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Dresdner Journal : 11.05.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-05-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189105115
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18910511
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18910511
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1891
-
Monat
1891-05
- Tag 1891-05-11
-
Monat
1891-05
-
Jahr
1891
- Titel
- Dresdner Journal : 11.05.1891
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0106 Montag, den 11. Mai, abends. L8S1 1'ür Ur»»ä« i vtvrtsijLdrUot» 2 -1. du ?>., v«i äs» L»>»«r1. aKat»ed«n ?o«t»»»t»ttv» vwrtvl- jL^rNüd !i ; Luo»vrU»Ib äs» äsutsck«-» ?n«t u»ä 8tsmpstLll»ekI»«k kinrn d)io»«I»s Uuwwsru: 10 l'k. »»tzttuätxuaissxskUkksiir t>'ur UV» liÄUiu emer ev»p»lte»«L /«u« ^Ivtllvr 3vbritt >0 kt. ttMsr .Mll^vnLvät" äiv ^«U« KO ?t kvi ^»Vvtlsv anä /iüsr»»»t« svtspr ^utsekl»^ krsetlslnvu: 'pii^iud ävr3ons u. l^'si^rtL^^ »bsoä«. t^srusprsok ^»SLblux«: Ur. 1205. Dl ts-nerAonrnal. Für die Gesamtleitung verantwortlich: L)ofrat Otto Banck, Professor der titteratur- und Runstgeschichte. ^»»»K»I« vo» L»tti«llxu»xe» »»vUrt«, L«tp^: H L^anä^ettee, Xolllmi»»ioQLr äs» l>re»ävvr äouriuä»; U»»d»i^ N«rU» VI«» I^Ip»!^ L»»«I Sr,»I»o kr»»tt»n ». ».: Laa,en«te»»i <S S«rlt» VI«» U»»>k»iA kr»U 1»Ip»tU kr»»Lkart ». ». »ocd«»: k»rt» I^>»ä»» U«rU» rr»»k1»rt «. U »i»tl^»r1: <e <?o., L«rU»: Znrai»ä«»äant, Lr««I»»: Lakat/»,' L»»»ov«r: (7. L'c5ü»«ler, L»U« ». >.: «/ La^et <0 6o Lersusxsdsrr LSoi^I. Lipsäitioo 6es Orssäosr äouriuä» Vrvsäer», 2vu^er«tr. 20. ksrvsprsob - Xuseläu»,: Ur. 1285. Nichtamtlicher Teil. Tetegrapkische und tetepöonische Nachrichten. Mannbeim, 11. Mai. (Tel d. Dresdn. Journ.) Gestern abend ist ein Wolkenbruck mit Hagel wetter und föhnartigem Sturm über die hiesige Gegend niedergegangen. In einigen Straßen der Stadt stand das Wasser fußhock. Sämtliche Keller wurden völlig überschwemmt. Die Obst ernte ist nahezu vernichtet, der angerichtete Schaden sehr beträchtlich. Bochum 1l. Mai.*) Die gestrige Versamm- lung der Bergarbeiter war schwack besucht. Die delegierten sprachen sich für die Unterstützung der Gemaßregelten auö; auch erklärten sie, daß ein allgemeiner Streik jetzt verfrüht sein würde, und daß dazu eine günstigere Zeit abzuwarten sei. Wien, 11. Mai. (Tel. d. Dresdn Journ.) Bei dem gestrigen Empfange dcS Präsidiums des Ab geordnetenhauseS beantwortete Sc Majestät der Kaiser die huldigende Ansprache des Präsidenten Smolka mit dem Ausdrucke gnädigsten Dankes für die Loyalitätskunogcbuug des Hauses und be tonte Allerköchstieine besondere Befriedigung über die Einmütigkeit des Hauses bei dem betreffenden Beschluß. Der Kaiser drückte weiter die Hoffnung auS, die durch den Ausfall der Adreßdebatte ge wonnene Zeit werde nun den zahlreichen wich tigen Aufgaben gewidmet werken: er danke dem Präsidenten Smolka für dessen Initiative, sowie dem Vizepräsidenten Chlumezki für dessen patrio tische Worte. Paris, 11. Mai.*) Seit einiger Zeit ist eine Erneuerung der heftigen boulangistiscken Agitationen nicht mehr in Abrede zu stellen. Die im Tivoli- saale von Vauxhall gestern abgehaltrnc Versamm lung war von Personen besucht und verlief unter dem Vorsitze der Abgeordneten Granger, Roche und Gabriel sehr stürmisch. Nach einer wütenden Rede Grangers gegen die Regierung feierte ein Anarckist die Revolution von Clichy. Ein Depu tierter teilte mit, daß der italienische Botschafter Menabrra beim Minister Constans vor einigen Tagen angefragt habe, waS Frankreich zu thun gesonnen