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«r.40. Beiblatt zum „Chemnitzer General-Anzeiger« und zum „Sächsischen Landbote»". Im Oktober. ^ Ljerbstlich sonnige Tage, Mir beschieden zur Lust, Luch mit leiserem Schlage Grüßt die athmende Brust. Minna von Sarnhelm im Vogtlande. Nicht zu de» Freunden des Vogtlandes gehört der Schützling des „Berliner Tage blattes«, der Schauspieler Albert Borce, der angeblich jüngst in einem vogtländischen Dörf- lein von 150 Seelen einer Vorstellung von Lcssings „Minna von Barnhelm" beigewohnt hat nnd darüber folgende Schilderung giebt: Die Szene war von Shalespearischer Ein fachheit: das halbrunde Musikpodium des DorsivirthshanssaalcS, ans welches in den Zwischenakte» „sechs Mann mit verschiedenen Instrumenten" herauskraxelten, um mit ihren Volksweisen „Maßt Du, Mntterl« und „Ist denn kein Stuhl da" die Stimmung auf dem Laufende» zu erhalten. Als einziger Auftritt im Stücke fungirte eine Seitenthür „links ganz vorn", sonst bot der Musentempel in seiner edlen Rundung Nichts, was das Auge vom Spiel ablenken konnte; der himmelblaue Anstrich mußte Konlisse und Hintergrund ersetzen. Das Stück wurde nicht eigentlich modern, auch nicht im Stil vergangener Tage, sondern in einem Phantasickostüm gespielt, an dem jeder Obecgarderobier seine Helle Freude ge habt hätte. Ter Major v. Tellheim, dargestellt vom Nachtwächter und Küster, hatte seine Ge wandung auS sechs Oper», drei Operetten und eitlem Trauerspiel zusammengepumpt: hohe Schnürstiefeln, sogenannte Klütchentreter, eine Svldatendrillichhose mit rotheu Äeneralsstreifeu, der Rock des Landgendarmen mit französischen Oifiziersevauletten, ein Fenerwehrhelm und ein rasselndes langgehängter Dragonersäbel, dazu Jedem leisen verfärben Lausch' ich mit stillem Bemüh'n, Jedem wachsen und Sterben, Jedem welken und Blich'n. Lmanuel Geibet. weiße Lnbowskh Handschuhe von unsäglicher Größe. Die „Minna" lag in einer Hand, „die Samstag ihren Besen führt", und prangte in einem „Sonntagnachmittagsausgehekleide" von grünem Tüll mit kurzen Aermcl», dazu ein Paar von der Gnädigen entlehnte taubengraue Handschuhe und Gretchentaschchen. Der „Werner" paradierte im Eigenthums rock eines Dragoners, der Wirth in einem Bratenrock ans den vierziger Jahren, und „Just" war direkt vom Hose in Holzpantinen und blauer Schürze auf die Bühne gesprungen. „Franziska" aber trug ein weißes Konfir- mativnsklcidchen mit langwallendem Schleier nnd Myrthenkranz. eine zarte Hindentnng auf ihr glückliches Verhältniß zum guten Werner. Die Darstellerin pflegte in de» Stunden, welche ihr Lessing freigab, die Gänse des DörsleinS auss Stoppelfeld zu treiben. Sämmtliche „Künschtler" hatten brav aus wendig gelernt und „sagten gut aus«. — Nur kam dcr vogtländische Dialekt in argen Konflikt mit den Regeln der Vühnensprache, und außer dem berührte cs immerhin cigenthümlich, daß die Mimen die szenische» Bemerkungen: „er geht ab«, „bei Seite" u. s. w. laut, als zum Text gehörig» mitsprachen. Der Dialog entwickelte sich also folgender maßen : V. Akt, 10. Szene. v. Tellheim: Du Just, woS sogste? DöS is net möglich! Sie? Sog'S ner laut; sog'S er in» Gesicht! Höre Se nur, mei Fröhlnl Gelle? Infi: Der Wirth sogt, 'S Fröhln vun Bornhalm Hot den Ring, wo iech bei '«