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Lxlra-Matt der Kauhmer Rachrichlen. Ausgegeben Montag, den 31. October, Nachmittags. Telegraphische Correspondeuz. Berlin, 30. Oct. Der General-Postdirector Stephan hat sich auf einige Tage nach Metz begeben zur Jnstallirung der deutschen Obcr-Post-Direction daselbst und zur Umgestaltung der Feldpost-Ein- Achtungen aus Anlaß der eintretenden Truppenbewegungen. Ein Telegramm aus Berlin, 29. October, in den „L. N." meldet: Die Waffenstreckung der in Metz eingeschlossenen 170,000 Mann geht unter Manteuffel und Kummer ungestört vor sich. Die Übergabe dürfte noch morgen und übermorgen wegen Ueberfülle des Kriegsmaterials andauern. Unter der Kriegsbeute sind 4000 Geschütze größten Caübers, viele gezogene Kanonen, Mitratlleusen, 100,000 Msepots und ganz ungeheure Vorräthe an Waffen und Munition. Zn den Lazarethen befinden sich 30,000 Mann. Die Kriegscasse von 10 Millionen soll sich ebenfalls dort befinden und fast alle Staats kassen der östlichen Departements Frankreichs sind bei Ausbruch des Kriegs in die Festung gebracht worden; dieselben sollen über 20 Mionen Francs enthalten, wie die aus den Registern gesammelten Angaben des preußischen Gouvernements festgestellt haben sollen. Unter den Gefangenen sind Canrobert, Leboeuf, Bazaine, Frossard, Boyer, Coffinwres und dreißig andere Generale. Telegraphisch ist von überall die Zufuhr von Lebensmitteln nach Metz angeordnet, wo das Elend unbeschreiblich ist. Der „N. A. Z." wird aus Versailles, 26. Oct. berichtet: Die sanguinischen Hoffnungen, welche die Franzosen auf den Ausfall vom 2l. setzten, haben einige Bewohner des Dorfes Bougival, bis in -essen Nähe der Kampf sich erstreckte, zu einem voreiligen Losbruch verführt. Sie glaubten, daß die Preußen, welche sich sammelten, in voller Flucht seien und schossen deshalb aus den Häusern auf sie. 10 Personen wurden ergriffen, 2 davon kriegsgerichtlich zum Tode murtheilt und das Todesurtheil gestern an ihnen vollstreckt. Der Commune ist eine Contribution von 50,000 Francs auferlegt worden, und die Häuser, aus welchen geschossen, wurden verbrannt. Diese Strenge ist sicher nothwendig, aber Alles, was sie erreicht, ist, die Pmzosen bei ähnlicher Gelegenheit vorsichtiger zu machen. An ihrer Gesinnung gegen uns kann kein Zweifel sein, und der Augenblick, wo -ei ihnen das Friedensbedürsniß sich wirklich geltend machen wird, scheint noch sehr weit zu sein. Darmstadt, 29. Octbr. (W. Z.) Aus guter Quelle verlautet, daß die Versailler Konferenzen raschen Fortgang nehmen, daß Bayern wesentliche Zugeständnisse gemacht habe und die Umgestaltung Deutschlands principiell entschieden sei. Der Kaisertitel wurde an geblich gutgeheißen. Karlsruhe, 29. October. Die in dem Berichte des Generals Cambriels enthaltenen Angaben über Erfolge nach dem 22. d. M. find ersundem Das Gzos des Werd er'schen Corps ist bei Gray mcentrirt. Ein Armeebefehl des Prinzen Friedrich Carl notificirt dm Truppen die Kapitulation von Metz. — In Straßburg wurde ! gestern Victoria geschossen. München, 29. October. (A. Z.) Zur Feier der Kapitulation von I Retz ließ der König auf dem von ihm bewohnten Pavillon der Residenz zum ersten Mal die königliche Hausflagge aufziehen. Die t ganze Stadt ist beflaggt. Die „Corr. Hoffm." meldet: Der Kaiser von Rußland hat in Rücksicht auf die hohe Achtung, welche er dem bayrischen Heere l sollt, und aus die höchst ehrenvolle Haltung desselben dem Prinzen s ^itpold den Georgs-Orden zweiter Classe verliehen. Wien, 29. October, Abends. Die „Korrespondenz Warrens" I schreibt: „Die Bemühungen der neutralen Mächte Behufs Ver- i Mittelung für den Abschluß eines Waffenstillstandes erhalten I durch den Fall von Metz einen vermehrten Nachdruck. Paris sei jetzt I fast in derselben Lage wie seiner Zeit Richmond im amerikanischen I Kriege. Derjenige sei jetzt in Frankreich der wahre Patriot, der von I den nationalen Opfern abräth, die Frankreich zehnmal mehr als I den Feind schädigen." — Die „N. Fr. Pr." sagt: „Was will Frank- I reich noch erwarten? Worauf hofft es? Auf die ungeordneten Schaaren, die sich da und dort in den Departements