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«chEMo,, «» M«t»»Nrad» SS/4S. »rock ». »-rlaq von M»»Ickck Strich«»! in 2r«^w- V»«ch«ch.k»»t» 10«S »rr^r«. Keidi sSWcher MMey>rSsWe>U, Die Drohe Koalition in Sachsen gebildet — Spallung der sozialistischen Landtagsfraktion — Ein sozialistisches Volksbegehren aus Auslösung -es Landtages genehmigt — Deutschland soll am Sturz des Franken schuld sein — Keine Baukuole ohne Deckung» ein Versprechen Schachts — Bevorstehende Larifermähignug bei -er Eisenbahn? Der sächsische Landtag ist gestern endlich mit der Wahl heK Ministerpräsidenten fertig geworden. Die Wahl ist auf den bisherigen sozialistischen Finanzminisier Heidt gefallen. Gr hat aber von den 40 sozialdemokratischen Stimmen nur 25 erhalten. Ter Nest erklärte, er könne nicht mitmachcn, weil der LandcsarbeitsauSschuß die Koalition mit den Bür gerlichen ablchne und die Auslosung des Landtages fordere. Lin Teil der Bürgerlichen muhte also in die Bresche svrin. gen. um die Wahl zu ermöglichen, und er tat das auch und verhalf so der Sozialdemokratie noch einmal zu einem letzten Aufslackern in der Negiernngsherrlichkeit. Demnach wird der morgen stattfindcnde Landesparteitag der Sozialdemo kratie, der eigentlich erst die Entscheidung über die Krage, ob Koalition oder Auslösung, bringen sollte, vor eine voll endete Tatsache gestellt, insoweit die Koalition in Betracht kommt. Inzwischen ist aber die Gegenseite innerhalb der Sozialdemokratie, die aus die Schaffung einer klaren Bahn durch Neuwahlen hindräugt, nicht untätig geblieben, sondern hat in Voraussicht der Dinge, die sich gestern abgespielt haben, zum Ersatz deS abgclchnten kommunistischen Anf- lösungsantragcs einen Antrag aus Einleitung eines Volks begehrens zur Auslösung des Landtages cingebracht. Da die ver fassungsmäßigen Voraussetzungen hicrlür vorliegen, so hat die RegktPUü,diesem Anträge entsprechen müssen und sofort eine dahingehende Verfügung erlassen. Daß das Vvlks- Legehrkn sowohl von bürgerlicher wie von sozialistischer und «kommunistischer Seite reichliche Unterstützung erfahren wird, steht außer Zweifel, und die Auslösung ist daher sehr wahrscheinlich. Allerdings hätte man das weniger um ständlich haben können, wenn man nicht gar so erpicht darauf gewesen wäre, es erst noch einmal mit der Koalition zu versuchen und um ihretwillen die sofortige Auslösung zu vermeiden. Daß das unter so mannigfachen Hemmungen und Müh- salen zustandcgekvmmene Koalitirnsepperiment in zielbewnh- tcn bürgerlichen Kreisen irgendwie das Gefühl einer wirk lichen Lösung des Knotens Hervorrufen könnte, wird an gestchtS der ganzen Lage niemand so kühn sein, behaupten zu wollen. Man bedenke, unter welchen Begleiterscheinungen es sich vollzogen hat. Zunächst fällt die unbedingte Selbst verständlichkeit ans die Nerven, womit die bürgerlichen Koa- litionssreunde einem Sozialdemokraten die Ministerpräsidcut- schaft zugcbilligt haben. Ter Gedanke, einen bürgerliche» Vertreter an die Spitze der Landcsgeschäste zu stellen, ist gar nicht aufgetaucht. So macht es aus den unbefangenen Be obachter geradezu den Eindruck, als wenn die Bürgerlichen froh gewesen wären, überhaupt mit in der Negierung nuter- zukommcn. Als ebenso „selbstverständlich" ist auch die Richt- antetlnahme der Dcutichnatioualcn an der Koalition be trachtet und behandelt worden. Man kann nicht sagen, daß dadurch der Eindruck eines besonderen bürgerlichen Selbst bewusstseins bei den bürgerlichen KoalitionSpartcien erzeugt würde. Und dabei geschieht so etwas just in dem Augenblick, wo die führenden Größen der Sozialdemokratie selbst vsson zugeben, daß ihre Partei in starkem Rückgänge begriffen sei und Laß nur die Koalition ihr die Möglichkeit biete, sich noch weiter tm Besitze der Macbt zu behaupten. Was Hilserding Über die innere Brüchigkeit der Partei erklärt hat, rst noch unvergessen: ebenso die Auslastungen Dittmanns über