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LGSV Druck und Verlag von tiepsch 6c Reichardt in Dresden. LodsvL L vo. lloklisksrautsu 8r. dlsz. <i. Lüaigs v. SsLbsvn »Iled-vdoeoLsäe «o. V0V. b-ioreiverkauk vre«!«». KtarrUS. L!ar»enstrnfte L« N b»« »/,1 Dhr T e ernlpalttfte Grunde«.«- «ca. S SUdrn, 2L Pi . K««itten Nachrichicu au«; DrcSLeu 20 P« <^e,cht1irs-^:,»eigen auf der Pr»oatje«rc ttetic :t0 Vi ; die »weijpalti^e ZeUeo.rexlielleOV'V' — In Nummern „au, Eonn u.steicrtngrn d<e eurjpolü^e L>rnnu. »eile 30Pj.,auiPrlM"» ierre 40 Ps, Knülle». Nochrichte» o Tiesde.. die Glu„dzeile25,Pf. Au-rvartrge Äusircoe nur gegen Voran:oc- zohlnng. — Jede- - legblatt kostet 10 Ps. Hauptgeschäfts stelle: Marirnstlaße S8 4K. Ktr Ävu Tlmrrigr empkodlea sied rrir MMlW'liWMsi u. kjer^l. LdelillL L eroever ri< TI»r«»n oui kenAirl« no» kesLiuic tskr>i>2l» L7I»» Ir< rriiitx«, ewpüohik ^«8 ITvinI»»N«It, k>668tl'N88v s. Wsit,§sUsnästzs LuszvLlil in kckMlk- M 1-IW-I.ckMM UkstML» Mt88 IMMKN-8MlgeMl KLUVLL LSkraMLiz-LLLeZS. ALL* ertigs ^l6fer7. »Rutmaßlichc Witterung: Mild, veränderlich. Die Zweite Kammer nahm gestern den Justiz- eiat an. Zn der gestrigen Sitzung des Reichstags gab beim Flat des Auswärtigen Amtes der Reichskanzler eine Erklärung in der M a n n e S m a n n - A n g c l e q e n - heit ab. DaS preußische Abgeordnetenhaus nahm gestern df.e Wahlrechtsvorlage im wesentlichen nach den Beschlüssen der zweiten Lesung an und ging dann in die Osterferie n. Kür morgen erwartet man in Berlin wieder eine große sozialdemokratische Kundgebung. Heute findet vor dem Schwurgericht Leipzig der Prozeß gegen de» Zimmcrgesellcn Gcorgi wegen Er mordung deck OberregierungSrateS Frhrn. v. Wöhr mann statt. Der drohende Ei s e n b a h n e r st r c i k in Nord amerika ist abgewcndet worden, da die Bundesregie rung vermittelnd eingrifs. Aus verschiedenen Teilen Südsrankreichs werden U e b e r s ch w e m m u n g c n gemeldet. Die russische Regierung verstärkt von neuem die Garnison in Täbrts. Die Cholera breitet sich auf Java immer mehr o»S. IseicbUag und auriväriige?s>M. Im Reichstage haben die großen Debatten über die auswärtige Politik, die mehrere Tage in Anspruch nehmen werden, mit zwei großzügigen Reden aus konservativer und nationalliberaler Seite eingesetzt. Im allgemeinen ist bisher die Besprechung auswärtiger Kragen die Achilles ferse des deutschen Parlamentes gewesen. Früher lag das wohl in erster Linie an der alles überragenden Größe des Bismarckschen Geistes, der die Zügel mit solcher unfehl barer Sicherheit lenkte, daß für eine kritische Betätigung des Reichstages kein rechter Spielraum übrig blieb. Als dann aber der „eiserne" Kanzler seinen Platz hatte räumen müssen, bedurfte es naturgemäß eines längeren Zeit raumes, ehe unsere Volksvertreter im Reiche sich dassenigc Maß von diplomatischer und staatsmännischer Schulung anzucignen vermochten, das zu einer Behandlung aus wärtiger Kragen im großen Stile, wie sie im englischen und französischen Parlament üblich ist, unbedingt erfordert wird. Die Folge dieses Zustandes war, daß eine lange Reihe von Jahren die auswärtige Politik im deutschen Reichstage eine untergeordnete Rolle spielte, weil die Volksbotcn sich mit verschwindenden Ausnahmen nicht über eine dilettantenhaftc Form bei der Erörterung der inter nationalen Probleme zu erheben vermochten. Erst unter dem Fürsten Bülow trat hierin eine entschiedene Wendung zum Besseren ein. Die Empfindung, daß der Reichstag im .Interesse seines Ansehens unmöglich auf dem Gebiete der auswärtigen Politik in den bisherigen ausgetretenen Spuren weiter wandeln könne, wurde so allgemein, daß sie sich n. a. zu Anträgen verdichtete, welche die Negierung verpflichten wollten, dem Reichstage in regelmäßigen Zwischenräumen amtliche Nachweise über die Leitung der auswärtigcu Angelegenheiten zur Kenntnis zu bringen. Das war natürlich ein Schlag ins Wasser: denn da