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WßMh-MIIW Verantwortlicher Redacteur: Carl Ikhne in Dippoldiswalde 55. Jahrgang. Donnerstag, den 14. März 1889 Nr. 32. m Zur Frage -es Sozialistengesetzes. Schon seit längerer Zeit sind Gerüchte aufgetaucht, nach denen sich die Reichsregierung mit dem Gedanken tragen soll, das jetzige Ausnahmegesetz gegen die ge meingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie aufzuheben und durch eine Novelle zum Strafgesetz buche zu ersetzen. Aus den der Reichsregierung nahe stehenden Preßorganen hat sich bis jetzt zwar noch nicht entnehmen lassen, inwieweit diese Gerüchte be gründet sind, vielleicht darf aber gelegentlich der Er örterung über die Rechenschaftsberichte betreffs Aus führung des Sozialistengesetzes, mit welchem Gegen stände sich der Reichstag bei seinem Wiederzusammen- tcitte am Mittwoch zu beschäftigen haben wird, Er klärungen der Negierung darüber, wie sie sich zu der angeregten Aufhebung oder wenigstens Milderung des Sozialistengesetzes stellt, entgegengesehen werden. Es kann keinem Zweifel mehr unterliegen, daß der nun fast elfjährige Ausnahmezustand, unter welchem sich die sozialdemokratische Panel in Deutschland befindet, nicht vermocht hat, ihr Anwachsen wesentlich zu beein trächtigen, im Gegentheil, die Zahl ihrer Anhänger nimmt von Jahr zu Jahr zu - die Reichstagswahlen bewiesen dies schlagend — und ob dieser Thatsache gegenüber die jetzigen Ausnahmemaßregeln noch am Platze sind, möchte da fast zu bezweifeln sein. Aller- diügs galt es bei dem ersten Erlasse des Sozialisten gesetzes im Jahre 1878, zunächst den immer bedenk licheren Auswüchsen des Treibens der sozialdemokra tischen Agitatoren, wie sich solche in der fozialdemokra- . tischen Presse, in Vereinen, Versammlungen u. s. w. mehr und mehr kundgaben, energisch entgegenzutreten. Die fluchwürdigen Attentate eines Nobiling und eines Hödel gegen Kaiser Wilhelm l. mußten unbedingt den Hetzereien der sozialdemokratischen Apostel aufs Konto gesetzt werden und der hierdurch tief erregten öffent lichen Meinung Deutschlands wurde durch den Erlaß des Sozialistengesetzes unverkennbar eine Genugthuung gewährt. Die in der Thal erreichte Eindämmung der sozialistischen Agitation und hierdurch erzeugte äußer liche Ruhe in der Umsturzpartei, verleitete jedoch die Regierung offenbar zu der Annahme, daß auch durch das Ausnahmegesetz den sozialdemokratischen Bestre bungen allmählich der Boden entzogen werden könnte und somit das von den Bebel, Liebknecht und ihren Genoffen entzündete unheimliche Feuer in den untersten Volksschichten. schließlich auf einen engen Kreis be schränkt bleiben würde. Diese Rechnung aber stellt sich allgemach als trügerisch heraus, gerade die Ein grenzung der sozialdemokratischen Agitationen nach Außen hat nur eine um so straffere Organisation der Partei nach Innen zur Folge gehabt, jetzt wird von den Leitern und Vertrauensmännern derselben um so eifriger im Geheimen „gearbeitet" und gewühlt und daß diese geheime Agitation viel gefährlicher ist, als die offene, bedarf wohl keines besonderen Beweises. Bei den letzten allgemeinen Reichstagswahlen ist be kanntlich eine überraschend starke Zunahme der sozial demokratischen Stimmen zu Tage getreten und fast jede seitdem stattgefundene Nach- oder Ersatzwahl, bei der die Sozialdemokraten überhaupt selbstständig vor gingen, hat diese bedenkliche Erscheinung ebenfalls immer wieder hervortreten lassen. Diesem Stande der Dinge gegenüber erscheint der praktische Nutzen des Sozialistengesetzes in seinem jetzigen Umfange denn doch fraglich und gilt es außerdem zu berücksichtigen, daß der Ausnahmezustand, unter welchem sich Hundert- taüsende von Bürgern befinden, sie mit den bestehen den Verhältnissen nichts weniger als auszusöhnen ver mag. Es wäre daher nur begreiflich, wenn man sich, wie es heißt, in den Kreisen der Reichsregierung schon seit geraumer Zeit ernstlich mit der Frage beschäftigt, ob nicht das bisherige Sozialistengesetz als solches auf zuheben sei und durch Bestimmungen, die sich mehr dem allgemeinen Rechte anschmiegen, ersetzt werden könnte. Gewiß wird