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Expetz. u. Redaktion Dritten-Neustadt tl. Meißner Basse 4. Lie Zeitung erscheint Dienstag, Dannerstag und Dannadend s^üh. UdanuementS- Preis: Nierteljährl. M. 1,50. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- anstalten und durch unsere Boten. Vet freier Lieferung in» HauS erhebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Psg. älhsische AlnHeilmS. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und tandmann. Amtsblatt für die kgl. AmtShauptmannschasten Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadts für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmann Müller in Dresden. Inserate werden bis Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: dielspalt.Zeile 15Pfg. Unter Eingesandt: 30 Psg. Jnferaten- Annahmestellen: Die Arnoldische Buchhandlung, Jnvalidendank, Haasenstein LVogler, Rudolf Moise, G. L. Daube « Co. in Dresden, Leipzig, Frankfurt a/M., B. Kohl, Kesselsdorf u. s. w. Nr. 106 Donnerstag, den 8. September 1892. 54. Aahrgang. »im ,< i M i , Polittsche Weltschau. Deutsches Reich. „Politik und Kriegsführung" — so lauut die Ueberfchrift eines in den „HamburgerNach- richten" veröffentlichten und vom Fürstin BlSmarckinsprir. ten Artikels. Es ist gar kein direkteres und schwerer wie gendes Eingreifen in die Politik denkbar — so heißt es darin u. A. — als wenn von militärischer Seite auS, im Gegensätze zu den Absichten des verantwort lichen Staatsmannes, versucht wird, die Politik in krie gerische Bahren zu lenken. Solches Einmischen ist viel gefährlicher, als jede andere Art politischer Intervention. DaS Bedenkliche wird auch dadurch nicht gemildert, daß die bona freies (der gute Glaube), dem Staate einen großen Dienst zu leisten, die Unterlage solcher Bestre bungen bildet. Selbst zugegeben, daß menschlichem Ermessen nach der militärisch günstig erscheinende Augen blick zum Beginne des Krieges auch den schließlichen Sieg involvirt, so kann die Politik trotzdem triftige Grande haben, Feirdstligkeiten zu vermelden, ganz abgesehen von der schweren Verantwortung, welche der Friedens störer dem eigenen Volke gegenüber hat. Es ist bekannt geworden, daß im Jahre 1866 sehr einflußreiche hohe Militärs eine eventuelle Fortsetzung des Krieges eifrig befürworteten, um den militärischen Erfolg auch politisch kräftiger ausnutzen zu können, während der leitende Staatsmann Preußens diese Anschauungen bekämpfte und zwar aus Gründen einer weiter blicken, den Politik, welche auch mit der Zukunft und nicht nur mit der Gegenwart rechnete. Wenn aber damals in erster Linie nur militärische Gesichtspunkte durchschlagend gewesen wären, so würde ohne Zweifel die spätere erfolgreiche Politik, in dem besiegten Oesterreich einen Bundes genossen zu gewinnen, nicht durchführbar gewesen fein. Was nun endlich die Behauptung betrifft, der kriegerische Geist der Nation erschlaffe infolge längerer Fii-denSperioden, so widerspricht dem die historische Er fahrung. Es müßten dann vor Allem die Soldtruppen, welche den Krieg zum Gewerbe machen, auch den aus geprägtesten kriegerischen Geist besitzen, was aber keines wegs der Fall ist. Um nur ein Beispiel anmführen, so sei erwähnt, daß der Geist des preußischen Volkes im Jahre 1813, das bis dahin in seiner ungeheuren Mehrheit dem Kriege vollkommen