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ZllMbnM' TaaMM und Waldenburger Anzeiger Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 1880 Sonntag, dc» 11. Januar Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colportsurs dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. —— Politische Rundschau. ^Waldenburg, 10. Januar 1880. Deutsches Reich. Dem preußischen Abgeordnetenhaus liegt noch ein so umfangreiches Material vor, daß es ihm bei der angestrengtesten Arbeit nicht möglich sein wird, dasselbe bis zu dem im nächsten Monat bevorstehenden Zusammentritt des Reichstags zu be wältigen. Es werden deshalb nur die noihwendig- sten Gegenstände zum Abschluß gebracht werden können. Man spricht im Abgeordnetenhaus davon, daß dessen Vertagung Mitte oder spätestens Ende Februar erfolgen werde. Es soll alsdann der Reichstag einberufen werden, nach dessen Vertagung eine Nachsession des Landtages behufs Erledigung der Verwaltuugsreform-Vorlage stallfinden soll. Ein Gesetzentwurf zur Beseitig«ng des Noth standes in Oberschlesien ist im preußischen Ab geordnetenhause eingebracht worden. Derselbe for dert 6 Millionen Mark. Saatgut soll gewährt wer den, aber nur gegen die Verpflichtung der Werther- stattung. Die Mittel zur Beschaffung des Viehfut ters und Saatgutes werden den Kreisausschüssen zur Verwendung überwiesen ; die Kreisausschüsse beschlie ßen selbständig über die Ersatzpflicht und Entbindung von derselben. Frankreich. St. Vallier scheint Botschafter in Berlin bleiben zu wollen. Freycinet war am 9. d. bei Grevp und zeigte ihm an, St. Vallier werde den Botschafter posten provisorisch forlftthren und vielleicht ganz dort verbleiben. England. Der ehemalige Präsident der Transvaal-Re publik, Pretorius, ist wegen Hochverraths verhaftet worden. Seine Freilassung gegen Kaution wurde verweigert. Rntzland. Die Regierung kann des Nihilismus nicht Herr werden. Immer wieder tauchen neue Zeichen seines weitverzweigten Lebens auf. So wurden in Mos kau am 6. d. ein Lager revolutionärer Proclania- tionen in russischer und fremder Sprache, sowie galvanische Batterien entdeckt. Dabei wurde ein Individuum verhaftet, welches in ein zerrissenes Arbeitshemd gekleidet war und 12,000 Rubel bei sich trug. Der russisch-türkische Krieg war zur Ab lenkung des revolutionären Geistes begonnen worden; soll etwa nun ein Krieg gegen Deutschland die nicht erreichte Absicht erfüllen? Die Truppenansamm lungen an der russischen Westgrenze deuten darauf hin. Der „Daily Telegraph" veröffentlicht einen aus Königsberg vom 31. December datirten Bericht über die massenhaften, vielfach abgeleugneten russischen Truppen-Ansammlungen an der Westgrenze. Zusammen sollen 339 Bataillone Infanterie, 176 Schwadronen Kavallerie, 534 Feldgeschütze ausge stellt sein. Außerdem werden Eisenbahn-Bauten westwärts und Ausrüstung und Verproviantirung der Grenzfestungen unermüdlich thätig betrieben. Aehnliche Nachrichten meldet dem „Standard" ein aus Russisch-Polen eben heimgekehrter Correspon- dent. Einer Wiener Depesche des „Standard" zu folge setzt Rußland, trotz aller friedlichen Belheue- in's Geheim seine Kriegsrüstungen fort. . Directoren seiner Flintenfabriken sind in aller jlle vom Kriegsministerium angewiesen worden, l wie! wie möglich Hinterlader anzufertigen; es < nen daher 70,000 in Sestromlez, 80,000 in Zoevoez und eine halbe Million im Auslande