Volltext Seite (XML)
AuerW -Zeitung. Tageblatt für die Stadt Aue und Erscheint täglich Nachmittags, außer an Sonn n. Keiertagen. — Preis pro Monat srei ins Hau« LO Pfg., abgeholt 1b Pfg. — Mit der Sonntagsbeilage: „Der Zeitspiegel" Bei der Post abgeholt pro Vierteljahr 1 Mk. — Durch den Briefträger 1.40 Mark. Billigste Tageszeitung im Erzgebirge. verantwortlicher Redakteur: Grnst Funke, Aue jErzgeb-rn». Redaktion u. Expedition: Aue, Marktstraße. Nr. 109 Sonntag, 13. Mai 1900 Umgebung. Inserat» Mt einspaltige Petitzeile 10 Psa», a,»tltchk Inserate die CorpuS-Zeile 25 Pfg., Reklamen pro Zeile SO Pfg. Bei 4 maliger Aufnahme SS»/» Rabatt. — Bei größeren Inserate» n. mehrmaliger Aufnahme wird entspreä end höherer Rabatt gewährt. Alle Postanstalten! und Landbriesträger nehmen Bestellungen an.s 12. Jahrgang' DePihrisetzter Deutschland. A Der Deutsche Kronprinz ist vom Kaiser Franz Joseph zum Oberst-Inhaber des 13/Husarenregiments ernannt worden. ß Die Torpedobootsdivision auf dem Rhein, welche Mittwoch Abend Neuwied angelaufen war, passirte vorgestern Vormittag Coblenz. K Die Berliner Stadtverordnetenversammlung lehnte mit 80 gegen 38 Stimmen den Antrag Singer, wel cher verlangte, der Magistrat solle bei Vergebung von Lieferungen und Arbeiten die gen. Streikklausel nicht in die Verträge abnehmen, ab. 8 Ein Königsberger Blatt will erfahren haben, daß für die neuen Handelsverträge im Einvernehmen mir Rußland ein Roggenzoll von 4 Mark und ein Weizen zoll von 6 Mark in Aussicht genommen sei. 8 Der Deutsche Brauerbund beantragt rn einer an den Reichskanzler gerichteten Denkschrift, jeder Erhöhung der Zölle auf Gerste und Malz die Genehmigung zu versagen. 8 Ein Berliner Blatt schreibt: Die glücklichen Ge winner des ersten, zweiten und dritten Hauptgewinns der kürzlich gezogenen Schneidemühle! Pferdelotterie, die auf die Nummern 33 328, 84 287 und 27 694 fielen, haben sich bisher nicht gemeldet. Sie werden jetzt ausgefordert, unverzüglich beim Luxus-Pferde- markt-Comitee in Schneidemühl die betreffenden Ge winne gegen Rückgabe der Loose in Empfang zu nehmen. 8 Der Selbstmord eines Dreizehnjährigen. Aus Berlin schreibt man unter dem 8. d. M. :?Der 13Vs Jahre alte Sohn Otto der Arbeiterwitwe B. aus der Ruppinerstraße mochte in seinem vierten Lebensjahre eine sehr schwere Krankheit durch und war seitdem fast ununterbrochen tiefsinnig. Am 24. v. M. ging er Morgens um 4^ Uhr vom^Hause weg, um für den Bäckermeister Schulz in der Wollinerstraße zur Aus hilfe für den erkrankten Sohn Frühstück auszutragen, kam aber dort nicht an, kehrte auch^nach Hause nicht wieder zurück und ließ nichts mehr von sich hören. Als Leiche sand man ihn am Schiffbauerdawm in der Spree wieder. § Der „Vorwärts" macht darauf aufmerksam, daß die Berliner Waarenhäuser, soweit sie durch die ge plante Umsatzsteuer gefaßt werden sollen, bei den letz ¬ ten Festlichkeiten angesichts der drohenden Belastung nichts für Ausschmückung und Illumination aufge- wendet haben, während sie sonst Tausende dafür aus zugeben pflegten. — Die Thatsache ist allerdings richtig und hat viel Aufsehen erregt. 8 Der Norddeutsche Lloyd hat soeben in Stettin einen neuen Schnelldampfer für den transatlantischen Dienst in Auftrag gegeben, der den größten Dampfer der Welt, den „Oceanic", noch um 48 Fuß an Länge übertrifft. Er wird die Reise über den Atlantic auf weniger als fünf Tage abkürzen. 