die jungen Redakteure und Schullehrer, die ln der Partei das Zepter führten. Und der „Vorwärts" vervollständigt in drastischer Weise das Bild.'indem er die Berichte veröffent licht, die ihm über die Stimmungen und Strömungen in der Partei von Vertrauensleuten zugcgangcn sind. Der Kern dieser hochinteressanten parteipolitischen Psnchologie besteht in- der, Feststellung, „daß es den Gelben und den Deutsch- nationalen stellenweise sogar gelungen sei. in die Betriebs räte einzitdringen, und daß sich insbesondere unter den Be amten und Angestellten reaktionäre und nationalistische Ten denzen mehr und mehr breitmachtcn". In einem der Berichte findet sich die bezeichnende Stelle, daß neben einer physischen Unterernährung, die zu einem großen Teil die politische In differenz hcrvorgerufen habe, es auch eine geistige Unter ernährung gebe, welche die Widerstandskraft der Arbeiter schaft gegen die von allen Seiten anstürmcndcn Tagcsnüte und Sorgen auf das äußerste verringert habe. Dabei wird natürlich verschwiegen, daß die Arbeiterschaft gerade von der Sozialdemokratie selbst durch die ödeste und dürrste politische Hf.tzk.ost fortgesetzt „geistig unterernährt" worden ist und diese Art von Beköstigung endlich sattbekommen hat. Wenn bür-ekliche Parteien sich unter solchen Verhältnissen zu einer Koalition mit der Sozialdemokratie entschließen können, in der überdies noch der sozialistisch::! Partei durch die wider spruchslose Gewährung der Ministerpräsidentschast eine Be glaubigung für ihren vorherrschenden Einfluß ausgestellt wird, so kann in diesem Verhalten doch nur eine bedauer liche politische Schwäche erblickt werden, die einer innerlich t» der Zersetzung begriffenen Partei künstlich auf bürgerliche Kosten nach Stctnochscher Methode eine ungebührliche kurze Lebenskräfttgung verleiht. Weiter ist nicht zu vergessen, daß die sächsische Koalition i« dem Augenblick aebUdet wird, wo sich in Thüringen die Verbrüderung der Sozialdemokratie mit dem Kommunis mus aufs neue durch den Abschluß eines Wahlbündnisses offenbart hat, während gleichzeitig die dcrtigen bürgerlichen Parteien ein vorbildliches Beispiel von Einheitlichkeit anf- stellcn. Es ist angebracht, den sächsischen Bürgerlichen zu Gc- mtttc zu führen, was eine führende bürgerliche Persönlich keit in Thüringen über die dortige Lage geäußert hat. Durch nichts, heißt es in den bemerkenswerten Auslastungen, würden die thüringischen Verhältnisse klarer beleuchtet als durch den Beschluß sämtlicher nichtsozialiitischcr Parteien, in dem kommenden Wahlkampfe eine Einheitsliste außzu- stellcn, um das eine Ziel zu erreichen, das alles andere beherrscht, nämlich, die sozialistische Mißwirtschaft zu brechen, der der neue thü ringische Staat säst erlegen wäre. Das Ziel, das sich die Sozialdemokraten gesetzt hatten, bestand nach den eigenen Worten eines ihrer Führer darin, „Thüringen zu einem sozialistischen Expert mcnticrtigel zu machen", und da- Mittel, durch das es erreicht werden sollte, war eine einseitige P a r t e i d i t t a t u r. Können ernsthafte bürgerliche Kreise in Sachsen glauben, daß das Sinnen und Trachten der Sozialdemokratie unter dem jetzt in ihr herrschenden radikalen Linkskurse in unserer engeren Heimat auf etwas anderes gerichtet sei? Die Frage stellen, heißt sie verneinen. DaS ganze Streben der KoalitionSsozialisten ist nicht etwa aus eine loyale Zusammenarbeit mit den Bürgerlichen eingestellt, sondern cö geht lediglich dahin, sich mit Hilfe der bürill.rlichcn, Parteien um jeden Preis im Besitze der Macht zu behaupten und das zu vermeiden, was Genosse Jllgc- Letpzig als die größte Gefahr bezeichnet, nämlich dte völlige Ausschaltung des sozialistischen Einflusses aus der Regierung und Verwaltung. Daraus ergibt sich für die bürgerlichen Parteien die zwingende Schlußfolgerung, ihrerseits alle Kräfte cinziisctzen, um das herbeizusühren. was der Sozial demokratie