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Freitag. Leipzig. Die Zeitung erscheint mit Ausnahme des Montags täglich und wird Nachmittags 4 Uhr aus, gegeben. Preis für das Vierteljahr 1'/, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. Mx 214. —— 12. September 18S«. Dklltschk MMtinc Zntillig. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Erpcbitio» in Leipzig sOuerstraße Nr. 8). Jnserttonsgebühr für den Nanin einer Zeile 2 Ngr. Deutschland. Preußen. ^-Berlin, 10. Sept. Sie dürfen versichert sein, daß alle» Das, was in französischen Correspondenzen über die angeblichen Ab sichten Preußen- aus Anlaß der jüngsten Vorgänge in Neuenburg ge- sagt wird, unbegründet ist. Die Rechte Preußens sind in der neuenburger Krag« zwar unbestritten', aber sie berühren mehr das point ä'konneur der Kron« al- di« Interessen deS Staats. Hieraus ergibt sich auch sofort ein ganz anderer Standpunkt zur Beurtheilung der neuenburger Frage, als eS sonst bei einer direkten Verletzung des StaalSintereffe der Fall wäre, und die Stellung, welche die Regierung in der Sache bisjetzt eingenommen hat, zeigt deutlich genug, daß die angedeutete Auffassung an hoher Stelle auch maßgebend sein dürfte. An eine Entäußerung der Rechte, welche Preußen auf Neuenburg besitzt, ist, in welchem Sinn es auch sei, nicht zu denken, aber auch ebenso wenig an eine beabsichtigte Geltendmachung derselben mit bewaffneter Hand. Preußen hat keine geeignete Gelegenheit vorbeigehen lassen, um gegen di« geschehene Verletzung seiner Rechte feierliche Verwah rung einzulegen; mit dieser äußern, formellen Wahrung der betreffenden Recht« scheint man sich aber fürs erste begnügen und daS Uebrige, nämlich die Geltendmachung der fraglichen Rechte, einem künftigen Zeitpunkt Vor behalten zu wollen, wo bas Betreffende ohne besondere Verwickelungen und Schwierigkeiten würde abgethan werden können. Hat nun die ganze Zeit wom Jahre 1818 bisjetzt einen solchen günstigen Augenblick nicht herbeige- sührt, konnte selbst auf der Pariser FriedenSconferenz die Sache nicht ge- fördert werden, so ist der jetzige Moment — selbst auch dann, wenn der mißlungene Putsch unterblieben wäre — vermöge der allgemeinen politi schen Constellation, noch viel weniger dazu angethan. Der mislungcne Putsch aber hat, für den Augenblick wenigstens, die Lage der Sache noch viel mislicher gemacht, und eS ist unschwer vorherzusehen, daß Preußen, wenn -eS zur Wiederherstellung seines Rechts den unterlegenen Royalisten jetzt mit be- waffn«t«r Hand beispringen wollte, vielleicht in schwere weitere Verwickelungen, würde gerathen können, Verwickelungen, die mit dem Object, um welches «S sich handelt, umsoweniger in einem gleichen Verhältnisse stehen würden, al- Preußen in den Jahren 1849 — 50, als sein« Truppen in Baden stan den, eine viel günstigere Gelegenheit zu einer Demonstration gegen die Schweiz gehabt und auf die Ausführung derselben damals dennoch verzichtet hat. Es mag sein, daß Preußen den gegenwärtigen Anlaß benutzen wird, um s«ine Rechte auf Neuenburg nochmals zu wahren; es mag auch sein, daß «- zu Gunstkn der gefangenen Royalisten seinen Einfluß bei den schwei- zerischen Behörden geltend zu machen suchen wird; aber etwas Weiteres wird Preußen ganz gewiß nicht thun, und an eine bewaffnete Interven tion ist, wie gesagt, nicht im entferntesten zu denken. Auf die Andeutung, daß man hier von dem beabsichtigten Unternehmen im voraus unterrichtet und mit den Häuptern dess«lben im Einverständniß gewesen sein dürfte, möchten wir kaum ein Wort verlieren. Die Details über den ganzen Her gang liegen ja jetzt vor, und «S muß sich aus denselben jedem Unbefange nen die Ueberzeugung aufdrängen, daß wir es hier lediglich mit dem unbe- rechneten Unterfangen einiger royalistischer Hitzköpfe zu thun haben. Ebenso wird sich Jeder selbst sagen müssen, daß, wenn von hier aus auch nur da- geringste Einverständniß mit jenen Herren stattgefunden hätte, die Vor- bereitungen dann doch jed«nfalls so getroffen gewesen sein würden, daß die ganze Dache nicht schon nach wenigen Stunden ein so klägliches Ende hätte haben können, davon, daß, bei der dermaligen Lage der Dinge in der Schweiz, das royalistische Regiment in Neuenburg sich, auch bei bessern» Erfolge, voraussichtlich nur einige Tage würde haben halten können, gar nicht zu reden.