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Rabenauer Anreiger Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. Abvnnementspreis einschließlich zwei illustrirter achtseitigen Beilagen sowie eines illustrirten Witzblattes 1,50 Mk. Zeitung fir Wurnnd> Seisersdoch Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Pf-, für auswärtige Inserenten 15 Pf., Reklamen 20 Pf. Annahme von Anzeigen sür alle Zeitungen. Groß- und Kleiuölsa, Obernaundorf, Hainsberg, Somsdorf, Cotzmannsdorf, Lübau, Borlas, Spechtritz re. Mit verbindlicher Publikationskraft für amtliche Bekanntmachungen. Sonnabend, den 29. September 1900. Nummer 115. 13. Jahrgang. Aus Nah und Fern. — Die prächtige H e r b st w i t t e ru n g mit ihrer fast sommerlich anmuthenden Wärme, die uns die letzten Tage gebracht hatten, kann die Thatsache nicht ver schleiern, daß es in der Natur langsam zur Rüste geht. Wohl prangen die Rasenflächen und Gärten noch in saftigem Grün, aber in das Laub der Bäume und Sträucher, das schon eine tiefere Nuance aufweist, schleicht sich allmählich auch das Rostbraun ein, die Farbe des Herbstes. Langsam löst sich Blatt auf Blatt, um müde zur Mutter Erde her- niederzusinken und ein Spiel der Winde zu werden. Für den Naturfreund, der diese Veränderungen aufmerksamen Auges verfolgt, wird die Zeit der beginnenden Laubfärbung zu einer Quelle ungetrübten Genusses. — Die Mitglieder des hiesigen Militärver - eins machen wir auch an dieser Stelle auf die am Sonntag Nachmittag stattfindende Herrcn-Parthie nach dem Windberge, Goldne Höhe rc. aufmerksam. Der Abmarsch erfolgt von Dorns Restaurant um 1 Uhr- Bei günstigem Wetter dürfte die Betheiligung an dieser Parthie voraus sichtlich eine zahlreiche werden. — Um dem Publikum zu zeigen, welche Fortschritte im Laufe des Jahres gemacht wurden, veranstalten am nächsten Sonntag die Turnvereine „Vorwärts"- Rabenau eiu Abturnen und „Frischau f"° Groß- ölsa ein volksthümliches Wettturnen, bei welch' letzterem 4 Preise an die besten Turner zur Vertheilung gelangen. Freunde der edlen Turnkunst seien deshalb auf diese Ver anstaltungen hingewiesen. — Die Hauptversammlung sämmtlicher Orts- krankencas sen des Deutschen Reiches in Nürnberg Vrotestirte mit aller Entschiedenheit gegen jedwede Beschränkung der freien Selbstverwaltung der Ortskrankencafsen. Ins besondere seien die Erklärungen des preußischen Staats ¬ ministers Freiherrn v. Rheinbaben und die Darstellungen des Geh. Regierungsrathes vr. Hoffmann in Berlin nur- das Product einseitiger Umfrage und Berichterstattung. — Das im Grundbuche für Seifersdorf Blatt 168 auf den Namen des Fleischermeisters Karl Friedrich Traugott Querner eingetragene Grundstück soll am 9. November 1900, vormittags 10 Uhr, — an der Gerichts stelle Dippoldiswalde — im Wege der Zwangsvollstreckung versteigert werden. Das Grundstück ist nach dein Flurbuche 4,6 »r -- 24 sZR groß und auf 20990 Mk. geschätzt. — Der zum Gesangverein Reinhardtsgrimma gehörige Herr Inspektor M. daselbst konnte bei der Rückkehr voin Gruppenfest in Großölsa leicht großes Unglück haben. Kurz vor der Heidemühle-Wendischkarsdorf fuhr ein Geschirr in seinen Wagen, warf denselben um und die Insassen, ein Herr und zwei Damen, stürzten heraus. Während der Herr mit dem Schrecken davon kam, wurden die Damen von dem Pferde mehrfach getreten, sodaß sie heute noch das Bett hüten müssen. Der Wagen war