als der Ucbel größtes erscheint, vom Stand punkte ihres PartetcgoiSmuö aus gesehen, nämlich: eine rein bürgerliche Rogicruug. Mit diesem Ziel vor Augen muß der kommende Wahlkampf aus Grund eines einheitlichen bürger lichen Vorgehens geführt werden. Für dle sächsischen Bürger lichen ist es Ehrensache, die Thüringer nicht im Stich zu lasten, sondern es ihnen glcichzutun. Wenn in der sächsische» bürgerlichen Stellung von vornherein eine gewisse Schmack»« dadurch gegeben ist. daß dte Landtagsauflösung nicht von bürgerlicher, sonder» von sozialdemokratisch-radikaler Seite erzwungen wurde, so kann und muß dieser Mangel dadurch wcttgemacht werden, daß nunmehr der gesamte Strom der bürgerlichen Energie nach einer einheitlichen Richtung gelenkt ivird. Für den Wahlkamps kann aus bürgerlicher Seite nicht die Koalition als Parole ausgcgeben werden, sondern er muß ganz und ausschließlich im Zeichen der Schaffung einer bür gerlichen Mehrheit stehen, die dem sächsischen Volke beweist, oaß auch ohne die Sozialdemokratie regiert werden kann, und daß nur auf der Grundlage der Befreiung vom Mar xismus die Interessen der Gesamtheit und nicht zum wenig sten auch der Arbeiterschaft sachlich und nachdrücklich gewahrt werden können. An eine Koalition mit der Sozialdemokratie bars ein zielbewußtcs Bürgertum nicht eher wieder denken, als bis die Partei sich feierlich und förmlich vom Klastentanrpf und von der Diktatur des Proletariats losgesagt und jede Ver bindung mit den Kommunisten endgültig abgebrochen hat. Bis jetzt hat die Sozialdemokratie den Kommunisten gegen über nur ein Verhalten betätigt, das die Koalitionscrklärnnq >m Landtage in ungewollter Selbstvcrspottung als „unermcß- liclfe Selbstausopscrung" kennzeichnet. Von da bis zu einer unzweifelhaften GesinnungSwcmblung ist noch ein sehr weiter Schrüt. und ehe der nicht getan ist. kann es für ein Bürger tum. das aus den Erfahrungen der Vergangenheit gelernt hat, nur das einzige Bestreben geben, in einer soztalisten reinen Negierung die ihr gebührende, viel zu lange preis- gegebene Stellung zurückzugewinnen. Der Wahlvorgarrg im sächsischen Lan-lage. Spallung der sozialisLischen Fraktion. Zn der gestrigen Sitzung des Landtags wurde der bis herige Finanzministcr Abgeordneter Heidt mit 52 Stimmen znm Ministerpräsidenten gewählt. Aus den dcutschnationalcn Abgeordnete» Hosmann eursielcu 17 Stimmen und aus den kommunistischen Abgeordneten Böttcher lü Stimmen. Vorher war eine vou 15 sozial demokratischen Abgeordneten nnterzeichnete Erklärung abgegeben worden, daß sie nicht imstande seien, dem Abg. Heidt ihre Stimmen zu geben, da die Bildung einer Koalitionsregierung im lHcgcnsatz zu den Vvschlüstcir des letzten Landespartcitagcs stehe. Die Folge dieser Spaltung der sozialistischen Lcrndtagssraktiou ist ein Volksbegehren aus Auflösung des Landtags, das nach der nackstelwirden Veröffent lichung der „Sachs. Staatö.ztg." bereits die Genehmigung der Negierung gesunden Hai. Zulassung eines Volksbegehren» aus Auslosung -es LanLlags. Tie „Läcbs. Staatsztg." veröffentlicht folgendes: Der Lanbesarbcitsaus^chuß der Vereinigten Sozial demokratischen Partei Sachsens hat durch keine Vorsitzenden Artur Arzt «nd Oskar Edel unter dem 8. Januar ll>21 einen Antrag cingercicht, daß das Gcsamtministcrium ans Grund des Artikels 86 der sächsischen Verfassung ein Volks begehren über die Auslösung des Landtages hcrbeistthre. Das Gejamtministcrinm hat beschlosten, dieses Volks begehren ani Grund des Artikels 86 der Verfassung und 88 1 uud 2 des Gesetzes über Volksbegehren und Volksentscheid vom 8. März 1821 1GB1. S. 62j zuznlastcn. Weitere Bestim mungen bleiben Vorbehalten. Dresden, den 4. Januar 1924. IScjawtmiuisteriirm: Fel lisch. Ministerpräsident Die oorausstehlttche MiniflerUfle dürste wie folgt ansseheo: Redakteur Müller-Chemnitz sSoz-i Inneres: Biinger sD. Vp.s Justiz: Dr. Kaiser sD. BpZ KultuSr Elöner sSozZ Arbeit: Redakteur Müller-Leipzig sS»z.s Wirtschaft: Dr. Rcinhold sDem.j Finanzen. Sämtliche der vorgenannten Minifterkandidatcn, mit Aus nahme des ArbeitsminiftcrS Elsuer, gehören dem Landtag als Mitglieder an. Endgültig ist diese Liste aber noch nicht. Der Sitzungsbericht. 