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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.03.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-03-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120328024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912032802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912032802
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-03
- Tag 1912-03-28
-
Monat
1912-03
-
Jahr
1912
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Abend-Ausgabe Anzeigen Preis 'nWgcr TagMaU Handelszeitung IV6. Isiirgsno oannersiss. »en 28. Mür, lS«2 f 14 892 (Ka-i-nlchl»^) rrl.-Änschl.j "K93 114894 s 14 692 lN«cht,nlchi«b) Tel.-Änschl.i 14 693 j 14694 Amtsblatt des Nates ««d des Nolizeiamtes Ser 5tadt Leipzig für J-Ieratk au» Urip»la uav Umg«bun» vt« lloalrize P«ttt»«ilr 2S Pf. di« Reklame» »eil« t Mi. von aurwart» 3li Pt.. Reklamen l^l) Mk. 2nferate von Lehoiden im amt. lichen L«ll di« P«ttt,eUr k>0 Pf Tefchäilranzeinen mit Platzvorschriftr« im Prrile «rhüi>> Rabatt na<i> Tarif. Beilagegebübr Gelamt» auslaae 8 Mk. o Taufend »ikl. Poftrebuhr. Teildeilag« hoher. fllelterleilt« Äuilraae können nil't rvrück» aeiogen werden <,ür da» Erscheinen an bestimmten Taaen und Planen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen-Ännahme: 2,danni»,afl« bei sämtlichen Filialen u. ollen Annoncen» Stpeditionen de» 2n. und Äu»lande» Lrnck nn» Verl«, von sicher L Mürfte» Inhaber: Paul Kürlten. RrdaNion und Geschältbstell«: Johannisgalfe 8. 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Das Wichtigste. * Im bayrischen Landtage hat der Ministerpräsident heute noch einmal eine Darstellung der lebten Verhandlungen im Bundes rat gegeben. l.S. bes. Art. » * Das englische Oberhaus hat die Mindestlohndill in zweiter Lesung an genommen. (S. bes. Art.) * Ein Zyklon hat in Argentinien großen Schaden angerichtet. 18 Menschen tarnen ums Leben. (2. Tageschr.) Line neue prllgrsmmreüe SerMngs. sNon unserem Münchner Mitarbeiter.) — München. 28. März. Im bayrischen Landtag bat heute der bayrische Ministerpräsident erneut ausführlich sein Programm entwickelt und dabei nochmals ausführ lich über die letzten Bundcsratsverhand- lungen und über den Rücktritt Wermuths ge sprochen. Die Sitzung begann damit, daß namens der bayri schen Bauern Adg. Eiscnberaer erklärte, daß die bayrischen Bauern den Großblock wegen der politi schen Konstellation mitmaclsen mußten, daß sie jedoch politisch vollkommen frei geblieben seien. Dann ergriff der Ministerpräsident das Wort zu einer fast einstiindigen Rede, lieber die Vorgänge des letzten November erklärte Freiherr v. Hertling, daß sie der Vergangenheit an gehören, und daß er von seinem Standpunkte, darüber nichts mitzuteilen, nicht abgehen werde. „Für mich ist", so erklärte er, „die Landtagsauflösung des No vember eine Maßnahme der Krone zur Lösung sonst nicht zu beseitigender Konflikte. Zur Kontinuierlichk.eitder Herrscher, gern alt gehört auch die Wahl der Minister. Daß Reichsrat Auer meine Berufung in das Ministerium veranlaßt und mich orientiert habe, ist un richtig, ebenso unrichtig ist es, daß bei meiner Berufung von mir bestimmte Richtlinien verlangt, noch solche mir vorgelchrieben worden sind. Ein Spaßvogel hat dann der „Germania" die Mär von dem Salonwagen aufgebunden. Es sind das alles abenteuerliche Gerüchte, Gerüchte, die alle in das Reich der Fabel zu verweisen