selbstverständlich theilweise demolirt. Wieder ein Beispiel dafür, welches Un glück geschehen kann, wenn ein Geschirr das andere über holen will! — Ein Welschhufer Fuhrwerksbesitzer mißhandelte kürzlich auf der Straße seinen 70 Jahre alten Vater, in dem er ihn am Halse würgte. Die Passanten waren aufs höchste entrüstet über diese Gefühlsrohheit. — Wegen Majestätsbeleidigung durch eine Wirthshaus- äußerung über dieStellung des Kaisers den Buren gegen über ist in Dresde n ein Arbeiter zu sechs Monaten Gefängniß verurtheilt worden. — Eine interessante Annonce finden wir im „Kotzenauer Stadlbl."; sie lautet: Noch uicht dagewesen! Da ich mich freiwillig auf die Trinkerliste gemeldet habe, was in Kotzenau bis jetzt noch nicht dagewesen ist, so theile ich den hiesigen Gastwirthen und Destillateuren mit, daß ich von heute ab für Getränke, die mir verabreicht werden, nichts mehr bezahle. Otto Richter. So ist's recht, Herr O. Richter! — Ein unsicherer Cantonist. Während der Reise von New-Jork nach Hamburg wurde ein weiblicher Passagier der „Auguste Victoria" von einem Kinde entbunden, das den Rainen Auguste Victoria erhielt. Da die Geburt zwischen Plymouth (England) und Cherbourg (Frankreich) auf einem deutsch-amerikanischen Dampfer erfolgte, so wird die Nationalität der neuen Weltbürgerin zunächst einiger- maßen in Frage gestellt, zumal die Mutter Russin, der Vater Oesterreicher ist. — Eine Baronin als Taschendiebin. Unter dem Verdacht des Diebstahls wurde von der öster reichischen Gendarmerie in Mödling eine elegant gekleidete jnnge Dame verhaftet, welche sich Baronin Marie von G. nannte, nach ihrer Angabe am 5. December 1871 in Leoben geboren und in Wien heimathsberechtigt ist. Sie wird be schuldigt, einem Dienstmädchen die goldene Uhr nebst Kette entwendet zu haben. Diese Gegenstände wurden außer einer Baarschaft von zehn Hellern und einem Rosenkränze auch im Besitze der Verhafteten vorgefunden. Die diebische Baronin wurde in das Bezirksgerichtsgefängniß eingeliefert. — Neunhundert Pferde gingen unter mit dem bei Kapstadt gesunkenen Dampfer „Suffolk." Die Mannschaft wurde gerettet. — Hochwasser und Orkane in Nord amerika. Sansaba in Texas, eine Stadt von tausend Einwohnern, ist durch Hochwasser des Sansabaflusses theil weise weggeschwemml. Man befürchtet großen Verlust an Menschenleben. Die Telegraphendrähte sind niedergerissen. Der Verkehr ist unterbrochen. Morristown in Minnesota ist am Montag Abend von einem Cyclon heimgesucht worden. Dreizehn Personen wurden getödtet, viele werden vermißt. — Kritik. A.:„Hat der junge Mann, der gestern alS„Postil- lon"debütirte,Talent?"Kritiker:„Entschieden—zum Kutscher!" Der Diamant des Levantiners. Erzählung aus dem Orient. Von H. Rosenthal-Bonin. (Nachdruck verboten.) Am zweiten Tage seines Aufenthaltes benutzte er eine Holelequipage, um zu Saref Pascha zu fahren, auch nahm kc öfters Gefährte auf der Straße an. Von den Kutschern derselben wußte Herr Wener, der Leiter des Gasthofes, daß der junge Herr noch zweimal zum Palast Saref Paschas sich habe bringen lassen. Ain Abend des verhängnißvollen Tages sei Herr Ephraisi in Gesellschaftskleidung in der Richtung des Esbekiyeplatzes fortgegangen. Vorher habe er einen Brief an seinen Vater geschrieben und diesen dem Portier znr Besorgung übergeben. Weiter wußte der Direktor nichts, hatte auch keine Mulhmaßung, was dem jungen Manne passirt sein