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Wöck-oiltch erscheinen drei Nunimern. PränumerntionS-Prei« 22z Siibergr. (z Nir.) vierteliiihriich, Z Wr. siir ganze Jahr, ohne Erhöhung, allen Nellen der Preußischen ,n^ Monarchie, Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Bertin bei Belt u, Como,, Iägerstraße Nr. 25), so wie von allen Königl. Bofl AenNcw, angenommen. Literatur des Auslandes. .1/ 90 Berlin, Sonnabend den 27. Juli 1844. Spanien. Die Wiederbelebung der Wissenschaften in Spanien und der Einfluß Frankreichs auf dieselbe. ES ist beinahe überall in Europa die Meinung verbreitet, daß sich Spanien seit drei Jahrhunderten fast gar nicht an den Fortschritten der Intelligenz be- theiligt hat, und daher mag es gekommen sepn, daß man alle jene ernsten Bestrebungen übersah, durch welche die Spanier in der neuesten Zeit versucht haben, sich auf die geistige Höhe der civilisirtesten europäischen Völker zu schwingen. Doch von Zeit zu Zeit tönt aus dem Kanonendonner und dem Gewirre der Bürgerkriege eine edle Dichterstimme zu uns herüber; und dies sollte uns locken, neben dem politischen und finanziellen Interesse, mit welchem Spanien seit so vielen Jahren die Zeitungen und uns unterhält, auch den literarischen Bewegungen der Halbinsel Aufmerksamkeit zu schenken. Frank reich zumal hätte die Pflicht, sich wärmer für dieselben zu intcresfircn, als eS bisher geschehen ist; denn wenn je ein Volk Einfluß auf die Kultur eines anderen gehabt hat, so kann dies von den Franzosen in Bezug auf die Spanier gesagt werden- Jndeß ist cs flehende Redensart in allen Büchern, die jetzt über Spanien erscheinen, daß dasselbe in Geschichte, Religion und Philosophie wenigstens um drei Jahrhunderte zurückgeblieben ist, und dabei giebt sich Niemand die Mühe, diesen harten Vorwurf durch Thatsachcn zu rechtfertigen. Aber würde mau deren auch in einem Lande finden, das, wie immer, so auch 1789 und 18-0, Frankreich benachbart wart Französische Ideen zogen mit Philipp V. in Madrid ein und nahmen, wie ost auch die Pprenäcu noch eine Scheidewand verschiedener politischer Neigun gen sepn mochten, sicherer und auf längere Zeit von Spanien Besitz, als die Admirale Jsabclla's der Katholischen von Amerika'S Inseln und Kontinent. Boffnct war derjenige französische Schriftsteller, der den großen Geister» seiner Zeit de» Weg nach der Halbinsel eröffnete. Seit seinen Oruisonx smwtwos und seiner lU^coir« univorsotto erschien kein bedeutendes Buch in Frankreich, das nicht jenseits der Pprenäcn übersetzt und kommcntirt worden wäre. Wie groß aber auch in Madrid und den Provinzen die Begeisterung für die Werke des französischen Geistes gewesen, so darf man doch aus dieser Begeisterung nicht den Schluß ziehe», daß Spanien zu jeder Zeit französische Doktrinen und Meinungen gelehrig angenommen habe. Denn im Süden ist der Enthu- siaSmuS nicht, wie bei den nördlichen Völkern, ein seltenes und folgenreiches Ereigniß, sondern da sind Herz und Kopf stets in Aufregung, der Enthusias mus ist die Regel, und eine nüchterne Art, die Dinge zu betrachte», die Ausnahme. Leider aber kommt hier die Aufregung fast immer von Außen, nicht daher, daß ein Gedanke, lange im Geiste wogend, endlich in Fleisch und Blut übergcgangeu, seine Fessel» sprengen und zur That werden will, und darum ist sie eine fieberhafte