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Nummer 234 — 24. Jahrgang kmal wüch. Bezugspreis: für Oktbr. 3.—-K elnschl. Bestellgeld. Anzeigenpreise: Die Igesp.Petiiizeile 80^, Stellengesuche Lü L. Die Petitreklamezeilr, 8S Milli meter breit, 1 Offertengebühreu für Selbstabholer 20 bei Uebersenbung durch die Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 10 L, Sonntags-Nr. IS L. Geschäftlicher Teil: Josef Fohmann. Dresüen. INu-IIcl,,», gtto kriidil fU«I<e8teI»»tr,0« j Wliimeiile «»er ttrl Freitag, 9. Oktober 1925 Im Falle höherer Grivall erlischt jede Vterpsiichiung aus Lieferung sowie Erfüllung v. Anzcigcnausträgen u. Leistung v. Schadenersatz. Für undeutl. u. S. Fern, ruf übennitt. Anzeigen übernehmen wir keine ^er. autworirmg. Unverlangt eingcsandte u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte wcrs. nicht cusbewahrt. Sprechstunde d, Redaktion ö bis t> illir rwä> nittngs. Hauptschristleit.: Dr. Iojeph Ajberl, Dresden, Geschitftsftello, Druck und Verlas, Saronia- Buckldnickerel GmbH..TrcSdei!-?l. I«. Holbeinsirnke4V, Fernrni 32722. PoslscheckN'nlo Dresden 14727 Banltonlo Bassenac 6- Ariiische, Trek-^e«. Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsische» Volks»«»»»« Drerdea-iMli. IS. Holbeiusirahe iS gcrnrui 32722 Mid 3SL38. Das Ende -er Enlenke Durch die gesamte Politik der Ententeländer zieht sich seit Kriegsende immer der eine Gedanke: wie sichern wir lins vor den Angriffen eines neuerstark ten Deutschland. Der Versailler Vertrag wurde ja ge rade in diesem Sinne ein gewichtiges Dokument, weil in ihm der deutschen Freiheit die denkbar schwersten Fes seln angelegt wurden. Und in der Folgezeit fühlte sich die Entente zu keiner schöneren und besseren Aufgabe berufen, als Hüterin dieses Vertrages zu sein. Die Furcht vor Deutschland hat Frankreich in sieben Nachkriegs jahren zu Mitteln greifen lassen, die dem Wesen einer Kulturnation grundsätzlich entgegenstehen. Abrüstungs und Entwaffnungsforderungen gingen neben den be rühmten „Sanktionen" ständig einher; Vergewaltigung der deutschen Grenzgebiete und Aufhetzung der kleineren Nachbarstaaten Deutschlands wurden zum Symbol der französischen Angst- und Haßstimmung. Auch die finan zielle Unterstützung Polens, der Tschechoslowakei usw. und der Abschluß von Bündnissen mit eben diesen Staa ten diente immer ein- und demselben Zwecke: der Ein kreisung und Niederhaltung Deutschlands. Und lange Zeit gelang es Frankreich, seine beiden Hauptbundes genossen aus der Kriegszeit, England und Belgien, in seine Pläne hineinzuziehen und besonders beim Rubr- nbenteuer die notwendige Unterstützung oder zum wenig sten ihre Neutralität zu erlangen. Frankreich war stets die „treibende Kraft" im En tentekonzern. Und weil ihm schließlich die Unsumme von „Maßnahmen" gegenüber Deutschland und die Verträge mit den kleinen östlichen Staaten nicht mehr genüg ten, so hat es lange und hartnäckig versucht, sogenannte neue „große Bündnisse" mit Mächten ersten Ranges, nämlich mit Amerika, mit England und mit Belgien zu schließen. Diese Taktik aber blieb ohne Erfolg. All mählich nämlich konnte es den drei genannten Mäch ten nicht entgehen, daß die französische Weltpolitik grundsätzlich falsch war. weil sie sich auf Motiven des Hasses und der Unterdrückung gegenüber Deutsch land gründete. Damit ließ sich keine dauernde weit sichtige europäische Politik machen. Vor allem Amerika und England mußten in diesem Sinne zu einer nüchter nen Auffassung kommen, während Belgien immerhin eine beträchtlichere Zeit gebrauchte, um die unentschuld baren deutschen Mißgriffe gegenüber einem neutralen Lande in etwa zu vergessen. Es wurde also allmählich immer klarer, daß ein Bündnis nicht gegen, sondern mit Deutschland abgeschlossen werden müsse. Und den ersten praktischen Versuch in dieser Richtung machte dann der ehemalige Reichskanzler Cuno. Aber es war ganz selbstverständ lich. daß eine solche Idee nicht von heute auf morgen von Frankreich angenommen werden konnte. Und wir ver stehen sehr wohl, wenn Cunos Vorschlag