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Leipziger Tageblatt Mid Anzeiger. 118. Freitag den 28. April. 1854. Aus Mexico. Da seit dem Ende de- vorigen Jahres in Mexico eine wichtige Veränderung vor sich gegangen ist und dieses durch seine Rückkehr zu einer vorherrschend monarchischen Verfassung die Aufmerksamkeit Vieler auf sich gezogen hat, so ist es nicht ohne Interesse, wa rt« neuerer Reisender (C. B Heller, Naturforscher aus d Jahre 1845) von dem großen Verfalle Mexicos in der republikanischen Aeit mit theilt, in welcher, wie er bemerkt, dem Volke bloS die Fehler ihrer Ahnen blieben, aber das Gute verschwunden war. Er sagt über die Hauptstadt Folgendes: „Wohl Niemand, der nicht Mexico schon aus der Beschreibung kennt, wird sich eine solche Stadt in dieser Republik denken können, um so weniger, wenn er in ihren früheren wildern Theilen herumgewandert ist, und umgekehrt, wer kann sich einen richtigen Begriff von dem Stande des ArndeS machen, wenn er bloS der Hauptstraße gefolgt und von Beta Cruz direct über Jalapa und Puck* n«ch Mexico gekommen ist. Ich zweifle, daß die Republik solche Stadt aufzuweifen hätte, wenn sie nicht spanischer Reichthum uns LuxuS gegründet hätten und sie nicht durch eine große Anzahl Fremder, meist Kaufleute und Geschäftsleute, die sie gegenwärtig beleben, groß erhalten würde. Dessenungeachtet ist das, was fremder Einfluß auSübt, nicht hin reichend, di« Mängel der jetzigen (republikanischen) Regierung zu decken. Keine Verbesserungen, keine Verschönerungen, keine zweck mäßigen Einrichtungen für Ruhr und Sicherheit wurden seit dem Bestand der Republik vorgenommen. Stadt und Land sind ohne gesetzliche Aufsicht und überall herrscht freche Willkür. Die Haupt stadt wimmelt von Dieben, die auch zu Mördern werden, und eS vergeht kein Tag, wo nicht in den Straßen wenigstens einige Leichname gefunden werden. (An andern Stellen wird berichtet, daß selbst auf den Hauptstraßen eine Menge bewaffneter Räuber nicht nur große Züge von Maulthiertreibern, sondern auch die öffentlichen Posten gefährden, so daß dieselben starke Bedeckung er halten müssen, und der genannte Reisende verlor selbst einen großen Theil seines EigenthumS durch eine solche Bande von 15 Räubern auf jener Hauptstraße.) Ich bedaure sagen zu müssen, daß trotz des Fanatismus der Mexikaner es wohl wenige Städte giebt, die bis auf den Grund so moralisch verdorben wären, als Mexico. So schwer auch die Hand Spaniens auf diesem Lande ruhte, so hinderlich auch der Eigennutz des Mutterlandes der einheimischen Industrie war, so herrschte doch eine gewisse Ordnung und Ver waltung, die sich bis auf die entferntesten Provinzen erstreckte. Heut zu Tage aber weiß die republikanische Regierung Mexico« über ihre Territorien noch immer nicht mehr, al- sie aus Alexander von Humboldts Werken gelernt hat, dessen gute Rathschläge sie aber nichts weniger al- befolgte, und es genügt zu wissen, daß man seit 15 Jahren keinen Versuch einer Dottszahlung gemacht, noch sich »« die entlegeneren Staaten viel bekümmert hat Daher kommt es auch, daß Mepieo, «in Land, durch feine physische Be schaffenheit außerordentlich begünstigt, welche- selbst unter Spanien- Herrschaft im Aufblühen begriffen war, gegenwärtig in Folge der Schwächen der republikanische Regierung von Jahr zu Jahr sinkt und seine» gänzlichen BechEe, wen» nicht sehr nochwendige Der beffernngeu voramommen werden, entgegen gehen muß. Ich sage noch einmal, haß ich diesen Ausland de- Landes innig bedaure, um so Wehe, da es viele Männer giebt, in deren Brust noch rin edlor Sinn für das wahre öffentlich« Wohl wohnt, die aber gegen de» Verband der Herrschsucht und Habsucht der repubkikanffchen Parteien nicht genug aakämpfen