Krastanstrcngung, die ihr Maß nicht kennt und eine traurige Abspannung zurückläßt. So kam cs, daß seit dem Aiff> nie des achtzehnten Jahrhunderts Spanien der Reihe nach alle französische Prinzipien mit Feuer aufnahm und dcr Reihe nach mit Kälte wieder fallen ließ. AuS diesen fluktuirenden Prinzipien aber schlug sich nach und nach in den Gebildeten der Nation ein philosophisches Bewußtsepn nieder, das bereits an- gefangen hat, seinen eigenen Weg )» gehen im Denken, im Glanben und Wissen. Spanische Publizisten sind jetzt ausgetreten und haben eifrig gegen den französischen Einfluß protestirt. Das Spanien von 1844 mag sich in Sachen des Geistes einen neuen, seiner Originalität angemessene» Weg bahnen können, aber von der Thron besteigung Philipp's V. an bis hente ward es zu dieser Regeneration seines geistigen Lebens durch französische Ideen herangebildet. Es ist freilich nicht zu verschweigen, seit zwei Jahren haben sich die spanischen Schriftsteller ernstlich auch mit der deutschen Gedankenwelt beschäftigt; aber wie fremdartig würde sich in Madrid, Valencia und Granada die Königsberger oder Berliner Philo sophie attsnehmen, wenn ihr die Franzosen nicht erst ihr teutonisches Kostüm genommen hätten. Durch Cousin s Schriften wurden Kant, Schelling und Hegel auf dcr Halbinsel cingcfiihrt, so wie die Spanier überhaupt die großen Denker aller Nationen durch Franzose» kennen lernten, durch Michelet Vico, durch Jouffrop Locke, durch Voltaire Newton, Clarke, Bolingbroke, durch die Encpklopädisten Hobbes und Baco. Montesquieu und Rousseau schrieben Spanien eine große Bedeutung für den einstigen Kulturzustand Europa's zu, und vielleicht hätte dasselbe bereits diesen Erwartungen entsprochen, wenn es nicht zur Zeit der französischen Revolution zu schlecht regiert worden wäre. Die einzigen Männer, welche damals die alte Zeit sanft in die neue hätten hinüberführen können, wurden vom Hofe entfernt. Olavide verschwand in den Gefängnissen der Inquisition, und Jovellanos ward durch eine Hofkabale seines Einflusses beraubt. Von dcr Abdankung Karls IV. bis zum Tode Ferdinand'S VII. verschlimmerte sich die Lage Spaniens von Tag zu Tag durch die thörichtflen politischen und administrativen Mißgriffe. Die französischen Ideen, nämlich die des Fort schritts, gährten nur still in den Köpfen Weniger, denn Verbannung, Ge- fängniß und Todesstrafe traf diejenigen, welche sich laut zu ihnen bekannten. Künste, Wissenschaften, schöne Literatur, Alles war schon kräftig anfgcsproßt und wurde von grausamen Verächtern deö Menschenglücks nicdergehalten und zerknickt. Den öffentlichen Unterricht, für den schon viel gethan worden war, suspendirte man in Universitäten, Gpmnasien und Elementarschulen. Dies Letztere war ein großes Unglück für Spanien; denn verwüstete Felder kultivirt man wieder, zerstörte Städte baut man von neuem auf; aber wie wird der Friede auf Männer wirke», die unter Bürgerkriegen herangereift sind und die Wohlthat der Erziehung nie genossen haben? Seit I8ZZ aber haben, man muß cs cingcstehcn, alle Ministerien, so viel ihre Zeit und Autorität ^ gestaltete, an dcr Hebung dcr Wissenschaften und Künste gearbeitet. J^ Madrid, Barcelona, Valencia, Sevilla, Cadir, Gibraltar, San Sebastiass^rllndcte man kameralistische Fakultäten. Die Professuren des Natur- und Völkerrechts, die von Karl