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WMM ßk NlskE Erschaut wöckmtNch dreimal and zwar Dimitag», DouaerStagS m»d SouuabmdS. BezuaSpretS vierteljährlich 1 M. 30 Pfg., durch die Post ,°geo 1 Mk. 54 Pfg. Fernsprecher Nr. 6. — Telegramm-Adresse: Amtsblatt WilSdrvfs. und Umgegend. Amtsblatt Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitag» bi» spätesten» 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 18 Pfg. pw viergeipalteve KorpuSzeilt. Außerhalb deS AmtSgcrichtsbeziris Wilsdruff 20 Pfg. Zeitraubender und tabellarischer Satz mit 50 "/„ Aufschlag. flir die Lgl. Amtshauptmannschast Wethen, Nir das Lgl. Amtsgericht und den Sladtrat j» Wilsdruff, sowie flir das Kgl. Forftrentamt nr Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanlieberg, Birkenhain, Blankenstein, BraunSdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Gruno bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Hühndorf, Kaufbach, Keffelsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Keffelsdorf, Steinbach bet Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wtldberg. Druck und Verlag vou Zschunke 8- Friedrich, Wilsdruff. Für die Redaktion und den amtlichen Teil verautwortlich: Hugo Friedrich, für de» Inseratenteil:,Arthur Zschuul«, beide i« Wilsdruff. No. S8. Sonnabend, de« 18. Mai 1907« ««. Jahrg. ss Pfingsten! Pfingsten, das Fest des Geistes, wie einst, so auch heutzutage noch unverstanden von der großen Menge und doch, wie schon am ersten Pfingsten, so noch heute allenthalben spürbar und in seinen Wirkungen selbst vom ungläubigen Spötter nicht zu leugnen. Welch eine gewaltige Bewegung ist von jenem Tage ausgegangen, da die kleine Gemeinde als Anfang der christlichen Airche sich gründete, weltumstürzend, alte Staatengebilde vernichtend und neue erhebend, die Gemüter aufs tiefste bewegend, Religion, Sitte, Aultur umwandelnd, allenthalben ein neues Leben schaffend. Wie hätte die kleine verachtete Gefolgschaft des ge kreuzigten Nazareners Weisheit, Nut und Araft haben können zu ihrer weltbewegenden Tätigkeit, wenn nicht Pfingsten gekommen wäre und sie erfüllt hätte mit göttlicher Araft. Nicht die Geburt Christi, sondern Pfingsten bedeutet den Wendepunkt der Geschichte. Und heute? Des Geistes Brausen ist abgeflaut zu leichtem Stehen, die hochgehenden Wogen sind abgeebbt zu leisem Wellenkräuseln. Pfingsten tut uns not, bitter not ein neues Geistesbrausen unserem deutschen Volke. — Dereinst stand Roms weltlicher Herrscher auf dem Gipfel seiner Macht; Hand und Fuß all der Hundert von Millionen Untertanen in der ganzen damals bekannten Welt waren seines Winkes gewärtig, und schlagfertige Heere in allen Provinzen und an allen Grenzen standen zu seinen! Dienst bereit. Nun wollte er auch die Seelen sich untertänig machen und heischte göttliche Anbetung und Verehrung. Fürsten und Aönige beugten sich, aber der verachtete Galiläer versagte sie ihm. Durch keine Drohung, nicht durch Aerker, Folter und grausamen Tod ließen die jungen Christen ihre Seelen knechten. Das war Mannes mut, das war „Männerstolz vor Aänigsthronen" im edelsten Sinne. — Und heute? Roms geistlicher Herrscher auf einer unerhörten Höhe geistlicher Macht, „unfehlbar", die Gewissen in Sklavenketten schlagend und Millionen in allen Weltteilen seines Befehls gewärtig. Dazu ein ungezähltes, wohldiszipliniertes Heer streitbarer Aämpfer für den „sanften Hirten" auf Petri Stuhl, bald mit rücksichtsloser Offenheit, bald licht- scheu im Verborgenen arbeitend, Schritt für Schritt auch die weltliche Vorherrschaft des Papstes zu erkämpfen, Unfrieden säend in die Nationen, um aus ihrer inneren Zerissenheit für die eigene Macht zu gewinnen, und den Grundsatz in die unverwahrten Herzen impfend: erst Rom und der Papst, dann Vaterland und Aaiser. Aönige und Fürsten beugen sich. Und doch, Gott sei Dank, geht ein neues Geisteswehn durch die romsatten Völker. Aber wo sind die Starken und