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MMufferTageblatt Rationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend AnUuck öu? der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 durch J-rnru, °b.-mUM.-nAnwg.nüdernwir keine Gnran.ie Jeder RabEnsuruch «lisch^wenn' d«Z^g durch «Inge eingezogen werden muß oder der Auftroggeder in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 8 — 92. Jahrgang Wilsdruff-DreSden Telezi.-Adr.: .Amtsblatt' Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 10. Januar 1933 Frankreich an der Ruhr. Ein Tag der Mahnung. „Warum sollen wir an dem Versailler Vertrag fest- halten? Die Schwierigkeiten kommen daher, daß Deutsch land noch e i n e Ei n h e i t ist. Die Auflösung des Reiches wird nur mit Gewalt erfolgen, — und die haben wir in den Händen." Das ist vor zehn Jahren ge schrieben worden, kurz nach dem 11. Januar 1923, als eine sranzösisch-belgische „Jngenieurkommission", von 60 000 Mann umgeben, in das Ruhrgebiet ein rückte, weil Deutschland ein paar Telegraphcnstangen weniger hatte liefern können, als Herr Poincaro es von uns verlangte. Zum zehnten Male jährt sich der Tag, an dem eine französische und eine belgische Note die Ent- sendung eine Jngenieurkommission ankündigten „zur Be aufsichtigung des Kohlensyndikats". Nur England machte nicht mit, und ein paar Tage vor dem Einbruch ins Ruhr gebiet beschloß der amerikanische Senat die Zurückziehung der in Koblenz stehenden Besatzungstruppen; sie wurden allerdings sehr schnell durch die Franzosen ersetzt. Die sranzösischen, italienischen und belgischen „Ingenieure" rückten dann am 11. Januar hinter einer belgischen und sünf französischen Divisionen inEssen und inGelsen - kirchen ein. Das hatte die sranzösische Regierung übrigens schon im — November 1922 angekündigt, weil sich Deutschland „denEntschädigungsverpflichtungen" entziehen Wolle. Die englischen und italienischen Mitglieder der Reparationskommission beschränkten sich auf ein papiernes Nein! „Als die französischen Truppen auf Esten marschier- lcn, begannen sie die in ihren Folgen am weitesten eichende und vielleicht unheilvollste Bewegung von allen, die man während der letzten Jahrhunderte in Europa be obachtet hat", schrieb ein paar Tage nach dem Ruhr einbruch ein Engländer, der vier Jahre zuvor zu den „Großen Vier" von Versailles gehört hatte: Lloyd George. Aber er war nicht mehr an der Macht und tat ebensowenig etwas gegen diesen Versuch Frankreichs, Deutschland zu zertrümmern, wie Mussolini gegen diese Gewalttat da mals die Hand rührte. Beide Mächte haben es erkannt und gewußt, was mit dem Ruhreinbruch der Franzosen und Belgier beabsichtigt war. Deutschland selbst fühlte es ohne Unterschied der Parteien. Der damalige englische Botschafter in Berlin hat in seinen Erinnerungen gesagt, „daß sowohl die deutsche Negierung wie die Bevölkerung im ganzen sich klar darüber wurde, daß die Stunde ge kommen war, in der das Schicksal des Deutschen Reiches entschieden werden sollte: in keiner Phase des Krieges war die Gefahr für den Staat auch nur an nähernd so groß wie jetzt infolge der Erdrosselungs- Versuche Frankreichs mit seinem alten Rivalen im KampfeumdasNheingebiet! Frankreich „hätte eine herrschende Stellung erreicht, die nur mit seiner Über macht nach dem Frieden von Tilsit zu vergleichen gewesen wäre", schreibt dieser englische Botschafter und vergißt dabei ganz, daß zur Zeit des Friedens von Tilsit England in unerbittlichem Kampfe gegen das napoleonische Frank reich stand! Deutschland