kein einsichtiger Beurtheiler der Verhältnisse verlangen, daß die Ausschreitungen der Sozialdemokratie innerhalb des Rahmens des jetzt be stehenden Strafgesetzbuches bekämpft und bestraft wer den sollen, denn dies würde ihrer zügellosen Agitation nur aufs Neue Thür und Thor öffnen. Aber ander seits kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die jetzigen Bestimmungen des Sozialistengesetzes ihrem Zweck nicht mehr entsprechen und daß es daher an der Zeit ist, sie durch andere Gesetze zu ersetzen, welche zwar gleichfalls den sozialdemokratischen Ausschreitungen entgegenzutreten haben würden, die jedoch gleichzeitig zum Boden des gemeinsamen Rechts zurückleiten könnten, wenngleich eben vorerst auf eine Spezialge setzgebung gegen vie Sozialdemokratie noch nicht voll ständig zu verzichten sein wird. Die heute Mittwoch im Reichstage bevorstehende abermalige Sozialistendebatte giebt den verschiedenen Parteien Gelegenheit, ihre Stellung zu der angeregten wichtigen Frage darzulegen und hoffentlich wird hierbei auch die Reichsregierung mit ihren Ansichten und Entschlüssen nicht zurückhalten. Lokales «nd Sächsisches. Dippoldiswalde. Die mit den Gesuchen um Bauerlaubniß bei den Behörden eingehenden Zeich nungen sind mitunter derartig mangelhaft und un genau, daß eine Prüfung derselben mit besonderem Zeitverlust und Schwierigkeiten verbunden ist. Zu thunlichster Beseitigung der am meisten zu Tage treten den Mängel sei daher mit Rücksicht auf die mit Ein tritt des Frühjahres wiederum beginnende Bauzeit an dieser Stelle noch besonders auf die betreffs der frag lichen Zeichnungen gültigen Bestimmungen aufmerksam gemacht. Dieselben müssen: u) in doppelten vollständig übereinstimmenden Exemplaren eingereicht werden; b) wenigstens deutliche und genaue, nach dem beizu fügenden Maßstabe gefertigte Linearzeichnungen sein; o) wenn sie sich auf Reparatur- und Veränderungs- bau oder Anbauten beziehen, die neu herzustellenden Theile von den alten unterscheiden lassen und ck) auf beiden Exemplaren die Unterschrift des Baumeisters oder Baugewsrken haben, welcher den Bau leitet und für dessen vorschriftsmäßige Ausführung verantwortlich ist. Diese Vorschriften finden auch auf Tekturen An wendung. Bei Bauen aus roher Wurzel ist überdies noch eine, die Umgebung genau darstellende Situations zeichnung einzureichen. Für deren Richtigkeit in Bezug auf Größenverhältnifse und Entfernungen hat der Bau herr zu haften, und es ist derselbe, wenn sich nach ertheilter Baugenehmigung später solche Unrichtigkeiten ergeben, welche den Bau entweder überhaupt oder in der gestatteten Weise unzulässig erscheinen lassen, ge halten, den Bau je nach Umständen auf Anordnung der Baupolizeibehörde entweder wieder zu beseitigen, oder in der erforderlichen Weise abzuändern. Die Un genauigkeit und Unrichtigkeit gerade der Situations pläne (Planzeichnungen) hat schon in zahlreichen Fällen zu unliebsamen Verzögerungen und zu Verursachung unnützer Kosten geführt. Es ist daher den Ortsbe hörden dringend zu empfehlen, vor Abgabe der Bau gesuche an die kgl. Amtshauptmannschast die gedachten Planzeichnungen einer sorgfältigen Prüfung zu unter ziehen, auf hierbei vorgefundene Mängel aber den Bau herrn aufmerksam zu machen und denselben zu Be seitigung der letzteren zu veranlassen. Hierbei fei.ins besondere darauf hingewiesen, daß aus den fraglichen Plänen ersichtlich sein muß: l. Die Entfernung des Neubaues von den nächstgelegenen Gebäuden in kürzester Entfernung von Umfassung zu Umfassung gemessen; 2. die bauliche Beschaffenheit und Bestimmung der be nachbarten Gebäude, namentlich ob solche harte oder weiche Dachung haben, massiv oder nicht massiv sind, ob sie zum Wohnen oder als Schuppen, Scheunen rc. dienen; 3. die in der Nähe befindlichen Wege und Straßen und deren Breite und Entfernung; 4. die Wasserläufe, Gräben und anderen öffentlichen Vor- Inserate mit entsp dem Aufschlag.