könne», deren wohlgemeinte Rath- schläge mit Füßen getreten und deren Wahrheitsliebe für Verrath am Vaterland« gehalten wird. — Die Stadt Mexieo hat sich aus obigen Gründen seit vielen Jahren um Nichts gebessert, und wenn ich eine Beschreibung der verschiedenen Sehenswürdigkeiten gebe, so ist es blos, um zu zeigen, was sich daselbst in unserer Zeit zum Vortheile oder Nachtheile geändert hat. — Die wissenschaft lichen Anstalten sind seit ungefähr 30 Jahren fortwährend im Ab nehmen und gehen ihrem Verfall entgegen. Die Mineria oder Bergwerksschule, ein prachtvolles Gebäude von dem berühmten Baumeister und Bildhauer Pofta, welches früher sehr schöne phosikalische, mechanische und mineralogische Sammlungen enthielt, ist jetzt nur mehr als ein Monument vollendeter Baukunst sehenS- werth. Die Sammlungen sind gegenwärtig in einem elenden Zu stande, und obgleich unter den Lehrern einige ausgezeichnete Leute - sich befinden, so hat diese Anstalt doch ihren Glanz und ihre Bedeutung verloren. — Der botanische Garten im Palast der Vicekönige, früher ebenfalls ein sehr interessanter Ort, weil man daselbst nicht nur seltene, sondern auch für den menschlichen Haushalt nütz liche Pflanzen cultivirte, verdient kaum mehr diesen Namen. Rudimente von einzelnen Sträuchern finden sich zwar noch vor, aber von einer wissenschaftlichen Anordnung ist nichts mehr zu finden und Alles sieht so verwahrlost aus, daß man das Ganze eher für einen bewachsenen Hofraum, als für einen botanischen Garten halten könnte. — Die Akademie der schönen Künste, ein Institut, welches an Modellen und Kupferstichen, die der spani schen Regierung mehr als 80,000 Fl. C M. gekostet haben, früher so Ausgezeichnetes aufzuweisen hatte, daß man selbst in Europa keine besser eingerichtete Zeichner- und Bildhauerschule hätte finden können, giebt gewiß von dem Verfalle der Kunst in dem republi kanischen Mexico den traurigsten Beweis. Hier, wo einst Arme und Reiche, Weiße und Indianer gemeinschaftlich sich ausbildeten und wodurch so Vieles des Edlen und Schönen hervorgebracht wurde, befindet sich weder eine Zeichner- noch eine Bildhauerschule mehr. Die Sammlungen sind so verwahrlost, wie das ganze Gebäude. Wohl vergebens hofft man bei dem jetzigen Zustande des Landes auf ein neues Aufblühen dieser Anstalt. — Mein Aufenthalt in der Hauptstadt gewährte mir durch die vielen Empfeh lungsschreiben, die ich hatte, viele Annehmlichkeiten. Diese Be kanntschaften erleichterten mir die Aufgabe, die Hauptstadt in kurzer Aeit möglichst gut kennen zu lernen. Der Besuch der Sehens würdigkeiten und der Zutritt zu den verschiedenen Gesellschaften verschaffte mir die Gelegenheit, mich zu überzeugen, daß Mexico Übrigens den großen Städten Europas vielfach ähnlich ist. Nur kommt hier noch der eiqenthümliche Charakter der Mexikaner, ihre Spielsucht, Liebe zur Prahlerei und Luxuriosität und ihr gewisser maßen gesetzloser Verband in Betracht und drückt ihr einen eigen- thümlichen Ton auf, der dem Europäer fremd ist. So thätig und fleißig auch der überseeische Handelsmann ist, so lieben doch auch die Mexikaner beiderlei Geschlechts da- Nichtsthun, und nie find sie glücklicher, al-wenn sie auf schönen Rossen oder in Wagen, am Spieltische oder i« Theater sitzen und ihrer Prunksucht freien kauf lassen können. Zumal trifft dieses scharfe Unheil die Weiber, welche wie alle Südländerinnen leichten Sinne- Abenteuer, so wie Verschwendung an Geschmeide und Putz unter Allem am besten zu verstehen scheinen. Man erzählt sich in dieser Beziehung Un glaubliche-, und trotz der Liebenswürdigkeit, mit welcher ich in Mexico ausgenommen wurde, kann ich nach meiner Ueberzeugung, will ich nicht zum Lügner werden, kein mildere- Urtheil fällen." > ff