war allein und blieb allein in diesem Ringen um Leben und Sterben. Wieder möchten wir den englischen Botschafter Lord d'Abernon sprechen lassen: „Wenn die Ruhrbesetzung, die am 10. Juni 1923 begann, ihr beabsichtigtes Ziel reibungslos und schnell erreicht hätte, wenn sie nicht auf den wirksamen Wider stand gestoßen wäre, wenn die Grubenbesitzer und Berg arbeiter unter französischer Besatzung angesichts der fran zösischen Bajonette ihre Arbeit fortgesetzt hätten, wäre äs kaoto eine Lage geschaffen worden, die der juristischen Position, wie sie der Versailler Vertrag festgelegt hatte, bei weitem überlegen gewesen wäre: Deutschland hätte aufgehört eine Gefahr zu sein, hätte sogar aufgehört, als Großmacht zu existieren, wäre zu einem militärisch ver krüppelten, wirtschaftlich abhängigen Lande geworden." Daß dem nicht so wurde, gibt uns Deutschen die Berechti gung, des Tages zu gedenken, an dem die Franzosen begannen, „durch die Ruhrbesetzung, durch die Verhaf tung der Grubenbesitzer mehr für den Zusammenschluß aller Parteien und Klassen in Deutschland zu tun, als es sich durch andere Mittel hätte bewerkstelligen lassen". Aber bei diesem Gedenken sollte auch überall das Lied klingen: „Ich halt' einen Kameraden . . ." Und hoch ragt das Kreuz über dem Ruhrgebiet, das so viele Opfer in seinem Kampf hergeben mußte. Noch viel mehr Deutsche wurden von den Besatzungstruppen fürchterlich mißhandelt. Hat sich in der Französischen Kammer jemals eine Stimme erhoben, die gegen diese fürchterlichen, an die Zeiten des Dreißigjährigen Krieges erinnernden Greueln protestierten? Niemand tat es und nur sehr vorsichtig deutete der Führer der Sozia listen an, alle französischen Maßnahmen hätten nur dasselbe Ziel, „die Einheit Deutschlands zu zerstückeln und dem freien Willen der deutschen Bevölkerung Ein trag zu tun". Das war alles! Und als im Mai 1924 me französischen Wahlen eine Linksmehrheit ergeben batten, weigerte sich auf der Londoner Konferenz, die den -awes-Plan beschloß. Herriot als Ministerpräsident, die Jie VemittllUMWe Ben weiter Papen berichtet dem Reichskanzler. Aussprache über die Kölner Unterredung. Reichskanzler von Schleicher hat Herrn von Papen zu einer etwa anderthalb Stunden währenden Aussprache empfangen. In dieser Unterredung hat Herr von Papen den Reichskanzler über den Verlauf seiner Aussprache in Köln mit Hitler unterrichtet und ihn ebenso über die Vor geschichte dieser Aussprache in Kenntnis gesetzt. Amtlich wird über die Unterredung Schleicher-Papen folgendes mitgeleilt: „Der Reichskanzler empfing Herrn von Papen zu einer Rücksprache über seine Begegnung mit Herrn Hitler vom 4. Januar und die daran geknüpften irreführenden Preffekommentare. Die Aussprache ergab die völlige Haltlosigkeit der in der Presse aus dieser Begegnung ge folgerten Behauptungen über Gegensätzlichkeiten zwischen dem Reichskanzler und Herrn von Papen." Uber den tatsächlichen politischen Inhalt der Gespräche gibt, wie man sieht, diese amtliche Mitteilung wenig Auskunft. Wie aus guter, zuverlässiger Quelle indessen verlautet, ist in der Unterredung zwischen Schleicher und Papen auch die gesamte innenpolitische Lage besprochen worden. Herr von Papen hatte Gelegenheit, dem Reichs kanzler besonders die Auffassung rheinischer Wirtschafts kreise über die von der jetzigen Reichsregierung verfolgte Politik zu überbringen. Es ist nämlich bekannt geworden, daß Herr von Papen in den letzten Tagen nach seiner Zusammenkunft mit Hitler auch Besprechungen mit einigen Wirtschaftsführern, so