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Dienstag Leipzig. Di, Zeitung erschein« mu »««nähme de» Montag- »ägstch »md wird Nachmittag» ä Uhr an«- gegeben. Preis für da» Vierteljahr kV, Thtr.; jede einzelne Klemmer S Rgr Rr M. 22. Jnli I8S«. Zu beziehen durch alle Postämter de» Zn- uüd Auslandes, sowie durch die Expedition in Leipzig lQuerstraße Nr. 8). INstrtivNsgebühr «Wshrhtlt u«d Recht, Freiheit und Gesetz!» für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutsche Allgemeine Zeitung. Ei« nrurr Nochfchrei aus Schleswig Holstein baurnburg, M Leipzig. 31. Juli» Kaum haben wir (Rr. 164), auf Grund der ac- tenmäKgtN Bechandiun-en im dänischen Rrichsrath, die gegen die deutschen Herzpgthümcr von den Dänen in Bezug- auf die eigentliche Verfassung-- frage- geübten- Unbilden und Ungerechtigkeitm besprochen, so ertönt schon wieder von eben dorther ei», neu« Nothschrei, stärker, erschütternder al« jener über die Unerträglichkeit der, ganzen Lage. Wir meinen da« so eben in Weimar» (H. Böhlau), au die Oeffentlichkeit getretene Schrift- chen: „Die Herzogthümer Schleswig-Holstein und Lauenburg in dem dä nischen. Gesammtstaate, Juli 1886"', mit denk Molto aus „Egmond": „Zu drücken sind sie, nicht zu unterdrücken." In diesen» Schriftchcn, dessen Ver- fasste offenbar nicht blvS die Herzogthümer, sondern auch das Königreich Dänemark, die an der Spitze stehenden Persönlichkeiten und das Durch- rmd Gegeneinander der Parteien ans eigener Anschauung aufs genaueste kennt, ist di« ganze Wirthschast, die jetzt dort—leider zunächst zum tie fen materiellen und sittlichen Nachtheil der deutsche^ Landestheile, weiter- hin aber zum unausbleiblichen Verderben der ganzen, so stolz angekün- digte» „Gesammtftagtsmonarchie" getrieben wird, mit unerbittlicher Scho nungslosigkeit bloßgelegt. Da treten sic denn vor uns auf alle die Geister, die dort spuken: die Misregierung und Verwirrung, welche das Nebeneinanderbestrhen von „acht, sage acht Gesammt- und Speeialver- faffungen, die eine nach der andern in Thätigkeit gesetzt worden", hervorge- bracht hat; der Unfrieden, der unter den „zusammengekoppelten Nationen" herrscht, welche „in dem Gesammtstaatshaus« sich brüderlich umarmen soll- ten^; der innere Zwiespalt, sowol innerhalb der herrschenden Familie selbst wie zwischen dieser und dem Volke, auch dem eigenen dänischen — die Op position der beiden dem Thron zunächststehenden Prinzen, deS alten Oheims des Königs, Erbprinzen Ferdinand, und des durch das Londoner Protokoll zur Thronfolge berufenen Prinzen Christian von Glücksburg; die garstigen Geschichten mit der „Lehnsgräfin" Danner, deren Anwesenheit das könig, licheSchsoß verödet, »veil „kein Mitglied der königlichen Familie, keine Dame vom. Adel sich ihm nähern, keine achtbare Bürgersfrau dasselbe betreten magV — nur Hr. «.Scheele, der deutschgcborenc (y „Minister für Holstein und Lauenburg",, macht der dänischen Armida de« Hof und erhält sich da durch (wie noch unlängst von Kopenhagen auS unumwunden eingestanden ward) auf seinem Posten, trotz des Widerspruchs seiner dänischen Cvllegen, welche ihn gern los wären, weil selbst ihrem Danisirungsfanalismus dieser Apostat zu weit geht! Da lernen wir ferner das seltsame Gemisch von Ele mente»». kennen, die sich innerhalb dieses als „europäisches Bedürfniß" feier lich proclamirten und von fünf Großmächten au« der Taufe gehobenen „Ge- sammlstaat-- Dänemark" bekämpfen, voran den „alleinstehenden «tapfern Obersten» Tscherning", sodann die „Bauernfreunde, Demokraken, Bureau- kraten, Conseroativen, Junker, eifersüchtigen Jüten, Eiderdänen, Elbdä- nen, skandinavische