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tzM7iI»r«g»r - Sammelnummer SN 2^1 Lu» fltr LachI>»t»rSch»r 20011. Bezugs'Gebühr L>» I>»aU>^ » »m dr»N» g»N» 1». , »ud»rd«1d Sachl«»» NI.»,—. 8«m >>>»»- ÄN^eiUeN'Breiie. a>rr«i»-» und SI»U-n„»Iuch» unl«r W-afull Ilde» w« l»r,n A-doII» e>- tL.—. 0 « ^ I Doizug-pILtze laul 'Üu»«oür>ig» ÄustrSz« s»4»n D°r<nr»ü»jal>tuna. Nachdruck »ur mU d»uMch»r Vu»ll»nan»»d» <,Dr-»d«»r Lachr.-» MllU» — Ilno-rlaugl» SchrMftück« werden ntchl oukbewahrt- Äu§u8l Förster ^lüse!, Pianos (Sa.) V«rk»iikI»k»I: orssäsn-^., Walssnlisusstrsks 8. L«i>N»I-liierter-kanags Das Urteil im Raihenau-Mordprozetz. IS Jahre Zuchthaus gegen Techow. Leipzig» 14. Oktober. Das Urteil im Prozeh »egen de» Rathenaumordes vor dem Siaatsgecichtshof wurde am Sonnabend nachmittag um 3 Uhr verkündet. L» werden verurteilt: Ernst Werner Techow wegen Beihilfe zum Mord zu 15 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust, Haus Gert Iechow wegen Beihilfe und Ve- güustlgung zu 4 Jahren 1 Monat Gefängnis. Günther wegen Beihilfe in Tateinheit mit Be- güafiigung zu 8 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust. v. Solomon und Niedrig wegen Beihilfe ru feSJahrenZuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust, Jlsemano unter Freisprechung von der An klage wegen Beihilfe und Begünstigung wegen Ver gehens gegen die Verordnung über Waffenbesitz zu 2 Monaten Gefängnis. Schütt und Diestet wegen Begünstigung zu 2 Monaten Gefängnis, Tilleffen wegen Vergehens gegen die Sfsent- tlche Ordnung zu 3 Jahren Gefängnis. plaos wegen desselben Vergehen» zu 2 Zahrea Gefängnis. Die Softe« deS Verfahrens werden den verurteilten «nferlegt. strelgesprochcn werden Warn ecke. Stein deck nnd Vob unter Auferlegung der Kosten ans die Neichökasse. Anßerdcm wurde ans Einziehung der Maschlneuvistole erkannt. — Tie Gesängniostrase gegen Schiit« nnd Diestel gilt old durch die UntersuchungSyast Verbüßt. In der Arleilsbegründung, deren Verlesung etwa eine Stunde dauerte, heißt eS: Eines der fluchwürdigsten verbrechen, die die Geschichte kennt, ist Gegenstand der Verhandlung deS StaatsgertchtS- Hofe» gewesen, eines der edelsten Menschenleben ist ver nichtet worbeil. Nathcnau wäre der Mann gewesen, nnS von den von innen und außen drohenden Gefahren zu be treten. Die beiden Mörder, die diesen edlen Mann aus Grund eines vorbereiteten Planes umS Leben brachten, haben sich selbst gerichtet. Nur der ungeheuren Ver bitterung der Bevölkerung über ihre feige Tat ist eS zu dan ken, baß sie nach monatclanger Verfolgung endlich gestellt werden konnten. Es mußten schwere Strafen verhängt wer den. um in der Zukunft solchen Untaten vorzubcngeu. Hinter de» eigentlichen Mördern Kern und Mischer, die ihre Tat mit de« Leben büßten, erhebt sich iedoch der Hauptschuldige, da» haßverzerrte Gesicht eines fanatische« Antisemitismus, der mit allen Mitteln der Hetze und der Verleumdung — darunter auch mit dem Märchen von den »Sl>0 Weisen von Zipu" — junge Geister verwirkt, ohne Rücksicht anj die Schäd lichkeit, die Mordinstinkte in unklare Köpfe sä». Möge der Ovtertod NathcnauS, der sich all der Gefahren, die in seinem Amte lagen, bewußt war, — möge die Aufklärung, die d"rch die Verhandlungen vor dem StaatSgerichtshofe geschaffen worden ist, — möge schließlich jeder, der nicht ganz ver- ftelnerten perzenS ist, Mitwirken dazu, die verpestete Luft tu Deutschland zu reinigen. Hierzu trägt auch der Brief der ehrwürdigen Mutter deS ermordeten Ratyenau an die Mutter des Angeklagten Techow bei. Bei der Beurteilung der Handlungen der Angeklagten, die überall nicht etwa, wie vielfach angenommen worden ist, nach dem Schutzgesetz, sondern nach dem bisherigen Strafrechte zu erfolgen hat, mußte sich das Gericht auf den Standpunkt stellen, sich nur an