fern geblieben war, entschieden kriegerischer war, als bei den an einen zwanzig jährigen Krieg gewohnten Franzosen. Alles in Allem: eine Nation soll den Krieg nicht fürchten, wenn er ihr aufgezwungen wird; aber sie soll einen Frieden in Ehren für wünschenSwerther halten, als selbst den ruhmreichsten Krieg. Vor Allem aber darf die StaatSleitung niemals durch vorwiegend militärische Gründe sich bestimmen lassen, Krieg zu führen, wenn im allgemeinen Interesse die Erhaltung des Friedens als das höhere Ziel er scheint." Der Reichstagsabgeordnete Graf Bethusy-Huk schreibt in seinen Memoiren: „Im Jahre 1867 sagte Graf Molike im preußischen Abgeordnetenhause zu mir: „Nach einem Kriege, wie wir ihn eben erlebt haben, kann man wahrlich nach einem zweiten kein Verlangen tragen. Andererseits muß ich aber doch wünschen, daß der jetzt ge gebene Anlaß zu einem Kriege mit Frankreich benutzt werde; ich halte leider diesen Krieg binnen jetzt und fünf Jahren für absolut unvermeidlich und innerhalb dieser Frist wird sich das heut unbestreitbare Ueberge- wicht unserer Heeresorganlsation durch Frankreichs An. strengungen täglich zu unseren Ungunsten mehr auS- gleichen. Je früher wir also handgemein werden, desto besser." Diese mir einleuchtenden Aeußerungen erschienen mir — so schreibt der genannte Abgeordnete — aus dem Munde einer solchen Autorität trotz ihres zunächst rur vertraulichen Charakters doch zu schwer wiegend, um ihnen nicht weitere Folge zu geben. Ich trug sie dem Vorstände der freikonservativen Partei vor und wurde von diesem veranlaßt, den Reichskanzler über seine diesbezügliche Ansicht zu befragen, da die Fraktion mit Recht Bedenken trug, in einer so wichtigen Frage sich zu binden, ohne die Ansicht der Regierung zu kennen. Der damalige Graf Bismarck erkannte zwar die Rich« tigkeit der Moltke'ichen Ausführungen auf politischem wie auf militärischem Gebiete an, erklärte aber zugleich, daß er es niemals würde verantworten können, das Elend eines Kriegers über sein Land heraufzubeschwören, wenn der Staat diesen Krieg nicht, wie das Österreich gegenüber der Fall war, zur Wahrung seiner vitalen Interessen oder seiner Ehre bedürfe. Die subjektive Ueberzeugung eines Regenten oder Staatsmannes, daß der Krieg dereinst doch Hereinbrechen werde, vermöge einen solchen nicht zu rechtfertigen. Unvorhergesehene Ereignisse könnten die Lage ändern und das scheinbar Unvermeidliche abwenden. Als ich am Tage darauf dem General dies mittheilte, erwiederte er: „Bismarcks Stand- punkt ist unanfechtbar, wird uns aber seiner Zeit viel Menschenleben kosten." Der Kaiser hat Montag Abend Vorträge deS Reichskanzlers, des Staatssekretärs des Innern und des Kriegs Ministers entgegengenommen. Wie die „Nordd. Allg. Ztg." erfährt, soll der Monarch beschlossen haben, die sogenannten Kaisermanöver in diesem Jahre aus fallen zu lassen. (Vergl. „Neueste Telegramme.") Die von dem Medicinalamte in Hamburg bekannt gegebenen Z ffern über die Opfer der Cholera entsprechen nicht dem wirklichen Sachverhalte. Es ist vielmehr mit Sicherheit anzunehmen, daß bis jetzt nahezu an 5000 Personen der mörderischen Krankheit erlegen sind. — Trotz der niedrigen Temperatur hat die Cholera in der Nacht zum Montag wieder furchtbar gewüthet. Eine weitere Meldung aus Hamburg besagt: Ver. schiedene Kranken- und Sterbekassen