Unionisten, schleswigsche Dänen, schleSwigsche Deutsche, Schleswig-Holsteiner, Laucnburger, endlich Renegaten jeder Race", und gern mögen wir eS dem Verfasser glauben, daß ein Kampf so heterogener, auf sp engen Raum — einen Staat-körper von kaum viel mehr Einwohnern als das Königreich Sachsen—zusammengedrängter Elemente „den Staatsbau in allen seinen Stützen und Angeln gefährdet^ Da lesen wir endlich von der dänischen Nation, der dänischen Presse und den leitenden Persönlichkei ten in Kopenhagen, also den drei Faktoren, welchen unsere armen Brüder in Schleswig-Holstein fast recht- und hülflos seit nunmehr einem halben Jahrzehnd wiederum preisgegeben sind, folgende Charakteristik, an deren Wahrheit zu zweifeln uns leider des Verfassers augenfällige genaue Be kanntschaft mit den dortigen Zuständen verbietet: „Das Nationalgefühl ar tete in Dänemark aus bis zur Sclbstanbctung und wird seit dem December 1854: vergöttert durch eine»» Deutschen, der aus verwerflichen Gründen mit der constjftuiynellen Doctrin sich alliirtc. Die dänische Presse wüthet in ungebundener BöSheit und besudelt Alle-, was ihr nicht zusagt, mystjficirt sich Mst und das- Volk Mit konstitutioneller Glückseligkeit und Lande-wohl- fahrt, während die Presse in den deutschen Herzogthümern geknebelt schwei gen muß, und Alles, was von außen Hineindringen mochte, verboten und «onsi-cirt wird» ES herrscht- in Dänemark eine so völlig« Verkennung der Gerechtigkeit- dafi-kaunu ein- konservative« Element vorhanden, weiche« diesen Mängel im höher« Bewußtsein zu empfinden im Stande wäre; größere Ep- eesst sind in der Geschichte vorgeksmmen: ein größerer Mängel an Mflexion bei gjeicher Bildung, noch nie , bis zum Naiven versteigt sich dies bei den hervorragenden, an sich edeln Persönlichkeiten, verflacht sich zum Ordinären bei den Mittelstufen und wirb Brutalität bei den Glücksrittern und Phra- senhtlden der äußersten Demokratie, von denen. Mehre im Ministerium und im Reichsrath ebnen Platz gesundem haben. Da-Königthum, statt das im- > pulsikend« Moment im Staate zu sein, ist zur bloßen Form hctabgrfltnken, ein nur durch den Volkswillen bestimmtes Wesen. Uebereinstimmung ist» Reiche zeigt« sich jedoch in Einer Richtung» in Kopenhagen klagte dtb Reichstag auf reichsgerichtliche Verurtheilung deS Mim'stettNMs Detsiev, fti Holstein setzte die Ständeversammlung den Minister v. Scheele in Anklage, Beides wegen Verletzung der Betfatssüng. V»tt dem dänischen Reichsgericht sind zwar di« Minister am 27. Febr. d» I. frrlgesi-rochen, allein die aus dem Reichstage gewählte Hälfte de« Gericht- sprach Schuldig, und der Freudentaumel der Anhänger der Fteigesprochenen, der in lauten Manife stationen, Bällen und Festessen sich kundgab, verfehlte nicht, den Unmuth der Gegner aufs äußerste zu reizen, die in jenen Kundgeblingen nichts Ge ringere» erblick«« als Vas Streben, das Königsgeseh in seiner absoluten Ge walt von 1665 wiederherzustellrn und Reichstag nebst Reichsrath in bl»S beruhende Maschinen zu verwandeln. Die Anklage gegen den Minister v. Scheele gelangt im August zur Verhandlung." Wenn eS unter allen Umständen für ein Volk ein große- Unglück sein ward«, in Zustände, wie die eben geschilderten, sich verwickelt zu finden, so ist natürlich dieses Unglück zehn mal größer für die Bevölkerungen jener deut- scheuLandestheile, welche man jcnseit der Schlei gleich eroberten Provinzen za behandeln, auf welche man allen Unmuth, den die eigene unerquickliche Lage erzeugt, alle schlimmen Folgen der allgemeinen unnatürlichen und unhalt baren Verhältnisse abzuladen und