— Der dänische Gesandte am Bundestage, Hr. v. Bülow, ist hier eingetroffen. * Marienwerder, 8. Sept. Einer Hinrichtung, welche heute voll- zogen werden sollt«, ist «in seltsames Hinderniß entgegengetreten. Dem Delinquenten, einem 23jährigen Mörder, war die königliche Bestätigung deS TodeSurihtils bereit- am vorgestrigen Sonnabend verkündigt und das Schaffst im Gefängnißhofe errichtet worden; der Scharfrichter war, da an hiesigem Ort keiner existirt, aus dem fünf Meilen entfernten Graudenz re- Kuirirt, er hatte den Auftrag angenommen und versprochen zu rechter Zeit hier «inzutreffen; statt seiner kam jedoch die Nachricht, daß er kurz vor seiner Abreise selbst eine- gewaltsamen Todes gestorben sei; ein soeben erst erkaufte- Pferd hatte ihn erschlagen. Di« zahlreichen Zuschauer, welche sich auf di« d«m Tefängnißhof benachbarten Zäun« und Dächer postirt hat ten, mußten unv«rrichtet«r Sache abziehen. Der Delinquent, welcher aus seinem Fenster den Rückzug der getäuscht«« Meng« sah, soll lachend geäu ßert haben: „Die sind r«cht angeführt!" Frrilich ist der Aufschub nur kurz, da sofort nach einem andern Scharfrichter geschrieben worden ist. > Hannover. Hannover, 10. Sept. Die heute durch die Gesttzsamm- lung veröffentlichte Proklamation, betreffend die Abänderung des Fi- nanzcapitels des Verfassungsgesetzes vom 5. Sept. 1848, lautet: Georg V., von Gottes Gnaden König von Hannover, königlicher Prinz von Großbritannien und Irland, Herzog von Cumberland, Herzog zu Braunjchwetg und Lüneburg rc. Als wir durch §24 unserer Verordnung vom I. Aug v. I. aufGrund des Bundesbeschlusscs vom 19. April 1855 zwar das Recht uns vorbehielten, das ganz« die Finanzen betreffende sechste Kapitel des Landesvcrfassungsgesetzes vom 6. Aug. 1840 wiederhcrzustellen, uns aber vorläufig nur auf die Einführung der §§. 154, 155 und 156 beschränkten, gaben wir uns der Hoffnung hin, daß zwischen uns und der allge meinen Ständeversammlung eine Vereinbarung über ein nenes Finanzcapitel, welchem das System der Kassenvereinigung zugrunde läge, zustande kommen werde. In dieser Erwartung ließen wir de» allgemeinen Ständen des Königsreichs unterm 4. April d. I. den Entwurf eines solchen Finanzcapitels, welches die BundeSwidrtgkeiten des Finanz- capitels von 1848 meidet, zur verfassungsmäßigen Berathung und Zustimmung zuge hen. Unser auf Verständigung gerichteter Wunsch ist aber unerfüllt geblieben. Wäh rend die I. Kammer der allgemeinen Stäudeversammlung die Absicht entschieden be- thätigtc, auf eine Vereinbarung einzugchen, ist die Majorität der II. Kämmer in we sentlichen Stücken bei den Principien des Finanzcapitels von 1848 stehen geblieben. Infolge dieses Verhaltens der II. Kammer ist die Vereinbarung gescheitert. Da wir uns nunmehr hinsichtlich des Finanzcapitels von 1848 nicht länger der Ausführung des BundeSbeschluffeS vom 19 April 1855 entziehen können und wollen, welcher vorschreibt, die Uebereinstimmung der Verfassung mit den Grundgesetzen des" Bundes ohne Verzug zu bewirken, so habe» wir durch u»sere Verordnung vom heutigen Tage jenes Finanz capitel aufgehoben und das Finanzcapitel des Landesverfassungsgesetzos von 184» wie- derhergcstellt. Bei dem Mangel einer Vertheilung der Ausgaben zwischen der könig liche» Kasse und LandeSkaffe, welche nach den Grundsätzen der Kassentrennung ab gesondert voneinander bestehen, haben wir aber vorläufig nur die Ausführung ei nes Theils des Finanzcapitels von 1840 anordnen können und ein Provisorium ein- führen müssen. Mit der Herstellung des Finanzcapitels von 1840 treten wir in unsere oberlehnsherrlichen Rechte wieder ein. Auch gehören die Lehnseinküufte, welche dem §. 