sind. Bezüglich der von der Linken geforderten Abänderung des bayrischen Wahlgesetzes und der Wahlkreiseintei- lung muß dos Ministerium sich ablehnend verhal ten. auch gegen alle etwaigen Anträge in dieser Rich tung. Bezüglich der Stellung der Beamten zur Sozialdemokratie erkläre ich, daß nach meiner ltebcrzeuaung kein Staatsbeamter der Sozialdemokratie angehören kann, noch sozialdemokratische Bestrebungen unterstützen darf, sondern für seinen Teil zur Erhaltung der Monarchie beitragen muß. Das gilt für die Zukunft Bayerns. Wenn Beamte bei der letzten Wahl mit den Sozialdemokraten zusammen gegangen sind, so wird ihnen daraus kein Strick gc- dreht werden. Von einer Berufung eines Sozial demokraten in ein Staatsamt kann nicht die Rede lein. Die Sozialdemokratie will die naturgesetzlich fortschreitende Entwickelung von unten auf beschleu nigen. Zeder Minister muß diese Beschleunigung aufzuhalten versuchen, da das Ziel der Sozialdemo kratie eine Utopie ist. Bezüglich der Sozialpolitik hat Banern bisher hinterkeinem Bundes st aat zurück- gestandcn und wird es auch nicht in Zukunft tun. Alle berechtigten Forderungen der Arbeiter werden mit größtem Wohlwollen geprüft und wenn irgend möglich erfüllt. Trotz der mir von verschiedenen Seiten des Hauses infolge meiner früheren Stellung als Parteimann ausgesprochenen Disqualifizierung für das Amt des bayrischen Ministerpräsidenten muß ich sagen, daß ich von dem Vertrauen der Krone be rufen worden bin und mein Amt so lange verwalten werde, solange ich dos Vertrauen der Krone habe und meine Kräfte ansholten. Die Zesuitenangst in Bayern ist zur Zeit unbegründet. Es liegt im Reichstag ein Antrag auf Aushebung des Jesuiten gesetzcs vor. Ein Vorstoß Bayerns in dieser Hinsicht ist nicht erfolgt. Die Lehrer halte ich für die Diener der Kultur im eminentesten Sinne des Wortes und werde den berechtigten Wünschen dieser opfcrvollcn Männer jederzeit mit großem Wohlwollen gcgenüberstehcn. Nun folgte eine neuerliche, bis in die kleinsten Details gehende Darstellung der letzten Bundesratsverhandlungen und der Stellung Banerns zum Reiche. Der Ministerpräsident sagte hier ungefähr folgendes: „Aus meiner Berufung als bayrischer Mi nisterpräsident sind Befürchtungen für die Reichspolitir erwachsen. Wenn gesagt worden ist, daß meine Ernennung die römische Frage in Fluß bringen werde und daß ich auf eine Zer trümmerung des Dreibundes und eine Wiederherstellung des alten Kirchenstaates hin arbeite, jo ist dos absolut falsch. Die Be fürchtung, daß ich die Initiative ergriffen hätte, um Deutschland zu einer italienfeindlichen Politik zu drängen, ist schon deshalb zurückzu stellen, weil ich als Vorsitzender des Ausschusses für Bundesratsangelegenheiten überhaupt nicht die Leitung der auswärtigen Politik in der Hand habe, ich also gar nicht die Neichspolitik in dieser Hinsicht beeinflussen kann. Wenn gerade vor 30 Zähren die römische Frage in gleicher Weise in Fluß gebracht worden ist, so geschah dies nicht von ultromontaner, sondern von ganz anderer Seite. Denn bald darauf trat Ztalien dem Zweibund bei. Von dieser Seite also ist damals diese Frage in ganz bestimmter Ab sicht angeschnitten worden. Wir hatten im Bundesrat unsere Stellung so aufgefaß», daß wir nicht für Vorlagen uns ins Zeug legen können, die bei der gegenwärtigen Partcikonstellation im Reichstage keine Aussicht auf Annahme haben. Bei der gegen wärtigen