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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 5« Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 53. Sonnabend, den 4. März 1882. Versteigerung. In der Wohnung des Uhrmachers Schwarzenberg hier sollen nächsten Dienstag, den 7. März l. Js. von 9 Zlhr an, 6 Wanduhren, 3 Wecker, 1 Sopha, 1 Kleiderschrank, 1 Kommode, I Tisch, 3 Stühle, verschiedene Kleidungsstücke u. A. m. gegen sofortige Bezahlung an den Meistbietenden öffentlich versteigert werden. Waldenburg, am 2. März 1882. Der Gerichtsvollzieher beim Königlichen Amtsgericht. Arnold. "Waldenburg, 3. März 1882. Die Staatsfinanzen in Ungarn. II. Im Großen und Ganzen sind namhafte Beschrän kungen der Ausgaben — ohne Aenderung des staatsrechtlichen Gefüges oder Verletzung vertrags mäßiger Verpflichtungen — undurchführbar. Dies hat der ungarische Finanzmmister Graf Szapary selbst durch eine Analysirung der ungarischen Staats- ausgaben nachgewiesen: „Nicht nur ich, sondern auch andere haben die in unseren Voranschlägen vorkommenden Ausgaben analysirt. Diese bestehen einmal aus übernommenen Verpflichtungen, an welchen man Nichts ändern kann; dann aus den Kosten der für die Sicherheit der Monarchie und unsers Vaterlandes nothwendigen Wehrkraft; drit tens aus den zur Beschaffung der Einkünfte unum gänglich nothwendigen Ausgaben, welche mit den Einkünften wachsen müssen, und viertens schließlich aus den Vermaltungskosten, sowie aus den zu Kultur- und VolkLwirlhschaflszwecken bestimmten Ausgaben. Wenn von der Beschränkung der Ausgaben die Nede ist, so lassen sich nur in dieser letzten Gruppe Ersparungen bewirken, aber auch diese würden je denfalls der Entwickelung des Staates zum Nach- Iheile gereichen und im Vergleiche zur Summe un serer Ausgaben, ja selbst zum Defizite eine so geringe Summe bilden, daß es schwer würde, dadurch das Gleichgewicht im Staatshaushalte zu erreichen." Der größte Theil der ungarischen Slaatsausgaben ist gebunden. Unter diesen wächst namentlich die Last der Schuldenzinsen von Jahr zu Jahr. Dies geht aus der nachstehenden Uebersicht hervor: Jahr Zinsen für Staatsschulden 1875 . . - 71,204,648 Gulden ö.-W. 1876 . . . 69,374,146 1877 . . - 82,723,036 1878 . . . 82,814,845 „ 1879 . . . 92,640,581 1880 . . . 97,670,701 1881 . . . 103,907,077 1882 . . . 107,235,538 „ Außerdem sind als Vorschüsse für die garantirten Eisenbahnen 10,900,000 fl. für das Jahr 1882 veranschlagt, 182,000 fl. mehr als für 1881. Mit mathematischer Sicherheit kann der Satz auf gestellt werden, daß der Zeitpunkt kommen müßte, in welchem allein die Staatsschuldenzinsen sämmt- liche Einnahmen des ungarischen Staates verschlin gen, — wenn der Staatsbankerolt nicht früher ein tritt. Es liegt in der Natur der Dinge, daß der Staatsbankerolt früher eintrelen wird. Jetzt wird die Galgenfrist bis zum Ausbruch desselben mühselig hinausgeschsben durch eine Steuerschinderpraxis, die nicht ihres Gleichen findet. Wir lassen einen Ma gyaren, den Abgeordneten Karl Eötvös, sprechen, der in der Sitzung des ungarischen Reichstages vom 12. Januar 1882 sagte: „Jeder von uns, der draußen auf dem Lande gewesen, weiß, daß die Zahl der Steuerexekutoren, welche in Ungarn wirthschaflen, eine entsetzliche ist. Die Ueberschwem- mung der Theis wirlhschastet nicht gräßlicher, als diese. Diese wechseln fortwährend, gehen und kom men. Der Eine geht, an seiner Stelle kommen zwei; es giebt ambulatorische Exekutoren; manchmal überfallen sie wie ein Schwarm einen ganzen Ko- mitat, manchal pausiren sie; zuweilen erreichen sie, wie eine Armee die Zahl von 1000—2000. Sie werden ernannt, belohnt, entfernt, aber wir haben keine Kenntniß davon, daß sie wegen Mißbräuchen bestraft würden. Und sie begehen viele. Dis Miß bräuche, welche durch die abermalige Besteuerung der der Steuerexekulion entzogenen Mobilien verübt werden, sind besonders entsetzlich. Der Steuer exekutor achtet nicht darauf, was im Gesetz steht, daß das letzte nutzbare Viehstück, das letzte Saatkorn, das Bettzeug des armen Kranken von der Exekution ausgenommen ist." Die Folgen dieses erbarmungs losen Aussaugesystems treten überall hervor. Die Verschuldung nimmt in riesigen Dimensionen zu. Während in den Jahren 1868—1872 der Werth der zwangsweise versteigerten unbeweglich n Güter jährlich im Durchschnitte 10 Millionen Gulden be trug, werden seit 1875 durchschnittlich 50 Millionen Gulden Immobilien im Jahre zwangsweise verstei gert. Ebenso nimmt die Zahl der zwangsweise versteigerten Mobilien zu. Die Auswanderung wächst trotz aller Repressivmaßregeln; das Proleta riat vermehrt sich, ebenso die Zahl der Verbrechen. Beim obersten Gerichtshöfe hat sich die Zahl der Criminalprozeffe von 11,872 im Jahre 1880 auf 12,986 im Jahre 1881 vermehrt. Also eine Zu nahme von beinahe 10pCt. Bei der k. Tafel