formt Herr Poincare ist in seinen beiden letzten Sonntagsreden auf di« Frag« d«r Reparationen, wt« sie Stresemann in Stuttgart angeschnitten hatt«, näher eingegangen. Gr hat das Angebot von produktiven Pfändern nur „theoretische Richte" genannt, und statt ihrer „positive Sicherheiten" ver langt, wt« er si« sich durch di« Besetzung des Ruhrgebiete» bereit» verschafft habe. Wir wollen Realitäten, rief er au». Erst wenn di« deutsch« R«tch»regt,mng solch« Realitäten, unter denen er immer seine produktiven Pfänder versteht, gegeben habe, ließ« sich über wirtschaftlich« Verträge sprechen, die Stresemann in sein« Stuttgarter Red« so stark in den Vorder grund gerückt, hab«. Daraus geht hervor, daß in der Haupt sache der französisch« Ministerpräsident auf seiner unseligen Pfandpolitik beharren will, daß er aber über Modalitäten derselben mit sich reden lassen wird. Hier bietet sich Raum für weiter« Verhandlungen. Man darf annehmen, daß der deutsch« Reichskanzler schon in den allemächsten Tagen Potn- rar, antworten und dabei genauer präzisieren wird, welche „positiven Sicherheiten" di« Reichsregterung anbieten will. Inzwischen wird durch Vorverhandlungen zwischen Ber lin, Paris und Brüssel da» Feld diplomatisch weiter aufge klärt. Auch di, Nachricht französischer Blätter, daß bereit» di, französisch« Botschaft in Berlin in den Bereich dieser Bor« Verhandlungen etnbezogen sei, dürft« richtig sein- E» ist «in ganz selbstverständltcheiPsltchtgebot für die Leitung der deut schen Außenpolitik, di, Aussichten etwaiger bestimmter Vor schläge vorher nach Möglichkeit festzustellen, eh« dt«s« Borschläg« der O«ffentltchk«tt pretigegeben werd«»- Auch da» deutsch« Volk soll und muß nchtzritig auf di« entsch«idend« w«ndung in der Außenpolittk vorbereitet werden, wenn es nicht nachher zu unliebsamen Zwischenfällen kommen soll Der Retchskanzln hat sich am Donnerstag vorig« Woche durch eingehend« Besprechung«« mit all«n Abgeordn«t«n d« besetzt«« »«biet« di« Zustimmung dieser maßgebenden politischen Persönlichkeiten zu seinen bisherigen und zu seinen demnächst- igen Schritten verschafft. Selbst d«r dabei anwesend« Sprecher dn Deutschnationalen Partei hat keinen widirspruch erhoben, sondrrn nur di« Haltung sein« Partei von der Stellung, nahm« dn deutschnationalen Führ« im Auswärtigen Aus schuß be» Reichstag, abhängig gemacht. Auch »in, Aussprache zwischen dem Reichskanzln und den «pttzmvntretern dn deutsch« Gnverychaftsowanisattonen am Sonnabend hat »alle Uebereinsttmnmng über di« etnzuschlagenden W«g« ergeben. E» fehlt setzt nur noch die genaue Formulierung und Präzi- sterung der deutschen Vorschläge. Mit ihr beschäftigt sich d e Reichsregierung in diesen Tagen- Dann werden auch die Parteiführer zu den Beratungen zugezogen werden- Ob der Reichstag hierauf bald einbemfen wird, ist noch fraglich, voraussichtlich wird man damit warten, bis das deutsche Angebot in Paris vorltegt. Aber auf jeden Fall wird jetzt an allen in Bettacht kommenden Stellen aufs eifrigste daran gearbeitet, eine Verständigung mit Frankreich zu erzielen, die die gequälte Rhein- und Ruhrbevölkerung befreit, feste gegen seitige Garantien für einen wirklichen Frieden schafft und Deutschland «inen Ausgang aus der gegenwärtigen unerträg lichen Lage bietet, der der Opfer wert ist, die bisher gebracht worden sind und in Zukunft in noch höherem Maße gebracht werden müssen. Erst Reparationen, äanm Räumung von Aorsu. ,Triumph -er UallealjHea These.* Mussolini hat dem italienischen Botschafter in Pa ris folgend« Telegramm mit der Weisung- es der Bot- schafterkonserenz zu üb '"Mitteln, .