über die Auswahl der vorzulegendcn Dokumente selbstverständlich allein die Regierung zu entscheiden hätte, so wäre es jeder zeit in ihr Belieben gestellt, eine derartige Verpflichtung aus eine leere Form ohne Inhalt herabzudrücken. Die Hauptsache ist und bleibt ein festes Vertrauensverhältnis zwischen Regierung und Volksvertretung und auf seiten der letzteren die Betätigung einer Auffassung, die sich von oller kleinlichen Oppositionslust fern hält und das schwierige Ressort des Auswärtigen von der hohen Warte einer wahrhaft nationalen Gesinnung mit überlegener sach licher Ruhe beurteilt. Diesem Standpunkte entsprachen durchaus in der vorgestrigen Reichstagssitzung die Reden der Abgeordneten Graf Kanitz und Dr. Stresemant«. Daß der Schwerpunkt in den Auslassungen beider Redner in der Beleuchtung der handelspolitischen Beziehungen ruhte, kann angesichts -es beherrschenden Charakters, den dies« Seite der internationalen Lage gegenwärtig aufweist, nicht wundernchmcn. Besonders erfreulich ist an den hierauf bezüglichen Ausführungen da» gegenseitige Verständnis, das der Gemeinsamkeit der industriellen und landwirtschast- lichcn Interessen dargebrachi wurde. Gras Kanitz, der be rufene Wortführer der üeiuscheu Landwirtschaft, gab aus drücklich seiner Besorgnis Ausdruck, daß unsere Export- industrie unter dem neuen amerikanischen Tarif schwer zu leiden haben werde, und meinte, wir müßten die amerika nische Hochschutzzollpolitik mit ihren eigenen Mitteln be kämpfen und statt der festen Sähe ebenfalls Wertzölle ein- siihren. Die Nichtigkeit dieses Hinweises ist unverkenn bar: man mochte sagen, er ist geradezu das Ei deö Columbus. Auf der anderen Seite betonte der nationalliberalc Abgeordnete Dr. Strcsemann, daß wir keinen Anlaß hätten, unsere Exportpolitik so exzessiv zu betreiben, daß darüber die Landwirtschast vernachlässigt würde. Je mehr der Zwang der äußeren Verhältnisse die Konservativen und die Nationalliberalcn in der Erkenntnis ihres gemein samen Vorteils auf wirtschaftlichem Gebiete und in der Wertschätzung des inneren Marktes zusammensührt, desto nachdrücklicher wird sich auch dieser Antrieb zum gegen seitigen Znsainmcnschlussc in der parteipolitischen Kon stellation geltend machen. Wahrend so die Reden deS kon servativen und des nationalliberalcn Vertreters auf der Höhe der Situation standen, konnte der Abgeordnete Kaempf es sich nicht versagen, die neue fortschrittliche BolkSpartei gleich bei der ersten Gelegenheit in den Strudel freihändlerischer Abgeschmacktheiten hinabzuzteheu, indem er kaltlächelnd die ganze Hochspannung der moder nen Schutzzollpolitik in aller Welt auf — Deutschland als den eigentlichen Sündcnbocl zurückführte. Was soll man dazu sagen? „Spottet seiner selbst und weiß nicht wie!" Angesichts dieser manchcslerlichen Entgleisung des fort schrittlichen Volksparteilers kann die sachliche Bedeutung der Ausführungen des konservativen und des national- liberale» Redners nur um so plastischer hervortreten. Wenn insbesondere Graf Kanitz seine Rede mit den Worten schloß: „In Fragen, welche die Machtstellung Deutschlands berühren, wird das Auswärtige Amt nns stets hinter sich haben", so hat er damit die Richtschnur be zeichnet, die für die nationalen Parteien des Reichstags stets in erster Linie maßgebend sein muß und die man als Motto jeder auswärtigen Debatte xm Reichsparlamcnt voranstcllcn sollte. Wenn der Reichstag bei der Behand lung auswärtiger Kragen sich stets von diesem Grundsätze leiten läßt und bei der Vertretung aller großen vaterländi schen Gesichtspunkte und Interessen gegenüber dem Aus lande eine maßvolle, aber entschiedene Festigkeit zur Schau trügt, so wird er seiner Ausgabe nach außen hin gewachsen und imstande sein, nicht bloß einer starken Regierung den notwendigen parlamentarischen Rückhalt zu gewähren, sondern auch unter Umständen einer schwächlichen Regie rung die Kraft zu einem energischen Vorgehen zu verleihen. Neueste vrahtmelclungen vom 16 Mär; Deutscher Reichstag. Berlin. «Prtv.