sind durch die kolossale Zahl der Erkrankungen und Todesfälle in Bc- drängniß gerathen nnd werden wahrscheinlich ihre In solvenz erklären müssen. Der Hamburger Senat soll beabsichtigen, mit Rücksicht auf die ungünstigen wirth- schaftlichen Verhältnisse ein Moratorium (Verzögerung) für Schuldner zu erklären. — Aus Altona wurden 17 Cholera-Erkrankungen und 11 Todesfälle gemeldet. Die Alionaer Baracken erweisen sich als zu klein für die Aufnahme der Kranken. Der Polizeipräsident von Berlin ist seitens des Ministers deS Innern aufgefordert worden, sich bald möglichst darüber zu äußern, ob und in welchem Maaße die Bäcker mit ihrrn Preisen für Backwaaren dem be deutenden Sinken der Getreidepreise seit vorigem Jahre Rechnung getragen haben und ob eventuell eine diesbezüg liche Einwirkung auf dieselben in Gemäßheit der Para graphen 73 und 74 der Reichs-Gewerbeordnung sich empfehle. Diese Pararaphen lauten: „Die Bäcker und die Verkäufer von Backwaaren können durch die OrtS- polizei angehalten werden, die Preise und das Gewicht ihrer Produkte für gewisse Zeiträume durch einen von außen sichtbaren Anschlag am Verkaufslokale zur Kennt- niß des Publikum- zu bringen. Dieser Anschlag ist kostenfrei mit dem polizeilichen Stempel zu versehen und täglich während der Verkaufszeit auszuhängen. Wo der Verkauf von Backwaaren nur nach den von den Bäckern und Verkäufern an ihren BerkaufSlokalen angeschlagenen Preisen erlaubt ist, kann die Ortspolizeibehörde die Bäcker und Verkäufer zugleich anhalten, im BerkaufS- lokale eine Waage mit den erforderlichen geaichten Ge wichten aufzustcllkn und die Benutzung derselben zum Nachwiegen dec verkauften Backwaaren zu gestatten." Man schreibt auS Handwerkerkreisen: „Die Arbeiter müssen heute schon Socialdemokraten sein, denn sie hängen in der Fabrik mehr von ihren Arbeitskollegen als von ihren Brotgebern ab. Dem einzelnen Arbeiter wird vorgeschrieben, was er lesen soll, welchen Vereinen er beizutreten hat und wehe ihm, wenn er sich erlaubt, einmal eine eigene Meinung zu haben; er muß schweigen, wenn er nicht unerträglich schikanirt werden oder gar die Arbeit verlieren will." Frankreich. Der Präsident Carnot traf, wie bereits angekündigt, am Montag in Aix-les.BainS zum Besuche des dort zur Zeit weilenden russischen MmisterS v. Giers ein. Bei seiner Ankunft daselbst wurde er u. A. auch von den Schulkindern begrüßt. Ein Knabe in russischer Tracht sprach bei dieser Gelegenheit folgende Worte: „Papa sagte mir, daß Rußland Frankreichs Feuilleton. Der Roman einer Kunstreiterin. Von R. Eckert. Nachdruck verboten. (15. Fortsetzung.) 8. Kapitel. Freiherr von Falkenberg begab sich an demselben Tage nach dem Schluffe der Oper in ein feines Restaurant der großen Friedrichstraße, das eine be sondere Abtheilung hatte, welche man den „gelben Salon" nannte. Wenn die ästhetischen Thees über standen, Oper und CirkuS beendet waren und die jungen Kavaliere es noch zu früh fanden, dem Schlaf, aott ihren Tribut zu zollen, dann lautete an einem be stimmten Tage in der Woche die Parole: Nach dem ^gelben Salon" ? Das Büffet bot hier stets die feinsten Weine und Delikatessen, auf dem Spieltische lagen immer neue Karten und das Roulette hätte einem Bade orte Ehre gemacht. Friedrich von Falkenberg, der junge Freiherr, wie er zum Unteiffchiede von seinem