Parteiko-nstellation ist es nicht möglich, die Erbschaftssteuer durchzubringen. Diese Mei nung ist im Bundesrat einstimmig ge- teilr worden. Wenn Sie die Probe aufs Exempel wünschen, so kann das vielleicht noch geschehen. Wir waren auch dafür, daß die Schuldentilgung nicht in einer über das notwendige Maß hinausgehenden Weise betrieben werden dürfe, jedenfalls nicht weiter, als dies be reits seit dem Zahre 1909 geschehen ist. Als seinerzeit im Reichstag!' die Reichsfinanzrrform zur Debatte stand, war von der neuen Wekroorlagc noch gar keine Rode. Wir hatten also gar keinen Anlaß, die Frage einer solchen Mehrbelastung bei der Formu lierung der finanzpolitischen Grundsätze in Betracht zu ziehen. Wir standen jetzt vor der Entschei dung. Sollte die beschleunigte Schulden tilgung, wie sie Reichsschatzsekretär W crmuth wünschte. durch Ausschreibung neuer Steuern vorgenommen werden, oder sollten wir versuchen, ohne solche neuen Steuern auszukommen. Es ist nicht richtig, daß die letzte Alterna tive durchgcorungen wäre, Wir haben nicht beschlossen, ohne neue Steuern auszukommen, wir haben nur eine andere Steuer als die Erb schaftssteuer ausgesucht. (Der Führer der Liberalen, Dr. Easselmann, ruft dazwischen: „Wermuth scheint anderer Meinung zu sein".) Der Ministerpräsident jährt fort: Nach seinem Ausscheiden hab« ich Herrn Wermuth nicht mehr ge sprochen, aber vorher sehr ausführlich, uns zwar ge rade an dem Tage, an dem ich das Telegramm des Prinzregenten zu meiner Berufung als bayerischer Ministerpräsident erhielt. Der Bundesrat war der Meinung, daß durch die Abschaffung der Liebesgabe eine Einigung der bürger lichen Parteien herdergeführt werden könnte, und zwar deshalb, weil ja gerade die Libero- l e n im Wahlkampf die Liebesgabe besonders in den Vordergrund geschoben hatten. Die Berechnungen bezüglich der Erbschafts steuer und der Abschaffung der Liebesgabe waren im Bundesrat so: Erbschaftssteuer 50 Millionen, Liebesgabe 35 Millionen, das sind also nur 15 Mil lionen Unterschied. Der Bundesrat war der Mei nung, daß der Weg der Abschaffung der Liebesgabe beschritten werden müßte mit voller Berücksich- tigung der süddeutschen Brenner. Wir können im Bundesrat nicht glauben, daß das groge deutsche Volk förmlich eine Sehnsucht nach der Besteuerung des Kindeserbes hat. Wenn eine Erbschaftssteuer kommt, dann kommt sie nicht als die Erfüllung der Sehnsucht des Volkes, sondern als «ine notwendig« Maß nahme. Ich bin der festen Ueberzeugung, daß der Reichstag in seiner großen Mehrheit die neuen Wehrvorlagen verabschieden und daß er auch mit proßer Majorität die Mittel zu Deckung dieser Vor lagen verabschieden wird. Zch erblicke darin ein großes nationales Moment und wünsche dem Ausland gegenüber, daß wir nichrnureinig sind in der A n e r k e n n u n g der Wehrhaftigkeit des Deutschen Reiches, sondern auch einig in der Aufbringung der hierzu notwendigen Mittel. Daß wir daraus nicht in einen inneren Zwist kommen, der dem Ausland allein zur Freude gereichen würde, diesen Stand punkt haben wir im Bundesrat festgehalten." Der Ministerpräsident schloß seine Ausführungen mit folgenden Worten an die Linke des Hauses: „Man hat mir von der linken Seite dieses Hauses Mißtrauen angekündigt. Zch kann das nicht ändern, muß das ruhig hinnehmen. Ich hatte mich allerdings mit der Hoffnung getragen, daß es bei allem Festhalten prinzipieller Gegensätze und Weltanschauungen in