sei, falls Deutschland in Belgien ein marschiere, um dort die Ordnung wieder herzu stellen. C onstans habe darauf die Nichteinmischung Frankreichs zugesagt. Der Redner zeigte von der Tribüne aus eine deutsche Landkarte, auf welcher die belgischen und vlämischen Provinzen einverleibt sind und fügte hinzu, daß diese Karte in Belgien tausendfach zirkuliere. Ein Anarchist unterbricht ibn mit dem Rufe: „Was geht das unS an? Nieder mit dem Vaterlandes Ein allgemeiner EntrüstungSsturm erhob sich und darauf brach die Versammlung in die begeisterten Rufe aus: „Hoch Frankreich!" „hoch das Vaterland!" Constans wurde von Roche gebrandmarkt als Verräter des Vaterlandes. Die Versammlung beschloß eine Tagesordnung, in wrlcker Constans als Mörder verurteilt wurde. Am Ausgange des „Tivoli" griffen Poligeimannschaftrn diejenigen an, welche auf der Straße die Manifestationen fortsetzten. Die boulangistischen Abgeordneten flüchteten in ein nahegelegenes Cafö, welches die Polizei stürmte. Die Kavallerie sprrite die umliegenden Straßen ab und trieb die Menge nach dem Republikplatze *) Nachdruck verboten. Kunst und Wissenschaft. K. Hofthcater. — Altstadt. — Am 10. Mai: „Bei frommen Hirten." Oper in einem Aufzuge Text von Ernst Wichert. Musik von Otto Fiebach. (Zum ersten Male.) — „Sizilianische Bauern ehre," Oper in einem Aufzuge von Pietro Mas cagni. (Frl. Wiborg, vom großh. mecklenb. Hof« theater, als Gast) Der außerordentlich geringe Kunstwert der Oper, wel cher man sachgemäß nur auf Liebhabertheatern begegnen sollte, läßt eine kritische Betrachtung der Einzelheiten als unnötig erscheinen. Das Libretto, eine nach ältesten Motiven in platter Diktion und ost holprigen Versen dargestrllte Handlung aus dem Touristen- und Räuber leben der Eampagna, erhebt sich nirgends bis zum Humor oder zu komischer Kraft, erweckt auch in den sen timentalen Stellen keines gebildeten Hörers Teilnahme und besitzt nur in der knappen Fassung einen klaren und bei jenen Eigenschaften doppelt angenehmen Vor zug. Die Musik ist das Erzeugnis eines gewandten Praktikers, welcher einfache, übersichtliche Formen be herrscht, natürlichen, gemütlichen Ausdrücken zuneigt, mit keiner pathetischen Anwandlung über den schlich ten Ton des Singspiels hinausdrängt, stimmgemäß für den Gesang zu schreiben und das Orchester fließend und wohlklingend zu behandeln versteht; aber sie ist ohne künstlerische Individualität, selbst ohne den Reiz geistreicher Arbeit und ermangelt vor allem der melodischen Originalität und damit der rechten Wirkung. Nicht« ein ursprüngliches Thema, nicht zurück, wohin die Schutzmannschaften im Laufschrit die Manifestanten verfolgten, während dir Kaval lerie mehrere Angriffe cuSführtc. Gent, 11. Mai. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Etwa 400 Dockarbeiter begannen heute den Aus stand. Brüssel, 11. Mai (Tel. d. Dresdn. Journ.) Dem Vernehmen nach, ist Boulanger deute auf- grfordert worden, vor dem Sicherbeitspolizeibkamten zu erscheinen. Brüssel, 11. Mai.*) Der gestrige Tag scheint überall ruhig verlaufen zu sein. Im Mitteldecken, insbesondere auf den Zechen „Bruno", „Otto", „Richard", „JuliuS", „Nathan", „August", „Gustav", „Eduard"^eift der AuSstand weiter um sich. — Unter den Metall- unb Glasarbeitern in den Becken von Charleroi und Lüttich hofft man heute auf teilweise Wiederaufnahme bez. Fortsetzung der Arbeit. Die Sozialistenfübrer agitieren jetzt mit großem Eifer für die Fortsetzung und die Verallgemeine rung deS Ausstandes. In allen gestern adgehal- tenen Versammlungen hat man sich in diesem Sinne erklärt. Die Verhaftungen