übersät.» n .. Ick bitte, d- afttc/onferer^ mt ' v len. Has * " ?. e Regierurig von Lös,'Note E Konferenz au - 'ond Kenntnis genommen hat und das sie t>erneuter Zetonung ihre» Be ¬ schlusses Kvrm uni, die benachbarten Inseln zu räu men,.sobald Griechenland alle verlangten Reparationen in hollem Umfange und endgültig erfüllt haben wird. Die italienischen Zeitungen geben ihrer Freude Ausdruck über den Triumph.der italienischen These in dem italienisch-griechischen Konflikt und heben die Ener gie und Festigkeit Mussolinis hervor. ZraaMfthr vrrmlttluagsaktkoo km Pomekoafllkt. Belgrad fordert Porto Baro». Nach einer Meldung des „Mattn" aus Belgrad wächst dort die Erregung gegen Italien in der -Fiume- Frage ständig. Aus einer Bemerkung der ^Prawda" geht hervor, daß Basitsch Lei seinem kürzlichen Aufent halt in Parts Poincare gebeten hat, .vermittelnd in Rom zu intervenieren.,und daß Poincare zugesagt.Labe. Beide Politiker hätten in der Fiume-Frage einen neuen Plan entworfen, den der französische Ministerpräsident feinem Botschafter in Rom zUr Weitergabe an die ita lienische Regierung übermitteln Netz. Pasitsch sei fest entschlossen, im Falle eines Scheiterns dieser französi schen Vermittlung den Präsidenten der Schweiz .als Schiedsrichter anzurufen. wie der Sonderberichterstatter de» „Matin" weiter au« Belgrad meldet, wurde dort an amtlicher Stelle zur Fiume-Frage erklärt, datz Güdslawien niemals eine Re gelung werde annebmen können, .die Nicht Port BaroS. de» Hafen Fiumes, Güdslawien suerkenne. Annesion von Finne« durch Italien? Der „Datlv Telegraph" gibt das Gerücht wieder, wo. nach.die Annexion von Fiume durch Italien zu erwar ten sei. In Italien seien große militärische Vorberei tungen zu beobachten, .die die Matzregeln vir eine nur zeitweise Besetzung KorfeS weit überschritten. Dem 15. September, -em Tag, an dem die Frist des von Muss» lini Serbien wegen der Fiumefxage gestellten Ultima tums ablaufe werde in britischen und in alliierten Krei sen mit einiger Besorgnis entgegengesehen. Belgrad hab« da» Ultimatum verworfen, und es sei unsicher, ob Italien einer schiedsrichterlichen Entscheidung der Schweiz zusttmmen werde. Vas Fiasko von Genf Garvin schreibt im ,Hbserver" über da« „Fiasko von Genf" Hie historische Freundschaft zwischen England und Italien habe einen solchen Schlag erhalten, datz a» lange dauern werde, bi» si« sich davon erhole.. Die dtploma- tisch« Grundlage der neuen britischen Politik mit Be- zug auf da» Ruhrgebiet sei zerstört worden, und Rom sei gezwungen Pari» mehr Unterstützung in der Ruhr, krage zu geben im Austausch gegen die Unterstützung di« Parts Rom in der italienisch-griechischen Frage g«. währe. Der augenblickliche Völkerbund sei einem Selbstmord nahegekommen. Sn keiner Frage habe der Bund -> gewagt gegen Frankreich aufzutreten, «r habe ». B. beiseite gestan den. .während da» «uhrelend acht Monats sich Pn- schleppt«, und weit mehr Tötungen von Menschen, di« Abfahrt der englischen Seesttettkräft« von Konstantinopel. Di« englischen Seestreitkräfte fuhren am Montag von Konstantinopel ab und dampften nach Gibraltar. Eine Gruppe von Bewohnern der Insel Tenedos^ die nicht unter türkischer Herrschaft leben will,., ist.in Saloniki eingetroffen. Hunderttausend« Griechen warten in den Häfen des Schwarzen Meere» auf ihre Einschiffung nach Griechenland. Unter französischer Gewaltherrschaft. Aum To-e veruttrklt. ANS Düsseldorf wird gemeldet r Der SvWrige Stu dent Raabe, -er in eine Jägerabtvilung. die vor deM Stahlhof in