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Ctatrede des sächsischen Finanzministers. 7V. Sitzung. Dresden, den 8. März 1828. Auf der Tagesordnung der heutigen Landtagssivung steht die erste Beratung des Staatshaushaltplans für das Rechnungsjahr 1828. die mit der Rebe des Finanz. Ministers eingelettet werben soll. Die öffentlichen Trtbllnen sind nur schwach besucht. An den Plätzen der Negierung sieht man den Mtntsterpräsidenten Hel dt. sowie die Minister Dr. Krng von Nidda und von Falken stein, Dr. Apelt, Weber, Dr. Kaiser, E l s n e r. Nach Eröffnung der Verhandlungen durch den Präsi denten Schwarz wird zunächst beschlossen, mit der Aus sprache Uber den Staatshaushaltplan am Donnerstag, vormittags II Uhr, zu beginnen. Der ersten Rednergarnitur soll die Begründung mehrerer Anfragen und Anträge folgen. Dann soll die zweite Ncdnergarnttur zu Worte kommen. Falls die Beratung am Donnerstag nicht zu E ide geführt werden kann, soll sie am Freitag lv Uhr fortgesetzt werden. Finanzminlster Weber führt nunmehr bet nur mäßig besetztem Hause nach kurzer Besprechung -es Rechenschaftsberichtes für 18-26 u. a. folgendes aus: Ehe ich mich dem Etatswerke zuwende, gestatten Sie mir einige kurze Ausführungen über öle Lage -er sächsischen Wirtschaft. welche die Grundlage unseres gesamten Staats- und Volks lebens bildet: Die in meiner vorjährigen Etatsrede zum Ausdruck ge brachte Vermutung aus Besserung der wirtschaftlichen Lage ist in dem zurückliegenden Jahre für große Teile nicht nur eingetreten, sondern noch wett übertrofsen worden. Das zeigt sich am deutlichsten in der Erwcrbslosenstatisttk. Diese Ent Wicklung könnte die Erwartung stärken, daß auch das Jahi 1928 wirtschaftlich ein ähnlich günstiges Ergebnis bringt wenn nicht durch die umfangreichen Tartskündigungen groß, ArbettSkämpfe am Horizonte stünden. Im Interesse der Bolkswohlsahrt ist drin^eird zu wünschen, daß unserer Wirt schaft schwere ArbettSkämpfe erspart blctben, und daß ihre Konkurrenzfähigkeit tm In- und Auslande nicht untergraben wird. An der Reichsgarantte für Lieferungen nach Ruhland hat sich Sachsen bisher mit 8 480 808 Reichsmark beteiligt Bon der einheimischen sächsischen Industrie konnten somit in erfreulicher Höhe Aufträge nach Rußland übernommen werden und es konnte aus diese Weise zur Belebung der Industrie und Verringerung der Zahl der Erwerbslosen bet getragen werden. Die volle Summe der zulässigen Export aufträge von 388 Mill. Reichsmark ist zwar erfüllt, doch werden immer noch einzelne Anträge vorgelegt. Die Ne gierung glaubt, diesen Anträgen weiter bis zur Erschöpfung der Il>-Mill.-Ncichsmark-Bürgschaft entsprechen zu sollen, so fern das Reich tm gleichen Verhältnis wie bisher noch Bürg schaft übernehmen sollte. Nicht ohne nachteilige Auswirkung auf die wirtschaftliche Entwicklung -cs neuen Etatsjahres wird die mangelnde Bildung des Sparkapitals sein, das Ende Dezember 1828 mit 282 Mill. erst die Höhe des Jahres 1878 erreicht hat und zur Beschaffung von erststelltgen Hypotheken für den Wohnungsbau dringend gebraucht wird. Große Sorge bereitet der Regierung die Lage der Landwirtschafl. Ihre Besserung ist eine Frage der Rentabilität der bäuer lichen Betriebe, und darum liegt die Hilfe hier in erster Linie beim Reiche, dem Gesetzgeber für die groben mirtschafts- potitischen Belange. Der Notstand der Landwirtschaft wirkt sich auch ganz besonders aus daö ländliche Handwerk und Ge werbe und aus die beliefernde Industrie auö. Auch im großen und ganzen gesehen, haben Handel. Handwerk und Kleingewerbe nicht in dem Umfang an der wirtschaftlichen Besserung tctl- gcnommcn, wie große Teile der Industrie. Die Ursachen liegen a» den Gründen, die ich bereits in meiner vorjährigen EtatSrcde ansührte. Wenn