Tatsachen, nicht an bloße Vermutungen zu halten. Daher Ist auch dieAnnahmeab- ae lehnt worden, daß der Mord RathenanSdaS Komplott einer organisierten Mörderbande ist, nach deren Anweisungen sedcr einzelne der Angeklagten, ieoer zu einer bestimmten Stunde, gehandelt hat. Zwar ist die Möglichkeit vorhanden, daß eine solche Organisation existiert, aber bewiesen ist nichts. Aber der Gerichtshof geht davon ans, daß der Mordplan bei Kern und Archer entstanden ist. GS besteht kein Zweifel, daß ein Mord vorltegt, daß die Tötung mit voller Uebcrlcgung auS- aeführt worden ist. ES besteht auch kein Zweifel, baß alle Beteiligten sich dieser Tatmerkmale bewußt waren. «rnsl Werner Techow hat volle Kenntnis von dem Mordplane Kerns gehabt. Der ältere Techow hat seine Bereitwilligkeit als Automobil- sührer zu wirken, erklärt, er bat das Automobil für die Mordfahrt ausfindig gemacht, er hat die Maschinenpistole tn da» Auto gebracht, er tst daher bet der Ausführung deS Mor- des beteiligt gewesen, — auch durch die Heranbringung der Mörder an das Auto NathcnauS. Keinen Glauben verdient seine Angabe, daß eS sich nur um eine P ro befahrt ge handelt habe. Dagegen sprechen sehr viele Umstände. Im übrigen ist es für die richterliche Beurteilung gleichgültig, ob in diesem Momente Techow das volle Bewußtsein des Tatbestandes gehabt hat, da der Dolus der Beihilfe auch dann vorltegeu würde. ES ist nämlich, wie schon an» dem UrtetlSspruch hervoraeht. vclhilse n»b nicht Mittäterschaft angenommen worden. Der StaatSgrrtchtShos schließt sich hierbei der subjektiven Theorie deS Reichsgerichts an, wonach es nicht darauf ankvmmt, daß die Beteiligung tn tatsächlicher Beziehung erfolgt lst, sondern lediglich darauf, ob der An geklagte di« Tat als seine eigene betrachte oder ob er sie als Tat eines andere» hat fördern »olle«. Der stall liegt allerdings ersichtlich aus öer Grenz«. Der Plan stieb nämlich ans Techow- antisemitische Anschauungen und machte ihn zur Tat geneigt, aber immerhin doch nur als G ch ilse für Kern und dessen Mordvlan. ES tst die furchtbare Kehrseite der altpreußische» Disziplin, daß sie unter llm ständen den Kadavergehorsam zur stolge hat und schwächliche Naturen verbrecherischen An forderungen gegenüber widerstand-unfähig macht, wie bteS bet dem KrtcgSverbrecherprozetz gegen Volbt und Dittmar zutage getreten tst. Ja objektiver Hinsicht liegt allerstärkste Mitwirkung bei der Tot selbst oor. SS handelt sich serner um daSgemeinevrrbrechende» Meuchelmordes und um eia« schwer« Gefährd«»» de» Gemelu- weseu». Ans diese» Gründe» lst nnch hle schwerste Strase »oa 1» Jahren Zuchthaus z» erkenne». Auch bet Ha»» Ger» Tech»« liegt Belhllfe zur Ermordung v«r. schon dadurch, daß er die beiden Mörder mit Stnbeurauch und Günther zusammengebracht hat. vor allem hat er an der maßgeben den Besprechung am strettag abend teilgrnommeu und sich bereit erklärt. Material für die falsche Auto nummer zu beschaffen. In beiden veztehungen liegt eine Mitwirkung an dem Gesamtplan vor. Schon au» diesem Grunde tst die Krage wegen vethtlfe zu besahen. Das Ge- rtch« hat keinen Zweifel, daß bet diesem frühreifen und nur moralisch minderwertige« jungen Mann bi« Einsicht tn die Stra fbarkeit seiner Handlung oorgelegt hat. vcl der Schwere der Tat war auch ans eine hohe Strafe zu erkenne», die Hel th» «l» Jugendlichen nicht ans Zochthan», sondern ans vier Jahre Grsängnl» angesegt worden ist. SS lieg« außerdem da» vergehen »er Be günstigung »or. insoweit, al» er di« Verbrennung der Sappe, veranlaßt«. Bet Günther liegt von Anfang an barch die ganze Verfolg««- 8eS Mord- plan» hindurch Bel Hilfe vor, die er selbst auch nicht be streitet. Diese veihilfe war eine sehr wesentliche. Aller dings ist Günther Psychopath. Er tst ober für zu. rcchnungSfähtg angesehen worden. Er hat sich