seinerzeit ohne Erfolg blieb. Die Idee eines Paktes der Entente mit Deutschland bedeutete ja in der Tat nichts anderes als eine Umstellung der französischen Gesin nung. Eine Umstellung vom blinden Verfolgungswahn zur Vernunft. Zu einer sö grundlegenden Aende- rung aber war nicht nur Zeit notwendig, sondern vor allem auch das Wachsen jener Einsicht, daß die bisherigen „Maßnahmen" schweren Schiffbruch gelitten hatten und mittlerweile die Geldquellen Frankreichs arg zum Ver siegen gekommn waren. Gerade diese finanziellen Schwie rigkeiten haben am meisten zur Korrektur der Gesinnung beigetragen. Das mißglückte Ruhrabenteuer gab den Gemütern sozusagen den ersten fühlbaren Stoß. Und als dann schließlich durch die Londoner Verhandlungen über den Dawesplan das Gebiet der Reparationen aus dem europäischen Fragenkomplex herausgeschält und einer eigenen Lösung zugeführt wurde, blieb als nächstes greifbares Problem das der Sicherheit übrig. Und von diesem Moment an war eigentlich die Aufmerksam keit aller Staaten mit erhöhtem Interesse auf diese Frage gerichtet. Aber weder England noch Amerika noch eine der anderen Ententemächte getraute sich, irgendeinen praktischen Vorschlag zu machen. Bei England und Amerika beruhte dieses Nichtgetrauen allerdings auf einer weisen Berechnung. Denn zweifellos erkannten beide, daß es von überragender Bedeutung sein würde, wenn Deutschland selbst den ersten Schritt tun werde. Und wir wissen heute, daß das Paktangebot Stresemanns nicht ohne Wunsch Englands geschehen ist. Dieser Vorschlag eines westlichen Paktes war also durchaus keine ungewöhnliche Neuheit, er war im Ge genteil eine ganz große Selbstverständlichkeit, weil die Entwicklung der allgemeinen Weltlage ganz von selbst darauf hindrängte. Die Welt war also reichlich darauf vorbereitet, sie war reif, endlich in die Diskussion über das so lange hinausgezögerte Thema einzutreten. Der Lauf der Dinge drängte danach, in ein anderes Geleise hineinzukommen. Die große Tragweite der gegenwärtigen Konferenz von Locarno ist den meisten kaum noch erkennbar ge- M SlUMM jll LMM Sine Begegnung Luther — Briand Locarno, 8. Oktober. Im Laufe des gestrigen Tages haben sich die Gerüchte über Schritte außerhalb der eigent lichen Konferenz in Locarno so sehr verdichtet, daß bei der Pressebesprechuna den Regierungsvertretern direkte Fragen nach dieser Richtung hin vorgelegt wurden. Daraufhin wurde mitgeteilt, daß im Laufe des gestrigen Vormittags eine Besprechung zwischen dem Reichskanzler Dr. Luther und dem französischen Außenminister Briand außerhalb Locarnos stattgefunden hat. Ueber den Gegenstand und das Ergebnis der Unterredung wurde Auskunft nicht erteilt, ebenso ist über die Anregungen zn diesem Zusammentreffen nur aus Andeutungen z« entnehmen, daß sie von dritter Seite ausgegangen sind. Ueber die Aussprache, die in dem kleinen Orte Ascona am Lago Maggiore stattfand, wissen Berliner Blätter zu berichten, daß einmal die Differenzen über den Artikel 16 des Völkerbundsstatuts Gegenstand der Be sprechungen gewesen seien. Nach dieser Unterredung joll es den Anschein haben, als ob eine Formel gefunden wer den könnte, die den Artikel so interpretiert, daß die deut schen Bedenken etwas an Schärfe verlieren könnten. Weiter soll die Frage der französischen Garantie der östlichen Schiedsverträge bei der Unterredung eine Nolle gespielt haben. Man spricht davon, daß die Besprechungen des Kanzlers mit Briand heute fortgesetzt werden. Es ist anzunehmen, daß der Donnerstag, der nach der Tages ordnung der Vollkonserenz die Aufrollung des Bülter- bundproblems bringen wird, zu sehr schweren Kämpfen führen dürfte. Paris, 8. Oktober. Die Blätter halten die ge>lrize Begegnung Briands mit dem Reichskanzler Dr. Luther für eine der bedeutsamsten nach den Kriegsereignifjcn, da zum erktcnmal seit 1914 ein deutscher und ein franzö sischer Minister ohne Zeugen zusaimuengekommen sind. — Die Aussprache, der isdoch auf französischer Seite Berthclot beiwohnte, soll eine unbestreitbare Annäherung der beider