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72. gahroang. Nr. 43« Donnerstag. 13. September i»28 Lratjlantchrlst: Nack, richten Dresden Fern'vrccher-SammelilUinmcr: rsssl Nur >ür Nachtgelpräche: Nr. Lkioir Lchriftlcilung u. HauptstetchäftssteUe: Dresden-A. I, Martenstraste S8/4S Gegründet 1K5S Bezugsgebühr vom t.dts ld. September lSiS bei »glich zweimaliger Zustellung frei Hau« l.70Mt. Poftbezugspreis tür Monat September 3.10 Mt. ohne Postzufteltungsgebügr. Einzelnummer 10 Mg. Anzetgenpreile: Tic Anzeigen werden nach Gold mar! berechnet: die cintpalnge 3» mm breite Zeile »s Psg-, tiir auslvbrls 40 Psg. Zamiticnanzeigcn unt Stellengciuche ohne Nabalt lb Psg., auiier- halb Sb Psg., die vii mm breite ReNamezcite S00 Psg., auberhalb S30 Psg. Osserlengcbühr UV Psg. Auswärtige Aufträge gegen BorauSbczahlung Druck u. Vertag: Liepsch S Reichardt. Dresden. Posl>check-Älo. 10KN Dresden Nachdruck nur Mll dcuit. Quellenangabe «Drcsdn. Nachr.» zulässig. Unveriangle Schriftstücke werden nicht ouibewahri Wieder ohne Resultat! Ar Wtlvr RäumtingSbeivrechung wird am Sonntag svrtgMt - Brtaa» nach Varls abgrrrlst Genf, 13 Sept. Die zweite Zusammenkunft der Mächte -er Botschaftcrkonscrcnz mit Deutschland hat heute vor mittag kurz nach 1» Uhr im Hotel Beau Nivage begonnen. An der Zusammenkunft nahmen teil: Lord Enshcndun. Briand. Scialoja, an Stelle des belgischen Anhcn- ministers der Delegierte Belgiens, Baron Mo » chcur, Bot schafter Adatschi, sowie von deutscher Seite Reichskanzler Müller und Staatssekretär v. Schubert, ferner die drei Dolmetscher: Der Privatsckrctär von Lord Enshcndun, Sclbn, der Dolmetscher der französischen Rotschast in Berlin, Professor Hesnard, und der Dolmetscher der deutschen Delegation. Dr. Schmidt. Die heutige Aussprache dürste eine Klärung darüber herbeigcsührt haben ob eine Wetterführung der durch den Ränmungs- schritt der deutschen Regierung cingeleitetcn Berhand- lungen unter den gegenwärtigen Umständen noch möglich ist. Die Verhandlungen galten in erster Linie der grundsätz- lichen Frage, ob eine Bcrquickung der NäumnngS- srage mit der Ncparationsfragc angenommen wird oder nicht. Der deutsche Standpunkt ist in dieser Mirage nach wie vor unverändert. Aus französischer Seite erwartet man, dass Brland, der heute nach Paris fuhr, in persönlicher Aussprache mit Poincare die Richtlinien für die weitere Haltung Frank reichs scstlcgen wird. Die zweite gemeinsame Besprechung zur Klärung der Frage der Nhcinlandräumung bauerte etwas über zwei Stunden und war kurz nach 12 llhr zu Ende. Reichskanzler Müller und Staatssekretär v. Schubert, die als erste das Hotel verliehen, teilten den wartenden Journalisten mit. dah die Besprechungen am Sonntag fortgesetzt werden. Briand gab die Auskunft, dah er heute mittag Gens ver lädt und am Sonnabendabend wieder zurück sein wird. Das Komtiiliiilaus aber tle Brrtzaitdlunoeit Gens, 13. September. Ucbcr die heute vormittag abgchaltcnc gemeinsame Besprechung in der Ränmungs- srage ist folgendes Kommuniqus ausgcgcbcn worden: Heute vormittag fand die in Aussicht genommene gemein same Besprechung statt, in welcher die Diskussion fort gesetzt wurde. Dabei ergab sich, dah einige Punkte noch weiterer Uebcrlcgung bedürfen. Die Besprechungen werden daher Sonntag vormittag 10,311 Uhr fortgesetzt. Wie weiter verlautet, kommt eine Reise des Reichskanzlers nach Berlin nicht in Betracht, da die Delegation in ständiger Fühlung mit dem Reichskabinctt ist. Näheres Uber die Be sprechungen, in deren Berlaus der deutsche Standpunkt un verändert blieb und formulierte Vorschläge nicht eingebracht wurden, ist