aufzmhürmen sich gewöhnt hat! Was unter solchen Umständen die Herzogthümer, namentlich Schleswig-Holstein, leiden, aber auch wie sie dieses Geschick ertragen und ihm Stand halten, Das schildert uns der wohlbewanderte Verfasser in folgendem Bilde: „Im Herzogkhum Schleswig, obgleich eine Beute der dänischen Ministeriokratie, in sehr beengten Verhältnissen, von Gendarmen, unkundigen und böswillig«» dänischen Beamten und, was noch schlimmer, dänischen Geistlichen mit einem Denunciantennctz umsponnen, nur zu oft durch Gewaltchat,n aufgeschreckt, in der Bedrückung der deutschen Kirchen- und Schulsprachr austh entsetz lichste gemartert, mit der dänischen Münze stündlich gequält, durch ein« dä nische Propaganda, an deren Spitze die ersten Geistlichen in Kopenhagen sich' stellen, gehetzt und von einem der Tobsucht verfallenen Minister btüta- lisirt, hat dennoch das Deutschthum vollständig dir Oberhand behalten und auch in der Ständevcrsammlung stets die Mehrheit gewonnen; dir Nord^ schleSwigcr sind deutscher dcnm je: gesinnt. Die dänische Presse erbost sich über diese Thatsochrn und hämmert immer von neuem auf den Satz: Schleswig müsse- Dänemarks Verfassung erhalten; Schleswig- leide unter einem doppelten Druck, von der Regierung und von der Aristokratie; die gegenwärtig« Verfassung, sei ein Nagel zu Dänemarks Sarge, das Grab des DänenthumS; Nordschleswig verdorre bei derselben und müsse, so »«<- erhört e« auch klingt, bei Deutschland Hülfe suchen! denn die jetzige Staat«» ordnung sei unwahr, unnatürlich, unerträglich — erklärte Fädrelandet an« 3. Jan: V. I." Im Herzogthum Holstein war durch die halben und zaghaften Maß- regeln des nach allen Seiten hin lavirenden, blasirten Vorgängers deS Hrn? v» Scheele, neben verbissenem Unmuth, eine Lähmung in die Gcmüther ge treten, ein träumender, nebelhafter Zustand, der sich etwas aufzuklären begann, als Hr. v. Scheele in der Eigenschaft eine- Kriegscommiffars den Ständrsaal zu Itzehoe betrat, die Erinnerungen an seine Vergangenheit wieder auffrischt« sowie seine Zukunft-Plane in unverhohlener, beleidigender Weis« burchblicken ließ. Seitdem da- Glück oder Unglück eingetrelen, daß Hk: vi Scheele Minister geworden, ist frische» Lebe»» eingekchrt, ,und patriotisch«, nachhaltige Festigkeit, wie nur der Widerstand gegen Uebcrlastung, maßlos» Bedrückung, Fr«vel und Hohn solche zn verleihen die Kraft in sich trägt-, belebt die Gemüthcr. Hr. v. Scheele mag sich geirrt haben, als er in der Selbstbiogra phie, die er am 22. Sept. y. I. in so höchst trivialer Tonart dem Reichstage lieferte, auSzmufen sich veranlaßt fand: „Das Schreckbild eine- deutschen Bundesstaats ist verschwunden; es bleibt in Deutschland Alles dein» Alten; die jetzt vierzigjährige Verbindung für Holstein und Lauenburg mit Deutschland hat un» nie genirt und wird unS nie gcniren! Auch wa« in Schleswig oder Holstein passiren kann, macht mich nicht ängstlich, nicht im »»lindesten; unsere schlimmsten Feinde sind j«ns«it der Elbe; wir selbst haben sie dahin gejagt w." Die kopenhagener Presse war anderer Ansicht; in Veranlassung der Vorgänge in- der holsteinischen Ständeversammlung b«- gann sie zu bezweifeln, ob das Scheele'sche System zu etwa- Gutem führen können „Es zieht ein Sturm auf von Holstein,,' meint«-Fädrelandet am-16: Febr. di I., „der in ruhigen Zeiten zwar dem Grsammtstaat nicht wzrd sprengen können, der jedoch für un- in dem Gesammtstaat gefährlich g«nug werden kann; er wird uns die Wahl stellen zwischen zw«i großen Uebeln: Absolutismus oder Schlt-wig-Holsteinismus." Die Einzelheiten des in den Herzogthümern von der Regierung und