unter den Aus ständigen nehmen zu. Zn mehreren Teilen der Provinz wurden deshalb die öffentlichen Ver sammlungen überhaupt untersagt. Lüttich, 11. Mai. (Tel. d. Dresdn Journ ) Un geachtet des gestern veranstalteten Meetings, wo bei die Wetterführung des Streiks angeraten wurde, macht sich in den hiesigen Kohlengruben und nock mehr >n denen bei Herstal, Jemappes, Tiyeur und Srraing eine Besserung der Lage be merkbar. Rom, 11. Mai. Tel. d. Dresdn. Journ.) Die Etsch, bei Verona fallend, ist bei Rovigo im Steigen begriffen; auch der Po steigt noch bei Polsella, doch ist nichts zu befürchten. Die Um gegend bei Pavia hat -durch das Austreten der Wässer allerdings einen Schaden von über 100000 FrcS. erlitten. *) Nachdruck verboten. Dresden, l l. Mai. Die Arbeiterbewegung in Belgien. Von unserem Antwerpener Mitarbeiter wird uns geschrieben: Der allgemeine Streik in Belgien ist so plötzlich und gegen alles Erwarten ausgebrochen, daß heute noch die belgische Presse es versucht, die Ursache dieser Bewegung ihren Lesern zu erklären. Das Verlangen nach der Verfassungsrevision allein kann dieselbe nicht hervorgerufen haben, denn einmal geht die Revision thatsächlich bereits ihrer Verwirklichung entgegen und zweitens hätte man in diesem Falle auch wohl noch die wenigen Tage bis zum 20. Mai sich geduldet, an welchem dem Beschlusse des Arbeiterkongresses zufolge der Streik überall gleichzeitig im ganzen Lande aus brechen sollte. Das Interessanteste bei der ganzen Sache liegt darin, daß die Bewegung gegen den aus drücklichen Willen der obersten Arbeiterleitung entstand, und vielleicht dürfte gerade dieser Umstand geeignet sein, einiges Licht auf die wahre Ursache der gegen wärtigen Bewegung zu werfen, deren Veranlassung bekanntlich ein an und für sich ganz unbedeutendes Ereignis, nämlich das Scharmützel in Hornu am 2. Mai zwischen Gendarmen und betrunkenen Arbeitern, bildete. Man muß die entstandenen Unruhen eben weniger logisch, als vielmehr psychologisch zu erklären ein feinerer dramatischer oder kolorierender Zug, keine geistvolle Kombination, kein neuer Lrchesteresfekt sind darin zu entdecken; die einzige hübsche Kleinigkeit, welche uns auffiel, boten die langen Holzbläserakkorde in der Begleitung zum Räuberlied. Fiebachs musika lische Erfindung entspringt durchweg aus abgeleiteten Quellen Seine Melodien klingen wie längst gehörte Weisen und sie ergeben mit einander eine Ähnlichkeit, welche durch das Vorwalten der geraden Takt- arten noch verstärkt wird Es findet sich wenig Ba nales — wenn man von dem Sexütt absieht—.man ches Anmutige, anspruchslos Gefällige in der Partitur, aber nichts musikalisch Interessantes und kein Satz, den noch einmal zu hören man Verlangen tragen würde. Das kleine Werk ist für alle Mitwirkenden leicht ausführbar. Dennoch erreichte die gestrige Darstellung unter Hrn. Hofkapellmeister Hagens Leitung nur den Grad des Befriedigenden; bessere Leistungen gaben allein das Orchester und unter den Solisten Hr Hof müller. An der Vorführung der Mascagnischen Oper be teiligte sich Frl Wiborg in der Rolle der Santuzza Die von Frl Haenisch gebildete junge Sängerin blickt erst auf eine kurze Bühnenthätigkeit zurück, und unter diesem Gesichtspunkt erscheint hre gestrige Leistung als eine sehr lobenswerte. Sie hat die Partie der leidenschaftlich empfindenden Bäuerin verständig auf- gefaßt und mit besonderer Betonung der duldenden Weiblichkeit in durchdachtem Spiel und ausdrucksvollem Gesänge verkörpert Aber ihre sympathische und wohl ausgeglichene Stimme, obschon seit zwei Jahren merk bar gewachsen, giebt