im jetzigen Zeitpunkt nicht zu erfahren. Wenn gleich die Tatsache der Fortsetzung der Besprechungen irgend welche Schlüsse nicht zuläht, wird sie doch als ein im all gemeinen befriedigendes Anzeichen ausgenommen. (W. T. B. Eilt BkkstttWall«» ltt t« Kstittsllsmit Neue Pariser Vorschläge Paris, 13. Sept. Das „Schade Paris" glaubt zu ivisscu, das; die Frage der Kontrolle der entmilitarisierte» Rhcinlaiidzvne, auf die Paul Boncvur ohne Unterlass die Aufmerksamkeit Brtauds lenke, sehr wohl unter einer un erwarteten Form wieder ausgenommen werde» könne. Tic Deutsche» zeigte» sich zwar entschlossen, keine Weiterung des Art. 213 des Versailler Vertrages anzuuehmc». Vs sei aber nicht sicher, ob sic ebenso hartnäckig eine in das Locarnos,,stein eingcsügtc Kontrollkommission zurückwcisen würden, die ans sranzösischcn, englischen, deut schen, italienischen und belgischen Mitgliedern zusammengesetzt sei. und deren Rolle darin bestehe, gleicherweise die beiden Seiten der deutsch-französischen Grenze zu überwachen. DaS sei eine beträchtliche Ergänzung des Paktes, die den Garanten der deutsch-französischen Grenze, England und Italien, ein Instrument in die Hand gebe, dem Frankreich und Deutsch land unterworfen würden. Ei» Versuch der Franzosen, unter einer verschleierten Form in der Kontrollfrage zu ihrem Ziele zu kommen, wird von Teutschlaud unter allen Umständen abgclehnt werden, lsiue Kontrolle über den Art. 213 des Versailler Vertrages hinaus kommt für Deutschland überhaupt nicht in Frage. Lim öeniatton bei der letzten Rheinland, besprechung London, 13. Sept. Wie der Genfer Berichterstatter des „Daili, Herold" berichtet, sei in der Nheinland- bcsprechuug am Dienstag durch eine Erklärung des deutschen Reichskanzlers eine sensationelle Note hinciugctragcn worden. Müller habe eine am 13. Juni tlll!) in "Paris von Wilson, Cleinen- ceau und Llo»d Georges Unterzeichnete Gcheim- almiachung verlesen, die kürzlich von dem amerikanischen Mit glied der FricdcnSabvrduung, Baker, veröffentlicht worden sei. Der „Daili, Herold" bringt einen Auszug aus dieser Ab machung, in der cS heisit: „Wenn Deutschland zu einem früheren Datum de» Beweis seines guten Millens und befriedigende Garantien für die Erfüllung seiner Verpflich tungen gegeben haben sollte, sind die beteiligten alliierten Regierungen bereit, zn einem Uebcrcinkommc» über eine frühere Be'idianni der BesatznngSpcriodc unter sich zu gelangen." Vriand habe nach Verlesung dieser Urkunde er klärt. sic sei lediglich ei» Fetze» Papier mit Rücksicht ans die Tatsache, das, eine der Sigiiatarmüchtc den Versailler Vertrag nicht »ntcrzcichnct habe. Eushcndnn habe sich nicht gcänhert. Um so mehr werde zwischen den Mächte» die rechtliche Bedeutung dieser Urkunde erörtert. Der -rutsche Standpunkt unverän»ert Berlin, 18. Sept. In Berlin ist auch heute über die Rä»miiilgsverhaiidlu»gen der süns Mächte mit Deutschland im Gegensatz zu den zahlreichen Veröffentlichungen in der Pariser Presse nur wenig bekannt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehre», dah man sich ans französischer Seite an Vereinbarungen zur Diskretion wenig gebunden hält. In Berlin wird jedoch versichert, dah irgendwelche positiven Ergebnisse noch nicht Vorlagen. Es sei bereits wiederholt auseinaiidergcsctzt worden, dah Deutschland eine Lösung der Räumungssrage in Gens herbcizuführen versuchen wolle, dah aber Deutschland hierfür keinen Preis zu zahlen gewillt sei, da es moralisch, juristisch und politisch die Räu mung verlangen könne. Nach unendlichen Mühen habe, so wird rückwirkend er klärt, die Räumungökonsercnz am Dienstag