an gefertigt werden. Da die russischen Waffen im letzten Kriege sich nicht besonders gut bewährt hatten, so trachtet der Kriegsminister Graf Miljutin, die Armee mit neuen Waffen zu versehen. So wurden vor etwa 15 Ta gen in Amerika 120,000 Gewehre bestellt, und zwar unter der Bedingung, daß dieselben bis zum 1. April in Schweaborg und Kronstadt abgeliefert werden müs sen. Ueberdies machen russische Agenten Bestellungen aus Waffen in den größeren europäischen Waffen fabriken, wobei meist der 1. April als Lieferungs termin ausbcdungen wird. Montenegro. Ueber den bereits gemeldeten Kampf zwischen den Montenegrinern und Albanesen berichtet die „Pol. Corresp.", daß derselbe mit der vollständigen Flucht der Albanesen endete. Türkei. In Philippopel wurde in der Nacht zum Mitt woch die griechische Patriarchatskirche durch eine Abtheilung von Milizen gewaltsam besetzt. Die Besitznahme soll der bulgarische Metropolit Pacare- tos befohlen haben. Die Milizen, von vielen Bul garen begleitet, erschienen in der Kirche. Der bul garische Priester bestieg den Altar, der die Messe celebrirende griechische Priester wurde gefangen genommen, der Kirchenschatzmeister gemißhanoelt und die Schlüssel zur Kirche darauf dem General gouverneur Aleko Pascha übergeben. Eine griechische Deputation begab sich deshalb zu demselben, der dann eine Untersuchung des Vorfalles zusagte. Aus dem MuLdeuLhale. ^Waldenburg, 10. Januar. (Zur Wahl.) Der Neichsverein zu Glauchau hat sich, wie wir heute erfahren, durch seinen Bevollmächtigten im 17. Wahl kreis an die konservativen Vereine zu Glauchau und Waldenburg mit der Bitte gewendet, sich über die hinsichtlich der Reichstagswahl zu ergreifenden Maß nahmen mit ihm zu einigen. — Aus Glauchau wird geschrieben, daß seit 1873 bis jetzt die Zahl der die Weberei betreibenden We ber und Weberswittwen regelmäßig von Jahr zu Jahr zurttckgegangen ist, 1873 betrug die Zahl der vo handenen Weber 1728 und die Gesammtzahl der Webstühle 3417; Ende 1879 waren dagegen nur 1460 Weber und 2512 Webstühle zu verzeichnen. Trotz der dort außerdem noch im Gange befind lichen 800 mechanischen Webstühle wird doch die im Jahre 1873 vorhandene Zahl nicht mehr erreicht. Atts dem SachsenlMlde. — Die Erste Kammer ertheilte am 9. d. dem Berichte ihrer 1. Deputation entsprechend dem königl. Decrete, den Gesetzentwurf über die gewerblichen Lehranstalten betreffend, nach einer längeren Debatte, welche sich um die Anwendung dieses Gesetzes auf die bereits bestehenden gewerblichen Lehranstalten drehte, mit einer kleinen Modification in namentlicher Abstimmung ihre Zustimmung, bewilligte ebenso die Abtheilung rsr des Etats der Zuschüsse bei dem or dentlichen Staatshaushalte, allgemeine Staatsbedürf nisse, mit Ausnahme eines Abstriches bei den zum königl. Hausftdeikommis gehörigen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft, in der etatisirten Höhe und genehmigte schließlich die Kap. 11 bis 20 des Etats der Zuschüsse, Abtheilung L, Gesammtministerium nebst Dependenzen betreffend. — Die Zweite Kam mer führt die Berathung des Justizetats zu Ende und bewilligte d'e sämmtlichen Postulate, mit Aus nahme der Schreibegebühren bei den Gerichten erster Instanz, welche ohne Widerspruch der Negierung um 50,000 M. abgemindert wurden, in der posiulirten Höhe. Einige Anträge des Abg. Freytag auf ge setzliche Regelung des Vorbereitungsdienstes und