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MsdmfferTageblalt Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshanptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nationale Tageszeitung für die Tandwirtschast, Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend biegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung «er Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. - Aüchsendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. >! für Bürgertum, Beamte/ Angestellte u. Arbeiter. s Anz«i,rnprr>-: dir 8 yespaltrne Roumzrile 20 «pfg., dir « grspaltrne Zcilc drr amtlichen Bekanntm-chmtsr» 40 iLrtch«. xx : pjrnnig, dir Z grspaltrnr Rrdlamrzrile im lcxliichrn Ttiir 1 Rrichdmark. v!achw-is»»gsg-dühr 20 «rich.psennigr. ßeichriedeueErfcheinunas. . , - , tage rrnd Platzvorschrtst« .orrdrn nach WS,lichk.it Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 b-M-kfichtigl. 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Aber ein bißchen stark aufgetragen ist's doch wohl, wenn hier der Reichstag z. B. zu hören bekam: »Man kann leicht Beamter oder Schutzmann werden, aber nicht — Gastwirt." Oder wenn die entrüstete Frage ge stellt wird: „Soll man wirklich die Tanzvergnügungen uw zwölf Uhr nachts schließen und das junge Volk dann hin ausjagen in die dunkle Nacht!" Natürlich wird man in bestimmten Kreisen den Mund verziehen über diese „Bier rede", aber das „riäenäo äioero verum", „lachend die Wahr heit zu sagen", ist jedenfalls sehr viel sympathischer, als eine jener üblen Szenen zu spielen, an denen der Reichstag jo nia» gerade arm ist. Wenn in den Sitzungssaal des Reichstages eine Fülle mehr oder weniger guter Witze hineinströmt, da ist das sicherlich besser, als wenn man sich im Parlament ganz „unparlamentarische" Schimpfworte NN den Kopf wirft. . Der notwendige „Ernst des Lebens" tritt ja schnell genug wieder an den Reichstag heran und seh, Viel weniger gemütlich wird es zugehen, wenn das " eueKat> juett dort zum Kamps antreten wird. Di« Parlamentarischen Rechenkünstler sind ja schon eifrig an de, Arbeit, fcstzustellen, ob Dr. Brüning, der Deutschen Republik 20. Kanzler, nun doch „hinausgejagt wird in die dttNklc Nacht" durch ein Mißtrauensvotum der Ncichstags- mehrheit. Oder ob er doch eine, wenn auch nur kleine, aber an sich genügende Mehrheit erhält; wobei es natür lich in der Hauptsache auf die Haltung der Deutschnatio- nalen ankommt. Besser gesagt: auf das Programm, das die neue Regierung vor den Reichstag bringen wird. »Ohne irgendwelche koalitionsmäßigen Bindungen" hat Dr. Brüning sein Kabinett zusammengestellt, nachdem "Nen Augenblick lang cs so ansgesehen hatte, als werd« er den bisherigen, meist nicht gerade sehr erfreulichen Weg des Verhandelns mit den Fraktionen auch Wiede, einschlagen. Was die zurückgetretene Regierung Müllei nicht über sich gewann, will das neue Kabinett wagen' die „o f f c n e F e l d s ch l a ch t" im Reichstag, die Frage stellung an die Parteien, ob sie für oder Wider das Programm sind, das ihnen vorgelegt wird. Aber das Rätselraten geht schon viel weiter. Was plant die Regierung für den Fall, daß ein Miß trauensvotum im Reichstag eine Mehrheit findet- Tchon seit Tagen schwirrt ja durch die politischen Dis- Mionen der Hinweis auf den Artikel 48 der Reichsverfassung, wonach der Reichspräsident dann, wenn „im Deutschen Reich die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder gefährdet wird, di« Zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen treffen" kann. Allerdings Müssen die hierauf bezüglichen Verordnungen und Maß- Uahmen „unverzüglich dem Reichstag zur Kenntnis ge bracht« werden und der Reichstag kann beschließen, daß diese Maßnahmen wieder außer Kraft zu setzen sind. Der Wortlaut dieses Artikels der Verfassung ist ja so un bestimmt, daß nun den Meinungsverschiedenheiten dar über, ob und wann und wie er anznwenden ist, die Tore Weit geöffnet werden; denn das in der Verfassung vor gesehene, alles Nähere bestimmende Ausführungsgesetz ist bisher nicht zustande