doch nicht genügend Kraft und suchen und dann kann diese Erklärung nicht allzu schwer fallen Seit etwa fünf Jahren, d. h. seit der Arbeiter revolution im März 1886, haben sowohl die Sozia listen wie die Anarchisten nichts unterlassen, was dazu hätte dienen können, die Unzufriedenheit der Arbeiter mit den bestehenden Verhältnissen zu schüren resp. wachzuhalten. Die aufreizendsten Schriften wurden in unzähligen Exemplaren verbreitet, Demonstrationen und Versammlungen wurden ohne Unterlaß veran staltet, sowie die wütendsten Brandreden gehalten, und auf diese Weise entstand denn unter den Arbeitern allmählich ein Zustand der Gärung, die wiederholt in den häufigen partiellen Streiks zum Ausbruche gelangte Noch weit eifriger aber betrieb man die Verhetzung von dem Tage an, an welchem der Depu tierte Janson seinen bekannten Antrag auf Revision der Verfassung zum Zwecke der Einführung des allge meinen Wahlrechts in der Kammer eingebracht hatte. Von jetzt an kannten die sozialistischen Demagogen kein Maß und kein Ziel mehr bei ihren gefährlichen Umtrieben. In dieser Hinsicht leisteten sie während eines halben Jahres thatsächlich das Menschenmöglichste, sie erregten die bethörten Massen in einem Grade, daß es den Führern nur mit der größten Anstrengung mehr mög lich wurde, die zur Entfesselung drängenden Leidenschaften im Zaume zu halten. Für die Arbeiter war infolge der Vorspiegelung der Sozialisten das allgemeine Wahlrecht gleichbedeutend geworden mit der Befugnis, die Höhe der Löhne und die Arbeitszeit selbst bestimmen zu können, und daher wird man verstehen, mit welcher Ungeduld sie die Erreichung dieses Zieles erwarteten und wie erbittert sie werden mußten, als die Führer den Termin, an welchem der unbedingt zur Erlangung jenes Rechtes führende allgemeine Streik ausbrechen sollte, immer wieder und wieder hinausschoben. Der Unwille gegen die Führer und die fieberhafte Auf regung der Arbeiter hatten ihren Höhepunkt erreicht, da traf mit einem Male die Nachricht bei ihnen ein, daß mehrere ihrer Kameraden von den leidenschaftlich gehaßten Gendarmen bei Hornu verwundet oder gar getötet worden feien, und das brachte dßn in der langen Zeit angefammelten Zündstoff ganz plötzlich zum Explodieren. Trotz aller Abmahnungen der ober sten Parteileitung wurde auf einer Grube nach der anderen die Arbeit eingestellt und mit einer solchen elementaren Gewalt griff die Bewegung um sich, daß schon nach vier Tagen der Streik thatsächlich ein allgemeiner genannt werden konnte, obwohl, wie allseitig konstatiert worden ist, nur sehr wenige der Streikenden es wußten, weshalb sie die Arbeit eigentlich niedergelegt hatten. Aber man mußte doch wenigstens einen Grund haben, mit dem man das gewagte Unternehmen mit seinen möglichen Folgen vor sich selbst rechtfertigen konnte, und als ein solcher Grund wurde denn auch bald das Verlangen nach dem Achtstundentag sowie nach einer Lohnerhöhung gefunden. Mag die radikale und die fozialistifche Prcsfe auch noch so eifrig die Schuld an den beklagenswerten Vorgängen allein der Regierung in die Schuhe zu schieben suchen, weil diese die Beratung der Verfassungsrevision so lange ver zögert und hierdurch die Arbeiter schließlich zur Ver zweiflung getrieben hätte, so vermag eine derartige verhetzerische Behauptung doch in keiner Weise mehr etwas an der nackten Thatsache zu ändern, daß der General rat der Arbeiterpartei den Achtstundentag und die Lohn erhöhung in das Streikprogramm ausgenommen und hiermit klar und deutlich bewiesen hat, wo die Absichten der Arbeiter in Wirklichkeit Hinzielen. Die