8 Aus dem Altenburger und Thüringer Lande, 9. Mai. Ein gräßliches Unglück ereignete sich in der Färberei und Appreturanstalt der Firma Schieber in Greiz. Dortselbst glitr der Arbeiter Tippmann aus und stürzte m einen mit heißer Flüssigkeit gefüllten Farbenbottich. Dabei trug er derartig schwere Ver letzungen davon, daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. — Aufsehen erregt in Greiz die Verhaftung des Ortskrankencassen-Coatroleurs Greiner wegen Verdachts des Meineids. Anläßlich der Krankenbesuche soll G. mit einer von ihrem Manne getrennt lebenden Frau intime Beziehungen angeknüpfr haben, die nicht ohne Folgen geblieben sind. G. hat dies jedo h in Abrede gestellt. Mit Hinterlassung bedeutender Schulden brannte in Erfurt ein Leichenbestatrer, der ein recht einträgliches Geschäft hatte, nach Amerika durch. Einer der Gläubiger, ein Gastwirth, ließ nun scheuntgst einige werthvolle — Särge pfänden und diese in seinem Restaurant unterbringen. — In Oberröppisch wurde acht Mal hintereinander Herr Neumerkel zum Bürger meister gewählt und jedesmal versagte die Regierung von Reuß j. L. die Bestätigung der Wahl. Da Herr Neumerkel auf die Candidatur verzichtete, wählte man nun den Nachlwächrer zum Bürgermeister und ist gespannt, was die Regierung zu dieser Wahl sagt. 8 In Lippelsdorf (Sachsen-Meiningen) spielte das dreijährige Söhnchen des Gastwirts Gräf mit dem geladenen Jagdgewehr des Vaters. Die Waffe entlud sich und das Kind wurde sofort getötet. 8 In dem Prozesse gegen den Pastor Steinbrück vor der Strafkammer zu Stettin wegen Amtsver brechens wurde der Angeklagte wegen Unterschlagung amtlicher Gelder und anderer Gelder, sowie wegen falscher Buchführung zu 2 Jahren 6 Monaten Gefäng nis verurteilt. 8 Berlin. 9. Mai. Unter den Schaffnern und Wagenführern der Straßenbahn-Gesellschaft ist infolge ihrer Dienstverhältnisse eine leicht erklärliche allge meine Gährung eingetreten, welche zu den Vorberei tungen für einen allgemeinen Ausstand Veranlassung gegeben hat. In den letzten Tagen der vorigen und Anfang dieser Woche haben mehrere Bezirksversamm lungen der auf den Depots angestellten Schaffner und Wagenführer der Bahnhöfe Müllerstraße, Gesundbrun nen, Manreuffelstraße, Nürnberger Straße usw. statt gefunden. In diesen Versammlungen wurden Ver trauensleute gewählt, welche die Bewegung vorzube reiten, and die Interessen der betreffenden Bahnhof angestellten wahrzunehmen haben. In nächster Zeit bereits toll eine allgemeine Nachtversammlung der Straßenbahnangestellten stattftnden, in welcher über weiter zu unternehmende Schritte vo» beraten werden soll. In den bisherigen Versammlungen wurden die Forderungen bereits sestgelegt. Hierzu gehören: Ge haltserhöhung, endliche Durchführung der Pensionskaffe, die Einhaltung der vier freien Tage, sowie die Berech nung der Wartezeit an den Endhaltestellen als Dienst zeit. Außerdem wurde von verschiedenen Seilen auch nocb die Entlassung eines höheren Betriebsbeamten gefordert. Es ist allerdings zu erwarten, daß die Groß- Berliner Straßenbahn-Gesellschaft es zu einem Ausstand nicht kommen lassen wird, sondern daß sie in Rücksicht auf den thatsächlich vorhandenen Perso nalmangel, der ja die Schaffung eines E'satzeS der Ausständigen unmöglich macht, die berechtigten Forde rungen bewilligt. 