Düsseldorf Kosten stand, eine Handgranate geworfen hatte wurde vom Kriegsgericht in Düsseldorf zum Tode verurteilt. Raabe gestand die Tat ein. Er habe die heutige Gesellschaft verteidigen, .den AlkoholiL. mus. den Labakmttzbrauch «sto. bekämpfen wolle». Erfthossra. Wie au» dem Ruhrgebiet gemeldet wird,, ist Her Landwirt Höhne» au» Olsen auf.der zerstörten Lippe- brücke bet Sülsen von einem französischen Posten er schossen worden. SeWe-kMg -es Ottes Vor! aagr-roht. „Repressalien" für ein Attentat auf einen französischen Pasten. Auf den ftanzöstschen Posten auf brr Lippe-Brücke an der Straße Bord-Waltrop wurden am Z. September abend von unbekannten Tätern vom diesseitigen Ufer aus sechs Schüsse abgegeben, durch die der Posten verletzt wurde. AuS Anlaß dieses Vorfalles hat der französische Kommandant angekündigt, daß, falls bis heute mittag 12 Uhr die Amtsverwaltung von Bork nicht mit einer weißen Fahne auf der Lippe^örücke er scheine, die Franzosen sich in Bork Geiseln holen und die Ortschaft beschießen würden. Französische Patrouillen nahmen in Bauernhöfen auf dem diesseitigen Ufer HauSsuchUnga^vor. In Walttop wurde das Postamt besetzt.. Bet Lünen wurde ein deutscher Arbeiter bet dem Versuch, die Grenze zu überschreiten, von ftanzöstschen Posten er schossen. Auegewissen, vertrieben, verhaftet, getötet. MuS dem besetzten Gebiet wird mitgeteilt, .datz an Eisenbahnern aus dem Gebiet selbst auSgewtesen wur den r 21858 mit . 54166 Familienangehörigen. Nur au» ihren Wohnungen wurde» Vertrieben r 24 467 mit 65 893 Familienangehörigen. Verhaftet wurden» SS27. Sieben Eisenbahner wurden getötet. Vas Trrwra -er Soa-erbüa-l«. Zwischenfälle in Lei« und Bonn. Nach der Versammlung der Sonderbündler in Trier kam st vorgestern nachmittag zu Zusammenstößen zwi schen der Bevölkerung und der Selbstschutzorganisatton der Sonderbündler, die mit Gpazterstücken, .Knüppeln und Revolvern ausgerüstet waren. Sie.führten außer dem Ausweise bei sich, di« einen französischen Stempel trugen. Dieser Selbstschutz Kürzte sich auf -le Trierer Bevölkerung und versuchte, diese beiseite zu drängen, offenbar in der Absicht, daS RegierungSgebäude zu stür men. Es kgmen verschiedene Verletzungen vor, von den Sonderbündlern war bald nichts mehr zu -sehen. Der diensthabende Pvlizeiinspektor gab den Sonderbündlern die Erwägung anheim, ob öS nicht bester sei, die rhei nische Flagge etnzuziehen. Die Sonderbündler folgten dieser Anregung und zogen die Flagge ein. Darauf kam ein französischer Offizier hinzu, der di« Sonderbündler aufforderte, die Fahne wieder zu hissen und sie wieder durch die Stadt zu führen. Mich dieser Aufforderung kamen die Sonderbündler nach. Einig« Schüsse sielen. Darauf trieben die in der Nähe befindlichen französi schen Truppen, darunter auch Späh iS. di« Menge aus einander. «in Teil der Pariser Press« veröffentlicht in »tun lich sensationeller Aufmachung Bericht« über die tu Bonn stattgesundene Versammlung der Separatisten. Die Zahl der Teilnehmer wird vom .^Journal" mit SV00. vom „Echo de Pari«" mit 4000 -eztHett. Letzter«» er. klärt, datz e» »wischen einer Separatistengruppe und einer Anzahl Nationattsten zu einer heftigen Schlägerei kam, in deren »erlauf mehrer« Personen verletzt wurv den. Die deutsche Polizei, die den Ordnungsdienst ver sah, habe.wt, da« „Echo de Patt»" behauptet, untätig beiseite gestanden. Die Menge legte ihr gegenüber etn« sehr feindlich« Haltung an de» Tag. Arr Verstär kung herbetgeöolte veamte wurde« von der BvttSumrae mit Zurufe« und Ipblen empfangen. Dis wagt»« nicht stiPttgrsU«.