Führer der Arbeiter haben dieses Programm noch um eine weitere Forderung bereichert, nämlich um diejenige einer völligen Amnestie für die Arbeiter, welche sich bei dem jetzigen Streik in irgend einer Weise gegen das Strafgesetz vergangen haben sollten, so daß also die gegenwärtige Glanz für die vielen schärfsten dramatischen Accente her und ihre ungünstige Vorliebe für eine gestoßene Tongebung, welche sie in der Zwischenzeit nicht abge- streist hat, kann diesen Ausfall durchaus nicht decken Auch hastet an der schauspiel rischen Darstellung noch allzu deutlich der Eindruck des Angelernten, den pan tomimischen Bewegungrn fehlt noch die freie Beherr schung und der Inspiration des Augenblicks bleibt nur ein sehr enger Spielraum gewahrt Eine dramatisch und musikalisch vollendete Wieder gabe der Santuzza gelingt Frl. Wiborg gegenwärtig noch nicht, aber sie entwickelte so viel Befähigung und Strebsamkeit, daß sie einer solchen in absehbarer Zeit sehr nahe kommen wird. -v- Notbburga. Eine Erzählung aus den bayerhch tirolischen Bergen von Friedrich Dolch 10 (Fortsetzung.) IV. Am anderen Morgen machte sich Toni schon früh zeitig ans den Weg nach der Truckengraben Alm. Als der Bursche den Hof verließ, fing im Torfe schon das Lärmen und Hallen des erwachenden Tages an. Vom Kirchturm sä oll das Morgenläuten herüber, in den Gehöften brüllten die Kühe und schlugen die Hunde an, undeutliche Mrnschenstimmen ließen sich von überall vernehmen, und von den Dächern erhoben sich bläuliche Rauchsäulen senkrecht in die klare Luft Bald nahm den Wandernden ein däm meriger Laubwald auf. Hier waren die Vögel schon munter und huschten singend und zwitschernd unter Bewegung den Zweck hätte, die Bewilligung von nicht weniger als fünf kategorischen Wünschen der Arbeiter zu ertrotzen. Daß unter solchen Umständen an ein Nachgeben von seiten der Behörden oder der Industriellen nicht zu denken ist, liegt auf der Hand. Denn abgesehen davon, daß ein derartiges Nachgeben die Arbeiter zur Auf stellung immer weiterer Prätentionen führen müßte, sind jene Forderungen auch ganz unerfüllbar, da weder die Industriellen sich in der Lage befinden, neben der Herabsetzung der Arbeitszeit eine Erhöhung der Löhne zu bewilligen, noch auch die Regierung, wenn sie nicht ihre Würde und ihr Ansehen riskieren will, sich auf Unterhandlungen mit Unterthanen, welche der Staats gewalt fortwährend einen offenen Widerstand entgegen setzen und bereits eine Unmasse gemeingefährlicher Verbrechen begangen haben, irgendwie einlassen kann. Erst wenn die Ruhe wiederhergestellt ist, werden wir paktieren können, denkt die Regierung, und in kon sequenter Befolgung dieser durchaus zu billigenden Anschauung bietet sie inzwischen alles auf, um allen Versuchen zu einer gewaltsamen Durchführung des Arbeiterprogramms überall sofort mit niederschmet ternder Wucht entgegentreten zu können. In dieser Hinsicht war die Einberufung zweier Jahrgänge der Reserve eine sehr zweckmäßige und verstän dige Maßregel, über welche die Sozialisten, wenn sie wirkliche und ehrliche Freunde der Arbeiter wären, sich eigentlich nur freuen könnten. Denn je stärker und imposanter die bewaffnete Macht ist, mit welcher die krankhaft erre ten Arbeiter zu rechnen haben, um fo schwerer werden sich dieselben zu Aus schreitungen Hinreißen lassen, die eine blutige Unter drückung im Gefolge haben müssen, und umsomehrchdarf man demgemäß die Hoffnung hegen, daß die Fusilladen des Jahres 1886 sich nicht wiederholen werden. Aber freilich, wenn kein Blutvergießen stattfindet, wenn die Arbeitermassin sich einfach vor