gekommen. Dars dieser Artikel benutzt werden, um das Programm Dr. Brünings zur Durchführung zu bringen im Gegensatz zu einer „wider spenstigen" Reichstagsmehrheit? Hak der neue Reichs- lanzler die entsprechende Zusage des Reichspräsidenten in der Tasche? Im Reichstag glaubt man das bejahen zu dürfen — und das würde sich dahin auswirken, daß selbst An Mißtrauensvotum gegen Dr. Brüning und sein Kabinett nur eine Art „aufschiebende" Bedeutung hat. und noch mehr munkelt man, noch ein anderes »Gespenst" schleiche durch die Neichstagsgänge: Auf- 'vsung, Neuwahlen. Daß also sie alle, die 490 Abgeord- „hinausgejagt werden in die dunkle Nacht" der Ungewißheit einer Wiederwahl. Das alles erwägt man 'Wog sorgenden Gemüts. Und diese „Sorgen" werden lvohl auch nicht ganz ohne Wirkung bleiben: Für vvvr wider Dr. Brüning/ Parlamentarische Niederlage der englischen Regierung . London. Im Englischen Unterhaus erlitt die Regierung bei der Abstimmung über einen von Macdonald eingebrachten Antrag, die Geschäftsordnung außer Kraft zu setzen, aus Grund deren die Debatte über die Kredite für die Regierungs ämter um 11 Uhr abends beendet sein muß, eine Niederlage. Es wurden 179 Stimmen für Viesen Antrag abgegeben und 183 Stimmen dagegen. Die Ablehnung des Regierungs antrages wird politische Folgen nicht nach sich ziehen. Der hieraus von der Opposition gestellte Antrag aus Vertagung wurde mit 185 gegen 175 Stimmen ab gelehnt. Das Haus ging sodann zur Tagesordnung über. BereidigW der« ReWreMW Regierung Mning im Amt. Die Regierungserklärung am Dienstag. Reichskanzler Dr. Brüning hat die Regierungs- geschäste am Montag übernommen. In der Reichskanzlei fand in feierlicher Form die Verabschiedung des bisheri gen Reichskanzlers Müller und die Einführung des neuen Reichskanzlers Dr. Brüning statt. Staatssekretär Dr. Pünder dankte dem bisherigen Reichskanzler für das Wohlwollen, das er den Beamten, Angestellten und Ar beitern der Reichskanzlei bewiesen, und sicherte dem neuen Reichskanzler die vollste Hingabe Les Personals der Reichskanzlei zu. Reichskanzler Müller sprach seinen Dank für die treue Mitarbeit aus und übergab die Amts- geschäste in einer längeren Ansprache dem neuen Reichs kanzler, der darauf in herzlichen Worten erwiderte und dabei die Hoffnung aussprach, daß ihm die Reichskanzlei in derselben Weise zur Seite stehen werde, wie Vas in so vorbildlicher Weise in der Zeit seines Amtsvorgängers der Fall gewesen sei. Am Nachmittag stellte sich das neue Kabinett dem Reichspräsidenten vor, der die Reichsminister auf die Reichsverfassung vereidigte. Sämtliche Minister, auch die bereits dem Kabinett Müller angehörenden, leisteten den Eid, weil nach dem Gesetz über die Rechtsverhältnisse des Reichskanzlers und der Reichsminister vom 27. Mürz d. I. die Eidesformel geändert worden ist. Die bisherige Formel lautete: „Ich schwöre Treue der Verfassung, Ge horsamkeit den Gesetzen und gewissenhafte Erfüllung meiner Amtspflichten." Die neue Eidesformel hat den Wortlaut: „Ich schwöre, ich werde meine Kräfte für Vas Wohl des deutschen Volkes einsetzen, die Verfassung und die Ge setze des Reiches wahren, die mir obliegenden Pflichten gewissenhaft erfüllen und meine Geschäfte unparteilich und gerecht gegen jedermann führen." Die religiöse Form ist zugelassen. In der ersten Kabinettssitzung hat die Reichsregierung über den Inhalt der Regierungserklärung beraten, die am Dienstag abgegeben wird. Die Programm erklärung soll nur kurz sein. Im Mittelpunkt der Er klärung soll die Agrar- und Ostpolitik stehen, wobei unter Ostpolitik das vom Reichspräsidenten vor kurzem in seinem Brief an Reichskanzler Hermann Müller geforderte Hilfsprogramm für den deutschen Osten ver standen werden muß. Den Erklärungen über die Außen politik und Handelsvertragspolitik (Polen) sieht man an gesichts der Zugehörigkeit des deutschnationalen Land bundführers Schiele zum Kabinett mit Spannung ent gegen. Das Molden hauersche Finanzpro gramm aus dem Kabinett Müller soll übernommen werden, wobei die Steuergesetze