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Vivaldi ist 1675 in Venedig geboren worden. Er wurde, gleich seinem Vater, Kirchengeiger am Dom von San Marco, Abbate (d. h. Weltgeistlicher) mit dem volkstümlichen Beinamen „il preto rosso“ (d. h. der rothaarige Priester), Konservatoriumsdirektor, reiste als Impre sario seiner Werke und starb völlig verarmt 1741 in Wien. Was Vivaldi für das Violinkonzert, das bedeutet Arcangelo Corelli für die Violin-Sonate (Kammer- und Kirchensonate) und für das Concerto grosso. 1653 in Fusignano bei Imola geboren, Schüler von Bonvenuti in Bologna und Simonelli in Rom, wurde er bald bekannt als Geiger. Er wurde Konzertmeister der Königin von Schweden (in Rom), dann des Her zogs von Modena, schließlich des Kardinals Ottoboni, wo er Georg Friedlich Händel kennenlernte. Corelli war ein liebenswürdiger, schüchterner Mann, am Ende seines Lebens — er starb 1713 in Rom — litt er gar unter Minderwertigkeitskomplexen. Ob er je in Deutsch land war, wissen wir nicht, obwohl der Kurfürst Friedrich Wilhelm von der Pfalz ihn nach seinem Tode zum Marchese von Ladenburg ernannte. Selbst kein Virtuos — er pro pagierte edelste Klassik, abseits von äußerlicher Technik —, muß Corelli doch in seinem Violinspiel, was Klangschönheit und Ausdruckskraft anbelangt, ganz überragend gewesen sein; die Zeitgenossen verehrten ihn als Spieler außerordentlich. Neben seinen Sonaten und Concerti grossi ist sein Variationswerk „LaFolia“ ein geschätztes, technisch anspruchs volles Geigenstück. Die Folia (italienisch Follia Narrheit) ist eine altportugiesische, vielleicht auch eine altspanische Sarabande (würdiger Tanz). Aber alles Blättern in den Musiklexika läßt keine genaue etymologische (Wortableitungs-) Deutung des Wortes Folia zu. Wir wissen nur, daß sie als eine Kompositionsform über einen Ostinato (immer wieder kehrende Baßstimme) im 17. Jahrhundert bekannt ist. Über die Krönung der Poppea, der Gemahlin Neros, hat Claudio Monteverdi (1567—1643) eine Oper geschrieben „L’Incoronazione di Poppea“. In die Entwicklung der jungen Oper hat Monteverdi schon mit seiner Erst-Oper „Orfeo“ (1607) eingegriffen, und zwar gleich als gewaltiger Neuerer, indem er der Gattung des wortgebundenen Madrigals (des Chorlieds) die wortlose, instrumentale Musik hinzugewann. Die Fortschritte vom ,,Orfeo“ bis zur letzten Oper Monteverdis ,,Die Krönung der Poppea“ (1642) bedeuten einen enormen Sprung in der Operngeschichte. Zeigt sein Orchester im ,,Orfeo“ noch die charak terisierende spielmännische Buntheit der Florentiner Renaissance-Oper (1594 wurde die Oper quasi in Florenz geborgen), so steht die ,,Krönung der Poppea“ schon dem Sturm und Drang des Hochbarocks nahe. Ernst Kfenek (geb. 1900 in Wien) umgeht all diese musik wissenschaftlichen Probleme der Opernentwicklung bei Monteverdi, indem er in seiner Suite aus der Oper „Die Krönung der Poppea“ die schönsten Stücke und Tänze des Erz musikanten Monteverdi entnimmt und sie mit dem Mantel eines modernen Orchesters umkleidet. Kfenek studierte bei Franz Schreker in Wien, wurde der Schwieget sohn von Gustav Mahler, wirkte in Zürich, in Kassel, in Wiesbaden, lebt jetzt in Los