bilden, auf die Wunder, die Garibaldi thun soll, oder auf die Widerstandskraft von Paris? Die Armee, die Metz bezwungen hat, wird auch mit Paris fertig wer- den; es ist vorbei mit jeder Aussicht, dem Kriegsglück eine andere Wendung zu geben. Der Franzose, der heute noch für Fortsetzung des Krieges stimmt, begeht eine Barbarei gegen sein Vaterland, gegen Paris. Auch wir halten es für ein Gebot der Humanität, daß der französischen Hauptstadt die Schrecken eines Bombardements erspart werden ; aber nicht an der deutschen Armeeleitung, sondern an den Franzosen ist es, die Beschießung von Paris zu verhindern. Nicht der Patriotis mus, sondern nur der Wahnsinn, die verrückt gewordene nationale Eitelkeit kann jetzt noch den nutzlosen Kampf verlängern wollen. Die provisorische Regierung hat ihrem Lande gegenüber nur noch die Pflicht, sobald als möglich Frieden zu schließen und aus den Trüm mern der zerschmetterten Gloire die Freiheit zu retten. Die neu tralen Mächte können den Männern in Tours, welche sich in der verzweifeltsten Lage befinden, die Erfüllung dieser Pflicht erleichtern. Wenn es den Neutralen Ernst ist mit ihrer Versicherung, den Frieden baldmöglichst herbeisühren zu wollen, so ist jetzt der Augenblick ge kommen, eindringlich zum Frieden zu mahnen. Aber die Mahnungen müssen nicht so sehr an das deutsche Hauptquartier, als an die pro visorische Regierung Frankreichs gerichtet werden. Man muß Frank reich erklären, daß die Welt des Krieges müde ist, daß sie die Fort führung desselben als eine zwecklose Schlächterei verdammt. Ein solcher Schlitt brächte in manche französische Köpfe die Besinnung zurück, entspräche den Interessen der neutralen Staaten und bildete für die provisorische Regierung jene Rechtfertigung, deren sic den wilden Leidenschaften der Massen gegenüber bedarf." Wie England und Rußland, hat sich in Betreff der Kandidatur des Herzogs von Aosta für den spanischen Thron auch das österreichisch-ungarische Cabinet sowohl nach Madrid, als nach Florenz bereits günstig und zustimmend ausgesprochen. Wie», 30. October. (W. T. B.) Nach Berichten aus Athen haben sich die Erdstöße in den Provinzen Amphissa undPhtiotis mit großer Intensität wiederholt. Die Regierung bat Aufrufe zur Unterstützung der von dem Erdbeben betroffenen Bewohner erlassen. Pesth, 29. October. (W. T. B.) Unterhaus. Helfy inter- pellirt, ob die Regierung die Annection Roms gutgeheißen habe und was in diesem Falle bezüglich der Abberufung des Gesandten in Rom die Regierung zu thun gedenke. Jranyi' reicht einen Antrag zur Revision des Ausgleiches ein, wünscht, das Haus möge die Regierung zur Einbringung eines Gesetzentwurfes über Einführung reiner Perso nalunion aussordern. Brüssel, 29. October. (K. V.) Die Donnerstags-Nummer der „France" enthält Pariser Berichte vom 23. October. Es bildeten sich dort Versicherungs-Gesellschaften zum Wiederaufbau der durch ein eventuelles Bombardement zerstörten Gebäude; je nach der Situationszone erlegen die Versicherten ein, zwei oder drei Procent. Brüssel, 29. October. (W. T.B.) Die hier eingctroffene neueste Nummer des „Siöcle" enthält einen Brief aus Tours, nach welchem die ehemalige Partei der Linken des Gesetzgebenden Körpers im Verein mit einem Theil des ehemaligen linken Centrums lebhaft für Abschluß eines Waffenstillstandes und Berufung der Constituante agitirt. Das „Siöcle" (als Organ Gambetta's) be kämpft energisch diese Bestrebungen. Brüssel, 29. Oct., Abends. Der „Union" zufolge leben die Marseiller Zeitungen unter einer Art von Schreckensherr schäft, die sie verhindert, die Wahrheit zu enthüllen. —Die hier eingetroffene „Gazette de France" greift von Neuem die provisorische Regier ung an, indem sie sagt, die republikanischen Machthaber fassen gegen wärtig ganz souverain ihre Beschlüsse, indem sie jede Vertretung der Gemeinden und Departements, sowie jede Controle zurückweisen. „Sie schalten mit unseren Millionen als wenn es die ihrigen wären, mit unseren Soldaten als wenn sie ihnen persönlich gehörten. Sie improvisiren Offiziere, Minister und Generale. Wir machen die Er fahrung einer republikanischen Dictatur". — Nach Privatberichten