mit größter Beschleuni gung, Wenn möglich auf dem normalen parlamentarischen Wege, verabschiedet werden sollen. Reichsminister Schiele legt sein Mandat nieder. Reichsernährungsminister Schiele hat in einem Schreiben an den Präsidenten des Reichstages sein Mandal als Reichstagsabgeordneter niedergelegt. Als Nachfolger tritt Oberst a. D. von Bartenwerffer aus Thale im Harz (Wahlkreis Magdeburg) in den Reichs tag ein. Die Ausgaben des neuen Kabinetts. „Regierung der nationalen Dienstpflicht." Reichsminister Treviranus stellt dem „Mittag" in Düsseldorf bedeutsame Ausführungen über das politische und sachliche Programm des neugewühltcu Kabinetts zur Verfügung. Es heißt darin: Die neue Reichsregierung wird eine Regierung der nationalen Dienst pflicht sein. Ihre Aufgaben sind klar vorgezeichnet. In der Außenpolitik beginnt ein neuer Abschnitt. Alle Kräfte des Volkes müssen angespannt werden, um unsere außen politischen Verpflichtungen auf ein tragbares Maß zu bringen. Die Außenpolitik wird aus dem Rahmen der Parteipolitik befreit. Die Arbeitslosigkeit wird von der Reichsregierung mit aller Energie bekämpft werden. Der bisherige Weg führte nicht zum Ziel. Man hat die steigenden Ziffern der Arbeitslosigkeit und der drohenden Konkurse bisher zum Anlaß genommen, um deren Wirkung abzuschwächen. Wir werden den umgekehrten Weg gehen und nicht die Folgen, sondern die Ursache der Wirtschaftskrise und der Arbeits losigkeit bekämpfen. Auf diese Weise werden sich auch die Fragen der Arbeits losenversicherung lösen. Die besondere Sorge der Reichs- rcgierung gilt selbstverständlich der Landwirtschaft. Auch mit der Wiederherstellung der landwirtschaftlichen Rentabilität wird die Regierung auf keinen ernsten Widerstand stoßen können. Ebenso wird die Wiederaufrichtung der Kräfte des ventsch-n Ostens dem Ziele der Reichsregierung dienen: die Kräfte der ganzen Ration wieder fruchtbar zu machen. Auf diesem Wege werden sich am allerwenigsten Mitglieder der Reichsregierung aufhalten lassen, die sich bei Auflockerung der Parteischranken eine konservative Erneuerungsarbeit bei ihrer Politik zum Ziele gesetzt haben. Die bisherigen Versuche, die die letzte Koalitions regierung Monate hindurch unternahm, um dem weiter schreitenden Unheil zu steuern, haben versagt. Aus diesem Grunde hat der Reichspräsident eingegriffen. Auch diese Regierung ist selbstverständlich bereit, mit der Volks vertretung zusammenzuarbeiten. Sie kann sich aber durch Mißtrauensvoten oder parlamentarische Niederlagen vor Ablauf der Sanierungsarbeit nicht Von der Erfüllung ihrer Pflichten abhalten lassen. Abschied vom ReichsverkehrsmIMermm. Stegerwalds Dank an seine Mitarbeiter. Der bisherige Reichsverkehrsminister Dr. Stegerwald verabschiedete sich am Montag von den Beamten und An gestellten des Reichsverkehrsministeriums. In seiner An sprache hob er außer Worten des Dankes an seine Mit arbeiter hervor, daß er nur ungern vom Neichsverkehrs- ministerium scheide und auf eine längere Tätigkeit gehofft habe, doch sei in diesem einen Jahr schon viel er reicht worden, insbesondere durch die Neufassung des Reichsbahngesetzes, durch das eine einheit liche Führung der Perkehrspolitik angesichts der heutigen großen Aufgaben möglich sein werde. Staatssekretär Dr. Gurbrod sprach dem scheidenden Minister den Dank der Beamten und Angestellten des Reichsverkehrsministeriums für die vertrauensvolle Zu sammenarbeit aus. Das neue Rsichskabinett Sitzend (von links): Reichs innenminister Dr. Wirth (bisher Minister für die be setzten Gebiete), Reichswirt- jchaftsminister und Vizekanz ler Dr. Dietrich (bisher Lrnährungsminister), Reichs kanzler Dr. Brüning, Reichsaußenminister Dr. Curtius (wie bisher), Reichspostminift. Schätzel (wie bisher). — Stehend (von links): Reichsminister für die besetzten Gebiete Treviranus, Reichsju stizminister Dr. Bredt, Reichsarbestsminister Dr. Stegerwald (bisher Verkehrsminister), Reichs finanzminifter Dr. Mol denhauer (wie bisher), Reichsverkehrsminister von Guörard (bisher Justiz- Minister).