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Zwar Hal man in den letzten Tagen immer schon stark davon ge munkelt, aber daß Mac Mabon, bald am Ende des Septennals angekommen, seine Demission einreichen werde, war nicht recht glaubhaft, be sonders nachdem er, gedrängt von der Majorität in der Volksvertretung, zu einem republikanischen Ministerium und dessen Regierungsprogramm vollkommen sein Einverstündniß gegeben hatte. Veranlaßt zum Rücktritte wurde Mac Mahon bekanntlich dadurch, daß er ein vom Ministerium vorgelegtes Decret, betreffend die Neubesetzung einer Anzahl hoher Militärcommandostellen, nicht unterzeichnen wollte. Doch hören wir, wie er sich selbst in einem Schreiben au den Kammer präsidenten GrLvy äußert. Er sagt: Bei Beginn der Session legte Ihnen das Ministerium das Programm vor, von dem das Ministerium an nahm, daß es der öffentlichen Meinung vollstän dig Satisfaclion gab, es wurde votirt ohne Gefahr für die Sicherheit und die gute Verwaltung des Landes. Indem ich von jeder persönlichen An sicht absah, stimmte ich dem Programme zu, denn ich opferte kein einziges der Principien, denen getreu zu bleiben mein Gewissen vorschrieb. Heute schlägt mir das Ministerium vor, indem es glaubt, der Meinung der Majorität beider Kammern entsprechen zu müssen, betreffs der großen Militärkommandos generelle Maßregeln zu treffen, die ich als den Interessen der Armee und des Landes zuwiderlaufeud erachte. Ich kann dieselben nicht unterschreiben. Jedes andere Ministerium, das aus der Majorität der Kam mern käme, legte mir die nämlichen Bedingungen "uf. Ich glaube demnach, die Dauer meines Mandates abkürzen zu müssen, das mir die Na tionalversammlung anvertraute, und gebe meine Demission von den, Posten als Präsident. In dem ich meine Gewalten niederlege, habe ich den Trost, mich daran zu erinnern, daß ich während der 53 Jahre, die ich dem Dienste des Landes als Soldat und Bürger weihte, niemals von andern Gefühlen als von denen der Ehre, der Pflicht und der absoluten Ergebenheit gegen das Vaterland geleitet wurde. Ich ersuche darum meinen Entschluß den Kammern mitzutheilen. Dieser Brief wurde in der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer vorgelesen, worauf Gam betta in einer Versammlung des Bureaus der Linken die Candidatur Grövy's vorschlug, die einstimmig angenommen wurde. Am gestrigen Nachmittage um 4'/2 Uhr noch wnrde der Con- greß zu einer Sitzung einberufen. In derselben waren 710 Stimmberechtigte anwesend, abgegeben wurden 662 giltige Stimmen, die absolute Ma jorität ist demnach 332 Stimmen. GrLvy er hielt 563, Chancy 99, unbeschrieben oder ungil- tig waren 43 Stimmen. Grßvh wurde als bald mit stürmischem Beifall zum Präsi denten der Republik auf sieben Jahre proclamirt. Damit ist die französische Repu blik in eine neue Phase eingetreten. Die Wahl eines neuen Kammerpräsidenten soll heute erfolgen. Man spricht davon, daß Gam betta dazu vorgeschlagen werden würde. Fürst Bismarck hat unterm 21. Januar an Herrn Gutsbesitzer Jean Janson in Harxheim folgens es Schreiben gerichtet: „Euer Hochwohl geboren gefälliges Schreiben vom 14. d. Mts. habe ich erhalten und sage Ihnen und den an deren Unterzeichnern für den Ausdruck Ihrer Zustimmung meinen verbindlichsten Dank. Sie legen mein Schreiben vom 15. December v. I. aus, wie es gemeint ist, wenn Sie annehmen, daß ich bestrebt bin, nicht bloß der Industrie, sondern in untrennbarem Zusammenhangs gleich zeitig der Landwirthschaft den Schutz zu verschaffen, der mit den Gesammtintereffen des Landes verträglich ist; ich halte mindestens eine steuerliche Gleichstellung der ausländischen land- wirthschaftlichen Producte mit den direct und in- direct hoch bestenerten des Inlandes für dringend geboten, v. Bismarck." Die „Staatsbürger-Zeitung" zollt dem Schrei ben des Fürsten Bismarck über das Eisenbahn tariswesen, welches gesetzlich geregelt werden soll wie das Postwesen, vollen Beifall und bedauert nur, daß Fürst Bismarck nicht fchon längst dar auf gekommen sei, der übergroßen Aus saugung des Volkes durch Eisenbahn gesellschaften ein Ziel zu setzen. Wie in Berliner Hofkreisen bestimmt verlautet, gedenkt die Kronprinzessin des deutschen Reichs sich Ende Februar zum Besuch ihrer Mutter, der Königin von England, nach London zu begeben. In der ersten Woche des März beabsichtigt der Kronprinz seiner Ge mahlin zu folgen, um mit ihr und dem Prinzen Wilhelm der Hochzeit des Herzogs von Connaught mit der Prinzessin Luise von Preußen beizuwohnen. Das preußische Staatsministerium hat sich ent gegen früheren Meldungen mit einer Stimme Majorität für eine Tabakbesteuerung nach dem Gewicht erklärt; allein der Reichskanzler soll trotz dem auf der Einführung des Tabaksmonopols bestehen