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Freitag. .M 48. 2S. Juai 18«S. ZMeißerih-Zeitung.K Amts- und Anzeige-Dlatt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadträthe zu Dippoldiswalde und Frauenstein. Verantwortlicher Redakteur: Carl Zehne in Dippoldiswalde. Die neue Gewerbeordnung des nord deutschen Bundes. Bei der Wichtigkeit aller eingreifenden Vorgänge innerhalb des norddeutschen Bundes wird die Mit theilung der Grundzüge der neuen, zwischen dem Bundes rath und Reichstag vereinbarten Gewerbeordnung unfern Lesern ohne Zweifel erwünscht sein. Das neue Gesetz enthält in 10 Abschnitten 1) allgemeine grundsätzliche Bestimmungen; 2) Bestim mungen über den Betrieb stehender Gewerbe; 3) über den Gewerbebetrieb im Umherziehen; 4) über den Marktverkehr; 5) über gewerbliche Taxen; 6) über Innungen von Gewerbetreibenden; 7) über Gewerbegehülsen, Gesellen, Lehrlinge, Fabrikar beiter; 8) über gewerbliche Hülfskassen; 9) über Ortsstatuten; 10) Strafbestimmungen. Aus den allgemeinen Bestimmungen sind fol gende wichtige Sätze hervorzuheben: Der Betrieb eines Gewerbes ist Jedermann gestattet, soweit nicht durch dieses Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen ausdrücklich vorgeschrieben oder zugelassen sind. Die Unterscheidung zwischen Stadt und Land in Bezug auf den Gewerbebetrieb hört auf. Der gleichzeitige Betrieb verschiedener Gewerbe, sowie desselben Gewerbes in mehreren Be triebs- oder Verkaufsstätten, ist gestattet. Den Zünften und kaufmännischen Korpora tionen steht ein Recht, Andere von dem Betriebe eines Gewerbes auszuschließen, nicht zu. Vom 1. Januar 1873 ab sind (soweit die Landes gesetze solches nicht früher verfügen) aufgehoben: die noch bestehenden ausschließlichen Gewerbe berechtigungen, d. h. die mit dem Gewerbebetriebe verbundenen Berechtigungen, Andern den Betrieb eines Gewerbes zu untersagen oder sie darin zu beschränken; ferner die mit den ausschließlichen Gewerbeberechtigungen verbundenen Zwangs- und Bannrechte, mit Aus nahme der Abdeckereiberechtigungen, sowie alle sonstigen Zwangs- und Bannrechte, deren Aufhebung nach dem Inhalte der Verleihungs-Urkunde ohne Ent schädigung zulässig ist (anderen Falls erfolgt die Ab lösung). Ebenso wird aufgehoben das mit dem Besitze einer Mühle, einer Brennerei oder Brenngerechtigkeit, einer Brauerei oder Braugerechtigkeit oder einer Schenkstätte verbundene Recht, die Consumenten zu zwingen, daß sie bei den Berechtigten ihren Bedarf mahlen oder schroten lassen, oder das Getränk aus schließlich von denselben beziehen (der Wahlzwang, der Branntweinzwang oder der Brauzwang); sowie daS, städtischen Bäckern oder Fleischern zustehende Recht, die Einwohner der Stadt, der Vorstädte oder der sog. Bannmeile zu zwingen,'daß sie ihren Bedarf an Gebäck oder Fleisch ganz oder theilweise von jenen ausschließlich entnehmen. Das Geschlecht begründet keinen Unterschied in Bezug auf die Befugnisse zum selbstständigen Betriebe eines Gewerbes; Frauen, welche selbstständig ein Ge werbe betreiben, können in Angelegenheiten ihres Ge werbes selbstständig Rechtsgeschäfte abschließen und vor Gericht auftreten, gleichviel ob sie verheirathet oder unverheirathet sind. Von dem Besitze des Bürgerrechts soll die Zulassung zum Gewerbebetriebe in keiner Gemeinde und keinem Gewerbe abhängig sein. Nach dem begonnenen Gewerbebetriebe ist, soweit dies in der bestehenden Gemeindeverfassung begründet ist, der Gewerbtreibende auf Verlangen der Gemeinde behörde nach Ablauf von drei Jahren verpflichtet, das Bügerrecht zu erwerben. Es darf jedoch in diesem Falle von ihm das sonst vorgeschriebene oder übliche Bürgerrechtsgeld nicht gefordert und ebenso nicht ver langt werden, daß er sein anderweit erworbenes Bürger recht aufgebe. In Bezug auf den stehenden Gewerbebetrieb wird das Erforderniß einer besonderen Genehmigung zur Errichtung von Anlagen aufgestellt, welche durch die örtliche Lage oder die Beschaffenheit der Betriebs stätte für die Besitzer oder Bewohner der benachbarten Grundstücke oder für das Publikum überhaupt erheb liche Nachtheile, Gefahren oder Belästigungen herbei führen können. Zu den Bedingungen, welche bei Ertheilung der Genehmigung zu stellen sind, gehören auch diejenigen Anordnungen, welche zum Schutze der Arbeiter gegen , Gefahr für Gesundheit und Leben nothwendig sind. Einer besonderen Approbation (Genehmigung), welche auf Grund eines Nachweises der Befähigung ertheilt wird, bedürfen Apotheker und diejenigen Per sonen, welche sich als Aerzte (Wundärzte, Augenärzte, Geburtshelfer, Zahnärzte und Thierärzte) oder mit gleichbedeutenden Titeln bezeichnen oder Seitens des Staats oder einer Gemeinde als solche anerkannt oder mit amtlichen Funktionen betraut werden sollen. Hebammen bedürfen eine» Prüfungszeugnisses der zuständigen Behörde. Schauspiel-Unternehmer bedürfen zum Be triebe ihre« Gewerbes der Erlaubniß. Dieselbe ist ihnen zu urtheilen, wenn nicht Thatsachen vorl egen, welche