seitigen Standpunkte herbcigcführt haben. Zur Sprache gekommen seien außer dem allgemeinen Problem der deutsch- französischen Beziehungen folgende drei Punkte: 1. ob ligatorischer Schiedsspruch, 2. Garantierung der Schieds gerichtsverträge, 3. Eintritt Deutschlands in den Völker bund. Das wichtigste und unmittelbarste Ergebnis der gestrigen Aussprache hat, wie der Petit Parisien erfährt, darin bestanden, daß sich Reichskanzler Dr. Luther damit einverstanden erklärte, sämtliche Streitfragen sowohl aus politischem wie juristischem Gebiete dem obligato« rischen Schiedsspruch zu unterwerfen. Ueber die Garantierung der Schiedsgerichtsverträge sei eine Einigung noch nicht erzielt werden. Da die luristifchc» Sachverständigen mit der Ausarbeitung einer neuen Fassung der betreffenden Klausel des Vertragsentwurfes veausträgt -wurden, wird angenommen, daß grundsätzliches Einvernehnien erzielt worden ist. Am unklarsten ist noch die Frage des Eintritts Deutsch lands in den Völkerbund. Nach den Berichten der fran zösischen Sonderberichterstatter zu schließen, hat die Unter redung zwischen Briand und Luther in dieser Frage zu keinem Ergebnis geführt. „Petit Parisien" weist daraus hin, daß der Eintritt Deutschlands in den Völkerbund die einzige Frage bilde, au der die Konferenz von jetzt ab scheitern könne. Nach dem „Echo de Paris" ist gestern, ausgenommen in der Frage oeS Eintritts in den Völker bund, ein dahin kantender Kempromißvorschlag znstande- gckommcn, daß Deutschland sich mit der obligatorischen Anwendung des Schiedsspruches in allen Streitfragen ein verstanden erklärt, Frankreich aber im Austausch darauf verzichtet, für den Fall deutscher Verfehlung:u gegru die östliche» Schiedsgerichtsverträge Sanktioucu auf eigene Faust ergreifen zu können. Die heutigen Beratungen Locarno, 8. Oktober. Die Sitzung im Iustizpalast ist für morgen nachmittag bereits aus 2.3V Uhr festgesetzt worden, um bei dem herrlichen Wetter den Staatsmännern Gelegenheit zu geben, die schönen Abendstunden in der Natur verleben zu können. — So lautet die offizielle Darstellung. Ob es sich aber worden. Zum erstenmal seit Kriegsende soll ein Bünd nis ehemals feindlicher Mächte auf Grund eines völlig freien Uebereinkommens abgeschlossen werden. Ein Diktat, ein Zwang zur Unterschrift unter irgendein Dokument bleibt heute ausgeschaltet. In Locarno wol len die Mächte in freier Entschlußkraft zur Achtung und Garantierung der gegenseitigen Rechte schreiten. Es wird also zum erstenmal der Weg zu einem wahren Frieden beschritten. Und darum auch das vorsichtige und behutsame Auftreten der einzelnen Delegationen in Locarno, um nur nicht vorzeitig diesem notwendig gen Frieden den Weg zu versperren. Alle sind davon durchdrungen, daß es in diesen Tagen vorwärts gehen muß, oder Europa wird um Jahre in seiner Ent wicklung zurückgeworfen. Niemand aber möchte die Verantwortung dafür übernehmen. Vielleicht ist gerade Frankreich heute diejenige Macht, die am schnellsten das nicht vielmehr darum handelt, nach den Konferenzen den Staats männern noch Gelegenheit zu persönlicher Fühlungnahme zu geben, sei dahin gestellt. Die gestrige Vollsitzung der Konferenz hat knapp «in« Stunde gedauerte Von den Delegationen wurde folgender ver- eiubarter Bericht ausgegeben: In der dritten Sitzung der Konferenz wurde zunächst di« allgemeine Aussprache wieder ausgenommen und alsdann der Bericht der Rechtssachverständigen über die ihnen im Verlaus« der ersten Sitzung übertragenen redaktionellen Arbeite» cnt- gegengenommen. Da neue Anträge gestellt wurden, mgak sich die Notwendigkeit einer erneuten Betrauung des Iursttew ausschusses mit deren Studium. Es wurde daher ein erg an, zender Bericht der Rechtssack ver st ändigen auge> fordert, der in einer späteren Sitzung erstattet werden soll. Benesch nimm? Fühlung Locarno, 8. Oktober. Der Minister des Aeußcren Dr, Benesch ist gestern nachmittag hier ciiigctrosfen. 