bleiben. Man darf neugierig sein, ob er damit durchdringen wird. Unterdessen haben die betreffenden Bundesrathsausschüsse ihresseits den Bericht der Tabakenquetecommission in Be- rathung gezogen und sich ebenfalls mit Majori tät für eine Besteuerung des Tabaks nach dem Gewicht ausgesprochen. Der geschäflsführende Ausschuß der Wilhelm- Spende macht Folgendes bekannt: „Die am 20., 21. und 22. Juli v. I. im deutschen Reiche stattgefundenen Sammlungen der Wilhelm-Spende haben mit den nachträglich, insbesondere von Deutschen im Auslande eingegangenen Beiträgen, nach Abzug der für Drucksachen, Porto u. f. w. entstandenen Kosten einen Reinertrag von 1,749,750,87 Mark ergeben. Dieser Fonds der Wilhelmsspende ist bei der königlich preußischen Seehandlung zinsbar angelegt und steht in Ge mäßheit des Aufrufes des Gesammtcomitss vom 29. Juni v. I. zur Disposition Sr. kaiserlichen und königlichen Hoheit des Kronprinzen des deutschen Reiches und von Preußen. Indem wir bei dem Abschluß unserer Thätigkeit dies zur öffentlichen Kenntniß bringen, sprechen wir zu gleich Allen, welche das vorliegende patriotische Unternehmen unterstützt haben, namentlich allen Gemeindevorständen, welche die örtliche Organi sation der Sammlung geleitet, den Zeitungsre daktionen, welche die Spalten ihrer Zeitungen mehrfach unentgeltlich zur Verfügung gestellt, ins besondere auch den Bankhäusern, welche sich ohne Entgelt der Mühewaltung unterzogen haben, die Sammlungen aus den einzelnen Bundes staaten beziehungsweise Provinzen anzunehmen und weiter zu befördern, unsern wärmsten Dank aus. Berlin, den 24. Januar 1879. Der ge- ! schäftsführende Ausschuß für die Wilhelmsspende, j Dunker." In Berlin hat am 27. d. eine Versammlung der Fortschrittspartei stattgesunden, in welcher sich zeigte, daß die Sozialdemokratie in Berlin noch keineswegs verschwunden ist, sondern noch immer in gut disziplinirter Organisation dasteht und in geschlossenen Reihen aufzutreten vermag. Wenn sie auch nicht mehr ganz so stark die Zu versicht und das provocatorische Wesen von ehe dem zur Schau trägt, so ist doch von Einge- schttchtertheit in diesen Versammlungen nicht viel zu bemerken gewesen und die Debatte hat sich oft äußerst tumultuarisch gestaltet. Es gelangte sogar der Antrag eines sozialdemokratischen Red ners auf Herabminderung d-s Militäretats zur Annahme. Bei den meist allzu optimistischen Anschauungen über die Wirkung des Sozialisten gesetzes sind solche Symptome wohl zu beachten. Das Mainzer bischöfliche Ordinariat hat an die Geistlichkeit des Bisthums Mainz ein Schreiben gerichtet, in dem zum fortdauernden Gebet für die Angelegenheiten der Kirche, namentlich um Wiederherstellung des kirchlichen Friedens in Deutschland und zur materiellen Unterstützung des Papstes aufgefordert wird. Ueber den Nachlaß des verstorbenen Prinzen Heinrich der Niederlande verlautet, daß der versiegelte Nachlaß desselben noch nicht eröffnet ist und deshalb vielleicht noch testamentarische Anordnungen zu erwarten stehen. Einen außer ordentlich liebenswürdigen Charakterzug weift das Verhalten der Prinzessin Marie auf. Als es nach dem Tode ihres Gemahls verlautete, daß der selbe kein Testament hinterlassen habe und sie also auf den Genuß ihres Witthums (im Betrage von 40,000 Thalern 70,000 Gulden holl, rind den Besitz eines Schlosses als Wittwensitz) angewiesen sei, soll sie geäußert haben: „Wir sind so bescheiden erzogen, daß der Luxus, welchen ich hier verlasse, mir nicht schwer zu entbehren ist." Alle Meldungen bezüglich der Verlobung des österreichischen Kronprinzen mit einer sächsischen Prinzessin werden vom „P. Lloyd" dementirt; dagegen stellt er die Verlobung des Thronfolgers mit der Erzherzogin von Toscana als bevor stehend in Aussicht. Die Erzherzogin ist die Tochter des Großherzogs Ferdinand von Toscana und zählt gegenwärtig 21 Jahre. Die englische Regierung hat eine umfang reiche Korrespondenz mit ihren Vertretern und Agenten im Auslande, sowie Berichte der Marine stationsbeamten über den Sklavenhandel veröffent licht. Der Viceadmiral Sir Macdonald meldet in einem Bericht an die Admiralität über den Sklavenhandel im Rothen Meere, daß im Jahre 1876 angeblich nicht weniger als 3000 Sklaven in Hodeidah an der afrikanischen Küste gelandet worden sind. Die Preise, welche dort für die Sklaven bezahlt wurden, waren für junge Weiber 100 bis 150 Dollars, junge abessinische Weiber 200 bis 300 Dollars, Knaben 50 bis 100 Dol lars, Männer stehen niedriger im Preise. Dsheddah ist deni Bericht zufolge noch immer ein großer Sklavenmarkt. Bis 1874 befand sich ein Sklaven markt inmitten des dortigen Bazars, wurde aber auf Vorstellungen des englischen Consuls hin ein gestellt. Der Handel mit Sklaven wird jedoch