Angeles. Viel leicht können sich die älteren Leser noch auf Kfeneks Sturm- und Drangzeit besinnen, auf seine Oper „Jonny spielt auf“, auf seine Ballette, als er in den zwanziger Jahren mit seinen Streichquartetten zur radikalsten Moderne gehörte. Inzwischen hat er eine gewaltige Wand lung durchgemacht, katholischen Mystizismus und die Zwölftonmusik durchlaufen. Mit afieser seiner Suite steht er ehrfürchtig vor der Kunst der alten Meister. Ebenfalls eine Orchestersuite ist das Divertimento / Klavierstücke von Francois Couperin für kleines Orchester bearbeitet / op. 86 von Richard Strauss. Fran- 901s Couperin (im Gegensatz zu seinem Onkel genannt: le Grand) lebte von 1668 bis 1733 in Paris, verzichtet in seinen Klaviersuiten („Ordres“) auf den alten Typ der Suiten, ver wendet nur Tänze (keine Preludes), entwickelt sie zu Charakterporträts von Personen oder zu Programmschilderungen. In der langen Reihe der französischen „Clavecinisten“ (Cem balo-Klavierspieler und -Komponisten) vom Anfang des 17. Jahrhunderts bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts gehört Couperin ohne Zweifel zu den ersten, glänzendsten und begab testen Meistern. Rameau, Bach, Händel, Telemann und viele andere haben ihn sich zum Vorbild genommen. Ebenso haben Strauss der französische Charme und Witz und die Eleganz von Couperin gelockt. Diese Suite ist eine Fortsetzung der schon früher erschienenen Couperin-Tanzsuite. Strauss veröffentlichte sie als „Divertimento“. Ernst Krause, der Strauss-Biograph, schreibt: „Es gilt, Richard Strauss’ eminente Gabe der Einfühlung in die Musikgeschichte bei Sätzchen wie dem entzückenden Rondeau ,Le tic-toc-choc‘, den graziösen ,Brimborions‘ (Nippsachen) und anderen zu bewundern. Man empfindet die Freude am ,Umgruppieren‘ von Musik, die, größtenteils für die Tanzbühne bestimmt, nun weiteren Kreisen zugänglich gemacht werden soll. Die Kunst ist für das Leben da!“ Prof. Dr. Hans Mlynarczyk L I TE R AT U R H I N W E I S E H. J. Moser: Musiklexikon Hamburg 1955 J. von Wasielewski: Die Violine, Leipzig 1919 Ernst Krause: Richard Strauss, Leipzig 1956 VORANKÜNDIGUNG Nächste Konzerte im Anrecht A 27. und 28. Februar 1960 Nächstes Außerordentliches Konzert i.und 2. März 1960 Dirigent: Prof. Heinz Bongartz Solist: Prof. Helmut Roloff, Berlin (Klavier) Der Dresdner Philharmonie ist es gelungen, den hervorragenden sowjetischen Geiger Ricardo Odnoposoff für das 10. Außerordentliche Konzert am 15. und 16. März 1960 zu gewinnen. Bei den bekanntesten Orchestern der Welt hat Odnoposoff gewirkt, wobei ihm seine große Vielseitigkeit ebenso zugute kam wie seine Spielbravour, Musikalität und Ausdruckskraft. Odnoposoff gewann in seiner Laufbahn viele Anerkennungen seines ungewöhnlichen, noblen Künstlertums, das sich nie im rein Virtuosen erschöpft. Heute ist Odnoposoff in den Konzertsälen der ganzen Welt ein immer wieder stürmisch gefeierter Gast. Programm: Franz Schubert: Sinfonie Nr. 8 h-Moll (Unvollendete) Mendelssohn-Bartholdy: Violinkonzert D-Dur Tschaikowski: Violinkonzert D-Dur Dirigent: Prof. Heinz Bongartz ’i 5. ZYKLUS-KONZERT „Musik von großen Meistern — um große Meister“ 6048 Ra III-9-5 260 1,4 ItGoO9/6o/r6