ferner der vor her zugesagten Begünstigung schuldig gemacht, indem er da» Versprechen gab, den Handkossrr Kern» au« der Garage ab- zuholen. Da» war keine Velbstbegünsttgung, sonderu stürde- rnng der Flucht Kern». Es ist hier Tateinheit *»« veihllf« ,»» verbreche« be» Morde- »nb vegünstt»»»» worbe». . vet a»ge»»»»e» früher« Aussagen hin angenommen worben, daß die Aufforderung Solomon» -tn berelterklärt hat, r de» Mordauto» zu dienen. E» liegt kein Hin- Sal»»*» wirb ebenfalls Vel-Nfe »n« M»rß nngenomme«. Er ha« schon oor dem 17. Juni lm Verkehr mit Kern in Berlin gestanden und au» besten Aeußerungen entnommen, daß Kern den Mord plante, und zwar unter Benutzung eine» Auto». Er hat den Auftrag angenommen, zu diesem Zweck eine» Autofahrer zu beschossen. Alle» die» beruht aus den Au», sagen von Solomon tn der Voruntersuchung. Die Au», rede, dir er nachher t» der Hanptverhandlung versucht hat, daß e» sich um eine Gefangenenbefreluug handelte, tst nicht für glaubhaft erachtet worbe». Ebenso ist bezüglich «lebet, auf besten er sich auf die al» Führer d derungSgrund darin, daß von Niedrig nachher kein brauch gemacht wurde. Er hat sich dem Plan zur Verfügung gestellt und dadurch nicht nur den Entschluß Kern» psychisch verstärkt, sondern er hat auch den gesamten Mordplan, der als einheltllcher anzuseheu ist, durch Vethtlfe unterstützt. WaS Waenecke anlangt, so liegt zwar et» gewisser verdacht gegen ihn vor, das, er auch in den Plan eingewctht war. Solomon hat ge sagt, das, er diesen Eindruck gehabt hätte. Die entscheiden, den Momente für Beihilfe liegen aber nicht vor. ES mußte daher Freisprechung erfolgen, vet Stetubeck liegt die Sache noch günstiger. ESIst nicht zntage ge- treten, daß er am DlenStag, wo er Brandt und Techow bei sich beherbergt hatte, Kenntnis von dem Morbplane erhielt. Die Aeußerungen, die von Frltsche bekundet sind, sind aller- dings verdächtig, lassen sich aber durchaus dadurch er klären, daß von Stclnbeck eine Waffenschiebung beabsichtigt wurde, wofür ebenfalls gewisse Anzeichen vorltegeu. DeS- halb wirb Stclnbeck ebenfall» fretgesprochen. vet Jlsemanu lag nach Ueberzeugung de» EtaatSgertchtShofe» ganz sicher keine Beihilfe zum Morde vor. ES tst Ihm geglaubt worden, daß er nicht wußte, zu welchem Zweck die Maschinenpistole bienen sollte. Auch daö vergehen der Begünstigung ist nicht al» dargetan erachtet. Indessen nach dem Gesetz über den «chu Waffenbesitz waren all« Schußwaffe« sofort ahzulteker». E- trifft nicht zu, daß Jlsemann keine Kenntnis von diesem Ge setz haben konnte, denn als das Gesetz erlassen wurde, befaich er sich schon geraume Zeit tn Deutschland. Es steht aller- dings dahin, ob er davon Kenntnis hatte. Anderseits ist aber zu berücksichtigen, daß eS sich um eine sehr gefährliche Waffe handelt und daß sehr schwere Folgen durch dieses vergehen etngctreten sind. Demnach ist eine Gefängnisstrafe vonzwei Monaten angemessen, aber unter Anrechnung der Untersuchungshaft. Bet Boß ist aus Freisprechung in Gemäßheit der Ausführungen des Herrn Oberreichsanwalts erkannt morden. In rechtlicher Beziehung zweifelhaft liegt die Sache bei Tillessen und Plans Das Gesetz sagt im 8 I3S: „Wer von dem Vorhaben eine» Mordes usw. glaubhafte Kenntnis erhält und es unterläßt, hiervon der Behörde oder der durch das Verbrechen bedroh ten Person rechtzeitig Anzeige zu machen, ist. wenn daS Ver brechen begangen ist, mit Gefängnis zu bestrafen." Der StaatsgertchtShof legt dieses Gesetz dahin aus, daß derienige, der von dem ernsten Vorhaben eines Verbrechen deS Mordes Kenntnis erhält, damit die gesetzliche Verpflichtung hat. An zeige zu erstatten. Es mag nun sein, daß in einem Falle» wo durch die weitere Entwicklung der Dinge die Anzeige völlig zwecklos werden würde, indem eS offenbar ist, daß der Plan des