praktischen Fragen zu einem Modusoivendi mit der Gesamtheit die- ses Hauses und Vein Ministerium kommen werde. Wenn diese Hoisnung mich betragen har — der Mi nister erhob jetzt seine Stimme und sprach laut und bestimmt —, nun. meine Herren, dann muß cs auch anders gehen." Nach dem I i n a n z in i n i st c r, der dann sprach, entwickelte der Kultusminister sein Pro gramm: Geistige Schulaufsicht in Bayern. Errichtung rheologischer Fakultäten, Erziehung der Kinder zur Religion. Das Zentrum begleitete die Ausführungen des Kultusministers mit lebhaftem Beifall. JunMersler vertretertsg ünü nstiansMbersie Krtlis. Zn sehr beachtenswerter LVeise wendet sich der „Hannoversche Courier" gegen die Absicht des Vor standes des Reichsvcrbandes der uatianalliöeralen Ziiqenö, einen jungliberalen Vertrctertag einzu berufen. Der „Hann. Cour.", der gegen den Zung- liberalismus gewiß nichr voreingenommen ist. gibt «/nächst der Hoffnung Ausdruck, daß di« jungliberalc Leitung die Angelegenheit durchaus ruhig und im Sinne des gemeinsamen Znteresses der national liberalen Partei behandeln werde, und fügt dann hinzu: „Vielleicht wär« es taktisch richtig, wenn ein Vertretertag der nationalliberalen Zugend nicht oor dem allgemeinen Vertretertag einberufen würde, da die Gefahr nicht ausgeschlossen ist. baß die Situation sich durch die Verhandlungen auf einem jungliberalen Vertretertag lediglich verschärft. Damit wäre den Absichten derer nicht gedient, die die Einigkeit in der Partei för dern wollen. Und wir rechken zu diesen auch den Vorstand des Rcichsoerbandes der nationallibe- ralcn Zugend." Zn der Tal liegt die Gefahr, die der „Hannoversche Courier" fürchtet, überaus nahe. Zedoch die Tat- saäic, daß dem so ist, fällt grundsätzlich gegen das Bestehen einer jungliberalen Sonderorganfiation schwer in di« Wagschal«. Denn mit dem Wesen einer Sonderorganisation ist es untrennbar verbunden, bei der Erörterung einer vor handenen Krisis den eigenen Standpunkt ein seitiger zu vertreten, als es der Fall wäre, wenn die Erörterung innerhalb der umfassenderen Gesamt, organisation erfolgte. Die hierfür maßgebenden psychologischen Zusammenhänge sind klar erkennbar. Man nimmt eben weniger Rück sicht auch auf die.Nächststehendcn, sobald man unter sich ist und der mäßigende Einfluß fehlt, den die bloße Anwesenheit der anderen ausübt. Die so durch die Sonderorganisation als solche herbeigeführtc Ver schärfung der Lage muß naturgemäß eine kritische Zu spitzung besonders leicht dann annehmcn, wenn ein lebhafter p o l i t i sch e Wille sich durchzu setzen trachtet. Dieser psnchologische Hintergrund der Sonderorganisation als solcher hat oft genug jung liberalen Kongressen ein Gepräge geben helfen, bas der Aufrechterhaltung der nationalliberalen Ge schlossenheit nicht immer zuträglich war. Die Bedenken, die der „Hann. Cour." gegen die Abhaltung eines jungliberalen Vertrctertages geltend macht, treffen mithin dem Kerne nach die jungliberale Sonderorganisation an u.nd für sich. Dieser Umstnd verdient um so mehr Beachtung, je größer das Wohlwollen ist. das der „Hann. Cour." dem Zunglibcralismus entgegenbringt. Der Lergsrbeiterltreik. Sozialpolitische Lehren aus dem Verg- arlielterltreik zieht Professor Dr. E. Francke in der „Sozialen Praxis". Eine Stunüe zu spät. SO) Roman von A. von Liliencron. (Nachdruck i'rrSottny Bruno war bleich geworden. Er nahm das Blatt ans Schellmeyers Hand, doch