auch für das Baugewerbe durch die Einführung der Rcichsvcrdingungsordnung Hilfe gebracht wnrdc, so stellt doch der staatliche Bauaufwand nur einen kleinen Bruchteil der Aufträge dar, von denen das gesamte Baugewerbe seine Existenzgrundlage erhält. Die Negierung wird auch weiterhin die Wirtschaftslage der mittclständischen Gewerbe sorgsam beobachten und überall dort eingreisen, wo cs in ihrer Kraft und Zuständigkeit liegt. Sic wird vor allen Dingen die vorgesehenen Bauaufträge und Jnstand- sctzungSarbcitcn baldigst vergeben, um der Notlage des Ge werbes im zeitigen Frühjahr zu steuern. Durch die weitere Verlängerung der Rückzahlungen aus dem Mittelstandskrcdit und den übrigen Gcwcrbekredite», sowie die Belastung des BorzugszinssatzcS von 5 Prozent soll der schwierigen Krcdtt- lage dieser Wtrtschaftskretse Rechnung getragen werden. Ebenso hofft die Negierung baldigst Mittel zu erhalte». n>» den durch das Gesetz über die Abänderung der Landes Psand- briesanstalt erweiterten Wirkungskreis im Interesse des mittelständischcn Gewerbes aufnehmen zu könne». Nach dieser kurzen wirtschaftlichen Betrachtung wende Ich mich nunmehr dem vorgelegten zu. Haushallplane Die Ausstellung war in diesem Jahre wie wohl noch nie durch Mehrausgaben vorbelastet. Die Besoldungserhöhung, die Mietstcigerung, die Erhöhung der AngesteUtenbczügc, der erhöhte Ziniendienst sür schwebende Schulden, die Verzinsung der erhöhten Auswendungen für den Straßenbau und auch sür die Erhöhung der Postgebühren machten insgesamt eine Vorbelastung von 41 Millionen Reichs mark aus Dazu kam noch das veranschlagte Defizit SeS laufenden Haushalljahres von 3t Millionen Reichsmark, io daß sich bei sorgloser Finanzpdlitik ein Fehlbetrag von 75 Mil lionen Reichsmark ergeben hätte, der unweigerlich neue Steuern nach sich gezogen hätte Trotz dieser enormen Vor belastung legt die Negierung dank der Einsicht der einzelnen Ministerien den Hanshaltplan für das Rechnungsjahr 1828 28 mit einem Fehlbeträge von 21.4 Millionen Reichsmark vor. der nach Abzug der Rücklage von 1^ Million in Wirklichkeit nur 18,6 Millionen Reichsmark beträgt. Ohne die Bcsoldungs erhöhung und deren unmittelbare Auswirkungen wäre dem nach die Regierung in der Lage gewesen, den Etat mit einem Ucberschuste von rund 2» Millionen Reichsmark vorzulegen d. i. der Gesamtertrag der staatlichen Gewerbesteuer. Bei der starken Drosselung aller sächlichen Ausgaben ist sür die Jahre 1828 28 die Wahrscheinlichkeit sür die völlige oder teilweise Einsparung des Defizits bedeutend geringer Innere Reserven des Etats sind nicht mehr vorhanden Immerhin wird die Regierung alles versuchen, um Ein sparungen zu erzielen. Vom Landtage muß aber erwartet werden, daß er Höherzichungen des Etats unter allen Um ständen vermeidet und sich das ungeschriebene Recht des ena fischen Parlaments zu eigen macht, bei Höherzichungen nur dann die Zustimmung zu erwägen, wenn sie von der Regie rung beantragt werden. Die Negierung ist jedenfalls ent schlossen» mll Entschiedenheit allen Mehrbewitligungen entgegenzutreteu, die nicht durch grundlegende Veränderung der Verhältnisse be rechtigt sind. Zweifellos können bei dem fetzigen Etat Einsparungen vorgenommen werden, wenn die vorhandenen Leerstellen nicht besetzt werden, sofern nicht eine zwingende Notwendigkeit sich herausstellt. Die Vorschläge zur Derwalkungsreform in dem Gutachten des Präsidenten des Staatsrechnungshoses sind bei der Etatausstellung nicht berücksichtigt, und so besteht die Möglichkeit, mit Durchführung der im Gange befindlichen Reform ins Gewicht fallende Ersparniste oorzunehmcn. Ihr Ziel geht dahin, den Staatsapparat zu vereinfachen und zu verbilligen. Au ihrer Durchführung wird sie. soweit er forderlich. die Zustimmung des