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Voigüiindischtr Anzeiger. Amtsblatt für die Gerichtsämter und Stadträthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. 8iebenzigfier Jahrgang. Verantwortliche Reduction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dieses Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstag», Donnerstag» und Sonnabend». Jährlicher A b o n ne m e nt»pr e i», auch bet Beztehung durch die Post, 1 Thlr. 10 Ngr. — Annoncen, di« bi» Mittag» 12 Uhr eingehen, weiden in die Tag» darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annonce, finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Eorpu»»Zeiie berechnet. Dienstag. AA. 1. März 18SS. Rundschau. Zn seinem letzten Drittheil hat der Februar noch einen, zum Theil sehr stürmischen Anlauf genommen, den Cbaracter des Winters retten zu wollen; aber cS ging ihm, wie cS den charakterlosen Menschen geht, wenn sie einmal eine feste Denk- und Handlungsweise herausbeißen wollen, — er wurde erkannt und sein Bemühen belächelt. Sind nun auch die Lieb haber der Schlittenfahrt Heuer so gut wie gänzlich um ihr Vergnügen gekommen, so hat doch Jedermann auch manchen schönen Groschen am Holz und an den Kohlrn erspart. In Rußland freilich hat der Thauwinter den Verkehr im Innern bei den unbeschreiblich schlechten Wegen sehr, er schwert, strichweise geradezu gehemmt und den WaarcntranSport, für den die Rusten gerade sehr auf den Winter rechnen, unmöglich gemacht. Die großen Märkte von Kiew und Charkow blieben fast ohne Käufer. Auf der Abendseite der Erbkugel aber, von Nordamerika auS, klagen sie bitter über die grimmigste Kälte. „Krieg oder Frieden?" ist jetzt in der Politik die tägliche Frage in ganz Europa. Auf den großen Börsenplätzen, wo man Werthpapiere aller Art kauft und verkauft, in Paris, Wien, Frankfurt, Berlin, Leipzig rc. herrscht ein „Hangen und Bangen in schwebender Pein," wie cS in den Gemüthern gründlich verliebter Leute nicht ärger sein kann. DaS kommt daher, weil Krieg und Frieden in einer einzigen unberechenbaren Hand liegt. Ei nun, Ihr lieben Borsenleute, nehmt's, wie's kommt! Als dieselbe unberechenbare Hand damals den rettenden Staatsstreich machte, die Presse knebelte, die Volksvertretung und die VolkSfreiheiten über Bord warf und alle Gewalt über 35 Millionen Menschen in derselben unbe rechenbaren Hand vereinigte, da jubeltet ganz besonders Ihr Börsenleute über solche SlaatSretterci; nun müßt Ihr eS Euch auch gefallen lassen, wenn dieselbe unberechenbare Hand das Schwert deS Damokleö an einem Pferdehaare über Euern Häuptern hält. Nichts für ungut! „WaS gehn mich die Börscnleute an," spricht da der geneigte Leser, „ich will wissen, ob Krieg wird ?" Ja, wer nur diese Frage kurz und rund mit Ja! oder Nein! beantworten könnte! Wenn die Regel richtig ist: „8i vis pscem, para bellum," d. h. „wenn Du Frieden behalten willst, lo richte Dich aus Krieg ein," so ist der Friede zweifellos; denn so weil daS Auge reicht, zu Wasser und zu Laude wirb wahrhaft furchtbar gerüstet und auf den Krieg sich eingerichtet. Freilich hat jede Regel Ausnahmen. Der englische Gesandte in Paris, Lord Cowley, ist schleunigst nach Wien, um Oesterreich so weit zu bringen, daß eS auf manche Rechte in Italien verzichte und im Kirchenstaat beim Papste alle möglichen Reformen befür worte, betreibe, damit Frankreich jeder Vorwand zum Losschlagen genom men werde. Aber wie will man Einem, der durchaus Krakehl sucht, jeden Vorwand dazu wegräumen? Kann Oesterreich mit Ehren sich drängen lassen, auf Rechte zu verzichten? Und welcher Art können denn die Verbesserungen sein, welche daS Oesterreich, daS ein Concorbat mit dem Papste abgeschlossen