-Tel.) Tie Beratung des Etats des Auswärtigen Amtes wird beim Titel „Staatssekretär" fortgesetzt. Abg. v. Dirkscn lReichöp.): Im Begriff der auswärtigen Politik liegt eö, daß sie den Laien immer ein verschleiertes Bild von Sats bleibt. In die innere Poli tik Englands uns cinzumischcn haben wir keinen Anlaß: deshalb halte ich es auch für inopportun, daß gestern die Frage berührt wurde, ob England zum Schutzzoll übergehen will. Auch unser Berhältnis zu Frankreich ist gestern be rührt worden. Mau sollte sich hier nicht so viel über aus wärtige Fragen unterhalten. Was die Ausführungen Strcse- manns zum Fall Mannesman,, anlangt, so stehen wir ans einem ganz andere» Standpunkt. Strcsemann sollte nickt vergessen, daß in der Kommission die von den National liberale» beantragte Resolution mit alle» gegen 5 Stim men abgelehnt worden ist. Der Regierung würde ein Vor wurf daraus erwachsen, wenn sie sich vollkommen mit den Manncsmann-Ansprüchen identifiziert hätte. Diese An sprüche decken sich dazu nicht genug mit den Gruudsätzen der Algcctraöakte. Herr Scheiüemanu meinte gestern, früher sei nnscre Politik operettenhaft gekettet worden, jetzt sei sie ledern, langweilig. Ich kann den Reichskanzler nur aufsvrdcrn, so fort zu arbeiten. Mag seine Politik auch scheinbar ledern fein, so verleiht sie „ns doch daS Gefühl der Sicherheit. Unzweifelhaft ist gerade der Reichskanzler ein Mann von hohem sittlichen Ernst. «Beifall rechts.) Der Anregung StresemannS, den geheimen Dispositionsfonds wieder in voller Höhe herzustellen, um gehässigen Anwür fen der ausländischen Presse gegen die deutsche Politik besser entgegentreten zu können, stimmt Redner mit seinen Freunden durchaus zu. — Hierauf gibt Reichskanzler v. Bethmann-Hoklweg folgende Erklärung in der Ma n n c Sm a n n - A n g e l ege n he i t ab: «Ich glaube nicht, daß die Behandlung dieser Sache im Plenum dicZiei,- sürdeit, die der Vorsitzende der Budgeikoinmission an« gestellt hat- Der Beginn dieser Angelegenheit liegt weit zurück. Ten Anforderungen der Algecirasakie entspricht das Berggesetz, ans das sich die Herren Mannesman« bi msen, nicht. Und z» einen, Vertragsbrüche werde ich mich nicht hergeben. Mögen die Ansprüche Mannesman» noch so wirtschaftlich wertvoll sei», sv sind sic üvch kein Lcbcns- inieresse Deutschlands. Wir werden uns wie bisher der Malineoinannschen Wirtschaflsintercssen kräftig annehmen, aber erleichtert haben „ns die Herren das nicht. Ich kann nur wünschen, daß die Herren ManncSmann in dieser Be ziehung künftig Wandel eintrcten lassen. Nachdem die,« -Herren die bisherige Znrückbaltung der Reichsregierung im Auswärtigen Amte als Angst ansgclegt haben, waren wir gezwuilgeri, die Denischrist zu veröffentlichen, sonst hätten wir cs nicht getan. Aber wir müssen zeigen, daß wir nichts zu verderben haben. Der -Herr Abg. Strcsemann hat gestern im Eingang seiner Rede einen Rückblick ans unsere aus wärtige Politit in den letzten Jahren "eworsen. Er Hai dabei ebenso wie es der Herr Abg. Graf Kanitz vor ihm getan, insonderheit der von der Zustimmung von ganz Deutschland getragenen Politit des Fürsten Bülow wäh rend der letzten Orientirisis gedacht. Im Gegensatz zu dieser Politik der Entschlossenheit und der Stärke hat der Herr Abg. Strcscinann auf die Wirkung hingewicscn, die weite Kreise der öffentliche» Meinung darüber erfüllt, ob bei dem Abgänge des Fürsten Bülow die Interessen Deutsch lands in der auswärtigen Politik noch genügend gewahrt seien. Der Herr Abg. Streiemann hat damit, wie ich gern anerkenne, in sehr vorsichtiger Weise «^gedeutet, was in einem großen Teile der Presse in den letzten Monaten wiederholt und mit großer Schärfe unmittelbar als Schwäche und Nachgiebigkeit unserer gegenwärtigen aus wärtigen Politik gebrandmarkt worden ist. Gewiß, gerade die äiisivärtige