in Budapest (zweite Instanz) ist die Zahl der Crimi- nalsachen gegen 1880 um 13,800, nämlich von 44,200 auf 58,000 im Jahre 1881 gestiegen. Auch diese Ziffern beleuchten den moralischen und öko nomische» Zersetzung»- und Verwesungsprozeß, in welchem Ungarn sich befindet. Dem Staatsbanke rotte geht die Vernichtung zahlloser Privatwirth- schaften, der Ruin vieler tausende ungarischer Steuer träger voraus. Damit nicht genug! Die Zahl der Opfer, welche noch nachfolgen werden, ist unabseh bar. Jedenfalls wird der Staatsbankerolt auch den Untergang aller derjenigen Privatwirlhschaflen nach sich ziehen, deren einziger oder Hauptbestandtheil der Besitz ungarischer Staatswerthe ist. Bereichert wer den aus dem Zusammenbruch nur die Männer der „hohen Finanz" heroorgehen, welche aus der Bege bung der Renten und Anlehenspapiere die hohen Provisions- und Kursgewinne gezogen haben und denen immer dasselbe Manöver gelingt, heule mit südamerikanischen Republiken, morgen mit Egypten und der Türkei, übermorgen mit Ungarn. Das Publikum zahlt stets die Kosten. — Die Nutzan wendung des Gesagten liegt nahe genug. "Waldenburg, 3. März 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Das Plenum des Volkswirthschaftöraths be gann am 2. d. um 12 Uhr seine Sitzung und discutirte die Frage wegen Einführung von Schuld papieren auf den Namen bei der Staatsschulden- Verwaltung. Man sprach sich gegen die Ausgabe einzelner Obligationen auf den Namen aus, befür wortete aber die Eintragung der Schuldtitel in ein Buch der öffentlichen Schuld nach Muster des fran zösischen Aranä Uvrs äu tresor. Indessen hielt man die Ausgabe von Zinskuponsbogen auf eine nicht zu geraume Zeit an die Inhaber solcher Schuld titel für zulässig. Man wandte sich dann der Frage wegen der Wiederinkurssetzung solcher Papiere und der Legitimationsprüfung im Falle eines Erbganges solcher Schuldtilel zu. Diese Detailfragen sollen in dem Ausschuß noch näher berathen werden. Die landwirthschaftliche Sectio» des Volks- wirthschaftsraths berieth am 2. d. Vormittag die Vorlage wegen der Controle der Milch. Es wurde beschlossen, das Verbot des Verkaufs von frischmelkenden Kühen von 8 auf 4 Lagen zu be schränken und statt der in der Vorlage angenomme nen drei Kategorien für den Milchoerkauf: Fettmilch, Magermilch und contensirte Milch nur die zwei Kategorien von Fettmilch und Magermilch anzuneh men, unter der Voraussetzung, daß der von der Regierung vorgeschlageneControlapparatsich bewähre. Dann trat die Section in dis Berathung der Vorlage betreffend die Erweiterung des Viehseuchen gesetzes in Bezug auf die Tollheit der Hunde. Die Vorlage wurde mit 7 gegen 6 Stimmen angenom men. Die Majorität entschied sich für eine Ver schärfung des Viehseuchengefetzes. Die Motive zum Tabaksmonopol sind am 2. d. den Mitgliedern des Volkswirthschaftsraths zugegangen. Nach denselben würden die Einnahmen aus dem Monopol sich belaufen auf 347,770,942 Mk., die Ausgaben auf 172,324,775 Mk. Mithin Reinertrag: 175,445,667 Mk. Davon weiter ab die Zinsen der Entschädigungssumme von 334,300,000 Mk. L 4'/- °/» (incl. Amortisation) 9,979,750 Mk. Verbleibt Reinertrag des Monopols 165,487,917 Mark. Nach den dem Volkswirthschaftsrath zugegangenen Grundzügen für die Regelung der Arbeiter-Un fall-Versicherung ist an dem Genossenschafls- prinzip unter Beihilfe des Reichs festgehalten wor den, so lange, bis die Erfahrung lehrt, daß die Industrie die Last allein tragen kann; für die Ar beiter, die nicht über 2000 Mk. (1500?) Jahres- verdienst haben, besteht der Versicherungszwang. Die Höhe der Entschädigung wird nach einer vom Reichstag angenommenen Bestimmung mit der Maß gabe bemessen, daß dieselbe für die ersten 13 Wochen nicht aus der Unfallkasse, sondern aus der Krankenkasse zu bestreiten sei, wozu der Arbeitgeber 33'/» Proc. beitragen soll; bei der Berechnung der Entschädigung soll nur derjenige Theil des Arbeits verdienstes in Betracht kommen, der 4 Mark täglich nicht übersteigt; die Grundzüge fassen die Gesahr- klassen in'ö Auge, wonach die Betriebe mit gleicher Gefahr in gleiche Klassen einzutheilen sind. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt am Schlüsse eines Artikels über die jüngste Judendebatte im preußischen Abgeordnetenhaus sehr vorsichtig und zum Theil zutreffend: „Will man sich eben nicht dazu bekennen, die sog. Judenfrage als eine religiöse oder doch Racenfrage zu behandeln, und das würde ohne Widerspruch und ohne sich mit den geltenden Gesetzen in Conflict zu setzen, nicht geschehen können, so bleibt nur die ökonomische Seite übrig; faßt man sie aber darauf hin ins Auge, so wird man die Lösung, ohne der religiösen Ueberzeugung oder den vollbegründeten Rechten auch nur eines Staats bürgers zu nahe zu treten, ohne Mühe auf dem Boden einer gesunden socialpolitischen Gesetzgebung