Landtags erbitten. Die Mini sterien sind fetzt damit beschäftigt, für ihren Tätigkeitsbereich die Reformvorschläge zu prüfen, die im Gutachten des Präsi denken des StaatSrechnnngshoseS enthalten sind. Nach Ab schluß dieser Prüfung wird die Regierung dem Landtage mit tunlichster Beschleunigung eine Denkschrift überreichen, in der ihre grundsätzliche» Pläne zulammengesaßt sein werden. Schon heute muß aber daraus hingewiesen werden, daß von einer umfassenden Reform der Staatsverwaltung nicht alle Ein. richtungen unberührt bleiben können, an denen einzelne Kreise der Bevölkerung hängen. In der Erkenntnis dicker Tatsache glaubt sich die Regierung zum mindesten mit den Parteien in Uebercinstlmmung zu befinden, die eine solche Reform gefordert haben und fordern. Zum erstenmal in der deutschen Geschichte tritt der Fall ein. daß alle deutschen Länder einen Defizlkelal einbrtngen, weil das Reich sich weigert, seinen Verpflichtungen nachzukommen Dieser Zustand ist eine Folge der den Ländern genommenen Steuerhoheit und der ihnen belassenen Finanz- Hoheit. Sachsen befindet sich mit seinem Etat in der Gemeinschaft sämtlicher Länder, und doch wird wohl kein Land in diesem Aus maße Nachweisen können, daß cS in der Drosselung seiner Aus gaben so weit gegangen ist. um den Besoldungsmehraufwand auszugleichen. Die sächsische Regierung hat volles Verständnis tir die schwere Lage deS Reiches. daS durch die Reparations zahlungen schwer belastet ist. aber sic kann nicht einseben. daß die finanzpolitischen Folgen daraus die Länder allein tragen müssen nnd sich der schwersten Kritik der von ihnen hauptsächlich besteuerte» Wirtschaftskrcise anksetzen sollen. Preußen weist in diesem Jahre in seinem Etat eine» Fehl betrag von 75 Millionen, Bauern nach den Aeußerungen des Finanzministers bei äußerster sachlicher Ersparnis einen solchen von 41 Millionen. Thüringen nach den Angabe» deS Finanz- intnistcrS von 18 Millionen. Baden sür die zweijährige Ha»S- haltperioüe von 24 Millionen. Württemberg von 18 Millionen. Hellen von 11.2 Millionen nnd Hamburg einen Fehlbetrag von 8 Millionen Reichsmark ans. Mecklenburg und Oldenburg haben bekanntlich die Rcalsteuern erhöht, eine Maßnahme, die für Sachsen nicht in Frage kommen kann. Zu dem Bestreben des Reiches, in ausgesprochene LandeS- nnd Kcmeindcansanbe» cinzngreiscn, gesellt sich der Plan, rcichseigene Mittel- und U n t e r b e h ö r d e » zu schaffen, wie er bei der Reichs wasser st raßenver- waltung mit großer Beharrlichkeit verfolgt wird. Die Unterhaltung des Elbslrvmeo besorgt zurzeit der sächsische Staat aus Kosten des Reiches. Jede überspannte Jenlralifalton in -er Ver waltung ist letzten Endes teurer als die Dezenlraltsalion. Es war bezeichnend, -aß aus der Länderkonferenz die For« derung nach dem Einheilsstaate nicht mit bedeutenden Er- sparnismöglichkeiken begründet wurde. Eine Nachprüiung der sächsischen Verhältnisse hat in der Tat ergeben, daß die Abgabe der Hvhcitsverwaltung an das Reich und deren Er satz durch eine Provinzialverwaltiing ohne Berücksichtigung der Wartegelder und Pensionen in Höhe von 1,5 Milliarde». Reichsmark eine Ersparnis von nur 8L Mill RM bringe« würde, ein Betrag, der in keinem Verhältnis zu den Er schwerungen stehen würde, die durch die Zenrraliiation allL» Gesetzgebung in Berlin für die Wirtschaft entstehen würde. Bei den dauernden Klagen über die ungünstige Regelung des Finanzausgleichs zwischen Laut undGemetnden möchte ich kurz aus die vorläufigen Ergebnisse -er Finanz- staitstik sür die Jahre 1913. 