Politik steht mit Recht unter der Kritik der vssciitlichen Meinung. Aber ich möchte es für efn ge fährliches Beginnen halten, die Leitung der auswärtigen Politik durch einen Vorwurf der Schwäche — und ich kenne leinen schärferen Vorwurf — vor dem In- und Auslande zu diskreditieren lLebhasie Zustimmung», wenn man diesen Vorwurf nicht durch ganz bestimmte Tatsachen beweisen lann. iErnente lebhafte Zustimmung.) Es handelt sich dabei nicht sowohl um die Stellung oder die Person des verantwortlichen Staatsmannes, sondern es werden dadurch Werte gefährdet, auf denen Deutschlands Stellung in der Welt bernbt. Nun, meine Herren, möchte ich fragen, kann mir irgendein Moment genannt werden, wo Deutschland in neuerer Zeit in seiner Stellung zu den Mächten Schwäche und Nachgiebigkeit gezeigt hätte? Wir sind in der Lage gewesen, auch seitdem ick zur Führung der Geschäfte berufen bin. zu den Mächten frenndschgitliche Beziehungen zu pfle gen. ohne dabei etwas anderes einznsetzen, als den Willen. Deutschlands Stellung in der Welt nachhaltiger, aber lonal zu vertreten. «Lebhafte Znstiinriinng.) Ich habe den Ein druck, daß wir dabei nickt schlecht gefahren sind. «Erneute Zustimmung.» In einem will ich dem Abg. Strescmanir bcipslichlcn. Auch ich bin der Ansicht, daß es von Jahr zu Jahr eine größere und bedeutungsvollere Auf gabe unserer auswärtigen Politik kaum gibt, als die wirtschaftliche Stellung Deutschlands im Aus lände z» fördern. Unser diplomatischer Dienst ist wohl mit Reckt auf die Betonung unserer wirtschaftlichen Interessen eingestellt worden. Als ich mein Amt über nahm, fand ick es nötig, unsere auswärtigen Beamten b- sonders n»t Mitteilungen zn ersticken über das Leben und die Interessen der Deut'ckcn im Auslände. Gras Kanitz schloß gestern: Unsere auswärtige Politik wird von dein einmütigen Willen des Reichstages getragen. Ick weiß nickt, ob Graf Kanitz eine Prcßstimme gelesen bat. In de, aesagt wurde, unsere answäriigr Politik sei schwächlich und babc nickt den Reichstag hinter sich. Mir ist es nie i» den Sin» gekommen, mich durch Angriffe gegen meine innere Politik von der Linie in der Vcrsolgnna nnsercr auswärti gen Politik abdränaen zu lassen, die ick für die richtige halte, und ich hoffe allerdings, daß ick in allen Fragen, bei denen es fick »m unsere Stellung unter den Weltmächten handeli, den Reichstag hinter mir haben werde." «Beifall.) — Abg. Lieb ermann v. S o n n e n b e r g «Wirisch. Vgg.) tri» für die Ansprüche der Gebrüder Mannesman» rin, verlanai vom Reichskanzler, daß unser bnndessrenndlicker Einfluß -um Schutze unserer dcnischen Brüder in Oesterreich aeliend gemacht werde, und meint schließlich, wer sich ans das Aus wärtige Amt verlasse, der sei verlassen. — Abg. Dove iFreis. Vp.« bestreitet Streseman» gegenüber, daß rs banpi- sächlich wcltwirtschasilichc Gegensätze seien, die die Span nung zwischen England und »ns verursacht bätten. Die Verhetzung würde hüben »nd drüben dnrch »«ationalistischc Kreise betrieben, was natiiracmäß ans die answärtiac Po litik wirken müsse. Die Manilcsnianii-Intcrcsscn dürsten nur insoweit von »nS geschützt werden, als sie den Verträgen nicht widersprechen. — Reichskanzler v. Betb- mann-.Hollweg: „Der Abg. LieVermann v. Sonnenberg bat Angriffe aus das Auswärtige Amt und seinen verdienst vollen Leiter gerichtet, die in ibrer Allgeineinbeit das Un erhörteste sind, was ich sc gehört habe. Er sagte: „Wer sich auf daS Auswärtige Amt verläßt, lei verlassen " Eine solche Behauptung weise ich mit Entrüstung zurück. Der Herr Abgeordnete bat auch keinerlei Beweise dafür erbracht, daß eine solche Behauptung berechtigt sei. Herr Siebermann np« Gonnenberg bat aber außerdem einen Unterschied macken zu sollen geglaubt zwilchen der Politik, die ick führe, und der mir unterstellten Behörden. Ein derartiger Unterschied darf nicht gemacht werden Wenn Sie dtc auswärtige Politik Z§8l?LimÜ8?08lmr1!