8 Berlin, 11. Mai. Wie die „Post" meldet, wur den in der.Ortschafl Kauern bei Brieg (Schlesien) 17 Gebäude durch Feuersbrunst eingeäschert. 8 Wilhelmshaven,' 1l. Mai. Der Lloyddampser Köln ging gestern mit dem Ablösungstransport für das Kreuzergeschwader nach Tsintau in See. 8 Elberfeld, 11. Mai. Beim Abbruch eines Privat hauses stürzte ein NebenhauS ein, worin sich Menschen befanden. Bisher wurde eine Leiche hervorgeholt, es best.ht die Befürchtung, daß Kinder verschüttet worden find- 8 Frankfurs a. M., 10. Mai. Die „Franks. Ztg." meldet aus New-Aork: Bei den von dem Marineamt angestellten Versuchen mit dem neuen Geschoß durch schlug dies eine 14zöllige Panzerplatte; benutzt wurde ein Kzölllges Marinegeschütz, das dem Geschoß eine Anfangsgeschwindigkeit von 2800 gab. 8 Könitz, 9. Mai. Der Zahnarzt Wimmert in Berlinchen (Neumark) will die Entdeckung gemacht An der Iremde. Roman von Alexander Blumenberg. 90 Sie haben nicht umsonst ein langes Leben hinter sich, sie wissen aus langjähriger Erfahrung, daß die schim mernde Tiefe da unren auch böse, heimtückische Gewalt besitzt, sie trauen dem rieselnden Geschmeichel nun einmal nicht, darum verwehre» sie auch ihren Aesten hartnäckig ein Bad in der kühlen Flut. Wie ei» riesiges, kunstvolles Bassin ruht der See hier mitten im Walde, ein abgeschlos senes, fertiges Bild. Vom Landhaus aus verbirgt eine rechts vorspringende breitere Bucht die Biegung des SeeS. Erst hinter dieser mit Eichen bestandenen Bucht wird er breiter und breiter, und an seinem anderen Ende liegt der Bade- und Luft kurort Tannhausen. In dem Landhaus am See wohnte Minna mit ihrem Knaben; dem geräuschvollen Badeleben, welches die schöne Frau gern m ihre Kreise gezogen hätte, zog sie die stille Abgeschiedenheit dieses Wald-Idylls vor, sie wollte allein sein, mit sich, mit ihrem Glück, ihrer Erwart ung dessen, wa» sie sich so selig von der Zukunft erträumte. In einem Pavillon, an dessen hölzernen Schnitzwerk Rosen und Weinlaub im üppigsten Durcheinander um die Herrschaft rangen, saß Frau von Malatoff mit ihrem Kna ben am appetitlich gedeckten Frühstückstische und strich Emil eine Honigsemmel nach der andern. Die Gebirgsluft machte den. Kleinen Appetit, die rosigen Bäckchen, das ganze, son nenverbrannte Kindergesicht zeigten, daß Kost und Pflege gut anschlugen. Minna schaute mit mütterlichem Stolz auf ihren Knaben, dessen schöne, kräftige Gestalt sich so vorteil haft abhob in dem weißen, leichte» Sommeranzug. EmilS große, blaue Augen hatten sich heute morgen bereit-öfter erstaunt auf das Gesicht der Mama gerichtet, und endlich mochte er wohl seiner innerlichen Verwunderung Ausdruck geben müssen. Seine große Tafle vöm Münde nehmend, die er mit beiden Händen umfaßt hielt, fragte er: „Mama, sag', warum lachst Du heute alles so vergnügt an?" „Weil ich mich treue, Du Schelms" „Ich weiß auch warum." Und der Kleine, seine Tasse loslassend, begann an den Fingern zu zählen: „Zuerst weil Onkel Wilhelm kommt, und Onkel Wilhelm sein kleiner Junge mit der schwarzen Kinderfrau; dann kommt die Tante Klinger, und wer noch, Maina?" Der kleine Ueber- niütige sprang ans der Mutter Schoß und umhalste und küßte sie stürmisch. „Und wer noch, Mama? Der .. On kel . . Ludwig," und bei jedem der drei Worte machte der Knabe eine Panse. „O, Mama," erzog den Kopf der Mut ter stürmisch mit seinen Aermchen zu sich nieder, „manch mal kann ich gar