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in Wien uraufgeführt. Es ist sicher vor allem von der Zeit der Entstehung dieses Werkes her zu begreifen, wenn Beethoven hier im Vergleich zu den beiden vorhergehenden Klavierkonzerten ganz neue Töne anschlägt, diese Gattung unter ganz neue Gesetze stellt: war doch das Entstehungsjahr 1802 das Jahr des erschütternden „Heiligenstädter Testa ments", für ihn durch die menschliche Tragik seiner beginnenden Ertaubung auch in per sönlicher Beziehung äußerst krisenreich und bedeutungsvoll. Aus dem c-Moll-Konzert (schon die Wahl dieser Tonart ist charakteristisch) spricht bereits der gereifte Meister zu uns, der sich in großen, leidenschaftlichen Auseinander sungen durch die ihn bewegenden Proble- Jhindurchkämpft und sie endlich überwindet. In formaler Hinsicht wird dabei in diesem Werk zum erstenmal in der Geschichte des Instrumentalkonzerts das Konzert der Sinfonie angeglichen und auch in der Verarbeitung des thematischen Materials dem sinfonischen Prinzip unterworfen. So wie beim Soloinstru ment das Virtuose jetzt vollkommen in den Dienst der inhaltlichen Aussage gestellt ist, wird nun auch das Orchester aus seiner bisher größtenteils nur begleitenden Funktion ge löst — Klavier und Orchester konzertieren im dramatischen, spannungsgeladenen Mit- und Gegeneinander in absoluter Gleichberechti gung. Das plastisch-einprägsame, männliche Haupt thema des ersten Satzes (Allegro con brio) setzt sich aus einem aufsteigenden c-Moll- Dreiklang, einem abwärts zum Grundton fal lenden Schreitmotiv und einem ausgesprochen rhythmischen Quartenmotiv zusammen, das besonders in der Coda (hier von den Pauken gespielt) wichtig für die thematische Entwick lung wird. Einen Gegensatz dazu bringt ein schwärmerisches, gesangvolles zweites Thema ^feder Paralleltonart Es-Dur. Nachdem das Waiptthema die orchestrale Exposition ener gisch beendet hat, beginnt in der an Ausein andersetzungen und Spannungen reichen, die Themen meisterhaft verarbeitenden großen Durchführung das intensive Wechselspiel der beiden Partner, das schließlich noch nach der Kadenz des Solisten in der Coda eine letzte Steigerung erfährt. Schon rein durch seine Tonart E-Dur hebt sich das folgende, innig schöne Largo merklich von den Ecksätzen ab. Der dreiteilig angelegte Satz, von dem eine gelöste, feierlich-ruhevolle Stimmung ausgeht, setzt solistisch ein; das zuerst vom Klavier vor getragene Thema ist von klassischer Größe und Erhabenheit. Im Zwiegespräch mit dem Orchester wird es dann durch das Soloinstru ment mit feinem, filigranhaften Figurenwerk umspielt. Harfenähnliche Arpeggien des Kla viers umranken im Mittelteil des Largos den Gesang der Flöten und Fagotte, bis in der Reprise wieder die Ornamentik des beglei tenden Soloinstrumentes, jetzt noch reicher an gewendet, kennzeichnend wird. Der lebhafte, humorvoll-energische Finalsatz, ein Rondo, führt in die Haupttonart c-Moll zurück. Wie derum beginnt der Solist mit dem Hauptthema, das zupackend-trotzige Züge trägt und im Verlauf des Satzes im geistvollen Dialog zwi schen Orchester und Klavier mit Varianten im mer wieder auftaucht, wobei interessante har monische Rückungen, eigenwillige Modulatio nen charakteristisch sind. Nach einer zweiten kurzen Kadenz des Klaviers findet ein Wechsel von Takt, Tempo und Tonart statt. Die stürmi sche Coda ( 6 /s-Takt, Presto) schließt in strah lendem C-Dur schwungvoll und glänzend das Konzert ab. Im Sommer 1830, wenige Wochen vor seiner Abreise nach Italien, vollendete Felix Men delssohn Bartholdy seine Sinfonie D-Dur, die „Reformations-Sinfo nie", die aus Anlaß des 300. Jahrestages der Augsburgischen Konfession geschrieben wurde, aber erst 20 Jahre nach des Komponisten Tod als op. 107 im Druck erschien. Mendelssohn stand der Sinfonie äußerst