79. Sitzung. Dresden, den 4. Januar 1924. Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung steht außer der ersten Beratung der Notverordnungen die Wahl und Ncr» cidignug des Ministerpräsidenten, sowie die zweite Beratung des Antrages aus Landtagsauflöiung. Ter Andrang zu den Tribünen ist stark. Eine große Menschenmenge, die keinen Einlaß mehr findet, steht vor de« LandtagSgebaude. Die tm sächsischen Parlament nun schon zur Regel gewordene Ver zögerung des Sibnngsbeginnes tritt auch heute ein. Um I Uhr läßt sich noch kein Abgeordneter im Saale bücke». Das akademische Viertel verstreicht. Dann teilt Präsident Winkler der harrenden Menge mit, daß dte Sitzung erst um 2 Uhr be ginnt. ES finde» offenbar noch Verhandlungen über die Be setzung der Ministerien statt. 20 Minuten nach 2 Uhr ruft die Hupe die Abgeordneten in de» Saal. Nach Eröffnung der Sitzung schlägt Präsident Wlukler vor, die Vorlage über die weitere Abänderung des Vcr- waltnngskosteirgesetzeS In sofortige Schlußbcratung zu nehme«. Die Kommunisten widersprechen jedoch, so daß der Vorschlag des Präsidenten nicht durchgcsührt werden kann. Weiter schlägt der Präsident vor, eine Umstellung der Tagesordnung insofern vorzunchmen. als die Wahl und Vereidigung des Ministerpräsidenten an erster Stelle erfolgt und dann erst die Beratung der Notverordnungen, sowie deS Antrages der Kommunisten aus LandtagSauflösung Die Abgeordneten Bcntler lD.-N.i und Böttcher sKomm j widersprechen diesem Abänderiingsvarschlag. Dieser wird jedoch gegen die Stimme« der Dcutschnationalen und Kommunisten beschlossen. Daraus macht Ministerpräsident Fcllisch im Namen der Regierung Mitteilung über einen Antrag auf Volksbegehren. Der LandeSarbcttSauöschuß der Vereinigten Sozialdemo kratischen Partei Deutschlands hat folgendes Schreiben an mich gerichtet: „Dte Vereinigte Sozialdemokratische Partei Sachsens, vcr- treten durch den Unterzeichneten LandesarbcitSauSschuß, be antragt auf Grund des Artikels 80 -er Verfassung, daß da- Gesamtministertum ein Volksbegehren auf Auflösung de» Landtages hcrbeisührt. Die Vereinigte Sozialdemokratische Partei Sachsens repräsentiert wett über ein Zehntel der Stimmen der letzten Landtagswahl. Arzt, Edel, Vorsitzende... lZnrus rcchtS: Er hat ja gar keinen Vorsitzenden! Große Unruhe.) Der Ministerpräsident teilt weiter mit, daß das Gesamt ministerium auf Grund von Artikel 80 der Verfassung he» schlosse» hat» dem Antrage ftattzngcben. Eine entsprechende Berösscnt'ichung wird heute in der „Staatszeitung" erfolge«. Abg. Wirth (Soz.) gibt sodann folgende Erklärung der fozlaldemokrallschen Fraktion ab, deren Verlesen von den Kommunisten mit stürmischen Zurufen und Ge,achter begleitet wirb. „Der in Sachsen vorhandenen proletarischen Mehrheit war es infolge des Verhaltens der kommunistischen Fraktion leider nicht beschteden, auf die Dauer eine — besonders den untere» Vol'sschichten bienende -- fruchtbringende Politik zu treiben. Die Hoffnungen, die weite VolkSkretse auch über die Grenze» Sachsens hinaus an diese proletarische Mehrvett knüpfte», sind leider nicht erfüllt, ja zum Teil bitter enttäuscht morde». Ein Zeitabschnitt positiver Parlamentkarbeit wurde durch die von den Kommunisten bewirkte Auflösu ig deS Landtags t« Hochsommer 1922 unterbrochen. In schier unermeßlicher Selbstaufopferung bat die Sozial demokratie tmmer wieder »ersucht, die »»rhanden« prole- tarische Mehrheit zu positiver Sesetzaeberarstet« «inzustelle» Diesem Ziele zuliebe, hat sie in selbstlosester Weise neben anderen selbst eine Anzahl fähigster Minister und altbewährte«: Warlettühre, geov^rt. »t»a ia» wk «chm» «Nb»