nicht mehr die Zeit erwarten, bis er kommt. Morgen erst, Mama; könnte er denn nicht schon heute kommen?" Minna hatte Mühe, das heiße Erröten vor dem In- qnisitor-Blick ihres Sohnes zn verbergen. „Das kann wohl sein, mein Liebling," sagte sie, „aber eS ist nicht wahr- scheinlich. Hast Dn Dir nicht selber den Tag auf Deine Schiefertafel geschrieben, als OnkelLudwig im letzten Briefe seine Ankunft ankündigte? Bist Du fertig mit frühstücken, Emil?" Der Knabe nickte. „Mama, es könnte doch sein, daß Onkel Lndwig schon heute kommt," beharrte er, und seine schönen Augen bekamen einen schwärmerisch ungeduldigen Ausdruck. „Ich habe den Oukel so lieb, Mama, ich möchte, er bliebe immer bei uns. Mama, sag e» ihm, wenn er kommt, er soll bei uns bleiben; wenn Du ihn bittest, thut er es sicher. Gelt, Du thust eS?" Minna drückte ihren Knaben heftig an sich. Was war es nur, das ihr die Thränen in die Augen trieb, war e» der fromme Engelsblick ihre» Kinde»? Sie konnte sich aus einmal nicht satt sehen an den blauen Augen, sie küßte den Knaben mit einer Leidenschaft und Innigkeit, welche ihr einen fast körperlichen Schmerz bereiteten. „Mama, süße Mama," schmeichelte Emil, „weshalb weinst denn Du?" Sie preßte ihn noch einmal an sich und zerdrückte hastig die Thränen. „Nein, mein Junge, ich bin so glücklich," sagte sie. „Gott erhalte mir mein höchste» Glück, Dich, mein einziges, geliebtes Kind! Sieh da, Emil, der Sepp kommt vom Fischfang zurück, eben legt er den Nachen an. Hallo, er winkt uns, Emil! Was tausend, schau, was er hoch hält, einen Lachs! Komm, komm, den müssen wir un» ganz in der Nähe beschauen." Wie sah sie so jugendlich liebreizend au» in dem wei ßen dnftigen Morgenkleide, es war, als leuchte der Son- nenglauz des schönen Sommermorgens ihr auf der Stirn, al» sie, den Knaben an der Hand haltend, mit leichten Schritten über den Rasen lief. Die ganze graziöse Gestalt, jede Bewegung ihres elastischen Körpers verriet Freude am Leben, an der Gegenwart, in den dunklen Prachtaugen schimmerte ein feuchter Glanz, sie tauchten den Blick so glaubensselig in die nächste Zukunft. Sepp, der Fischer, er war auch zugleich Bootführer und Wächter im Landhaus, zeigte jetzt dem erstaunten Emil seinen Fang, eine gewaltige Lachsforelle. „Sehen'», gnä Frau," sagte er und schaute seelenvergnügt auf das silberne Geschupp de» Fische», „da» ist halt a Fang, wie'» alleweil nit often passiert." „Der wüschte G'sell hat mir schier da» Netz zerwühlt und zernichtet, hätt ihn nimmer Heimbringen könnt, wenn' i ihm nit eine» auf sein Kopf geben hätt, daß er da» Ge zappel d'rangab." -„Was für ein Prachtstück, Sepp," bewunderte nun auch Minna; „da» war der Mühe wert zum Fischfang, gelt?" Sepp schmunzelte. „Will ihn gleich zur Flöra in» KÜ- chel tragen. Die Sonn meint'» gar güt hier." Emil folgte natürlich dem Bootsmann in die Küche, ohne die verwun derten Augen von dem kolvffalen Fisch abznlaffen. Minna blieb noch am Wasser stehen und sah über den See hin weg, in den Men, kühlen Wald. Ein wunderbar träume rische» Fleckchen Gotteserde war'S, wie geschaffen zu un gestörtem Glück uWbFrteden. Die Brust der jungen Fra« hob und senkte sich,stürmisch pochte aus einmal da» rebeK- sche Herz und sie mußte die Hand einen Augenblick fest darauf drücken. „Morgen, ja morgen/flüsterte sie, „und Emil» Sehnsucht wünscht ihn schon heute herbei," 72,18*