könne. Die Untersuchung des Koffers Josua Ephraisi's ergab uicht den geringsten Anhaltspunkt für etwaige Nachforschung. Ec enthielt den Kreditbrief mit der Notiz darauf, daß zwei tausend Franken erhoben seien. Ich suchte den Agenten auf. Dieser, ein alter Manu, griechischer Nationalität, der schon dreißig Jahre in Kairo ansässig war, wußte nicht mehr, als der Gasthofsdirektor. Er hatte den Stein ge sehen. Ihm hatte der junge Ephraisi gesagt, daß er den Solitär der Sicherheit wegen stets bei sich trage, und daß er am nächsten Tage iin Gasthofe bleiben wolle, weil höchst wahrscheinlich eiu Wagen des Khedive kommen werde, nm ihn zur Audienz abzuholen. Von mehrfachen Besuchen Ephraisi's bei Saref Pascha wußte der Agent nichts; zu ihm hatte dec junge Mann nur von einem einzigen Be suche bei dem Pascha gesprochm. Dem Agenten war es gleichfalls völlig unbegreiflich, was dem vorsichtigen, soliden jungen Herrn begegnet sein könne. Ich versicherte mich sowohl Seitens des Gasthofdirektors als des Agenten des vollkommensten Stillschweigens über meine Sendung und meine Person. Durch Herrn Wener erfuhr ich noch, daß er am dritten Tage nach dem Ver schwinden des jungen Mannes den Fall dem Polizeiminister mitgctheilt habe, daß man, wie stets bei solchen Vorkomm nissen, einen Unglücksfall angenommen, und, da der alte Ephraisi Geld genug dazu spendete, den Nil unterhalb ^iros, soweit es möglich ist, durchsucht habe. Die Detektivs -, Bankiers — dies berichtete mir der Agent — hatten allen Spielhöllen, Casös und Vergnügungslokalen, auch un!^" Araberstaditheils, eifrige Nachforschungen gehalten beschäftigten sich noch immer nach dieser Richtung hin. bittd ch beschloß, mit keinem derselben vorläufig in Ver- ""3 zu treten, ebenso wenig die einheimische Polizei um Unterstützung anzugehen. Das konnte nur schädlich sein. Denn läge ein Verbrechen, begangen in den niederen Be- völkernngskreisen, vor, hätte die Behörde es wohl schon herausgebracht, wären aber etwa hochgestellte Personen an dieser Sache betheiligt, so würde man mich sicher auf falsche Spuren leiten und den Thatbestand verdunkeln. Meine Absicht war, solange wie irgend möglich, ganz allein zu forschen und zu handeln. Ich schrieb mich daher einfach als Agent aus Konstantinopel in das Fremdenbuch ein, nnd nannte als Zweck meines Aufenthaltes Erholung. Noch an demselben Tage stattete ich dem türkischen Geschäftsträger einen Besuch ab und frug den mir bekannten Beamten, ob er mir gar keine Andeutungen über das räthselhafte Verschwinden des jungen Ephraisi geben könne. Der Geschäftsträger wußte von einem Verkehr zwischen Saref Pascha und dem Verschwundenen gar nichts. Ihm hatte der junge Ephraisi nichts weiter gesagt, als daß er im Auftrage seines Vaters dem Khedive eine außerordent liche Kostbarkeit zum etwaigen Ankauf vorlegen wolle. Er hatte den jungen Mann nur einmal, und zwar hier in seiner Wohnung, gesehen. Ich wußte nun, daß Saref Pascha den jungen Mann außerordentlich liebenswürdig ausgenommen hatte und ihm die Audienz bei dem Khedive hatte verschaffen wollen. In mir setzte sich mehr und mehr der Gedanke fest, daß ich den Hebel für mein Unternehmen bei Saref Pascha ein setzen müsse, aber hier die größte Vorsicht geboten sei. Meiner Stellung nach, die ich früher in Kairo bekleidete, stand es in meinem Belieben, einen Höflichkeitsbesuch bei diesein Würdenträger zu machen, und