selbstkritisch gegen über; den Schlußstrich darunter zog er mit den Worten: „Ein völlig mißlungenes Werk". Die Musikgeschichte lehrt, die Selbstbeurteilung eines Künstlers nicht allzu wörtlich zu nehmen, da ihm häufig die Distanz zum eigenen Schaf fen abgeht. So scheint es auch hier zu sein, denn gerade diese Sinfonie ist eines der weni gen Werke Mendelssohns, die während der letzten Jahre in der Gunst des Publikums ge stiegen sind. Dies kann zwar nie das legitime oder entscheidende Kriterium für Wert oder Unwert eines Kunstwerkes sein, aber auch die rein sachliche Analyse zeigt weite Strecken ge nialischer Erfindung auf. Ein Vorzug ist ihre innere Einheit: Die ersten drei Sätze sind aus einem gemeinsamen Kern motiv gewachsen, dem sogenannten Dresdner Amen. Es ist uns als Grals-Motiv in Wagners „Parsifal" geläufig. In der sächsischen Liturgie galt es als ein Symbol des heiligen Geistes, und für eine Reformations-Sinfonie läßt sich wohl kaum ein passenderes Motto denken. Die in einem Fugato entwickelte langsame Einleitung des ersten Satzes endet mit dem Zi tat dieses Motivs, aus dessen schrittweise auf steigender Quint das Hauptthema des folgen den Allegro con fuoco, ebenso auch das zweite Thema dieses Satzes abgeleitet ist. In der Um wandlung der Tonschritte zu punktierten Sprün gen in die charakteristische Quint liegt die Keimzelle zum Grundgestus dieses Satzes, sei nen kraftvollen Auseinandersetzungen und sei ner Streitbarkeit. Der zweite Satz (Allegro vivace) enthält nur Fragmente des „Amen". Seine Beschwingtheit und sein Frohsinn entwerfen Bilder von den Schwänken und Fabeln, vom ausgelassenen Treiben in den Handwerkerstuben der Refor mationszeit, während im Trio besinnlichere, ja ein wenig pastorale Töne anklingen. Das Andante mit seinem rezitativischen Cha rakter spiegelt in seiner Erregtheit die nervöse, VORANKÜNDIGUNG: HINWEIS : Wie schon unser Konzertplan ausweist, ist das 4. ZY KLUS-KONZERT (Anrecht C 2) vom 8. Januar 1984 auf Freitag, den 6. Januar 1984, vorverlegt. Anrecht B bleibt am 7. Januar 1934. Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Dipl.-Phil. Sabine Grosse Der Einführung in die Reformations-Sinfonie wurde eine Analyse von Eric Werner aus „Mendelssohn — Leben und Werk in neuer Sicht", Atlantis Musikbuch-Verlag 1980, zugrunde gelegt. widerspruchsvolle Zeit. Wohl um den Kontrast mit dem voll besetzten Orchester des Finales zu verschärfen, ist es nahezu ausschließlich den Streichern zugewiesen. Es bezieht das Aus gangsmotiv in einer Variante (zweites Thema) ein. Ohne Pause folgt der vierte Satz. Eine Flöte ohne alle Begleitung intoniert den Luther- Choral „Ein feste Burg", dessen erster Vers sich sofort fugatoartig entwickelt. Die Durch führung wird mit dem zweiten Vers des Cho rals bestritten und mündet wieder in ein Fu gato. In dieses schmettert nun das Bläser ensemble den Choral als Cantus Firmus. Nach einer brillanten Coda erscheint er nochmals in ganzen Notenwerten als Ausklang der fonie. Wie im ersten Satz steht im Finale, mäß seinem Thema, das kämpferische Moment im Vordergrund, der Ansturm gegen die Wi dersacher und der endliche Sieg über sie. Wir widmen die Aufführung der Reformations- Sinfonie der 500. Wiederkehr des Geburtsta ges von Martin Luther am 10. November 1983. Donnerstag, den 8. Dezember 1983, 20.00 Uhr (Anrecht B) Freitag, den 9. Dezember 1983, 20.00 Uhr (Anrecht C 1) Festsaal des Kulturpalastes Dresden Einführungsvorträge jeweils 19.00 Uhr Dr. habil. Dieter Härtwig 3. ZYKLUS-KONZERT Dirigent: Horia Andreescu, SR Rumänien Solist: Dang Thai Son, SR Vietnam, Klavier Werke von Thilman, Chopin und Mendelssohn Bartholdy Spielzeit 1983/84 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck: GGV, BT Heidenau 111-25-16 492592 2,9 ItG 53-83 EVP -.25 M 2. ZYKLUS-KONZERT 1983/84