Unbeugsamen, und wie groß ist ihre Zahl, die ihre innere Freiheit, die höchsten und heiligsten Güter höher werten, als des Lebens Behaglichkeit und Roms unerträg lichen Machtansprüchen die Treue bis in den Tod entgegensetzen? Pfingsten tut uns not! Damals setzten erstarkende asiatische Völkerschaften dem Vordringen des Abendlandes im Osten erfolgreichen Widerstand entgegen; in Europa aber waren es die deutschen Völkerschaften, die, Roms Grenzen bedrohend, bald mit kraftvollen Vorstößen das mächtigste Reich zer trümmerten. Der ungestümen Tapferkeit der durch Abhärtung, Zucht und Aeuschheit starken Söhne Germaniens vermochten die durch abend ländische Aultur verweichlichten, durch römische Unsittlichkeit entnervten Söldlinge Roms nicht auf die Dauer Widerstand zu leisten. — Und heute? Im Osten reißt Japans stetig wachsende Macht auch die andern großen Staatengebilde Asiens zum Bewußtsein der ihnen inne wohnenden Araft empor; schon hat das ehrgeizige strebsame Volk dem Vordringen abendländischer Macht durch glänzende Siege ein Ende bereitet. Deutschland aber, Europas gefürchtetster und mächtigster Staat, sieht sich rings von Feinden umgebens die immer dichter ihre Netze zu ziehen suchen und des Augenblickes warten, da sie sich zu seiner Vernichtung auf ihren Todfeind stürzen können. Wohl hat der südwestafrikanische Arieg gezeigt, daß auch heute noch deutsche Tapfer keit Wunder verrichten vermag; wo aber ist die alte germanische Aeusch heit und Sittlichkeit geblieben, die Insonderheit den Leib bewahrt vor Arankheit und Erschlaffung? werden in einem künftigen Ariege unsere jungen Leute, entnervt durch die in unserem Volke immer mehr überhandnehmende Unkeuschheit, vielfach verzärtelt durch eine ver weichlichende Erziehung, den Anstrengungen eines Arieges gewachsen sein? Wie not tut unserem Volke der Geist sittlicher Erneuerung. Es wird aber die Araft zur Sittlichteit und Selbstzucht nicht ge funden werden können, ohne daß sich unser Volk aus dem krassen Materialismus unserer Zeit, aus der religiösen Gleichgültigkeit und Gottfeindlichkeit der Massen aufrafft zu neuer Religiosität. Schon wird, wie zur Zeit des ersten Pfingsten durch die in Heidentum und Aber glauben versunkene Welt ein Fragen und Sehnen ging nach dem lebendigen Gott, so auch heute wieder die Frage lebendiger denn je; Gibt es Gott? Und Tausenden beginnt wieder die Erkenntnis zu dämmern: ohne Gott doch kein Glück, kein Heil, kein Frieden. Wie not tut uns der Geist religiöser, christlicher Erneuerung! Das wahre lebendige Christentum schafft auch unter den Gegensätzen den Ausgleich, die jetzt unseres Volkes inneren Frieden bedrohen. Alle die gewaltigen Anstrengungen, die gemacht werden zur Hebung der unteren Alassen der Bevölkerung, zur Befriedigung ihrer Ansprüche, zur Lösung der sozialen Frage, werden doch nur dann zum Ziele führen, wenn nicht die Furcht vor der wachsenden Macht des Proletariats, sondern der alle Alassenunterschiede aufhebende Geist wahrer christlicher Liebe und Humanität die treibende Araft ist, der Geist, der auch dem Höchst gestellten im einfachen Arbeiter, auch dem Reichsten im armen Manne seinen Bruder erblicken läßt. Praktisches Christentum, die Religion nicht der Worte, sondern der Tat vermag allein das Volk von seinem Irrtum zu befreien, daß die selbstsüchtigen, ihre eigenen Taschen mit sauer verdienten Arbeiter groschen füllenden Volksverhetzer und Verführer ihm zum ersehnten Paradies auf Erden verhelfen würden und es also vor größerem Ver ¬ derben zu schützen. Geredet und geschrieben wird heutzutage genug, aber die Zeit verlangt Taten. Daß sich unser Volk noch zu Taten aufzuraffen vermag, haben die letzten Reichstagswahlen gezeigt. Aber es war erst der Anfang der Tat. Möge die Bewegung nicht verflachen, sondern sich vertiefen, damit für unser deutsches Volk ein neues Pfingsten werde, ein Pfingsten religiöser, sittlicher und nationaler Erneuerung. r. vr. a.