Hl. kreirt und von Karl I V. aufgehoben worden waren, wurden wiedcrhergestellt. Besonders aber hob sich der Elementar-Unterricht, zumal die Regierung alle Reformen in demselben sehr begünstigte. In den Jahren I8Z4 und 184» errichteten so gar die rcvolutionairen Junten Universitäten und Gpmnasien; sie dekretirtcn selbst die Gründung eines Rational-Pantheons. Aber man verfuhr zu rasch und ohne bestimmten Pla», deshalb scheiterten die meisten dieser Unterneh mungen. Die Professoren wurden gar nicht oder schlecht besoldet und über ließen darum ihre Stellen unfähigen Leuten, die sich etwas Ruhm erwerben wollten. Die Jugend, durch den Krieg an ein vagcö und rauhes Leben ge wöhnt, intcrcssirte sich wenig für den höheren Sekundär-Unterricht. Die Negierung also war, wie wir scheu, wenig glücklich in dcr Errichtung dieser Anstalten, und cs blieb einem Kreise spanischer Jünglinge Vorbehalten, segensreichere Institute ins Leben zu rufen. Es mag ein erhebendes Schau spiel gewesen sepn, in einem Lande, das unter Weben an seiner sozialen Wieder, gebürt arbeitet, eine kleine Anzahl junger Leute zusammentreten zu sehen, um die Verbreitung freier Ideen auf sich zu nehmen, die einst die Kraft und das Wesen neuer Institutionen werden sollten. Die einzigen Schulen, welche stark besucht werken, sind von der Jugend geöffnet und die populär gewordenen Lehrstühle von ihr gegründet worden. Dies geschah Angesichts dcr alten Uni versitäten von Alcala, Cervera und Salamanka, die sich trotz der Bemühungen des Ministers Espartero s, Gomez de la Serna, nicht mehr von ihrem Falle erheben konnten. Das Publikuiss unterstützte jene edlen Jünglinge von allen Seiten; aber ihre größte Genugthuung war es, daß ältere ausgezeichnete Männer sich ihren Bestrebungen völlig anschlossen. In Barcelona, Sevilla, Granada drängte man sich i» Massen in die Auditorien, um zwanzigjährige Professoren die lange vergessene schöne Sprache dcr Wissenschaft reden zu höre». Auf allen Punkten des Königreichs entstanden Lpceen und literarische Vereine, zahlreicher als die Liebeshöfe im Mittelalter, kurz das Interesse war allgemein für die jungen Apostel der Wissenschaft und Kunst- So außerge wöhnlich aber mußte in diesem Lande der Eraltation das Mittel sepn, das die Lust an Tumult und Gemetzel durch mildere Neigungen und Beschäftigungen verdrängen konnte. An dcr Spitze dieser geistigen Bewegung stand da- Madrider Athenäum. ES ist rcvolutionairen Ursprungs und ward in der politischen Krise kurz vor dcr französischcn Intervention eröffnet- Als Ferdinand VII. den Thron wieder bestieg, hatte er nicht erst nöthig, die Schließung des Athenäums zu dekretiren, Lehrer und Schüler waren, so wic die Neaction zu Stande kam, verschwunden. Aber wach dem Tode Ferdinand s und dem Falle seines Rathgebers Zea- Bermudez rückte die Jugend mit Jubel wieder in die verlassenen Säle ein, denn die Wiedereröffnung des Athenäums gehörte, so zu sagen, mit zum Pro gramme dcr Revolution. Die Regierung hat weder zur Gründung noch zur Unterhaltung dieses Jnsti- tuts Geld hergegeben. Die Kosten werden von einem Vereine von ungefähr fünfhundert reichen und berühmten Spaniern bestritten, während die Professoren ihr Amt als eine bloße Ehrenstelle betrachten und den Unterricht gratis cr- theilen- Das Athenäum, das zur Zeit seiner Gründung mehr die Gesinnung