u. a. mit Generaldirektor Dr. Bögler und Dr. Springorum hatte. Bei diesen Besprechungen ist von den westdeutschen industriellen Kreisen erklärt worden, daß man gewisse Bedenken gegen die Sozialpolitik und die Arbeitsbeschaffungspolitik des jetzigen Reichskabinetts habe. Dr. Springorum hat nach offiziösen Erklärungen westdeutscher industrieller Kreise in der Unterhaltung mit Herrn von Papen darauf hingewiesen, daß in vielen In dustriezweigen wieder ein Stillstand eingetrejen sei, dessen Ursache die allgemeine Unsicherheit bilde, da man nicht genau wisse, welchen wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Kurs das jetzige Kabinett einschlagen werde. Es ist dabei offenbar auch das Arbcitsbeschaffungsprogramm Dr. Gerekes kritisiert worden. Herr von Papen ist von den Vertretern der westdeutschen Industrie gebeten worden, diese Bedenken dem Reichskanzler bei der Bericht erstattung über die Kölner Unterredung gleichzeitig mit zuteilen. Daraus ergibt sich, daß die Unterhaltung zwischen Schleicher und Papen alle politischen und wirt schaftspolitischen Fragen berührt, ohne daß selbstver ständlich Herr von Papen andere Absichten als die der loyalen Unterrichtung des Reichskanzlers hätte. Wie von anderer Seite weiter bekannt wird, sollen die Besprechungen auch zu dem Zweck geführt worden sein, nach Möglichkeit eine Reichstagsauflösung in nächster Zeit zu vermeiden, die bestimmt kommen würde, wenn etwa der Reichstag bei seinem Zusammentritt der jetzigen Reichsregierung ein Mißtrauensvotum aussprechen würde. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Reichskanzler von Schleicher in den nächsten Togen mit Hitler selbst eine Unterredung haben dürfte; bisher ist jedoch ein bestimmter Termin dafür nicht anberaumt worden. Auch dem Reichspräsidenten wird über die Kölner Verhandlungen Bericht erstattet werden, sei es vom Reichskanzler selbst, sei es von Herrn von Papen; doch ist auch für diese Berichterstattung noch kein Zeitpunkt festgesetzt. Auf jeden Fall soll die jetzt in Gang gekommene Fühlungnahme zwischen führenden politischen Persönlich keiten bis zum Zusammentritt des Ältestenrates, am 20. d. M., fortgesetzt werden. Einen nicht unwesentlichen Einfluß auf die weitere innenpolitische Entwicklung schreibt man in politischen Kreisen den am 15 Januar er- französischen Truppen sofort aus dem Ruhrgebiet zurück zuziehen; erst nach einem weiteren Jahr der Besetzung erfolgte die Räumung. Hoch ragt über das Ruhrgebiet das Kreuz an der Stelle, we Schlageter den Kugeln französischer Ge wehre erlag. Das Ziel, das sich unter Poincarös Führung Frankreich gesetzt hatte, wurde nicht erreicht. Deutsch land hatte sich in gemeinsamem Widerstand gefunden unter furchtbaren Opfern. Und so ist der 10. Januar nicht bloß der Tag der Erinnerung, sondern mehr noch ein Tag der Mahnung! folgenden Landtagswahlen in Lippe zu, von deren Er gebnis die weitere Haltung sowohl der Reichsregierung wie der Nationalsozialisten abhängig gemacht werden soll. * Hitler über seine Begegnung mit Papen. im Völkischen Beobachter enthaltenen Bericht der NsK. aus Detmold zufolge äußerte sich Adolf Hitler auf Fragen des Reichspressechefs der NSDAP, über seine Begegnung mit Herrn von Papen u. a. wie folgt: Frage: Der Kern der öffentlichen Angriffe scheint in der Behauptung zu liegen, daß der Grund Ihrer konse quenten Opposition in der Absicht zu suckln sei, sich und >zhre Bewegung der Verantwortung am Staate zu entziehen. Hat dieses Argument sachliche Bedeutung? Antwort: Nein! Tatsächlich war ja meine Forderung nicht eine andere, als gerade die Übertragung der per sönlichen Verantwortung an die NSDAP. Allerdings setze ich hier selbstverständlich voraus, daß die Partei dann aber auch die i h r z u l o m m c n d e Füh rung erhält. Mir zuzumutcn, die Verantwortung zu übernehmen für das, was andere tun, ist ein mehr als starkes Stück. Wenn der Herr Reichspräsident im November glaubte, dank der Ratschläge seiner Umgebung es nicht verantworten zu können, mir die Verantwor tung zu übertragen, dann sind damit vic Männer auch heute die Verantwortlichen für die traurigen Folgen und für all das Elend, die aus dieser Weigerung dem deutschen Volke erwachsen müssen. Frage: Sind die Behauptungen in der gegnerischen Presse zutreffend, daß Sie Fühlung mit Herrn von Papen gesucht und auf diesem Wege Anschluß an die angeblich hinter ihm stehenden s ch w e r i n d u st r i e l l e n Kräfte gesucht hätten? Antwort: Es ist selbstverständlich, daß ich keine Fühlung mit Herrn von Papen gesucht habe. Aber ebenso selbstverständlich ist es, daß ich mir von niemandem vorschreiben lasse, mit wem ich sprechen darf und mit wem nicht. Ich bin Politiker und werde, wenn ich cs für zweckmäßig ansche, jede Besprechung führen. Die deutsche Schwerindustrie isteinLcil der deutschen Wirt schäft. Ich brauche daher ebensowenig an sie „A n - schluß zu suchen wie an irgendeine andere Wirt- schastsgruppe. Ein Politiker hat mit allen bestehenden Faktoren zu rechnen und kann ihre Existenz nicht wcg- zaubern. Wenn ich aber jemals die Notwendigkeit empfinde, darüber hinaus mit irgendeiner Wirtschästs- gruppe eine besondere Fühlung zu nehmen, so benötige ich dazu keines besonderen Fürsprechers. über die Erfolgsaussichtcn des Arbeits beschaffungsprogramms der Negierung von Schleicher befragt, erklärte Hitler: Arbeitsbeschaffungs- Programme sind nicht ihrer selbst wegen da. Ich ent halte mich daher jedes Urteils über derartige Probleme, sondern beurteile nur ihre Auswirkung auf die allgemeine deutsche Wirtschaftskrise. Diese Krise aber wird durch Maßnahmen des Kabinetts Schleicher nicht beseitigt. * Völkischer Beobachter rechnet mit Reichs- tagsauflösung oder KabtnettsumbUdurg« Berlin, 9. Januar. Der „Völkische Beobachter" glaubt, daß die Unterredung zwischen von Papen und Reichskanzler von Schleicher nicht ohne Einwirkung auf den Verlauf der Reichstagstagung sein werde. Es werde sich hierbei unter Um ständen schon entscheiden, ob das Kabinett von Schleicher sich einem mit großer Mehrheit angenommenen Mißtrauensvotum aussetzen und den Reichstag auslösen werde, oder ob es der Reichspräsident vorziehe, eine andere Lösung zu finden, die in einer völligen Umbildung des derzeitigen Kabinetts zu geschehen hätte. Wenn aber, so fährt das Blatt sort, den National sozialisten eine „Spaltung" der nationalsozialistischen Reichs- iagssraktion bei einer Abstimmung über ein Mißtrauensvotum und Furcht vor Neuwahlen angedichtet werde, so werde man sich irren. * Neue sozialpolitische Forderungen der Deutschnationalen. Die sozialpolitischen Sachbearbeiter der deutsch- nationalen Reichstagsfraktion hielten eine Beratung ab, auf der, wie die D e u t s ch n a t i o n a l e P r e ff est e l l e mitteilt, erneut die Forderung des Parteiführers Hugen berg auf Beseitigung der Renten- und Unter stützungskürzungen in ver Juni-Notverordnung unter strichen wurde. Weiterhin wurde die Einbringung eines Antrages beschlossen, um die härteste soziale Bestim mung der Notverordnung Brün_inas vom 8. Dezember