Verbrechens völlig aufgegcben und die Ausführung gänzlich ausgeschlossen ist, die Verpflichtung fortsällt. So liegt aber im vorliegenden Falle die Sache nicht. Vielmehr kannte Tisiessen den entschlossenen Charakt erKcruS nnd mnßtc an sich überzeugt sei«. Kern werde die Tat an», führen. Darauf deutet auch die Aenßcrung SalomonS hin: „Wenn Kern einmal fest entschlossen ist, und die Vor bereitungen soweit gediehen sind, wird er die Tat auch anS- führen." Zwar ist Tilleffcn geglaubt worden, da er sich be, müht hat. Kern den Plan ansznrcden. Anderseits ist aber auch seine Aeußcrung für bewiese« erachtet worden: „Wenn Kern den Plan anösiihren will, kann ich ihn nicht bindern." Tilleffcn hat unter diesen Umständen nicht daS mindeste getan, nm daS Verbreche« zn hindern. Er war znr Anzeige ver pflichtet nnd ihre Unterlassung hat jene verhängnisvollen Folgen gehabt. Acbnllch liegt die Sache für PlaaS. Ihm kommt zugute, daß Tillessen offenbar einen großen Einfluß auf ihn hatte nnd daher das Beispiel Tillessens für ihn maß gebend gewesen tst. Datier ist für Tilleffcn auf drei Jahre und für Plaas ans zwei Jahre Gefängnis unter Anrechnung der Untersuchungshaft erkannt worden. Bei Schütt und Diestel liegt zweifellos der Tatbestand der Begünstigung wegen Beseitigung der Kapvcn am 24. Juni vor. Der Vor sitzende erklärte nach der Verlesung der Urteile und ihrer Begründung die Verhandlung für abgeschlossen und schloß die Sitzung um 3,50 Uhr mit der Aufforderung, die An geklagten abzuflihren, soweit sie nicht in Freiheit zu setzen sind. Die Angeklagten, die dag Urteil stehend eniaegen- nahmen, blieben ruhig, iedoch hatte namentlich Ernst Werner Techow nm seineFassnngzn kämpfen. Vor dem Reichsgericht hatten sich Hunderte von Personen an gesammelt, die ans das Ergebnis der Verhandlung warteten. Auch hier wurde das Urteil mit Nu he ausgenommen PresseMmmen znm Urteil. Die „Deutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: „Wenn die Angeklagten deS Mathenaii-ProzcffcS sich die verhängnis vollen Folgen vor Augen führen, die sic über sich, ihre Familien und über daS deutsche Vatersand, tn dessen Interesse sie angeblich gehandelt haben, oor Augen führen, so werden sie an Schiller- Wort denken: „Ein andere? Antlitz, eh' sie geschehen, ein anderes zeigt die vollbrachte Tat." Dt« „Deutsche Tageszeitung" äußert sich folgender maßen: „Mit diesem Urteil ist der irdlsch-ii Gerechtigkeit gegenüber den Angeklagten Genüge geschehen in einem Maße, daS auch von den politisch eingestellten Laienrichtern deö StaatSgertchtShofcS für ausreichend gehalten wird und mindestens gegenüber Tillcsscn außerordentlich wett geht." Im „Berliner VSrscnkurier" lesen wir die nach stehenden Ausführungen: „DaS jetzt abgeschlossene Ver fahren hat den so gut wie lückenlosen Beweis erbracht, daß der grauenhafte Plan nickt die ausgetragene Arbeit im Dienste einer deutschen Maffia, sondern die Ausgeburt des Kcrnschen Fanatismus war. Doch die Tat und ihre noch heute nicht abgeschlossene» Nachwirkungen sind k> schwerwiegender Natur, daß daS Gericht die von ihm verhängten Strafen ausdrücklich alS milde kenn- zeichnet. Der „Vorwärts" vertritt Im wesentlichen folgende Auf fassung: „Hierbei entsteht die Frage, ob der StaatSgcrichtS- hof nicht tn dem Drang nach Objektivität zu weich ge wesen tst. Wir fürchten, daß diese Frage von dem größten Teil de» Au«lande» und de» Inlandes bejaht werden wird. DaS tst daS schlimmste Manko dieses Prozesses: die Mordorganisation tst durch ihn nicht enthüllt, nicht zer stört. Hier eben mußte der llharakter deS Gerichts als eines GtaatSgerichtShofeS deutlicher tn die Erscheinung treten. Nicht als ein Kriminalfall wie jeder andere, sonder» mit allen politischen Hintergründen und Untergründe« mußte der Mord an Ratheuau drhaubelt werde»." ,' - I