Vater genannt wurde, gehörte zu den ständigen Besuchern de-„gelben Salons", m welchem er sich auch an diesem Abmd einfand, um wieder einmal sein Glück im Spiele zu erproben; aber Fortuna war ihm, wie fast immer, nicht hold. Jede Karte, die er besetzte, schlug fehl und zu dem Aerger ! über den Verlust gesellte sich noch der Aerger über das Glück seines Nachbarn, der stets die Karte schwer mit , Gold belud, die der Freiherr als eine Unglückskarte ! soeben verlassen hatte und die dann regelmäßig gewann. Dieser im Glück sitzende Nachbar war der Pseudo- Engländer Mr. Karper, der bekanntlich für etwa 19,000 Tbaler Forderungen angekauft hatte, die gegen den Freiherrn geltend gemacht werden konnten. Mr. Karper verzichtete darauf, die Forderungen einzu- , treiben, weil ihn der Freiherr aufgesucht und dringend gebeten hatte, noch Geduld zu tragen, da er die Hoff, nung habe, durch eine baldige reiche Heirath Alles wieder in's Geleise zu bringen. Mr. Karper war bei dem Besuche sogar ziemlich freundlich gegen ihn ge wesen, hatte dem Freiherrn in fließendem Deutsch ge- sagt, er kenne alle seine Verhältnisse, sei sogar ein Verwandter von ihm und gern bereit, seinen Bitten Folge zu aeben. Ueber die Motive, die ihn in dieser Angelegenheit leiteten, ließ sich jedoch Herr Karper nicht aus. Der Zufall wollte es nun, daß die Herren sich heute Abend im „gelben Salon" wiedersahen. Der Freiherr hatte bereit- eine bedeutende Summe ver loren und entnahm soeben seiner Brieftasche das letzte Bankbillet, um e- vom Bankhalter wechseln »u lassen. Bisher hatte er nur Herrn Karper um sein Glück beneidet, al- er aber dessen konsequentes Verfahren s bemerkte, nur die von ihm aufgegebencn Karlen zu besetzen, bemächtigte sich seiner eine Gereiztheit, die er dem glücklichen Spieler nur schwer zu verbergen ver- mochte. Die Absichtlichkeit Mr. Karper'S lag auf der Hand; aber so harmlos diese auch war, der Freiherr . glaubte in feiner Stimmung, dadurch persönlich be leidigt zu werden. Er maaß seinen Nachbar mit finsteren Blicken und warf einen Hundertmarkschein auf die Dame. Der Bankhalter zog die Karten ab, die Dame hatte verloren. Der Freiherr zögerte einen Augenblick weiter zu pointiren, nur noch vier Scheine in gleicher Höhe lagen in seiner Hand. Da streckte Herr Karper die Hand aus, die Dame zu besetzen, ein feine-, wie Falkenberg glaubte, höhnisches Lächeln spielte um seine Lippen. Der Zorn übermannte den Freiherrn. „Sie scheinen sich über meinen Verlust moquiren zu wollen?" schleuderte er Mr. Karper mit bebender Stimme entgegen, während er gleichzeitig mit fieber hafter Hast die vier Scheine auf die Dame setzte. Gelassen zog Karper seinen Einsatz wieder zurück, blickte den Freiherrn mit großen Augen an und entgegnete: „Sie setzen mich in Erstaunen, oder sollte eS Ihnen vielleicht mißfallen, daß ich experimentire?" „Experimentire? Wie das?" fragte seinerseits der Freiherr. „Ganz einfach; ich suche und finde Bestätigung des alten ErfahrungSsatzeS: „Glück in der Liebe, Un glück im Spiel und umgekehrt. Sehen Sie selbst, Ihre Dame hat abermals verloren und nun die Probe auf'S Exempel." Und während der junge Freiherr mit einem wilden, halb verzweifelnden Blick seinen Scheinen nachsah, die der Bankhalter soeben einzog, setzte Herr Karper auf die für Falkenberg so unglückliche Dame so gelassen