hat, auS dem ihm eben die gegenwärtigen bittern Früchte gewachsen sind, diesem Papste abdrängcn kann? — Dle Angele genheiten der Donaufürstenthümer sollen auf der Pariser Conferenz ge schlichtet werden. Gnt; aber wenn nun eben die Moldau und Watlachei auf Anstiften und mit Gntheißen desselben Frankreichs, daS den Pariser Frieden mitgeschlossen und mitbestimmt hat, daß für jedes Fürstenthum ein besonderer Fürst gewählt werden sollte, diese Bestimmung über den Haufen werfen, sich vereinigen unter einem Fürsten, in einem Landtage, was Oesterreich nie zugebcn kann, was läßt sich da von der neuen Conferenz erwarten? , Das deutsche Volk steht einmüthig zu Oesterreich. ES hat geschluckt und gedrückt, um Alles zu verwinden, was Oesterreich an ihm gefehlt, von Schleswig-Holstein an bis zum Concordat, weil Einigkeit jetzt mehr nöthig ist, als bittere Erinnerung. Die Landtage in München, Stutt gart, Hannover und Wiesbaden haben ihre Stimmen kräftig erhoben für Deutschland und Oesterreich. Die alten Lieder von 1813 find wieder aufgewacht. ArndtS Lied vom deutschen Vaterland und vom Gott, der Eisen wachsen ließ, und Körners Lied vom „Schwert an meiner Linken" klingen wieder. Selbst die Manöver der Wiener Jesuiten, die cS gerne sahen, wenn Preußen Frankreich reizte und eS sich auf den HalS und von Oesterreich abzöge, damit dieses in Italien Luft bekäme und von Verbes serungen im Kirchenstaate keine Rede mehr wäre, kümmern daS deutsche Volk nicht; es will, daß die Ehre Deutschlands gewahrt werde. Preußen wird den Jesuiten, wenn diese wirklich solche Tücke beabsichtigen, den Ge fallen nicht thun, und wenn eS nöthig ist, Deutschland und Oesterreich doch nicht im Stiche lassen. Dafür bürgt der Character seiner Regierung. Der Volkswitz, unverwüstlich, wie immer, sagt: „WaS raisonuirt Ihr aus Napoleon? WaS will er denn? — Nichts als einiges Deutschland und einiges Italien!" „Warum will der Franzoseukaiser die Freiheit in Italien wieder Herstellen, da doch nirgends weniger Freiheit zu finden ist, als in Frankreich?" Antwort: „Das ist eine alte Geschichte, denn eS ist bekannt, daß die Schuhmacher das schlechteste Schuhwerk tragen." Jenseits des MeereS, in Amerika, geht'S munter her, wie gewöhnlich. Im nordamerikantschen Landtage prügeln sich die Abgeordneten hergebrachter Weise und Niemand nimmt daran Aergerniß. Ebenso wird auf demselben Landtage Raubpolitik offen gepredigt. Man spricht eS unverhohlen auS, dieses ober jenes Laub müsse den Eigenthümcrn abgenommen und zu Nordamerika geschlagen werden. In den E.colen-Republiken von Mittel- und Südamerika Bürgerkrieg, wie hergebracht und selbstverständlich. Selbst Cl>Ue, daS sich erfreulicher Weise biS jetzt vernünftig benommen, thut jetzt auch mit. Seine schwarze Majestät der Negerkaiser Faustin I. von Hayti, auch Soulouque geheißen, ist von seinen getreuen schwarzen und gelben Unterthancn verjagt worden. Er hatte 1851 ebenfalls sich die Kaiser krone von der kleineren Hälfte der Insel S. Domingo aufgesetzt. Seine Unterthemen bestanden in 700,000 Köpfen, schwarze und gelbe Hunger leider, die Einwohnerzahl deS Zwickauer KreisdireclionöbezirkS. Damals ernannte er gleich 59 schwarze und gclbe Herzöge, 100 Grafen, 336 Ba rone und 346 Ritter. Doch kosteten ihm diese Würden wenig, da z. B. ein Herzog monatlich 16 Thlr., voch viel zu viel für den armseligen Staat, erhielt. Die Armee bestand auS 20,000 Mann und hmte buch stäblich mehr Generale, als Stiefel und Schuhe. DaS ganze Kaiserthum in Hayti war eine Affenkomödie, nur daß Soulouque einen Tiger in der Affenjacke spielte. Wenn daS, was ihm nachgeredet wird, nur halb wahr ist, so sind seine Thaten noch schwärzer, alö seine Haut. 1507 Personen