der Macht des Gesetzes resigniert beugen müssen, ohne mit der Bewegung auch nur das Mindeste erreicht zu haben, wo bleibt dann für die Sozialisten in Gent und in Brüssel, die sorg los und außer jeder Gefahr thatsächlich nur von der Verhetzung leben, der Stoff, um in glühende Ver wünschungen gegen die „Volksmörder" auszubrechen und dem „grausamen Blutdurste der herrschenden Tyrannen" allein das Mißglücken des ganzen Unter nehmens zuzuschreiben? Die Regierung kann eben thun, was sie will, sie wird es Leuten von dieser Sorte niemals recht machen, und daher wird es ihr auch kein verständiger Mensch verdenken können, wenn sie sich an das Geschrei derselben nicht im mindesten kehrt und gelassen auf dem bis jetzt eingeschlagenen Wege weiter wandelt. Sie hat es sich vor allem zur Aufgabe gestellt, diejenigen Arbeiter, welche zu ihrer früheren Beschäftigung zurückzukehren ge willt sind, gegen alle Bedrohungen oder Mißhand lungen von seiten der Streikenden zu schützen, ein Bestreben, welches zweifellos noch am ehesten die Be endigung des Strnks herbeiführen wird. Trotz der einmütigen und scheinbar ganz freiwilligen Erhebung der Arbeiter ist es nämlich doch kein Geheimnis ge blieben, daß viele und zwar, wie man zu glauben alle Ursache hat, sogar die überwiegende Mehrzahl derselben, des Streiks bereits herzlich müde sind und die Arbeit schon längst würden tpieder ausgenommen haben, wenn sie durch den Terrorismus ihrer streitlustigen Kame raden nicht eingeschüchtert und von einem solchen Schritte abgehalten würden. Die Energie der Be hörden und die entfaltete Truppenmacht dürften vor aussichtlich sehr bald einen Wandel in dieser Hinsicht herbeiführen; sobald aber erst einmal ein Teil der Ar beite» die gewohnte Thätigkeit wieder ausgenommen Hot, pflegen erfahrungsgemäß auch die anderen ihnen fehr rasch zu folgen. den Wipfeln umher, durch deren Blätter der fahle Himmel mit seinen verirrten, in zarter Röte leuchten den Wölklein niederblickte. Jetzt blitzte der erste Sonnenstrahl über die Berge und Toni begrüßte den selben mit einem langgezogenen Juhschrei, so frisch und hell, daß er auch den Bergen zu gefallen schien, denn weithin riefen sie ihn hallend und verhallend einander nach. Plötzlich hemmte der Bursche seinen eiligen Schritt und blieb, den Hut abnehmend und sich in den Haaren krauend, mitten im Wege stehen. Unangenehme Gedanken schienen ihn mit einem Male zu quälen, denn sein Gesicht verfinsterte sich und er ließ sich langsam auf cinen moosbewachsenen Felsblock nieder. Von dem Vater, dem er sein ganzes Herz ausgeschüttet, hatte er erfahren, daß das fremde Mäd chen einen Zufluchtsort auf der Truckengrabenalm ge funden habe, und Nothburga heiße. Er hatte hierauf dem Alten sofort erklärt, daß dieses Mädchen sein Weib werden müsse und daß er, wenn der Vater mit seinem Vorhaben einverstanden sei, dasselbe augenblicklich ausfühl en und sich auf die Alm begeben wolle, um Nothburg seine Hand anzu- bieten. Der über diese Mitteilung ebenso erstaunte, als erfreute Alte hatte aber doch den Kopf geschüttelt und einige Bedenken geäußert; vor allem müsse er da» Mädchen doch erst genauer kennen lernßb, meinte er, und dann glaube er auch nicht, daß Nothburg sofort cinwilligen und ihr Jawort geben werde. „Das Madel hat Dich doch auch erst einmal g'feh'n", sagte er. „Tu wirst Dir doch net einbilden, daß sie sich gleich beim ersten Blick in Dich verliebt hat? Du sollt'st ihr schon a bißl Zeit lassen und sollt'st auch bedenken, daß sie gestern abend allerhand von Dir g'hört upd
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