stattgesundc». Im Anschluh an diese Sitzung sei eine Mitteilung veröffent licht worden, derzusolgc ei» Mciiiiingsanstanscki, keineswegs aber regelrechte Verhandlungen stattgcsnndc» hätten. Aus den Ausdruck „Meinungsaustausch" wird deshalb Wert gelegt, um darzutun, das, auch heute nicht von irgend welchen deutschen Zugeständnissen oder Kom pensationen dic Rcdc sein könne. Die sranzösischc Presse behauptet zwar, cs sei von Kv » troll e »nd Sicher heit gesprochen worden, aber bei diesen Behauptungen handelt cS sich, wie hier verlautet, lediglich um die auch ans früherer Zeit bekannten französischen Versuche, eine deutsche Erörterung über diese beiden Punkte hcrbcizusührcn. Es muh nochmals darauf hingeiviesci, werden, das, ein Nachgcbcn in diesen beiden Punkten vollkommen ausgeschlosscn ist, zumal sonst auch für ähnliche Forderungen anderer Staaten Tür und Tor geöffnet werden würden. Für Deutschland, so macht man hier weiter geltend, habe cs sich zunächst lediglich ui» den Versuch gehandelt, eine Klä rung der Rä»»,»»gSsrage hcrbeizusühren. nicht aber habe man kategorisch fragen wollen, ob die Bcsatznngsmächtc räume» wollten oder nicht. Deutschland habe ein Recht auf Räumung. weil cö den Artikel 431 erfüllt habe, weil cs die Reparations zahlungen pünktlich leiste »nd dem Abrüstnngsparagraphcn des Versailler Vertrags bis z»m äuherstc» »achgckvmme» sei. In gleichem Zusammenhang wird heute aus dtc Frage, ob die Grundlage für die Genfer NäiimiingSvcrhandliinge» ans die Unterhaltungen zurückznführe» sei, die Strescmaiin gelegent lich der Unterzeichnung des Kcllvggpaktcö i» Paris mit Vriand sowohl als auch mit Poincarö gehabt habe, erklärt, das, tu Paris über die Kontrollfrage nicht gciprvchr» ' worden sei. Frankreich, so sei erklärt worden, betrachte stboch daS Rhein land als ein Pfand für die Reparationszahlungen. Matten zum Zusammenbruch der deutschen Außenpolitik Rom, 13. Sept. Tie italienische Presse besaht sich jetzt ausführlich mit der deutschen Anhenpolitik, vor allen Dingen auf Grund der Briand-Rcde in Gens, und meint, dah die Absage Brianda einen vollkommene» Zusammen bruch der Politik des derzeitige» Ausicnministers besiegelt habe. Es handelt sich, wie in Atom betont wird, nicht um eine vorübergehende Entgleisung Brianda, sondern um eine ernste endgültige Tatsache, die längst überall in der Welt begriffen würde, nur nicht in Deutschland. In der „T r i b u n a" Heini eS weiter: „Locarno, Thuir» und Pariser Pakt sind wie nie gewesen. Die Seele der sranzösischcn Nation ist Deutschland gegenüber nicht von jener Freundschast und Herzlichkeit er füllt, wie man so gern glaube» machen wollte. Locarno ist nur eine Aussührungsmethode für den Versailler Vertrag. Die französische Losung lautet nach wie vor: Ihr müht Ver sailles durchführen ohne zn protestieren mit gutem Humor und in herzlicher Freundschaft." „G i o r n a l c d'I ta l i a" stellt fest, dah es zwischen Frankreich und Deutschland keine Aussöhnung geben könne, und rühmt Rriands Politik, die Frankreichs Interessen nicht den sozialistischen Parteiintcr- csscn und der demokratischen Demagogie untcrordnc. Man könne sagen, dah man in allen Kreisen Deutsch land diese Ohrfeige für seine unwürdigen An biederungsversuche an Frankreich von Herzen gönne. s!j Die Flottenrllstungcn und Flottcnbcdürsnissc sprächen noch deutlicher als Briand und cs gehöre schon die ganze Ber- schleierungspolitik der deutschen Demagogen dazu, um die Isolierung Dcntschlands vor dem Volke zn leugnen, während das gesamte Ausland sie sehe. Holland verurteilt Briands Rede Berlin, 13. Sept. Wie aus dem Haag gemeldet