86 des Verfassungsgesetzes von 1848 cinverleibt waren, weder zu den Ein nahmen der königlichen Kasse noch zu denen der Landeskaffe. Dennoch haben wir in Rücksicht auf das «»geordnete Fortbestehen des Budgets der laufenden Finanzpe- rivde auf die Lehnseiukünfte bis zum I. Juli 1858 zu Gunsten der Generalkaffe ver zichtet. Unsere königliche Bestätigung für neugewähltc ständische Mitglieder des Schatz- collegtums haben wir auch während des Provisoriums für nothwendig erachtet und durch ß. 5 der Verordnung Vorbehalten. Das zcitbcr hinsichtlich des Schatzcollcgiums von 1848 bestandene Verhältnis;, wonach ständische Erwählte lediglich kraft des von den Kammern der allgemeinen Ständeversammlung übertragenen Rechts und obne un sere Bestätigung als votirende Mitglieder in unsere Verwaltungsbehörden eintraten, widerspricht zu sehr dem monarchische» Priiicip und Leni Wesen der königlichen Excc»- tivgewalt, als daß wir es länger dulden könnten. Wir haben auch schon jetzt eine neue Bestimmung über die königliche Bedarfssummc treffe» müssen. Durch die Auf hebung des §. 81 des Verfassungsgesetzes von 1848 wird die Feststellung der Summe hinfällig, welche in diesem Paragraphen angeordnct war. Und jene Bestimmung, welche von unserm in Gott ruhenden Herr» Vater, des Königs Ernst August Majestät, un term 15. Febr. 1839 in dem Schreiben an die allgemeine Ständeversammluug über die Verfassungsangelegenheit des Königreichs getroffen und die hierauf bis zurKassen- trennung von allerböchstdemselben beibehaltcn wnrde, hatte theils ihre rechtliche Grund lage mit dem Eintritte des tz. 81 des Verfassungsgesetzes von 1848 und durch de» Wegfall der Ansgabenoertheilung von 1840 verloren, i» Bezug auf welche sie beibe halten worden war, theils enthielt sie die Voranssetzung, daß keine Veranlassung zu einer Erhöhung der Summe eintretcn werde, während die seitdem veränderten Verhält nisse ein Bedürfniß der Erhöhung, wie auch in der diesjährigen ständischen Diät an erkannt ward, erzeugt haben. Unserer königlichen Gerechtsame und Bundcspflicht uns bewußt, werde» wir demnächst auf den, nuumehr betretene» Wege der Kässe»trc»nu»g weiter fortschreitcn. Wir wollen daher baldthunlichst Verhandlungen mit den allgemei nen Stände» des Königreichs über eine Vertheilung der Ausgabe» auf beide Kaffe» anordneu. Sollten wider Erwarten diese Verhandlungen zu keinem befriedigenden Er gebnisse führen, so behalten wir uns die weitern Schritte zur vollen Ausführung des Bundesbeschlusses vom 19 April 1855 vor. Indem wir jedoch auch noch gegenwär tig unsere Geneigtheit erklären, wenn die allgemeine StLndeversammlung auf Wieder einführung der Kassenvereinigung gerichtete Wünsche uns bezeugen sollte, daraus unter der Voraussetzung einzugehen, daß unsere dann zu machende» Vorschläge eine genü gendere Berücksichtigung finden, als es in der letzte» ständischen Diät, namentlich nach den Beschlüssen der II. Kammer, der Fall gewesen ist, so erwarten wir, daß sowol die allgemeinen Stände als unsere getreuen Unterthanen darin unser landesväterliches Bestreben erkennen werden, bis zum letzten Wendepunkt eine solche Vereinbarung über eine Kassenvereinigung möglich zu mache», wie fic de» Interessen der Krone und des Landes entspricht. Diese Proklamation soll in die erste Abtheilung der Gesetzsamm lung ausgenommen werde». Gegeben Monbrillant, 7. Sept. 1851. (I-. 8.) Georg Kox. v. BrandiS. Graf Kielmannsegge, v. Bothmer, v. d. Decke», v. Borries. Graf Platcn-Hallermuud. Württemberg. HHStllttgart, 8. Sept. Heute Abend wird Bi schof Gobat von Jerusalem einen Vortrag in hiesiger Stiftskirche hal ten. Er mag unsern Heiligen vom Jüngsten Tage, den „Sammlern des Volks Gottes in Jerusalem", deren Bestrebungen wir im klebrigen nichts Nachtheiiige- nachsagen wollen, den Kops über die jerusalemiiische Phan tasterei zurechtsetzcn. Die bisherigen Gesinnung-verwandten der Herren Hofmann u. Comp., die festgesessrne pietistische Partei des Landes, erhebt in ihrem Organ eine offene Opposition gegen die jerusalemilischc Fraktion. Eine andere Erscheinung auf kirchlich-protestantischem Gebiete in unserm Lande, welche bezeichnet zu werden verdient, ist die Anregung der Wieder- einführung der Kirchenzucht, welche auf mehren Diöcesansynoden, unter an-