— sandt, im redakti Theile, di- Spaltenztil» MM richtungen, welche durch den Bau betroffen werden und endlich 5. die innerhalb 100 Meter vom beab sichtigten Bau liegenden Eisenbahnen. Betreffs der letzteren aber wird die von der hiesigen kgl. Amts hauptmannschaft unterm 19. August 1880 erlassene Bekanntmachung in Erinnerung gebracht, nach welcher jede Unterlassung der Bahneinzeichnung in den ein zureichenden Situationsplan mit einer Ordnungsstrafe bis zu 20 M. oder verhältnißmäßige Haststrafe sowohl an dem Bauunternehmer, als an dem Bauhandwerker, welcher die Zeichnungen und Pläne gefertigt hat, zu bestrafen ist. Auch hat der Bauherr, welcher obiger Vorschrift zuwiderhandelt, alle daraus sich ergebenden Verzögerungen und Nachtheile sich selbst zuzuschreiben, nach Befinden auch der Wiederabtragung des errich teten Gebäudes gewärtig zu sein. Schließlich wird, zur Beseitigung von Zweifeln, noch bemerkt, daß zu den Bauten aus roher Wurzel, bezüglich deren die Einreichung einer Planzeichnung überhaupt erforderlich sind, auch nachfolgende Fälle mit zu rechnen sind: a) wenn anstatt eines vorhandenen ein neues größeres Gebäude oder ein gleich großes, aber in veränderter Stellung erbaut wird; b) Vergrößerung bestehender Gebäude in ihrem Grundraume und o) Versetzung vorhandener Gebäude auf eine andere Stelle. Poffendorf. An dem Kadaver einer, der hiesigen Wirthschaftsbesitzerin Frau verw, Wiegand gehörig^» Kuh, ist von dem kgl. Bezirksthierarzt Herrn Lehnert aus Dippoldiswalde das Vorhandensein von Milz brand konstatirt worden. Die gedachte Kuh ist daher mit Petroleum übergossen, vorschriftsmäßig vergrabe« und sind gegen Weiterverbreitung der Seuche alle sonstigen Vorsichtsmaßregeln getroffen worden. Bei Herstellung der Grube stieß man auf menschliche Ge beine, welche dem Vermuthen nach von gefallenen Kriegern im Kriege 1813 herrühren dürften, da der- artige Ueberreste hier schon wiederholt gefunden wor den sind. Dresden. Nachdem, wie bereits berichtet, der 16. Juni als Hauptfesttag für das Wettiner Jubi läums fest bestimmt worden ist, sind die Vorberei tungen für eine würdige Feier desselben im ganzen Lande im vollen Gange. Bekanntlich hat sich der große historische Huldigungszug in Dresden zerfchlagen und wird derselbe nur in vereinfachtem Maße statt finden, doch ist dabei Sorge getragen worden, daß derselbe nicht am Hauptfesttage stattfinden wird, an welchem wahrscheinlich im ganzen Lande Jubelfestfeiern veranstaltet werden. Der leitende Gedanke dabei ist, diesen im ganzen Lande stattfindenden Jubelfeiern nicht dadurch Abbruch zu thun, daß gleichzeitig in der Residenz eines der glänzendsten Stücke dankbarer Huldi gung zur Erscheinung kommt. Dem Vernehmen nach geht die Absicht dahin, den verschiedenen Ortskomitees die Wahl des Tages für ihre Einzelfeiern zu überlassen, hingegen die allgemeine kirchliche Feier an einem und demselben Tage vorzunehmen. Hierfür ist vorläufig, ohne daß jedoch schon jetzt ein fester Beschluß vorlieat, der Sonntag vor dem 16. Juni ins Auge gefaßt. (Jedenfalls ist es sehr gut, daß in dieser Hinsicht ein entgiltiger Beschluß noch nicht gefaßt ist, da sich ein ungünstigerer Tag kaum finden lassen wird: der Sonn tag vor dem 16. Juni ist nämlich der erste Pfingst- feiertag.) — Wie in unterrichteten Kreisen verlautet, sollen die diesjährigen Herbstübungen der Truppentheile des kgl. sächs. Armeekorps in der Gegend von Döbeln und Lommatzsch stattfinden. Man spricht auch davon, daß Se. Majestät der Kaiser den Hebungen beiwohnen werde, wenn auch in diesem Herbste, wie schon er wähnt, ein eigentliches Kaisermanöoer mit Paraden in, Armeekorps zwei preußische Korps vor ihrtm aller höchsten Kriegsherrn haben werden. Wie »an sich er innern wird, hatte der Kaiser schon im vorigen Jahre die Absicht, die Manöver der Sachsen mit feiner An wesenheit auszuzeichnen. Inserat«, welche bei des bedeutenden Auflage det Blatte» eine schr wirk- ..»ri-eritz. Zeitung" .«qcheint wöchentlich drei- «al: Dienstag, Donners- Sag und Sonnabend. — PreU vierteljährlich 1 M. -M Pfg., zweimonatlich 84 Pfgv einmonatlich 42 Pfg. Einzeln« Nummern 10 Pfg. — Alle Postan- stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be- - Amtsblatt für di- Migliche YmtshauPtmaimschast Mxpoldisw-ld- sowie für di- Königlichen Amtsgericht- und di, StadtrSthe " zu Dippoldiswalde und Irauenstem