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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumerations-Preis 22^ Silbergr. fj Thlr.) vierteljährlich. Z Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen tverden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Jägerstraße Nr. 28), so wie von allen Königs. Pofl-Aemtern. angenommen. Literatur des Auslandes. *4/ 72. Berlin, Dienstag den 17. Juni 1843. Nord-Amerika. Die Möglichkeit der Sklaven-Emancipation ohne Opfer Seitens des Herren oder des Staates bewiese» und praktisch durchgeführt von dem nordamerikanischen Pflanzer John M'Donogh bet New-OrleanS. Am 18. Februar dieses Jahres hielt der Herr Geh. Reg. Rath Prof, v. Raumer im hiesigen „wissenschaftlichen Verein" einen Vortrag über den Zustand der Sklaven im südlichen Theile der nordamerikanischen Freistaaten, in welchem er seine an Ort und Stelle gesammelten Erfahrungen und seine Ansichten über den gegenwärtigen Charakter der Sklaverei in jenen Gegenden und über die Möglichkeit ihrer Abschaffung darlegte. Herr v. Raumer schien sich im Ganzen den Ansichten der Anti-Abolitionisten zu nähern, d. h. der jenigen Leute, welche sich der Aufhebung der Sklaverei widersetzen oder wenigstens behaupten, daß sie unmöglich sey, und daß mithin dieser auf dem freien Nord-Amerika ruhende Schmutzfleck als nothwendiges Uebel beibehalten werden müsse. Zur Begründung seiner Auffassung führtt er an °), baß die schwarzen Völker gleich den Rothen keine Geschichte haben und auf einer so niedrigen Stufe der Intelligenz stehen, daß sie zwar für die Sittlichkeit empfänglich scpcn, sich jedoch nicht zur Idee des öffentlichen und des StaatS- lebens zu erheben vermögen; daß sie in jenen heißen Ländern für den Bau von Zucker, Reis und Baumwolle nicht entbehrt werden können, und endlich, daß sie eine bei weitem mildere Behandlung erfahren, als die aus Afrika in die übrigen Theile Amerika's eingeführten Schwarzen. Was aber die Auf hebung der Sklaverei betreffe, so sey sie unmöglich, da eine Entschädigung der Besitzer die Staatsmittel bei weitem übersteige, da ferner die Freilassung »ine vollständige Umwälzung der nordamerikanischen Verhältnisse nach sich ziehen würde, da endlich auch die Freigebung der neugebornen Sklavenkinder sich unpraktisch erweise. Jndeß bemerkte Herr v. Raumer, baß die Ueber. zeugung sich immer mehr Bahn breche: daß dieser Zustand nicht ewig dauern könne, daß über kurz oder lang eine Lösung kommen müsse. Auf welchem Wege aber, sagte er, diese Lösung allmälig und ohne Verletzung herbeige, führt werden könne, darüber vermöge er keine Auskunft zu geben. Vielleicht könne Abschaffung des inneren Sklavenhandels und Einführung der Schollen pflichtigkeit sich als ein wirksames Mittel erweisen. Dieser Vortrag scheint uns von ungemeiner Wichtigkeit, einmal der Sache selbst wegen, zweitens aber wegen des großen Ansehens, welches Herr v. Raumer genießt, und durch welches die aufgestellten Behauptungen ein solches Gewicht erlangen, daß sie gleichsam wie ein unvermeidliches Schicksal sich den frommen Wünschen des Menschenfreundes gegenüberstellen und auch ihn endlich zu der Annahme nöthigen, daß Abhülfe unmöglich sey. Die Sache selbst hat neben der allgemein menschlichen Seite noch eine vaterländische, und Letzteres insofern, als der eingewanderte freie Weiße, wenn die Noth ihn drängt, sich unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Herab würdigung muß bieten lassen, neben dem Negersklaven zu arbeiten. Wie sehr dadurch seine Stellung herabgedrückt wird, welchen Einfluß die Sklavenarbeit überhaupt auf die Auswanderung einübt, liegt auf der Hand. Es wandern aber jährlich aus Deutschland über 40,000 Menschen nach Nord-Amerika aus. Auf ihr Schicksal, so wie auf die deutsche Auswanderung im Allgemeinen, denken wir nächstens in einem ausführlichen Aufsatze zurückzukommen. Was aber die angeführten Behauptungen des Herrn v. Raumer betrifft, so lassen wir diejenige, daß die Negersklaven zum Anbau von Zucker, Reis und Baumwolle unentbehrlich seyen, hier dahingestellt bleiben, als worüber uns aus Mangel an eigener Anschauung der Verhältnisse kein Urtheil zusteht; wir wollen nur bemerken, daß unseres Erachtens die Haltung von Sklaven vor züglich durch die große Ausdehnung dcS Grundbesitzes bedingt zu seyn scheint, und also mit der einst eintretendcn Parzellirung der Grundstücke die gegen wärtig bestehende Nothwcndigkeit von selbst wegfallen wird. °°) Den übrigen ') Wir hallen uns hier an die in den beiden Berliner Zeitungen untcrm >7. Februar erschienenen Berichte über die genannte Vorlesung. ") Der französische Deputirte Carnot sagt in seiner Abhandlung „über die Skla verei", die uns so eben zugeht und aus der wir unseren Lesern später weiter Milthei- lungen machen wollen: „Die Reisenden haben in den Vereinigten Staaten Nvrd-Amerita'S bemerkt, daß man oft nur die Gränze zweier Staaten (Provinzen) zu überschreiten braucht, um neben den verfeinerten Gefühlen und Gewohnheiten der höchsten Civilifation eine der Zeiten der Barbarei würdige Rohheit und sittliche Zügellosigkeit zu finden; und genau in demselben Verhältnisse hier lachende Dörfer und üppige Gärten und Felder zu erblicken, dort verstreute Pflanzungen und elende Hütten, welche ein einziges schöne« HauS, daS des aber glauben wir um so mehr cntgcgentreten zu müssen, als sie durch die nächstens erscheinende Beschreibung seiner Reise eine außerordentliche Verbrei tung erlangen werden. Die mildere Behandlung der amerikanischen Sklaven kann natürlich kein Gewicht in die Waagschale legen; denn mag sie auch immerhin der Grausam- keit und Quälerei gegenüber lobcnSwerth seyn, so bleibt sie dennoch, weil sie eben Behandlung eines Sklaven ist, des Menschen und zumal dcS Christen unwürdig und kann die Fortdauer des verabscheuungswürdigen Zustandes nicht entschuldigen. Der oft schon ausgesprochenen Behauptung, daß der Neger einen niedri geren Grad geistiger BildungSfähigkcit besitze und sich zur Idee dcS bürger lichen und StaatSlebcnS nicht zn erheben vermöge, können wir den entgegen- gesetzten Ausspruch beider Brüder Humboldt gegenüberhalten. Alexander sagt im Kosmos (am Ende des ersten Bandes) ausdrücklich: „Indem wir die Ein heit des Menschengeschlechtes behaupten, widerstreben wir auch jeder uner- sreulichen Annahme von höheren und niederen Menschenracen. ES giebt bild samere, höhet gebildete, durch geistige Kultur veredelte, aber keine edleren Volksstämme. Alle sind gleichmäßig zur Freiheit bestimmt, die in roheren Zuständen dem Einzelnen, in dem Staatenleben bei dem Genuß poli tischer Institutionen der Gesammthcit als Berechtigung zukommt"; und er fügt das schöne Wort seines Bruders Wilhelm hinzu (aus dem dritten Bande des Buches über die Kawi-Sprachc): „Wenn wir eine Idee bezeichnen wollen, die durch die ganze Geschichte hindurch in immer mehr erweiterter Geltung sichtbar ist, wenn irgend eine die vielfach bestrittene, aber noch vielfacher miß verstandene Vervollkommnung des ganzen Menschengeschlechts beweist, so ist eS die Idee der Menschlichkeit: das Bestreben, die Gränzen, welche Vorurtheile und einseitige Ansichten aller Art feindselig zwischen die Menschen gestellt, aufzuheben, und die gesammtc Menschheit, ohne Rücksicht auf Religion, Nation und Farbe, als Einen großen, nahe verbrüderten Stamm, als ein zur Erreichung Eines Zweckes, der freien Entwickelung innerlicher Kraft bestehendes Ganzes zu behandeln. Es ist dies das letzte, äußerste Ziel der Geselligkeit, und zugleich die durch seine Natur selbst in ihn gelegte Richtung des Menschen auf unbestimmte Erweiterung seines DaseynS." Doch wir wollen nicht weiter Theorieen gegen Theorieen setzen. Wir sagten schon in Nr. 22 des Magazins, als wir unseren Lesern über den ge nannten Vortrag Bericht abstattetcn: „Aber mit diesen Behauptungen, die durch jeden neuen Tag widerlegt werden können, hat es eine eigene Bewandtniß.... ES beweist auch in jenem Falle das, was als un umstößliche Thatsache angeführt wird, nur, daß eS den Negern bisher an Aposteln gefehlt, die de» angeblich fehlenden Sinn in ihnen zu er schließen wußten. Wer weiß, ob nicht morgen schon dieser Tag der Offenbarung kommt." Wir freuen uns, daß wir zur Ehre der Menschheit den Beweis der Ausführbarkeit dessen, was wir damals behaup teten, schon jetzt mit Thatsachen führen können, mit Thatsachen aus den Ver- einigten Staaten, aus Louisiana, mit Thatsachen, welche im Jahre 1842 einen großen Theil der nordamerikanischen Presse bewegten, und den Männern, mit denen Herr v. Raumer in Amerika verkehrte, bekannt seyn mußten. Wenn sie ihm darüber nicht berichteten, so können wir nicht umhin, sic ab sichtlicher Verschweigung zu zeihen. Wir verdanken die Mittheilung des nachstehenden Briefes einem Korre spondenten, der, mit den Sklaven-Verhältnissen des gesammten Amerika's aus eigener Anschauung genau bekannt, sich für die Beseitigung der Sklaverei bereits vielfach thätig bewiesen und sich reiche DankcSansprüche erworben hat. Wir geben den Brief ungekürzt und unverändert wieder, ganz wie er im Kew Orleans kulletin gestanden hat; selbst seine geschachtelten Perioden und seine Anakoluthe haben wir sorgfältig bewahrt, da sich in ihnen die Menschen- freundliche Gesinnung dcS ehrlichen biederen Alten so einfältig auSprägt. M'Donogh's Brief an die Redacteure des New Orleans Lulleri».") Meine Herren Redacteure! — In einem während des vergangenen Juni's von mir abgcfaßten und unterm 24sten desselben Monats in Ihrem Herrn, unigebcn. Und bei dem Erscheinen solcher Vorboten zögerten die WänLcrcr nie zu sagen: Hier die Freiheit, da die Knechtschaft!" ') Im Interesse der Humanität wird es uns angenehm senn. wenn andere deutsche Blätter diesen Brief, jedoch mit Anführung der Quelle, aus unseren Spälten für die ihrigen entnehmen wollen. D. R.