nicht, um die Arie zu studieren, sondern nur um seine Fassung wiederzu gewinnen. Jede Note kannte er ja. Bärbchen hatte in Wentrup die Arie gesungen, und er hatte sie be gleitet. Nach einer kleinen Pause sagte er, ohne aufzublicken: „Ich kenne das Musikstück. Und, wenn ich fragen darf, wer ist die junge Dame, die ich be gleiten soll?" „Line Fremde, ein Fräulein Barbara." Das Notenblatt zitterte in Kerkaus Hand. „Wie heißt die junge Tome weiter?" erkundigte er sich mit unsicherer Stimme. »Das darf ich nicht verraten. Unsere schön« Sängerin wünscht, nur Fräulein Barbara genannt zu werden." Kerkaus Pulse flogen, er beherrschte sich mühsam und hörte kaum, w'e -schellmeyer ihn mit Dank über schüttete. Dann brach der Künstler eilig auf; für ihn gab es heule noch viel zu tun. Kerkau begleitet« ihn an seinen N agen. Tante Brigitte, die über die Liebens würdigkeit ihres Neffen entzückt war, ahnte nicht, daß er das nur tat, um ein paar Minuten allein zu sein. Dann ging er langsam nach den Gemächern seiner Eltern. Seine Mutter war durch Unwohlsein an das Bett gefesselt, aber Li« Freude des Wiedersehens ließ sie ihre Unpäßlichkeit völlig vergessen. Das Elternpaar war stolz aus den Sohn, der vom ruhmreichen Feld znq« heimgekehrt war. Bei Tische mußte Bruno von seinen Erlebnissen erzählen. Der Kammetherr konnte nicht genug davon hören, und der Sohn ergriff hastig die Gelegenheit, die Unterhaltung auf einem so unverfänglichen Ge biete in die Länge zu ziehen. „Verzeihen Sie, Evcheu. wenn ich mich jetzt in mein Zimmer zurück ziehe," bat Bruno nach dem Mittagsmahl. „Wenn ich heute abend aushelfen soll, müssen die Geige und ich noch ein stilles Wort miteinander reden." Evchen sah ihn freundlich an. „Wie freut es mich, daß Majestät Sie mit Briesen an die Königin geschickt hat! Heben Sie jetzt nur noch tüchtig, Bruno. Zch will ja heute abend auf Ihr Geigenspiel stolz sein." Gesenkten Hauptes ging Bruno in sein Zimmer. Morgen wollte er mit Eschen sprechen, morgen sollte sie alles erfahren und ihrer beider Lebensschicksal durch ihre Antwort entscheiden. Er wünschte, daß nur die nächsten Stunden erst vorüber wären. Der Name Barbara peinigte ihn, und noch in dieser Stimmung trat er In Len Konzertjaal. „Zch werde von hier aus erst einmal die Stimme der jungen Sängerin anhören," erklärt« «r. „Wenn sie nicht dem entspricht, was Schellmeyer von ihr gesagt hat, dann wekoe ich ^in« Entschuldigung finden, ihr die letzte Arie nicht zu begleiten. Die Arie, schlecht gesungen, kann ich nicht anhören." Er wartete keine Antwort ab und setzte sich hinter die Damen in den Sckzatten eines Pfeilers. Ein Musikstück bildete den Anfang; dann sollte di« junge Dame ein paar Volkslieder vortragen. Und jetzt war es so weit. Ihm war zu Mute, als sollte sein Herz stillstehen. Stumm saß er, die Hände krampfhaft zusammengepreßt und die Augen weit geöffnet, angsterfüllt und sehnsuchtsvoll auf di« zarte Gestalt gerichtet, die jetzt wenige Schritte von ihm ensernr stand. Ihr weißes Kleid trug keine« anderen Schmuck, als einen Veilchenstrauß im Gürtel. Gol dige Locken fielen tief über den Nacken herab und ringelten sich um die weiß« Stirn. Träumerisch und unergründlich blickten di« großen dunklen Augen. Ein Hauch von Wehmut lag über der holdseligen Erscheinung. „Hündchen! Mein Hündchen!" „Welch ein bezauberndes Mädchen!" hörte Bruno Eva sagen, und biß die Zähne zusammen, um nicht zu stöhnen. Und