1925 und 1926 eingehen. Es haben betragen die gesamten Steuereinnahmen der sächsischen Gemeinden und Bezirksverbände im Rech nungsjahr 1318 rund 112 Millionen Mk., und im Rechnungs jahr 1925 rund 2 8 4H Millionen NM. Sondert man aus diesen Steuereinnahmen von 1925 den nur zum Wohnungsbau be stimmten Teil der AuswertungSstcuer lMietzinsstcuerj in Höhe von rund 48,7 Millionen RM. wieder aus. ko bleiben noch 285.8 Millionen übrig, das sind rund 210 Prozent von t813. Beim sächsischen Staate dagegen haben die Steuer einnahmen von 1613 rund 110 Millionen Mk. und die von 1625 rund 184 Millionen RM. betragen, was eine Steigerung von rund 176,4 Prozent bedeutet. Nach verschiedenen Einzcl- angaben stellt der Redner fest, daß die Benachteiligung der Gemeinden bei der Beteiligung an der Einkommensteuer, die Herr Oberbürgermeister Dr. Blüher aus der Tagung des Deutschen Städtetages in Magdeburg sestgestellt hat. in Sach sen jedenfalls nicht eingetreten ist. sondern baß Im Gegcntetl in Sachsen der Etat insoweit ungünstiger gefahren ist als die Gemeinden. Besonders interessant ist, daß im Jahre 1618 in Sachsen vom gesamten Zuschußbedarf der Gemeinden 86.2 Prozent, im Rechnungsjahr 1925 dagegen nur noch 20F Prozent aus den Znschuftbedars sür das Schul, und Bildung sw eien ent fallen sind. Ebenso ist ein Rückgang des Znschußbedarss der Gemeinden sür die Polizei von 8^ Prozent im Jahre 1913 auf 5,6 Prozent im Jahre 1925 eingetreten. Allerdings ist die soziale Belastung der Gemeinde« auf Grund reichsgcsctz- sicher Vorschriften in enormer Weise gestiegen. Die Verhältnisse habe« sich bis zum Jahre 1827 immer mehr znonnstcn der Gemeinden verschoben, da die Gemeinde« ans die Rcalsteuern erböhie Zuschläge nach und nach erhoben und auch sonstige neue Abgaben eingcsührt haben. Eine Abänderung des LandcssinanzauSglelchS zwischen Staat nnd Gemeinden zn ungunsten des Staates kann «utcr diesen Umständen deshalb zurzeit nicht in Frage kommen. Beim nächsten Finanzausgleich mit dem Reich muß das Ziel daraus gerichtet sein, daß die Länder einiger maßen das an Steuern erhalten, was sie aus Grund des Auf kommens beanspruchen können. In der Umsatzsteuer erleidet Sachsen 1828 einen Einnahmeausfall von rund 4,8 Mill. NM. Sachsen hat 10,2 Prozent der gesamten Umsatz- teuer von 1826 im Reiche aufgebracht. Preußen 61 Prozent, nnd Bayer» nur 8,5 Prozent. Im umgekehrten Verhältnis hierzu hat Sachsen 1826 nur 8.7 Prozent. Preußen 61 Prozent, Bayern aber 11 Prozent vom Gcsamländerantetl der Umsatz- teuer erhalten. Der Verteilungsschlüssel ist also ungerecht. Achnltch erleidet Sachsen hinsichtlich der Kraftsahrstcucr ttr daS Nechnungsiahr 1828 einen Ausfall von rund 7.5 Mill. iicichsmark. Eine Denkschrift hierüber wird den maßgeblichen Stellen überreicht werden. Die Schädigung Sachsens im Jahre 1827 durch den »in» stiacn Finanzausgleich bcirägt rund 15 Mill. NM., während >as Reich zur Unterstützung leistungsschwacher Länder nur 1S.5 Mill. RM. answandtc. Bei allem Verständnis sür die chwicrige Lage der agrarisch eingestellten Länder gehen doch diese Lasten weit über daS gegenüber der sächsischen Wirtschaft vertretbare Maß hinaus. Der Redner kritisierte weiter Znckcr- nnd Lvhnsnmmcnsteucr nnd fuhr sori: Diele sortgcscvtc Be- chncibnng solcher Sleuerauellen der Länder, die von der Ge- amthcit der Vcvölkerunq getragen werden, erschweren natür lich den Abbau der Rcalsteuern ungemein. Dieses in der letzten Zeit vom Reiche geübte Vorgehen macht eS aus die Dauer unerträglich, daß die Steuerhoheit für die Einkommen steuer ausschließlich dem Reiche verbleibt, da damit letzten Endes den Ländern die Finanzhohcit anSgchöhlt wird. Allein das Recht der Einkommensteuerzuschläge wäre in der Lage, die Diskrepanz zwischen der Beschränkung in der Steuer hoheit und der vollen Finanzhohett der Länder zu beseitigen. Lehr bedenklich ist aber die Nebcrnahme von HohettSverwal- tungeii leistungsschwacher Länder. — Der Minister ging weiter aus die