wird, hat die aussehenerregende, gegen Deutschland gerichtete Rede Brianda in der gesamten öffentlichen Meinung Hollands den denkbar schlechtesten Eindruck gemacht. Die hol ländische Presse ist beinahe etnstim m i g in ihrer scharfen Beurteilung und Zurückwcisung der Aus fälle Vriands, die man teils als übertrieben, teils als völlig überholt und veraltet bezeichnet. Gehe ungünstiger Eindruck der Vriand Rede in Washington Ncnyork, 13. Sept. Wie aus Washington gemeldet wird, hat die Unterredung zwischen Evolidge und Kellogg nahezu eine Stunde gedauert. Die Unterredung bezog sich ins besondere ans die Briandrcdc und den Kelloggvcrtrag. Kellogg hat zwar jede Auskunft über den Inhalt der Besprechung verweigert, doch wird unterstrichen, dah man in Washington Briand für schlecht beraten hielt, als er seine Rede hielt. Die Rede des französischen Auhcnministcrs habe einen sehr un günstigen Eindruck gemacht. Der französische Standpunkt zur Räumungs- und Reparationssrage Paris, 13. Sept. Der „Excelsior" gibt heute einen Ueberblick Uber den Stand der Rheinlands- und Reparativns- sragc, der halbamtlich inspiriert ist. Das Blatt stellt folgende Gesichtspunkte ans: 1. Briand hat wiederholt die Legende von angeblichen Versprechungen in Thoir» bestritten. 2. Reichskanzler Müller, von dem man Mit Recht einen versöhnlicheren Geist als von Reichskanzler Marx erwarten konnte, hat sich die These der D e u t s ch n a t t o n a l c n zu eigen gemacht, über die er noch hinausging, da von Deutsch land niemals geleugnet worden ist, dah in Thoir» Möglich keiten für eine finanzielle Regelung ins Auge gefaht wurden. 3. Die seit Thoir» erwarteten deutschen Vorschläge wurden niemals unterbreitet: aus jeden Fall ist cs am Reiche und nicht an Frankreich oder seinen Alliierten, Vorschläge für eine vorzeitige Räumung zu machen. 4. Die Vorarbeiten für derartige Vorschläge müssen von der deutschen Regierung gemacht werden. Der Reparations- agent hat zweimal in seinen Berichten über die Durchführung des DaivcsplancS auf die Möglichkeiten einer allgemeinen Regelung hingewicsen, die er für wünschenswert erklärte, und hat den vorläufigen Charakter des DawcSplanes betont. 6. Das Reich muh die Möglichkeiten zeigen, von denen die Aufhebung der Vormundschaft des Generalagenten über die Rcichssinanzcn und die Aufhebung der Hppvthck des Damesplanes ans die deutsche Wirtschaft abhüngen. Vor der Gesamtrcgclnng der Kriegs schulden muh fichergcstcllt sein, dah die Kommerzialisierung der deutschen Schuld in der Form der Mobilisierung der Eisenbahn- «nd Industricobligationcn rcgelmähig «nd ständig sein wird. 11. Der französische Ministerpräsident hat bet der Be gründung zum Haushaltplan für 102!) die Einverleibung eines Teiles der Daweüannuität in die normalen Ein, nahmen des Hanshalts unterstrichen, der übrigens keine Be stimmungen für etwaige Regelung der Schulden an Amerika in Höhe von 10 Milliarden Franken enthält, die im kommen den April fällig werden. Man kann aus dieser Tatsache ab- lettcn, dah die französische Regierung sich nicht auf den hef tigen Ausfall Müllers in Gens geiaht machte, sondern auf objektive Verhandlungen ans der Grundlage von konkreten Vorschlägen, die die deutsche Regierung für eine allgemeine Regelung der Kriegsschulden machen würde. 7. Zweifellos hängen die Nedingunacn für eine derartige Regelung nicht von Dcntschland allein ab. sondern von Amerika. Ein Grund mehr für die deutsche Negierung, während der wenigen Monate bis z» den amerikanischen Wahlen Geduld zu zeigen, denn dann werde» sic über die Absichten der Vereinigten Staaten »nterrlchiet sein.