jetzt klang ihre glockenhelle Stimm« durch den Saal. Wonne- Schmerz, Sehnsucht und Klage lagen in oe>n einfachen Liede, und Lurch die schwellenden Töne strömte Las warme Leben eines pochenden Herzens. Tas erste Lied war beendigt und mit rauschendem Beifall ausgenommen worden. Ein zweites sollte folgen. „Zch glaube," flüsterte Eva Bruno zu, „dies Singen und diese Barbara kann ich nie wieder ver gessen. Cs ist, als ob die Töne aus einer anderen Welt kämen " Bruno wurde der Antwort überhoben, denn der Gesang begann von neuem. Wie ein Fiebernder starrte er auf die weiße Gestalt. Das war eins der Volkslieder, die sie ihm in Frankfurt so osr gesungen hatte, wenn sie ihm zu Füßen auf den Folianten saß. Das war mehr, als ein Mensch ertragen konnte. L-ise stand er auf und verließ den Saal. Die kalt« Luft draußen kühlte ihm ein wenig das heiße Blut. Was tun? Ein Zurück gab es jetzt nicht, wie hätte er dos entschuldigen sollen! Aber Bärbchen — was würde sie sagen? Wie würde dieses ungewollte Wiedersehen endigen? Doch tröstete er sich: Hündchen zeigte ia schon als Kind so viel Selbstbeherrschung: sie wird jetzt nicht wanken. Entschlossen betrat er die Zimmer, die für die Spielenden freigclassen waren. Ein Klavierstück tönte durch den Saal. Das mußte Schellmeyer sein, dessen Abwesenheit ihm nun ermöglichte, Bärbchen allein zu sprechen. Und wirklich, sie war allein. Zn der Fensternische stand sie und blickte träumerisch hinaus. Da war er an ihrer Seite. „Hündchen!" Nur wie ein Hauch kam der Name von seinen Lippen. Sie hatte ihn aber doch gehört. Ei» Zittern rieselte durch ihre Gestalt, und Schreck und Zubel svrachen aus den Augen, die Kerkau anstarrtcn. „Tu — Sie hier!" murmelte sic. Zst das denn wirklich oder träume ich nur?" Ganz verwirrt und doch strah lend fragte sie das. „Vor wenigen Stunden bin ich heimgekehrt", ant- wartete er hastig. „Zch soll den erkrankten Geigen spieler ersetzen. Haben Sie nichts davcn gewußt?" Das Freudcnlicht in ihren Augen erlosch langsam, und sie wurde sehr blaß. „Herr Schellmeyer sagte nur, daß er eine Vertretung gefunden hätte, er würde mir den Fremden nachher vorstellen", sagte sie leise. „We ' >' «-l'ncn können, daß Sie —" „Wären Sie dann zurllckgetreten?" ,.Zä', antwortete sie sehr leise, aber mit fester Stimme. „Wenn ich von Ihrer Heimkehr gewußt hätte, ich wäre nie hergekommen, ich darf — ja nicht wieder Zhren Weg kreuzen." Er starrte auf sie nieder, wie sie bebend und mit gesenkten Augen vor ihm stand. Sic schwiegen beide, und immer bedrückender wurde die Pause. Bruno »affte sich zusammen. „Was haben Sie beschlossen?" fragte er finster. „Wollen Sie mir das Letzte nehmen, das eine gnädig? Fügung mir ohne mein Zutun be- scheit hat. die schmerzliche Freude. Sie noch einmal, zum letzten Male begleiten zu dürfen?" Da blickte sie aui. Das Leuchten kebrre in ihr« Augen und die Farbe in ihre Wangen zurück „Es ist nickt unser Tun. Laß wir uns Wiedersehen. Da es nun aber so gekommen ist. möchte ich diese Augen blick« noch ein einziges Mal so glücklich sein, wie ich immer war. wenn —" Sie brach ab. strich die Locken aus dem aiühenden (Besicht und murmelt«: „Verzeihen Sic. ich dachte an die Zeiten, wo ich zu Ihrem Geigenspiel singen durfte. Daß das nun noch einmal geschehen soll, macht mich ganz wirr vor Freude." (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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