der Dienstverhältnisse der Gerichtsschreiber und Gerichts vollzieher wurden der Gesetzgebuugsdeputation über wiesen. Auf Antrag der berichterstattenden Deputa tion beschloß die Kammer, die Staatsregierung auf- zusordern, noch dem gegenwärtigen Landtage eine Gesetzvorlage, die Einführung einer Amtstracht für Justizbeamte und Rechtsanwälte betreffend, zugehen zu lassen — welchen Antrag Staatsminister Or. v. Abeken nur bezüglich der Rechtsanwälte acceptirte — und ferner, das Justizministerium zu ersuchen, im Verlaufe der weiteren Entwickelung der neuen Ju- stizorganifation bei sämmtlichen Klassen der Justiz beamte vor Neubesetzung erledigter Stellen das Augenmerk darauf zu richteu, ob die Wiederbesetzung nach Lage der Geschäfte nicht unterbleiben könne. — Dem sächsischen Dampfkessel-Revisionsverein sind im neuen Jahre eine große Anzahl Kesselbesitzer, unter denen die Stadtgemeinde Chemnitz mit 16 Kes seln hervorzuheben ist, beigetreten, so daß demselben jetzt 162 Mitglieder mit 504 Dampfkesseln angehören. — Die sächsische Landeslolterie bringt bekanntlich dem Staate eine sehr beträchtliche Summe ein. Diese Summe wird noch wesentlich erhöht werden durch den Wegfall gewisser Begünstigungen für Hauptcol- lecteure, sowie durch den Verkauf der amtlichen Listen. — Nach Einführung der neuen „Arzneitaxe für das Königreich Sachsen" vom 24. Decbr. 1879, die mit 15. d. M. 'n Kraft tritt (zu haben in der Hofbuchdruckerei von Meinhold u. Söhne), haben u. A. die Apotheken bei 30 Mark Strafe eine solche Taxe offen für Jedermann in ihrer Offizin auszu legen. Aerzte und Wundärzte, welche von den für ihre Kranken verschriebenen Arzneien einen Rabatt oder andere Vortheile vom Apotheker verlangen, sowie Apotheker, welche dergleichen bewilligen oder den Vorgenannten, sowie solchen Personen, die, ohne Aerzte zu sein, Heilkunde betreiben, Rabatt, unentgeltliche Lieferungen u. s. w. zusagen, werden bis zu 155 Mark und bez. bis zu 4 Wochen Haft verurtheilt. — Wie das „Dr. Journal" meldet, ist die kürz lich zuerst vom „Chemnitzer Tageblatt" gebrachte Schilderung über die Nahrungs- und Erwerbsverhält nisse im oberen Erzgebirge mit allzu grellen Farben aufgetragen und insbesondere die Mittheilung, daß in Sachsenfeld und Bernsdorf der Hungertyphus herrscht, völlig unwahr. In ersterem Orte sind 1879 über haupt nur zwei und in Bernsdorf nur einige Typhus fälle vorgekommen, zu denen aber keineswegs der Mangel an den nothwendigsten Lebensbedürfnissen den Grund abgegeben haben. — Zum Commissar für die Schulamts-Candida- ten-Prüfungen am Seminar zu Auerbach ist Semi- nardireclor Schönfeld daselbst bis auf Weiteres ge wählt worden. — In Großenhain hat man schon längst gegen den Wucher agitirt und endlich hat sich dort ein Verein constituirt, welcher dem Unwesen des Wuchers steuern will durch Gewährung kleiner Darlehne unter billi gen Bedingungen. Der Verein nennt sich „Darlehns- anstalt zu Großenhain" und bezeichnet als seinen Zweck, in Noth geratbene Personen durch Darlehen bis zu 100 Mk. zu unterstützen. Die hierzu erfor derlichen Kapitalien werden erworben theils durch unverzinsliche Darlehen der Mitglieder, theils durch verzinsliche, welche je nach Bedürfniß zu einem bil ligen Zinsfuß ausgenommen werden müssen. — Am 3. d. wurde in Cunewalde bei Neusalza (Oberlauf.) der Einwohner und Weber Wilhelm Rausendorf aus Klipphausen in seinem Bette unter