'Unmittelbar nach seiner Ankunft traf er mit Chambeelain zusammen, mit dem er einen Meinungsaustausch über die Lage hatte, woraus eine längere Unterredung mit Briand und Berthciot folgte. Die Unterredungen betrafen sowohl den augenblicklichen Stand der jetzigen Verhandlungen, wie auch die besonders die Tschecho slowakei betreffenden Fragen. In allen dl-sen Unterredungen konnte, so meldet das tschechische Pressebüro. Benesch eins lieber- einstimmung mit den Staatsmännern der beiden Länder sowohl bezüglich des Wesens der Konferenzvcrhandlungen, wie auch be züglich ihres Fortschreitens konstatieren. Locarno, 8. Oktober. Gegenüber irrefüorcnLen Berichten über den Verlauf der Dienstag-Sitzung, die namentlich von schweizerischer Seite verbreitet worden sind, wird von ocnifcher Seite folgende Darstellung des Sitzungsverlaufes gegeben: Zu Beginn der Sitzung begründete der französische Außen minister Briand den Standpunkt seiner Delegation damit, das; Frankreich durch seine Verträge mit Polen und der Tschecho slowakei gebunden sei und infolgedessen Wert daraus legen müsse, auch im Rahmen des abzuschließenden Paktes den Ver pflichtungen aus diesen Verträgen gerecht zu werden. — Aus diese Ausführungen antwortete Reichsaußenminister Dr. Strese- mann, daß die Reichsrcgierung in ihrem Memorandum die Frage der Schiedsverträge positiv bejaht habe, um den Ein wänden zu begegnen, daß der Westpakt eine kriegerische Be drohung der Ostgrenze bedeute. Trotz dieses weitgehenden Ent gegenkommens der Reichsregierung hätten die Alliierte» damit noch den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund verbunden. Die starke Opposition, die gegen den Völkerbund in Dculschlond bestehe, sei auch Briand bekannl. Wenn die Reichsregierung trotzdem erklärt habe, daß sie dieser Verbindung nichl wider sprechen wolle, so sei das geschehe», weil für sie die Anregung zn dein Sichcrheitspakt kein taktisches Manöver, sondern der ehrliche Witte gewesen sei zu einem wahren Frieden zu gelangen. Es sei aber absolut nicht einzuschen, mit welche» logischen Gründen neben den beiden Zugeständnissen der SchiessveNräge und des Völkerbundes noch eine weitere Garantie irgendwelcher Art für die Ostverirügc notwendig sei. Die Anregung dc.s Herrn Briand sei deshalb eine Kritik des Völkerbundes, die sich die deutsche Delegation nicht zu eigen machen könne. — Ter fran zösische Außenminister cnlgegncie diesen Darlegungen und auj verschiedene im weiteren Verlause der Debatte vom Reichsaußen minister an ihn gerichteten Fragen, daß gewisse Bestimmun, en des Völkerbmrdes vorläufig nicht genügend Leben gewonnen hätten, weil die Versuche, ihn zu einem in allen Fällen wirksamen In strument des Friedens zu machen, abgebrochen worden seien. Das -euNch-russische Kredit-Abkommen Berlin, 8. Oktober. Ueber den von üeulsäp:» Großbanken Rußland gewährten Kredit erfahren die Morgcnblütter, daß cs noch nicht seststeht, inwieweit russischerseits von dem Kredit Ge brauch gemacht wird. Ebenfalls besteht keine Verpflichtung in bezug auf das Ausmaß seiner Ausnutzung. Ein Teil des Kre dits soll im Wege der Rediskontierung von Wechseln verwirk licht werden, welä>e die Garantie- und Kreditbank sür den Osten von den deutschen Industriellen hereinnimmt. Zustandekommen des Paktes wünscht, während die Eng länder sich wenigstens rein äußerlich gelassener als alle anderen gebärden. Aber man kennt diese Gelassenheit, hinter der sich meistens wahre, große Diplomatie ver birgt, die nur auf den gegebenen Augenblick wartet, um zuzugreifen. Und England weiß vor allem, daß trotz der großen Friedensbereitsäjüft jede Nation, die in Locarno vertreten ist, dennoch zwischen der französischen und deutschen Auffassung bezüglich des Paktes ein schwerer Unterschied besieht. Die Verknüpfung des Westpaktes mit den östlichen Schiedsgerichtsverträgen ist es, die in den Unterhandlungen die Gegensätze offenbar werden lassen wird. Dann wird es englischer Diplomatie bedür fen, um einen gangbaren Weg zu finden. Das eine steht fest, daß die Mächte den ernstlichen Willen haben, der Schwierigkeiten Herr zu werden. Nie mand möchte durch das Scheitern der Konferenz ein