ich ließ mir diesen günstigen Umstand nicht entgehen. Schon am zweiten Tage nach meiner Ankunft nahm ich mir einen Hotelwage n und fuhr zum Palast Mansur Pascha, welchen Saref be wohnte. Der Palast war mir von meinem früheren amt lichen Aufenthalt in der Stadt bekannt. Ein Kawasse nahm am Wagen meine Karte in Em pfang und verschwand damit in dem großen Portal, das durch eine mächtige, verrostete Eisenthür, vor der ein hohes Eisengitter sich befand, festungsartig verschlossen war. Nach einigen Minuten erschien der finsterblickende Bursche wieder, grüßte höflich durch Kreuzen der Hände über der Brust und machte mir ein Zeichen, auszusteigen. An dem Portal empfing mich ein prächtig gekleideter Nubier mit großem vergoldetem Krummsäbel an der Seite und führte mich eine teppichbelegte Treppe hinauf. In dem Angenblick, als ich meinen Fuß auf die letzte Stufe setzte, trat aus einem durch einen Vorhang abge schlossenen Seitengange mir eine hochgewachsene Frauens person entgegen. Unverschleiert, fuhr sie beim Erblicken einer nicht zum Hause gehörigen Mannsperson schnell hinter den Vorhang zurück, jedoch nicht, ohne daß ich einen blitz artig mich treffenden Blick aus ihren großen dunklen Augen aufgefangen hätte. Was war das für ein seltsames Gesicht? Was hatte diese Person für erstaunliche Augen? Die Züge dieses Frauenantlitz waren nach unten in die Länge gezogen; dazu ein kleiner voller Mund, eine bräunlich angehauchte Gesichtsfarbe, eine hohe Stirn und kühn geschwungene Augenbrauen. Da das Weib einen Moment erschreckt dicht vor mir still stand, konnte ich diese Einzelheiten wahrnehmen. Diese Begegnung schien den Nubier zu verdrießen, denn er ergriff beinahe heftig meinen Arm und veranlaßte mich, schnell weiter zu gehen. Wir waren jetzt in einem säulengetragenen Bogengang, der nach dem Hofe zu offen war, angelangt. Der Schwarze öffnete eine Flügelthür, dann nahm mich ein mit einem Fez und langem blauem Kaftan bekleideter Egypter in Empfang und führte mich in einen großen Saal. Der selbe war nach türkischer Sitte fast leer — an der Erde lagen nur einige mit Teppichen belegte Matratzen, vor diesen standen einige europäische Sessel und ein ganz niedriges Tischchen. Seltsam nahm sich in diesem Raum ein großer schöner Konzertflügel aus, auf welchem ein prächtiger Pfauhahn saß, ein anderer spazirte langsam in dem Saale umher. Ich hatte nicht Zeit, weitere Beobachtungen zu machen, denn plötzlich wurde ein Vorhang an der Wand zurück geschlagen, und ein kleiner alter Mann, ganz in Weiß ge kleidet, einen rothen Fez auf dem Kopfe und einen Ordens stern, der von Brillanten funkelte, an einer Schnur um den Hals, trat ein. Das mußte der Herr des Palastes sein. Er hielt meine Karte in der Hand, verneigte sich tief vor mir und lud mich durch eine Armbewegung ein, auf einem der Stühle Platz zu nehmen, er selbst setzte sich mit Hilfe des Dieners nach orientalischer Art, die Beine unter schlagend, auf das Polster am Boden vor mir nieder. Ein schwarzer Diener brachte ein Brett mit goldenen Schälchen duftenden Mokkas, ein anderer ein zweites mit eingemachten Früchten auf kleinen Krystalltellerchen. Sie setzten die Brettchen vor mir ans das Tischchen. „Es freut mich, Sie zu sehen — ich heiße Saref," begann das Männchen, aus einem starren, fahlgelben, mumienartig vertrockneten Gesicht einen scharfen Blick auf mich werfend. — Fortsetzung folgt. -7