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Znknnftspolitik. Es rührt sich in Deutschland; man fängt an sich wieder für das zu intcressiren, was mit Deutschland werden soll, man macht Zukunftspolitik. Das ist ein Fortschritt unstreitig, und wer auf die leisen Zeichen der Zeit etwas gicbt, wird nicht Un terlasten, das zu beachten. Bisher waren cö höchstens die in- nern Fragen in den verschiedenen deutschen Staaten, welche von sich reden machten, die partikulären Kämpfe der Ncaction mit dem Liberalismus; von größerer Politik, namentlich seit dem Ausgang der orientalischen Krisis, spielte nur noch die auf die geringsten Dimensionen zusammengeschrumpfte schleswig-hol- steiniichc Angelegenheit, und wären nicht die höchst nationalen Fragen von einseitigem Gewicht, Längenmaß und Münzsystem gewesen, man hätte fast vergessen könne», daß es nationale Angelegenheiten in Deutschland gebe. Die tiefste Resignation war über uns gekommen; zu der Kühnheit, selbstständig Politik machen zu wollen, schwang sich nur der auf, der daran ge wöhnt, in der Minorität zu sein. Allmälig wird das, wie gesagt, anders. Das Gefühl breitet sich aus, daß Deutschland in den letzten Jahren doch wohl nicht ganz die Nolle gespielt habe, die ihm zukomme, und allerlei Pläne tauchen auf, wie aus gegenwärtiger Lage hcrauszugclangen sei. Aber wie es zu geschehen pflegt, daß Leute, die aus dem Schlafe erwachen, weder in ihrem Denken besonders scharf, noch in ihren Be wegungen besonders geschickt sind, so greifen auch die neuen Pläne zum Theil mehr mit frommen Wünschen ins Blaue hin aus, als daß sie auf gut zu betretende Bahn mit klarer Ein sicht sich bewegten. — In erster Stelle, wenn von großer Po litik die Rede ist, spricht man gemeiniglich von Allianzen; man zieht seine politischen Linien sehr ins Weite, combinirt groß und gewaltig, und je großartiger die Umrisse, desto wcrthvollcr, meint man, werde das Bild. So auch bei uns. Allianzen — ward das große Wort. Eine Allianz von Preußen, Oester reich und England — das sei cs, was Deutschland noch noth thue. Mitteleuropa verbunden — eine Landmacht ohne Gleichen; England dazu — so herrschen wir zur See und Land. Probat genug klingt das — das ist keine Frage. Aber in so unfrag- lichcr Gestalt das Projcct an einen deutschen GemütHS- und Gefühlspolitikcr auch hcrantrat, — der nüchterne» Prüfung drängten sich sofort Bedenken von allen Seiten auf. Indivi duen — so mußte man sich sagen — können sich allerdings ver binden zu gemüthlicher Gemeinschaft; man lebt miteinander, ge- nießt die kleinen Freuden dieser Erde miteinander, und wcnn's Noth giebt, hat Einer am Andern Trost. Eine solche Verbind ung! braucht noch keinen bestimmten praktischen Zweck zu habe», ja sie ist sogar da»» an» i»nigsten u»d angenehmsten, wenn sie ohne einen solchen Zweck ist, wenn kein Interesse dabei ist. So wie sie aber über das rein Persönliche, Gemüthlichc hinaus geht, verlangt auch eine Verbindung, eine Allianz von Indivi duen ihren bestimmten positiven Zweck; man bildet dann Vcr- Sächsische Amts-, Anzeige- und Unteehiütungsblntt für Schanden, Sebnitz nn- Hohnstein. DM- Durch alle Postanstaltc» zu beziehe». PräuumcratiousprciS vierteljährlich 10 Ngr. IVl'. 28. Freitag, den 16. Fnli 181)8° eine zu socialen Zwecken, Compagniegcschäftc zu kaufmännischen ober gewerblichen Actiengcsellschaften, zu industriellen Unter nehmungen w. In, Leben der Staaten sind jene erster», reine gemüthlichc Verbindungen, von vornherein ausgeschlossen; in m freundlichen Beziehungen zu stehen mit allen auswärtigen Mächten, das ist unter civilisirtcn Nationen der Normalstand, für welchen besondere Allianzen gar nicht erforderlich sind, ja, der besondere Allianzen nicht eigentlich ausschlicßt. Denn eine Allianz unter Staate» hat nicht blos, wie private Bedingungen von Jiivividucn, eine positive, sondern, zum Unterschied von ihnen, immer auch eine negative Tendenz; sie kann nicht gedacht werden ohne einen bestimmten Zweck und nicht ohne ein be stimmtes gegnerisches Object; sie muß sich stütze» auf gemcin- samc Interessen, und ist gerichtet gegen eine» gemeinsamen Geg ner dieser gemeinsamen Interessen. So steht die Sache uiizwel- fclhaft theoretisch und so ist eö in der Praxis immer gewesen. Eine Allianz von Preußen, Oesterreich und England müßte also diese beiden Merkmale haben, wenn sic anders ihren Na men wirklich verdienen, wen» sic mehr als ci» blos freund- schaftlichcs Vcrhältniß bezeichnen soll, in welchem diese Staaten ja an sich auch zu Frankreich und Rußland stehen dürfen. Zu nächst also müssen über die Bedürfnisse Deutschlands einig sein Preußen und Oesterreich, und cs fragt sich, oder freilich rich tiger, es fragt sich nach all' den Erfahrungen nicht mehr, ob sie das je sein werden. Es müßte dann ferner England diesen deutschen Interessen znstimmen und sic cventucll mit vertreten. Gewiß kann das oft genug der Fall sein. Nehmen wir z. B. die deutsch-dänische Frage, soweit solche nicht blos eine deutsche, sondern eine Angelegenheit der großen Politik ist, begreift sie den Kern der größern Fragen in sich, welche Stellung'Deutsch land in der Herrschaft der Meere einnehnien soll. Sehr wün- schenswerth nun ohne Zweifel, wenn Oesterreich und Preußen in diesen, Punkte einig wären, aber sind sie cs? Sehr wün- schenswerth ferner, wenn England in dieser Beziehung Sinn hätte für deutsches Recht und deutsches Interesse, aber sehr un bestreitbar auch, daß ihn dieser Sinn bisher gänzlich abgcht. Da nun dieser unser Streit gegen Dänemark das einzige direete Machtinteresse ist, welches wir in der größern Politik nach dem Auölaude hin haben, und schon in diesem einen Punkte der be- klagenöwertheste Zwiespalt zwischen uns und unsern Söhnen jenscitö dcS EanalS obwaltet, so ist es (der Schluß scheint'un antastbar) mit der fraglichen Allianz einstweilen schlecht bestellt. Aber, wirft man ein, der Plan der Allianz verlangt ja eben und ist nichts anders als das Verlangen, daß dieser Zwiespalt aufgegeben werden soll. Sehr gut, mir wie? Mit, kurzen Worten: eine jede Allianz mit auswärtigen Mächten ist immer nur ein fernes Ziel, nicht ein Mittel zur politischen Hebung Deutschlands, eine jede Allianz ist unabhängig von dem Nutze», den sie unsern wohlerwogenen fest erkannten Interessen gewährt, nicht aber etwas an sich Anzustrebendes, wonach unsere Inter essen zu modificircn wären. Einmal also hat Deutschland in